Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen, den Tenor und die Entscheidungsgründe des am 14. November 2006 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Schöneberg Bezug genommen.
Der Antragsteller verfolgt mit der Berufung seinen Scheidungsantrag vom 13. November 2003 weiter und behauptet, dass auch für die Antragsgegnerin das für das Vereinigte Königreich und Irland massgebliche Anknüpfungskriterium des „domicile“ eindeutig nicht gegeben sei, da sie beide nicht nur vorübergehend, sondern auf unbestimmte Zeit und dauerhaft in Dubai – außerhalb der EU – leben würden und daher weder Wohnsitz noch „domicile“ in einem Mitgliedsstaat hätten.
Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung des Familiengerichts insbesondere mit dem Hinweis, dass ihr angestammtes „domicile of origin“ weiterhin in England sei, weil sie ihren Lebensmittelpunkt nicht auf Dauer in der Absicht, niemals nach England zurückzukehren, nach Dubai verlegt habe. Das „domicile of origin“ könne nur durch faktische Verlegung des Wohnsitzes verbunden mit dem voluntativen Element, dort auf immer oder unabsehbare Zeit zu bleiben, zum so genannten „domicile of choice“ geändert werden, so dass das Scheidungsverfahren gegen sie nach nationalem Recht im Vereinigten Königreich geführt werden könne.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die vorgetragenen Inhalte der eingereichten Schriftsätze sowie hinsichtlich der weiteren Hinweise und Parteierklärungen auf die Sitzungsniederschrift vom 4. April 2007 (Bl. 173) Bezug genommen.
I. Die zulässige Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Familiengerichts, das seine Klage – richtiger seinen vom 13. November 2003 datierenden Scheidungsantrag –wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit abgewiesen hat, ist unbegründet, da das Amtsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Ergebnis zu Recht verneint hat. Zur Klarstellung der eingeschränkten Rechtskraftwirkung der bestätigten Entscheidung und im Hinblick auf § 622 Abs. 3 ZPO hat der Senat allerdings durch die Maßgabe bei der Zurückweisungsentscheidung auch in der Tenorierung des Urteils zum Ausdruck gebracht, dass der Scheidungsantrag durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen worden ist, weil das angerufene Gericht sich – entsprechend dem Art. 9 EG-VO Nr. 1347/2000 – für unzuständig erklärt hat.
Die Prozessvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte zur Entscheidung über den Scheidungsantrag des Antragstellers ist im Hinblick auf die mehrfache Auslandsberührung, hier zum einen durch den gewöhnlichen Aufenthalt beider Parteien in Dubai und zum anderen durch die britische Staatsangehörigkeit der Antragsgegnerin, in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen und unabhängig von Einlassungen des Prozessgegners zu prüfen, da dieser in Ehesachen keine Zuständigkeit durch rügelose Einlassung begründen könnte (vgl. Uwe Schmidt, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 236 f.).
Für die vom deutschen Antragsteller im November 2003 in seinem Heimatland eingeleitete Ehesache kann die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nur aus der in Deutschland seit 1. März 2001 geltenden EG-VO Nr. 1347/2000 (auch EuEheVO oder Brüssel II) folgen, da dieses gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB vorrangige EG-Recht in seinem sachlichen und geografischen Geltungsbereich an die Stelle der nationalen Regelung des § 606 a ZPO getreten ist. Die Neufassung der auch „Brüssel II a“ genannten EG-VO Nr. 2201/2003 vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 erfasst nach der maßgeblichen Übergangsvorschrift in Art. 64 Abs. 1 nur gerichtliche Verfahren, die nach dem 1. März 2005 eingeleitet wurden; die Kommentierungen zu den inhaltlich gleichen Regelungen zur Ehescheidungszuständigkeit in den Art. 3 – 7 in EG-VO Nr. 2201/2003 können jedoch auch im Rahmen der Auslegung zu Art. 2 – 8 in EG-VO Nr. 1347/2000 herangezogen werden, da nur die Bezifferung verändert worden ist (vgl. die Entsprechungstabelle im Anhang VI zu Art. 71, bzw. die Gegenüberstellung bei Uwe Schmidt, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 268 ff., 273 f.), allein der Anwendungsbereich in Sorgerechtsverfahren ist deutlich erweitert worden.
Das Familiengericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf die nationale Auffangregel des § 606 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO, auf die sich der Antragsteller nun auch im Berufungsverfahren weiter beziehen will, nur dann zurückgegriffen werden kann, wenn das vorrangige EG-Recht dies auch zulässt.
Der Antragsteller meint zwar zu Recht unter Hinweis auf eine Kommentierung von Dilger (in Geimer / Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Band II, Nr. 545, S. 133, Rn. 46, Fn. 128), dass es für das Eingreifen der von der Antragsgegnerin angeführten Ausschließlichkeitsklausel in Art. 7 in EG-VO Nr. 1347/2000 auf das „domicile“ der Antragsgegnerin ankommt und nicht auf deren Staatsangehörigkeit, weil an deren Stelle für das Vereinigte Königreich und Irland das „domicile“ tritt. Nach der genannten, zugunsten des jeweiligen Antragsgegners wirkenden Schutzvorschrift darf gegen einen Ehegatten, der entweder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat oder Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates ist oder im Falle des Vereinigten Königreichs und Irlands sein „domicile“ im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedsstaaten hat, ein (Scheidungs-) Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedsstaates nur nach Maßgabe der Art. 2 bis 6 in EG-VO Nr. 1347/2000 durchgeführt werden.
Es ist unbestritten, dass die Voraussetzungen des maßgeblichen Art. 2 (Art. 3, 4 und 5 betreffen nur die elterliche Verantwortung bzw. Gegenanträge oder die Umwandlung einer bereits getroffenen Trennungsentscheidung in eine Scheidung) für die deutschen Gerichte nicht vorliegen, weil keiner der Ehegatten, die vor ihrer Übersiedlung nach Dubai im Jahre 2002 ab 1996 gemeinsam in Großbritannien gelebt haben, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland als dem Mitgliedsstaat, dessen Familiengericht vom Antragsteller angerufen worden ist, hat (Art. 2 Abs. 1 a), noch besitzen die Ehegatten gemeinsam die hiesige Staatsangehörigkeit (Art. 2 Abs. 1 b). Dasselbe gilt für das von der Antragsgegnerin in ihrem Heimatland bereits eingeleitete Scheidungsverfahren im Übrigen auch, da sich auch der hiesige Antragsteller als Antragsgegner dort auf die Ausschließlichkeitsklausel berufen kann.
Soweit der Antragsteller für seinen hiesigen Scheidungsantrag eine Restzuständigkeit nach Art. 8 der EG-VO Nr. 1347/2000 durch Rückgriff auf das lex fori in Anspruch nehmen will, weil die Sperre des Art. 7 der EG-VO Nr. 1347/2000 nicht anwendbar sei, geht er von falschen Voraussetzungen aus, soweit er annimmt, das sie beide dauerhaft eindeutig außerhalb der EU leben würden und daher weder Wohnsitz noch „domicile“ in einem Mitgliedsstaat hätten.
Die Antragsgegnerin hat die Entscheidung des Familiengerichts mit dem zutreffenden Hinweis verteidigt, dass selbst bei einer „domicile“-Anknüpfung der Schutzzweck des Art. 7 zu ihren Gunsten greifen würde, weil ihr angestammtes „domicile of origin“ weiterhin in England sei, da sie ihren Lebensmittelpunkt nicht auf Dauer in der Absicht, niemals nach England zurückzukehren, nach Dubai verlegt habe. Der Antragsteller geht demgegenüber zu unrecht davon aus, dass auch nach englischen Rechtsvorstellungen, die gemäß Art. 2 Abs. 2 EG-VO Nr. 1347/2000 für den Begriff des dort an die Stelle der Staatsangehörigkeit tretenden „domicile“ bestimmend sind, bereits ein gemeinsames „domicile of choice“ in Dubai begründet sein könnte, denn er verkennt bei seiner Argumentation grundlegend, dass der englische Begriff des domicile wesentlich enger ist als der deutsche Begriff des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes.
Domicile bedeutet die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rechtsgebiet, weshalb es keinen Domizilort gibt, sondern nur ein Domizilgebiet. Jede Person hat ein derartiges domicile und kann zur selben Zeit nur eines haben, wie es auch im Bericht der spanischen Prof. Alegria Borrás zum damaligen Staatsvertragsentwurf (im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 16. Juli 1998 zu C 221/27), der auch zur Auslegung der seinerzeit vorbereiteten EG-VO Nr. 1347/2000 herangezogen werden kann (vgl. Linke, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2006, Rn. 127, Fn. 58) zu Nr. 34 ausdrücklich hervorgehoben wurde. Das englische Recht unterscheidet insoweit zwischen dem durch Geburt erworbenen „domicile of origin” (Ursprungsdomizil) und einem später freiwillig erworbenen Wahldomizil, dem „domicile of choice”. Sein „domicile of origin” kann nur verlieren, wer ein neues „domicile of choice” erwirbt. Letzteres kann eine volljährige Person dadurch erwerben, dass sie sich in einem fremden Land niederlässt (factum of residence) in Verbindung mit der Absicht, dort für immer zu bleiben (animus manendi) und auf Dauer nicht mehr in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren (vgl. IPG [= Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht, veröffentlicht im Auftrag des Rates für Internationales Privatrecht] 1972 Nr. 18, S. 161; IPG 1996, Nr. 32, S. 426). An die Darlegung dieser Voraussetzung stellt das Common Law hohe Anforderungen (IPG 1972, aaO). Es sind insoweit alle Umstände zu berücksichtigen, die auch nur entfernt auf das Vorhandensein oder Fehlen einer solchen Absicht schließen lassen. Die Vermutung spricht für die Beibehaltung des bisherigen „domicile”, insbesondere, soweit das neue Domizil im Ausland liegen würde. Feste Regeln, aus welchen Tatsachen auf den „animus manendi / non revertendi” geschlossen werden kann, gibt es nicht. Selbst ein langjähriger Aufenthalt ist in keinem Fall allein ausreichend. Gegen die Absicht können sprechen eine rein berufliche Motivation oder starke Unterschiede in Religion, Lebensweise, Sitten usw. gegenüber dem bisherigen Domizil (IPG 1972, Nr. 18 aaO).
Nach diesen Grundsätzen des Common Law, auf die die Antragsgegnerin bereits erstinstanzlich in den Schriftsätzen vom 3. März 2005 und vom 24. März 2006 hingewiesen hat, ist nicht ersichtlich, dass sie ihr eigenes „domicile of origin“ aufgegeben haben könnte. Da der Antragsteller dauerhafte anderweitige Bindungen der Antragsgegnerin an das Leben in Dubai auch im letzten Schriftsatz vom 26. März 2007 nicht dargelegt hat, ist davon auszugehen, dass ihr „domicile of origin“ auch weiterhin im Heimatland liegt, weil nicht festgestellt werden kann, dass sie sich dauerhaft oder zumindest für unbefristete Zeit und ohne Rückkehrabsicht für ein neues „domicile of choice“ entschieden hat. Allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin Ende 2002 mit der gemeinsamen, jetzt 12 ½-jährigen Tochter dem deutschen Antragsteller, der seit Anfang 2002 beruflich in Dubai tätig ist, in das arabische Land gefolgt ist, und dass sie dann auch nach der im April 2003 alsbald erfolgenden Trennung dort wohnen geblieben ist, reicht für die Feststellung eines neuen „domicile of choice“ nicht aus. Es ist vielmehr lebensnah anzunehmen, dass die Antragsgegnerin irgendwann einmal – etwa nach Beendigung der Berufstätigkeit des bisher dort angebundenen Vaters ihrer Tochter oder nach deren Volljährigkeit – in das Heimatland zurückkehren wird. Es ist nach der Aktenlage noch nicht einmal klar, ob der Antragsteller selbst auch bei Beendigung seiner seit 2002 von dort ausgehend, teilweise aber auch in Nigeria, ausgeübten Berufstätigkeit dauerhaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten bleiben wird, zumal er nach den vorgelegten Passkopien offenbar nur zeitlich befristete „residence permits“ erhält, die ungültig werden, wenn er für mehr als 6 Monate außer Landes ist. Soweit der Antragstellervertreter im Senatstermin gebeten hat, ihm noch Gelegenheit zum weiteren Vortrag zur Frage des Verlusts des „domicile of origin“ der Antragsgegnerin zu geben, brauchte dem nicht entsprochen zu werden, da die in früheren Schriftsätzen der Antragsgegnerin bereits angesprochene rechtliche Problematik ihres fortbestehenden „domicile“ vom Antragsteller selbst zum Inhalt seiner Berufungsangriffe gemacht worden ist, so dass es kein Grund für eine Erklärungsfrist nach § 139 Abs. 5 ZPO oder § 283 ZPO ist, wenn sein Vortrag dazu sich als unzureichend erweist.
Solange die Antragsgegnerin ihr „domicile of origin“ noch im Vereinigten Königreich hat, ist der Rückgriff auf nationales Kompetenzrecht, der sonst über die Restzuständigkeit nach Art. 8 Abs. 1 der EG-VO Nr. 1347/2000 möglich wäre, für einen Scheidungsantrag des deutschen Antragstellers in seinem Heimatland wegen der eindeutigen Sperrwirkung des Art. 7 b) der EG-VO Nr. 1347/2000 ausgeschlossen (vgl. Zöller / Geimer, 25. Aufl., zu § 606 a ZPO Rn. 3 b; Geimer / Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Band II, Nr. 545, S. 191, Rn. 1 und S. 199 Rn. 17; Geimer in Geimer / Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004, zu Art. 7 VO (EG) Nr. 1347/2000 Rn. 2 f. und zu Art. 8 Rn. 2 – 4), so dass er seinen Antrag im Vereinigten Königreich verfolgen muss, weil die Anwendung der lex fori nur im Heimat-, Aufenthalts- oder domicile-Staat des Antragsgegners zugelassen ist (vgl. Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2006, zu Art. 7 Brüssel II a-VO Rn. 11). Die in 1. Instanz aufgeworfene Frage einer internationalen Notzuständigkeit wegen Rechtsverweigerung stellt sich nicht, da nicht ersichtlich ist, dass die britischen Familiengerichte das „domicile of origin“ der Antragsgegnerin verneinen könnten, wenn sie vom Antragsteller angerufen würden.