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unalex. Rechtsprechung Entscheidung CH-552
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung CH-552  



Obergericht Zürich (CH) 06.03.2012 - PS120005
Art. 34 Nr. 3 LugÜ 2007 – unalexAnerkennungshindernis Unvereinbarkeit mit früherer Entscheidung im Anerkennungsstaat

Obergericht Zürich (CH) 06.03.2012 - PS120005, unalex CH-552




-  Entscheidungstext 

I. 1. Mit Eingabe vom 16. Januar 2012 (Poststempel) focht die Beschwerdeführerin die Verfügung des Einzelrichters im beschleunigten Verfahren am Bezirksgericht Zürich vom 4. Januar 2012 an. Darin war, „unter Verweis auf § 159 GVG/ZH, jedoch mit dem Hinweis, dass die Erwägungen des Bundesgerichts in BGE 135 III 127 (insbes. E. 3.4.2) nach wie vor einschlägig sind“, das Sistierungsgesuch der Klägerin und heutigen Beschwerdeführerin vom 22. Dezember 2011 abgewiesen worden.

2. Im Beschwerdeverfahren stellte die Beschwerdeführerin folgende Anträge:

1. Die angefochtene Verfügung sei aufzuheben.

2. Das vorinstanzliche Verfahren FB060144 sei einzustellen, bis das Appellationsgericht Brüssel („La Cour d'appelle de Bruxelles, 9ème Chambre“) über die Höhe des sog. Diskontinuitäts-Schadens („passif de discontinuité“), weIchen die Beklagte und Beschwerdegegnerin gemäß Urteil vom 27. Januar 2011 des genannten Appellationsgerichts in solidarischer Verpflichtung zusammen mit der Nachlassmasse der D. AG in Nachlassliquidation der A. SA in Konkurs vollumfänglich zu ersetzen hat, endgültig entschieden hat.

3. Eventualiter sei das vorinstanzliche Verfahren FB060144 zumindest bis zu demjenigen Zeitpunkt einzustellen, in welchem das von der Klägerin am 24. März 2011 beim Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich eingeleitete und zur Zeit zweitinstanzlich beim Obergericht des Kantons Zürich pendente Verfahren betreffend Anerkennung und Vollstreckung des Urteils vom 27. Januar 2011 des Appellationsgerichts Brüssel rechtskräftig erledigt sein wird.

4. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurück und diese sei anzuweisen, das vorinstanzliche Verfahren FB060144 einzustellen, bis das Appellationsgericht Brüssel („La Cour d'appelle de Bruxelles, 9ème Chambre“) über die Höhe des sog. Diskontinuitäts- Schadens („passif de discontinuite“), welchen die Beklagte und Beschwerdegegnerin gemäß Urteil vom 27. Januar 2011 des genannten Appellationsgerichts in solidarischer Verpflichtung zusammen mit der Nachlassmasse der D. AG in Nachlassliquidation der A. SA in Konkurs vollumfänglich zu ersetzen hat, endgültig entschieden hat, eventualiter das vorinstanzliche Verfahren FB060144 zumindest bis zu demjenigen Zeitpunkt einzustellen, in welchem das von der Klägerin am 24. März 2011 beim Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich eingeleitete und zur Zeit zweitinstanzlich beim Obergericht des Kantons Zürich pendente Verfahren betreffend Anerkennung und Vollstreckung des Urteils vom 27. Januar 2011 des Appellationsgerichts Brüssel rechtskräftig erledigt sein wird“.

Unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin“.

3. Mit Verfügung vom 27. Januar 2010 (act. 6) wurde der Beschwerdeführerin ein Kostenvorschuss von CHF 30.000,- auferlegt, welcher rechtzeitig geleistet wurde (act. 8). Auf das Einholen einer Beschwerdeantwort kann gemäß Art. 322

Abs. 1 ZPO verzichtet werden. Die Sache ist spruchreif.

II. 1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei unhaltbar, dass die Vorinstanz ihren Entscheid – unter Hinweis auf den altrechtlichen § 159 GVG/ZH – nicht begründet habe. Werde mit der Beschwerde ein neurechtliches Rechtsmittel ergriffen, so beeinflusse dies auch die erstinstanzliche Begründungspflicht, auch wenn sich das erstinstanzliche Verfahren noch nach dem bisherigen kantonalen Verfahrensrecht richte (act. 1 Rn. 6 f.).

Das Verfahren vor Vorinstanz ist nach den altrechtlichen Regeln zu führen, so dass aus dieser Sicht die Bestimmung von § 159 GVG/ZH durchaus anwendbar ist. Die Beschwerdeführerin ist allerdings der Ansicht, dass es nicht richtig sein könne, wenn ein vorinstanzlicher Entscheid im Hinblick auf das zu ergreifende (neurechtliche) Rechtsmittel unbegründet bleibe.

§ 159 GVG/ZH steht im Zusammenhang mit § 271 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO/ZH (vgl. Robert Hauser/Erhard Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, N. 1 zu § 159 GVG). § 271 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO/ZH sah vor, in welchen Fällen prozessleitende Entscheidungen mit dem ordentlichen Rechtsmittel des Rekurses anfechtbar waren. In den anderen Fällen prozessleitender Entscheidungen stand gemäß § 282 ZPO/ZH die Nichtigkeitsbeschwerde zur Verfügung. Nach § 271 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO/ZH war der Rekurs nur zulässig, wenn die Sistierung bewilligt wurde; wurde sie abgelehnt, so war allenfalls die Nichtigkeitsbeschwerde zulässig (Richard Frank/Hans Sträuli/Georg Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 1997, N. 27 zu § 271 ZPO); dies allerdings nur, wenn ein schwer wiedergutzumachende Nachteil drohte oder wenn ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten eingespart werden konnte. Nach altem Recht konnten demnach prozessleitende Entscheide, mit denen die Sistierung verweigert wurde, unbegründet erlassen werden, obwohl dagegen – unter besonderen Voraussetzungen – die Nichtigkeitsbeschwerde iSv § 282 Abs. 1 ZPO/ZH ergriffen werden konnte. Statt der Nichtigkeitsbeschwerde nach altem Recht ist es nach neuem Recht die Beschwerde nach Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO iVm Art. 405 Abs. 1 ZPO (vgl. KuKo ZPO-Brunner, N. 10 zu Art. 319; Ku- Ko-Weber, N. 14 zu Art. 126 ZPO; lit. a der genannten Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, weil Art. 126 Abs. 2 ZPO die Beschwerde nur bei Zulassung der Sistierung ausdrücklich vorsieht). Eine fehlende Rechtsmittelbegründung würde die Beschwerdeführerin nicht schlechter stellen als bisher und sie käme damit auch nicht in eine unhaltbare Situation, wenn sie statt die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde das Rechtsmittel der Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO begründen muss.

Entscheidend ist allerdings, dass es sich letztlich gar nicht um einen unbegründeten Entscheid handelt. Die Vorinstanz hat auf den ergangenen Bundesgerichtsentscheid 135 III 127 (insb. E. 3.4.2) verwiesen. § 161 GVG/ZH lässt den Verweis auf die Sachdarstellung und die Entscheidungsgründe der Vorinstanz zu, soweit diesen beigepflichtet wird. Sinngemäß müsste dies auch für einen im gleichen Zusammenhang ergangenen Bundesgerichtsentscheid gelten.

In der genannten Erwägung (3.4.2) hält das Bundesgericht Folgendes fest:

„Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, dass diese Umstände die Sistierung nicht zu rechtfertigen vermögen. Die Anwendung belgischen Rechts in – wie hier vorliegenden – komplexen Verhältnissen kann zwar für die Sistierung sprechen. Ebenso könnten die Beweismittel aus dem belgischen Verfahren den Kollokationsprozess vereinfachen. Allerdings ändert die Annahme, dass der belgische Prozess wohl früher als das Kollokationsverfahren in der Schweiz beendet sein werde, nichts daran, dass in Belgien bis zur Durchführung der Hauptverhandlung, Verkündung des zweitinstanzlichen Urteils und dessen Ausfertigung noch viele Monate, wenn nicht Jahre vergehen dürften, insbesondere wenn es zu einem Rechtsmittelverfahren vor dem belgischen Höchstgericht kommen sollte. Gegen die Sistierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt spricht im Weiteren, dass der Kollokationsrichter materielle SchKG-Bestimmungen (wie Ansprüche aus Art. 285 ff. SchKG, welche einredeweise vorgebracht werden können) anzuwenden hat (BRUNNER/REUTTE R, aaO, S. 62). Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Kollokationsrichter zuerst prüft, ob die Anwendung von materiellen SchKG-Bestimmungen zur gänzlichen oder teilweisen Abweisung der Kollokationsklage führt. Ist dies der Fall, könnte er die Klage vollständig oder durch Teilurteil abweisen. Ob die Berufung auf materielle SchKG-Bestimmungen erfolgreich ist, ist nicht jetzt zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund ist mit dem Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Beurteilung der Streitsache innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV) nicht vereinbar, den Kollokationsprozess für viele Monate, eventuell Jahre einzustellen. Die Beschwerde gegen die Beschlüsse, mit welchen die Sistierung bestätigt wurde, ist begründet“.

Das lässt durchaus erkennen, was für die Vorinstanz bestimmend gewesen war, was die Beschwerdeführerin auch einräumt (act. 1 Rn. 9 f.). Letztere war denn auch ganz offensichtlich in der Lage, ihr Rechtsmittel zu begründen. Für Weiterungen gibt es daher keinen Anlass.

2. Was die Voraussetzung des nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils (Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO) anbelangt, befürchtet die Beschwerdeführerin konkret, dass – ohne die verlangte Sistierung – der rechtskräftige Entscheid des belgischen Appellationsgerichts vom 27. Januar 2011, mit welchem das vorinstanzliche Sistierungsgesuch in erster Linie begründet wurde (vgl. act. 73 Ziff. 1-15), einfach ignoriert und das Kollokationsverfahren ohne Rücksicht darauf fortgesetzt würde (act. 1 Rn. 21). Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass sich das mit einem Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Endentscheid gegebenenfalls noch beheben liesse, jedoch nur um den Preis eines ganz erheblichen zusätzlichen Verfahrensaufwandes, was sie bereits im vorinstanzlichen Verfahren dargelegt habe (act. 1 Rn. 22 mit Hinweis auf act. 73 Rn. 15-24). Das sei zumindest ein nicht wieder gutzumachender prozessökonomischer Nachteil (act. 1 Rn. 24). Mit einem Entscheid, welcher den Kollokationsentscheid abändern oder aufheben würde, weil eine Bindung an den Entscheid des belgischen Appellationsentscheides zu Unrecht verneint worden wäre, würde sehr viel unnötiger Verfahrensaufwand betrieben (act. 1 Rn. 24). Das ließe sich verhindern, wenn das belgische Urteil rechtskräftig anerkannt würde (act. 1 Rn. 25). Damit liege ein beachtenswerter erheblicher Nachteil tatsächlicher Natur vor, was als Eintretensvoraussetzung iSv Art. 319 LIT b ZPO ausreiche (act. 1 Rn. 26).

Als weitere Gründe führt die Beschwerdeführerin die Gefahr widersprechender inländischer Entscheidungen iSv Art. 34 Ziff. 3 revLugÜ an. Das mache die Gegenpartei bei der Kammer (recte: der I. Zivilkammer) in den Geschäften RV110006 bzw. RV110014 i.S. Konkursmasse A. gegen D. geltend. Die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin würde bei einer Anerkennungsverweigerung gemäß Art. 34 Ziff. 3 LugÜ offenkundig noch brisanter, weil zur Wiedergutmachung ein noch erheblicherer Aufwand erforderlich wäre (act. 1 Rn. 27). Daher überwiege der Nachteil der Beschwerdeführerin den möglichen Nachteil, den eine Verfahrensverzögerung mit sich bringen könne (act. 1 Rn. 28). Der Kollokationsprozess vor Vorinstanz würde erheblich vereinfacht und damit beschleunigt, wenn für das weitere Vorgehen der verbindlich vollstreckbar erklärte Entscheid des Brüsseler Appellationsgerichts maßgeblich wäre. Das Exequaturverfahren sei bereits zweitinstanzlich hängig und das pendente belgische Kassationsverfahren dürfte im ersten Halbjahr 2012 entschieden werden (act. 1 Rn. 29 f.). Ein abweichendes Urteil im Kollokationsverfahren könnte die Beschwerdeführerin selbstverständlich nicht akzeptieren, sondern würde dieses weiterziehen müssen (act 1 Rn. 31).

Die Kammer habe den Entscheid mit voller Kognition zu prüfen, was auch das gewöhnliche Ermessen bzw. die blosse Unangemessenheit betreffe (act. 1 Rn. 38). Die Beschwerdeführerin habe darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht im Jahr 2008 davon ausgegangen sei, dass das belgische Verfahren erst pendent und von einem rechtskräftigen Entscheid noch weit entfernt gewesen sei. Wenn nun nachweislich ein rechtskräftiges Urteil vorliege, gegen das beim belgischen Kassationsgericht nur noch eine Beschwerde ohne aufschiebende Wirkung pendent sei, so verändere dies die Verhältnisse maßgeblich (act. 1 Rn. 41). Das Bundesgericht sei auch nicht so zu verstehen, dass die Schweiz Leistungsurteilen auf Geld aus LugÜ-Staaten generell die Anerkennung und die Vollstreckung versagen würde, was eine massive und offensichtliche Verletzung der einschlägigen Bestimmungen des LugÜ wäre (act. 1 Rn. 42). Die seinerzeit spekulativ veranlagte Verfahrensdauer durch das Bundesgericht habe sich nicht verwirklicht (act. 1 Rz 44). Vorinstanzlich sei dargetan worden, dass das belgische Urteil am 27. Januar 2011 rechtskräftig vorgelegen habe, dass das belgische letztinstanzliche Rechtsmittelverfahren vor dem Höchstgericht an der Rechtskraft von Dispositiv Ziff. 7 lit. a, b, und c des belgischen Urteils ohnehin nichts ändern könne, dass im erstinstanzlichen Exequaturverfahren insbesondere Dispositiv Ziff. 7 lit. c vollstreckbar erklärt worden sei, dass die Erfolgsaussichten im belgischen Kassationsverfahren wegen der beschränken Kognition gering sei und dass letzteres in der ersten Hälfte des Jahres 2012 abgeschlossen sein werde (act. 1 Rn. 45).

Zur bundesgerichtlichen Erwägung, dass gegen eine Sistierung spreche, dass der Kollokationsrichter „materielle SchKG-Bestimmungen, wie z.B. Ansprüche aus Art. 285 ff. SchKG einredeweise berücksichtigen müsse“ (E. 3.4.2 Mitte), sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführerin zwei Anspruchsgegnerinnen gegenüber stünden; im Parallelverfahren sei dies die Nachlassmasse der D. und es würden dort die gleichen Tatsachen und Rechtsgründe ins Feld geführt (act. 1 Rn. 48 f.). Im erstinstanzlichen Kollokationsverfahren, in dem ein doppelter Schriftenwechsel durchgeführt worden sei, habe die Beschwerdegegnerin keine Einreden aus Art. 285 ff. SchKG erhoben. Jedenfalls könne mit Blick auf das voraussichtlich anzuerkennende belgische Präjudiz eine vorläufige Beschränkung auf die materiellrechtlichen SchK-Bestimmungen erfolgen (act. 1 Rn. 51). Aus der maßgeblichen Erwägung 3.4.2 von BGE 135 III 127 könnten keine Argumente gegen eine Sistierung im jetzigen Zeitpunkt entnommen werden (act. 1 Rn. 54). Außerdem seien von den seinerzeitigen Erwägungen lediglich die Erwägung 3.3.3 von Bedeutung, welche aber missverständliche obiter dicta enthalte, welche angesichts der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz fraglich seien (act. 1 Rn. 54 f.). Ein schlichter Verweis auf BGE 135 III 127 ff. reiche deshalb nicht aus. Jedenfalls bestehe keine Bindungswirkung, weil in jenem Verfahren nicht die Beschwerdeführerin, sondern der Staat Belgien Partei gewesen sei (act.1 Rn. 57).

Auch die I. Zivilkammer sei im Geschäft NE110009 bezüglich dortiger Sistierungsgesuche davon ausgegangen, dass der heute maßgebliche Sachverhalt immer noch derselbe sei wie seinerzeit 2008 im Zeitpunkt des Bundesgerichtsentscheides. Das sei nicht haltbar, weil seit mehr als einem Jahre ein rechtskräftiges belgisches Urteil vorliege, das nur noch mit einem außerordentlichen

Rechtsmittel ohne aufschiebende Wirkung angefochten und nur mit sehr beschränkter Kognition überprüft werden könne (act. 1 Rn. 62 ff.). Der Vorinstanz könne eine Frist zur gehörigen Behandlung des Sistierungsgesuches angesetzt werden oder die Kammer könne die vorinstanzliche Verweigerung des rechtlichen Gehörs auch selber heilen, was dann der Fall wäre, wenn die Sache spruchreif wäre und es keiner weiteren Abklärungen oder Prozesshandlungen bedürfe (act. 1 Rn. 68 f.). Über den Aktenbeizug des Exequaturverfahrens RV110006 bei der II. Zivilkammer (recte: bei der I. Zivilkammer) hinaus, müsse nichts weiter vorgekehrt werden (act. 1 Rn. 70). Gegen eine Rückweisung erhebe die Beschwerdeführerin allerdings auch keine Einwendungen (act. 1 Rz 71).

III. 1. Das Vorliegen eines nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils ist eine Eintretensvoraussetzung gemäß Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ohne Sistierung werde sie gezwungen, für ein allenfalls unnötiges Verfahren einen außerordentlichen, unverhältnismäßigen Aufwand zu betreiben. Zwar ließen sich die rechtlichen Nachteile gegebenenfalls auf dem Rechtsmittelweg korrigieren, jedoch nur um den Preis eines ganz erheblichen zusätzlichen Verfahrensaufwandes. Zumindest aus prozessökonomischer Sicht würde der Beschwerdeführerin ein erheblicher, nicht wieder gutzumachender tatsächlicher Nachteil drohen. Die Kammer hält in ihrer Praxis einen tatsächlichen Nachteil für ausreichend, wenn er genügend intensiv ist, worauf die Beschwerdeführerin (act. 1 Rn. 18) hinweist. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2. Die Klägerin hatte bereits im Zusammenhang mit der Einleitung des Kollokationsverfahrens ein Sistierungsgesuch gestellt (act. 5/1 S. 3). In weiteren Verfahren hatte sich seinerzeit ebenfalls die Sistierungsfrage gestellt. Der Parallelfall mit D. als Beschwerdeführerin wurde zunächst ans Obergericht sowie ans Kassationsgericht des Kantons Zürich und dann an das Bundesgericht weitergezogen. Im Einverständnis der Parteien hatte die Vorinstanz aus Gründen der Prozessökonomie und der Zweckmässigkeit das vorliegende Verfahren einstweilen bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Sistierungsentscheides im Parallelfall FB060046 sistiert (Verfügung vom 14. November 2006, vgl. act. 5/7 S. 4 Disposi- tiv-Ziff. 1). Mit Urteil vom 30. September 2008 entschied das Bundesgericht die Sistierungsfrage im genannten Parallelfall (Beschwerdeführerin D.; 5A_20/2008, in der Folge publiziert als BGE 135 III 127 ff.; act. 5/11) abschlägig und auch das vorliegende Verfahren wurde in der Folge weitergeführt. Nunmehr verlangt die Klägerin erneut die Sistierung.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass im belgischen Zivilverfahren ein definitiver, rechtskräftiger Entscheid ergangen sei, der zwar noch mit einem außerordentlichen Rechtsmittel – wenn auch ohne aufschiebende Wirkung – angefochten worden sei, was allerdings – wegen der eingeschränkten Kognition der Kassationsinstanz – kaum erfolgreich sein könne. Bezüglich jenes Entscheides sei das zweitinstanzliche Exequaturverfahren pendent, wobei die erste Instanz bezüglich eines Teils des Dispositivs die Anerkennung bereits ausgesprochen habe.

3. Am vom Bundesgericht (BGE 135 III 127 ff.) gefällten Sistierungsentscheid war nicht – wie hier – die C. in Nachlassliquidation, sondern die D. in Nachlassliquidation beteiligt. Damit kann nicht gesagt werden, dass zwischen den gleichen Parteien die Sistierungsfrage bereits einmal entschieden worden sei, so dass daraus direkt nichts abgeleitet werden kann. Hingegen liegen beiden Verfahren die gleichen Fragen zu Grunde, so dass BGE 135 III 127 ff. für das vorliegende Verfahren präjudizielle Wirkung hat bzw. haben kann.

Was die Tragweite der präjudiziellen Wirkung anbelangt, wird die richterliche Unabhängigkeit höher gewichtet und diese geht daher vor, so dass die Verbindlichkeit von Präjudizien jedenfalls nicht imperativ ist. Trotzdem orientieren sich die unterinstanzlichen Gerichte regelmäßig an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, und können damit unnötige Weiterzüge vermeiden (Karl Spühler/Annette Dolge/Myriam Gehri, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Auflage, Bern 2010, Rn. 18 zum 2. Kapitel; Christoph Leuenberger/Beatrice Uffer-Tobler, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Bern 2010, Rn. 2.24; Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 4). Besteht keine Pflicht, den bundesgerichtlichen Präjudizien zu folgen, so besteht folgerichtig auch keine Pflicht, die Abweichung von den Präjudizien besonders zu begründen bzw. zu rechtfertigen. Soweit den Parteien ein Rechtsmittel an das Bundesgericht zur Verfügung steht, ist das Abweichen von der publizierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel aber nicht sinnvoll, besonders hier, wo es sich tatsächlich um die identische Problematik handelt. Anders könnten die Dinge liegen, wenn seit dem Erlass des Präjudizes viel Zeit verstrichen ist, wenn sich die Anschauungen – mutmisslich auch jene des Bundesgerichtes – geändert haben oder wenn der Sachverhalt des Präjudizes letztlich doch nicht (ganz) vergleichbar ist, was hier zum vornherein nicht zutrifft. Das Präjudiz vom 30. September 2008 erging vor weniger als vier Jahren. Der Sachverhalt ist der gleiche und betrifft einzig die Sistierungsfrage. Dass der Entscheid des Bundesgerichts offenbar kritisch aufgenommen wurde (vgl. den Hinweis in act. S. 74/7 S. 24 f.), betrifft die Sistierungsfrage nicht direkt.

4. Die Kammer sieht keinen Grund, von der durch das Bundesgericht erlassenen Sistierungsablehnung abzuweichen. Hingegen ist zu prüfen, ob sich unter dem Gesichtspunkt neuer tatsächlicher Verhältnisse entgegen dem Präjudiz eine Sistierung aufdrängen könnte. Die Beschwerdeführerin macht geltend, im belgischen Zivilverfahren sei ein definitiver, rechtskräftiger Entscheid ergangen, der zwar noch mit einem außerordentlichen Rechtsmittel – ohne aufschiebende Wirkung – angefochten worden sei, das allerdings – wegen der eingeschränkten Kognition der Kassationsinstanz – kaum erfolgreich sein könne. Bezüglich jenes Entscheides sei (vor der I. Zivilkammer) das zweitinstanzliche Exequaturverfahren pendent, wobei die erste Instanz bezüglich eines Teils des Dispositivs die Anerkennung ausgesprochen habe. Das Vorliegen eines belgischen Urteils schafft eine neue Ausgangslage, die es zu beurteilen gilt. Die Beschwerdeführerin beruft sich insbesondere darauf, dass C. und D. in Ziff. 7c zur Zahlung von rund 18 Mio. EUR verurteilt und dass diese Dispositiv-Ziffer erstinstanzlich anerkannt und das Exequaturerteilt worden sei. Weiter verweist sie darauf, dass im rechtskräftigen belgischen Urteil (Ziff. 7a) festgestellt worden sei, dass C. (und D.) ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag von 2. August 2001 schuldhaft nicht nachgekommen und daher für den Konkurs der A. verantwortlich seien. Außerdem sei in Ziff. 7b des Dispostivs festgestellt worden, dass C. (und D.) den Schaden, welcher aus der plötzlichen Stilllegung der A. entstanden sei, zu übernehmen hätten. Ausstehend sei nur noch die Quantifizierung (dazu offensichtlich die Dispositiv-Ziffern 7d und 7e). Dispositiv-Ziff. 7 des Urteils der Cour d’Appel de Bruxelles, 9ième Chambre (Referenz R.G. 2004/AR/114 und 2004/AR/1190; VI act. 74/1), auf die in der Beschwerde maßgeblich Bezug genommen wird, lautet:

Zur Klage von A. gegen C. und D. in Auflösung verfügt der Gerichtshof Folgendes:

a) Er stellt fest, dass C. und D. durch Nichterfüllung der Vereinbarung vom 2. August 2001 direkt für den Konkurs von A. verantwortlich sind.

b) Er legt die Höhe des Schadens fest, der in ursächlichem Zusammenhang mit den Schulden steht, die aus der Einstellung der Geschäftstätigkeit infolge der Konkurseröffnung resultieren.

c) Er verurteilt C. und D. in Auflösung zur gesamtschuldnerischen Zahlung eines vorläufigen Betrages von 18.290.800,60 EUR in die Konkursmasse.

d) Er ordnet die Wiedereröffnung der Verhandlung an, damit die Konkursverwalter von

A. die Höhe der aus der Einstellung der Geschäftstätigkeit resultierenden Schulden eingehender darlegen und die Parteien darüber diskutieren können.

e) Er erklärt, dass es den Konkursverwaltern von A. obliegt, eine neue Festsetzung und einen Zeitplan für den Austausch von Rechtsausführungen zu beantragen, wenn alle Verbindlichkeiten in Bezug auf die Schulden aus der Einstellung der Geschäftstätigkeit dem Gesamtwert der Passiva des Konkurses zugerechnet wurden.

f) Er erklärt den Antrag auf Auflösung der Vereinbarungen vom Januar 2001 für unbegründet“.

Im Kollokationsverfahren sind Fr. 251,5 Mio. streitig (act. 6 S. 2). Die rechtskräftig zugesprochenen Fr. 18.290.800,60 EUR, für welche ein erstinstanzliches Exequatur erteilt worden ist (act. 74/6: Urteil des Bezirksgerichts Zürich, Einzelgericht Audienz, vom 25. März 2011 in Sachen Masse en faillite ancillaire de A. SA gegen die Nachlassmassen der D. AG in Nachlassliquidation und der C. in Nachlassliquidation, S. 3 f., Dispositiv-Ziffer 1) sind – verglichen mit dem Gesamtwert der Klage – kein ausschlaggebender Faktor. Weil es hauptsächlich auf den noch nicht entschiedenen Teil der Klage, den noch nicht quantifizierten Schadenersatzanspruch („passif de discontinuité“) gemäß Dispositiv- Ziff. 7a und 7b (act. 74/1) ankommt, ist nicht entscheidend, ob die I. Zivilkammer das bisher erlassene Urteil anerkennen kann und wird, so dass auf den beantragten Aktenbeizug (vgl. act. 1 Rn. 70) verzichtet werde kann.

Das eingereichte Urteil spricht lediglich eine grundsätzliche Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz aus. Die Erwirkung eines sog. Vorentscheides (vgl. z.B. Habscheid, aaO, Rn. 439), auch Zwischenurteil genannt (vgl. Guldener, aaO, Anm. 17 auf S. 243), ist auch dem schweizerischen Recht nicht fremd. Fraglich ist im vorliegenden Fall nur, ob ein Grundsatzentscheid, der keine Leistungspflicht ausspricht – sei es nun mit oder ohne eine förmlich erfolgte Anerkennung – die Sistierungsfrage beeinflussen könnte. Denn anders als zuvor steht nunmehr (unter Vorbehalt eines anderslautenden Entscheides des belgischen Kassationsgerichts) fest, dass die Beschwerdegegnerin aus dem belgischen Verfahren zu Ersatzzahlungen, in vorerst unbestimmter Höhe, verpflichtet ist. Ist allerdings über die Höhe des Ersatzes nicht entschieden und diesbezüglich steht, außer in Dispositiv-Ziff. 7c, noch nichts Verbindliches fest, so betrifft dies im Sinne des einschlägigen Bundesgerichtsentscheides wiederum das zeitliche Moment. Aus Dispositiv-Ziff. 7e und 7f ergibt sich, dass das Verfahren zur Quantifizierung der Ansprüche noch am Anfang steht. Das ist systemlogisch, wird doch ein Vor- bzw. Zwischenentscheid in der Grundsatzfrage – Schadenersatz ja oder nein – gerade deshalb gefällt, um den Aufwand für eine allenfalls umfangreiche Quantifizierung (vorerst und dann vielleicht überhaupt) vermeiden zu können. Für die Kollokation jedoch reicht ein Urteil über die Grundsatzfrage nicht aus, sondern es müsste auch die Höhe der Forderung/en feststehen. Steht der belgische Prozess diesbezüglich noch am Anfang, so bleibt der zeitliche Horizont des belgischen Verfahrens ungewiss und er dürfte nach wie vor eine längere bzw. lange Zeit in Anspruch nehmen. Und deshalb bleibt es nach wie vor dabei, dass der vom Bundesgericht in BGE 135 III 127 E. 3.4.2 angerufene Art. 29 Abs. 1 BV (Recht auf Behandlung innert angemessener Frist) einer Sistierung entgegensteht. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.

IV. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO iVm Art. 104 Abs. 2 ZPO). Eine Entschädigung ist der Gegenpartei mangels Umtrieben nicht geschuldet.

Es wird erkannt:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, und die Verfügung des Einzelrichters im beschleunigten Verfahren des Bezirksgerichts Zürich vom 4. Januar 2012 wird bestätigt.

2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 30.000,- festgesetzt.

3. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit ihrem Kostenvorschuss verrechnet

4. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beklagte unter Beilage eines Doppels von act 1, sowie an das Bezirksgericht Zürich, Einzelrichter im beschleunigten Verfahren, und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein. Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert übersteigt Fr. 30.000,-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.





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