II. 3. Die Schweiz ist Vertragsstaat des LugÜ, Belgien nicht. Es ist demnach eine Gerichtsstandsklausel zu beurteilen, mit welcher eine in einem Vertrags- und eine in einem Drittstaat ansässige Partei Gerichte im Sitzstaat der ersteren für zuständig erklären.
4.1 In der Lehre wird heftigst darüber gestritten, ob in einem solchen Falle Art. 17 Abs. 1 LugÜ anwendbar sei oder nicht (vgl. dazu z. B. J. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zu EuGVÜ und Lugano-Übereinkommen, 4. Aufl., Heidelberg 1993; L. Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano Übereinkommen, Zürich 1993; M. Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Handelsverkehr Europas: Form und Willenseinigung nach Art. 17 EuGVÜ/LugÜ, Basel 1994; H. REISER, Gerichtsstandsvereinbarungen nach IPR-Gesetz und Lugano-Übereinkommen, Zürich 1995; J. Samtleben, Europäische Gerichtsstandsvereinbarungen und Drittstaaten – viel Lärm um nichts?, in: RabelsZ 1995 S. 670 ff.). Der EuGH hat sich bis jetzt noch nie mit dieser Frage befasst, und die nationalen Gerichte sahen sich damit erst spärlich konfrontiert [vgl. aber, Waadtländer Kantonsgericht, Urteil vom 20. Dezember 1995, vorne, S. 365 f., 367]. Soweit ersichtlich bestehen lediglich in Deutschland einige Entscheide. Hier wurde allerdings das Übereinkommen offenbar zunächst nur gelegentlich am Rande und ohne nähere Begründung als nicht einschlägig oder nicht entscheiderheblich erwähnt. Erst das OLG München sah sich in einem Entscheid vom 28. September 1989 veranlasst, die Problematik ausführlicher zu erörtern: Es kam zum Schluss, dass bei einer Sachlage wie der vorliegenden das EuGVÜ nicht zur Anwendung komme (Nachweise bei J. Samtleben, aaO, S. 683/684 Fn. 58, 59 und 64 und S. 685 ff.). Diese Ansicht wurde später vom Bundesgerichtshof bestätigt und kann gemäss J. Samtleben (aaO, S. 684) als“gefestigte Rechtsprechung“angesehen werden.
4.2 Begründet wird diese ablehnende Haltung damit, dass Art. 17 EuGVÜ (der mit Art. 17 LugÜ übereinstimmt) über seinen Wortlaut hinaus nicht nur einen Bezug zu einem, sondern einen Bezug zu zwei Vertragsstaaten erfordere.
Dazu gibt es wiederum zwei Meinungen: Nach der einen ist die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 1 stets dann anzunehmen, wenn durch eine Gerichtsstandvereinbarung die Zuständigkeit der Gerichte eines Vertragsstaates begründet und gleichzeitig eine nach den sonstigen Regeln des Übereinkommens in einem andern Vertragsstaat gegebene Zuständigkeit ausgeschlossen wird, also forum prorogatum und forum derogatum in verschiedenen Vertragsstaaten liegen. Nach der andern Ansicht beschlägt das Übereinkommen auf der Basis der Grundregeln der Konvention (Art. 2-4) das Auseinanderfallen von Wohnsitz- und Gerichtsstaat innerhalb des von den Vertragsstaaten umfassten Territoriums, weshalb Art. 17 Abs. 1 nur dann massgebend sei, wenn der Wohnsitz mindestens einer Partei und das vereinbarte Forum in verschiedenen Vertragsstaaten liegen (vgl. Zusammenstellungen und Verweise bei J. Kropholler, aaO, S. 186 und L. Killias, aaO, S. 54/55).
Hauptansatzpunkt beider dieser Theorien ist, dass die Zielsetzung von EuGVÜ und LugÜ lediglich darin bestehe, den Rechtsverkehr zwischen den Vertragsstaaten zu regeln und Art. 17 Abs. 1 daher auch nur dann angewandt werden dürfe, wenn Berührungspunkte zu mehreren Vertragsstaaten bestünden (J. Kropholler, aaO, S. 186 m. Hw.). Insbesondere sei also das EuGVÜ und das LugÜ kein Einheitsrecht, das bewusst über den Bereich der Vertragsstaaten hinausziele (J. Samtleben, aaO, S. 696)
4.3 Gerade das ist aber umstritten: So plädieren etwa Kropholler (aaO, S. 185), Killias (aaO, S. 59) und Vogel (aaO, S. 102) für eine grosszügigere Interpretation der Übereinkommen. Auch in der deutschen Lehre gewinnt die“einheitsrechtliche“Sichtweise immer mehr Anhänger (Nachweise bei J. Samtleben, aaO, S. 696; J. Kropholler, aaO, S. 185, spricht gar von der“wohl überwiegenden Meinung“). Killias weist darauf hin, dass die Konzeption der Übereinkommen als offene Konventionen auch Nicht-EU- oder -EFTA-Staaten den Beitritt ermöglichen soll, und schliesst daher auf eine Auslegung, die den Rechtsverkehr mit Angehörigen von Drittstaaten möglichst erleichtert. Kropholler zieht Parallelen zu anderweitigen Bemühungen, Kollisionsnormen mit universellem Anwendungsbereich einzuführen (in concreto Übereinkommen der EG vom 19. Juni 1980) und findet es daher“keineswegs überzogen“, Art. 17 Abs. 1 schon dann anzuwenden, wenn nur der (eine) vom genannten Artikel vorgesehene Bezug zu einem Vertragsstaat gegeben ist. Vogel sieht es allgemeiner im Interesse der Einheitlichkeit des Zuständigkeitsrechts geboten, das I,ugÜ weit auszulegen (adde: C. Bernasconi/A. Gerber, Der räumlich. persönliche Anwendungsbereich des LugÜ, SZIER 1993, S. 39 ff.).
5.1 Dieser grosszügigeren Betrachtungsweise ist der Vorzug zu geben: Es erscheint in Anbetracht der allgemeinen Tendenz zur internationalen Rechtsvereinheitlichung ganz grundsätzlich wenig zeit- und sachgerecht, einen weit formulierten Tatbestand in einer offenen, auf eine grosse Mitgliedschaft ausgerichteten Konvention durch zusätzliche ungeschriebene Voraussetzungen wieder einzuengen. Der Hinweis auf Abs. 3 der Präambel zum EuGVÜ („In dem Bestreben, innerhalb der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken,...“), mit dem die gegenteilige These unter anderem gestützt wird (Vogel., aaO, S. 102), erscheint dagegen wenig durchschlagskräftig: Abgesehen davon, dass der genannte Satz vom Wortlaut her an sich überhaupt nicht ausschliesst, dass das Übereinkommen auch dann Anwendung finden kann, wenn nur ein Vertragsstaat berührt ist, figuriert die erwähnte Floskel in der Präambel zum LugÜ auch nur noch in abgeschwächter Form. Während das EuGVÜ noch die Gemeinschaft hervorhebt (worunter sich ein lediglich“untereinander“noch eher subsumieren lässt), lautet beim LugÜ die entsprechende Wendung“... in ihren Hoheitsgebieten...“(Abs. 2 Präambel zum LugÜ) und ist damit weniger“gemeinschaftsorientiert“.
5.2 Dass Art. 17 EuGVÜ/LugÜ sein Ziel im Lichte des“einheitsrechtlichen“Aspektes verfehlen soll (J. Samtleben, aaO, S. 701), ist nicht ersichtlich. Wenn Samtleben ausführt, ein weites Verständnis des genannten Artikels führe eben gerade nicht zu einer einheitlichen Betrachtungsweise internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen mit Parteien aus Drittstaaten, weil unterschiedliche Kriterien massgebend seien, je nachdem, ob das vereinbarte Forum im Vertragsstaat oder im Drittstaat liegt, so mag dies sein. Auch vorliegend wäre selbstverständlich die Anwendbarkeit von Art. 17 LugÜ nicht einmal zu diskutieren, wenn die Parteien ein Forum in Belgien vereinbart hätten. Wenn man aber“Einheitsrecht“dahingehend versteht, [dass es] als das bezügliche Recht eine möglichst breite Anwendung Finden und in dieser Weise zu einer Vereinheitlichung beitragen soll, so ist eine weite Interpretation der einzig richtige Weg dazu. Immerhin sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es den Vertragsstaaten ja nicht möglich ist, direkt die Zuständigkeit von Gerichten eines Nichtvertragsstaates festzulegen. Die Ausdehnung von Art. 17 Abs. 1 LugÜ auch auf diejenigen Fälle, in denen ein Forum in einem Drittstaat vereinbart wurde (... welches dann ja ausschliesslich zuständig sein soll), war demnach schon von vornherein nicht möglich. Samtlebens Kritik stösst damit ins Leere; die unterschiedliche Anknüpfung eines Sachverhaltes, je nachdem, welchen Staates Gerichte die Parteien für zuständig erklärt haben, ist vielmehr dem internationalen Zivilprozessrecht schlicht immanent. Demgemäss ist gerade diese Inkongruenz auch mit den beiden“engen“Auslegungstheorien verbunden: Ob für die Anwendbarkeit von Art. 17 I,ugÜ der Wohnsitz einer Partei und der vereinbarte Gerichtsstand oder das forum prorogatum und das forum derogatum in verschiedenen Vertragstaaten sein müssen – werden die Gerichte eines Drittstaates für zuständig erklärt, so entfällt Art. 17 LugÜ jedenfalls und ist das nationale Kollisionsrecht anzuwenden.
5.3 Wohl das gewichtigste Argument für eine weite Auslegung von Art. 17 Abs. 1 LugÜ ist aber dessen Wortlaut. Auch wenn durchaus einzugestehen ist, dass er vielleicht nicht derart klar ist, wie es auf den ersten Blick erscheint (siehe sogleich), so sprechen die Aspekte der Rechtssicherheit und der Voraussehbarkeit der anzuwendenden Vorschriften eindeutig gegen die Annahme eines ungeschriebenen, zusätzlichen Erfordernisses.
a) Von den Vertretern der“engen“Auslegungsvarianten wird vorgebracht, dem reinen Wortlaut nach müsse Art. 17 Abs. 1 LugÜ eigentlich auch auf rein innerstaatliche Fälle angewendet werden. Da dies aber von niemandem vertreten werde, tauge eine Berufung auf den demnach unklaren Wortlaut wenig (J. Samtleben, aaO, S. 700). Dem ist aber entgegenzuhalten, dass gemäss Abs. 3 der Präambel zum I.ugÜ eindeutig beabsichtigt wurde, die internationale Zuständigkeit zu regeln. Da überdies inländische Parteien bei einem reinen Binnensachverhalt kaum ernsthaft die Anwendung des LugÜ in Betracht ziehen dürften, ist es auch unter dem Aspekt der Rechtssicherheit vertretbar, rein innerstaatliche Sachverhalte ohne weiteres vom Anwendungsbereich von Art. 17 Abs. 1 LugÜ auszunehmen, ohne dass deshalb gerade der gesamte Wortlaut angezweifelt werden müsste.
b) In bezug auf die vorliegend zur Diskussion stehende Konstellation ist der Wortlaut nämlich klar. Nichts deutet darauf hin, dass zu dessen Anwendung zwei Vertragsstaaten berührt sein müssten: Einerseits hat mindestens eine Partei ihren Sitz in einem Vertragsstaat zu haben und andererseits hat das vereinbarte Gericht in einem ebensolchen situiert zu sein. Davon, dass dies nicht im gleichen Staate sein dürfte oder dass wenigstens ein in einem andern Vertragsstaat liegendes ordentliches Forum wegbedungen werden müsste, steht nichts.
Nun ist offensichtlich, dass jede von Doktrin und Rechtsprechung vorgenommene Änderung des Geltungsbereiches einer bestimmten Gesetzesvorschrift über deren Wortlaut hinaus grundsätzlich der Rechtssicherheit abträglich ist. Daher sind solche Interpretationen zurückhaltend vorzunehmen und nur dann angebracht, wenn die Entwicklung der Rechtswirklichkeit dies dringend erheischt. Es ist nicht erstrebenswert, dass der Rechtsuchende zuerst Lehre und Praxis konsultieren muss, um zu verifizieren, ob er den an sich klaren Wortlaut einer bestimmten Norm auch tatsächlich“glauben“kann.
c) Schliessen Parteien eine Gerichtsstandvereinbarung, so bezwecken sie damit primär meistens die Schaffung von Voraussehbarkeit und Rechtssicherheit. Ungeachtet der komplizierten und oftmals auch konkurrierenden internationalen Zuständigkeiten sowie möglichen Wohnsitzwechseln oder Rechtsnachfolgen wird ein Gericht zum Entscheid allfälliger Streitigkeiten berufen, unabhängig davon, wer sich in der Kläger- und wer in der Beklagtenrolle befindet. Der Wert solcher Vereinbarungen würde aufgehoben, wenn die Gültigkeit einer Gerichtswahl von ungewissen zukünftigen und ungeschriebenen Voraussetzungen abhängen würde (L. Killias, aaO, S. 61).
d) Gar noch mehr Zufälligkeiten wäre der Bestand von Gerichtsstandsvereinbarungen ausgeliefert, wenn man der Ansicht folgen würde, für die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 1 LugÜ hätten forum prorogatum und forum derogaturn in verschiedenen Vertragsstaaten zu liegen: Nach der Rechtsprechung des EuGH hätte nämlich der berufene Richter zuerst nach der lex causae zu prüfen, ob in einem andern Vertragsstaat ein abbedungener Gerichtsstand liegt – was insbesondere in bezug auf den Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 LugÜ nicht immer gerade einfach ist. Hinzu kommt, dass auf Grund der unterschiedlichen Kollisionsnormen der Vertragsstaaten je nach angerufenem Gericht verschiedene Sachrechte zur Anwendung kommen könnten, die wiederum den in Frage stehenden Erfüllungsort in mehreren Staaten sehen könnten. Spinnt man mit Killias (aaO, S. 64) den Faden weiter, so könnte sich schliesslich herausstellen, dass ein Erfüllungsort in einem andern Vertragsstaat nicht gegeben ist, weshalb die Gerichtsstandvereinbarung doch nicht nach LugÜ, sondern nach der lex fori des angerufenen Richters zu beurteilen wäre...
e) Es ist unzumutbar, die Parteien einer Gerichtsstandvereinbarung solchen Unsicherheiten und Zufälligkeiten auszusetzen. Abgesehen davon wäre eine Verpflichtung der Gerichte, im vorgenannten Sinne zur Beurteilung einer Prorogationsklausel zunächst weitläufige materielle Abklärungen machen zu müssen, alles andere als praktikabel und in hohem Masse prozessunökonomisch.
5.4 Zur Theorie, dass der Wohnsitz mindestens einer Partei in einem andern Vertragsstaat als demjenigen des prorogierten Gerichts liegen muss, ist schliesslich noch folgendes anzumerken: Diese Ansicht gründet bekanntlich auf einem Rückgriff auf die in Art. 2-4 verankerten allgemeinen Vorschriften des LugÜ (J. Samtleben, aaO, S. 692/693). Nun lässt aber gerade Art. 2 Abs. 1 LugÜ mit dem Wohnsitz des Beklagten als einzigem Kriterium auch nur einen einzigen Bezug zu einem Vertragsstaat für die Anwendbarkeit des Übereinkommens genügen. Der Hinweis, dass Art. 17 im Unterschied zu Art. 16 nicht im Ausnahmekatalog des Art. 4 Abs. 1 LugÜ figuriert, nach welcher Bestimmung umgekehrt immer das nationale Kollisionsrecht anzuwenden ist, wenn der Beklagte in einem Nichtvertragsstaat domiziliert ist, verfängt nicht, ist doch Art. 17 ausdrücklich von den Rollen der Parteien im Prozess losgelöst konzipiert. Nach Killias (aaO, S. 60 m. Hw.) ist denn auch das Fehlen von Art. 17 in Art. 4 Abs. 1 LugÜ auf einen Redaktionsfehler zurückzuführen (vgl. auch Kropholler, S. 79 und 184). Dass die These des Erfordernisses von verschiedenem Wohnsitz- und Prorogationsvertragsstaat kaum richtig sein kann, zeigt sich auch an folgendem Beispiel (vgl. Killias, S. 65/66): Ein Kläger aus einem Nichtvertragsstaat klagt einen in der Schweiz domizilierten Beklagten am von dessen Wohnsitz verschiedenen, prorogierten schweizerischen Gericht ein. Nach der genannten Theorie entfiele die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 1 LugÜ, weil lediglich ein Bezug zu einem Vertragsstaat besteht, und der Richter hätte die Gerichtsstandsklausel nach schweizerischem Kollisionsrecht zu prüfen. Klagt der Kläger hingegen gestützt auf Art. 2 Abs. 1 LugÜ am Wohnort des Beklagten, so kommt das LugÜ unbestrittenermassen zur Anwendung – obwohl natürlich noch immer nur ein Vertragsstaat vom Verhältnis berührt ist. Mit Killias (aaO, S. 65) ist nicht einzusehen, weshalb die Derogation einer vom LugÜ vorgesehenen Zuständigkeit und die gleichzeitige Prorogation einer anderen Zuständigkeit im gleichen Vertragsstaat nicht auch dem Übereinkommen unterfallen sollte.
6. Zusammengefasst ist demnach festzuhalten, dass für die Massgeblichkeit von Art. 17 Abs. 1 LugÜ ein Bezug zu mehreren Vertragsstaaten nicht erforderlich ist. Die vorliegend zur Diskussion stehende Gerichtsstandsklausel ist deshalb vor dem Hintergrund von Art. 17 LugÜ zu beurteilen.
111.1. In seinem Anwendungsbereich entscheidet Art. 17 LugÜ ausschliesslich über Zulässigkeit, Form und Wirkungen einer Gerichtsstandvereinbarung. Eine solche muss, um Wirksamkeit zu erlangen, geschlossen werden (Art. 17 Abs. 1 LugÜ) a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung, b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmässig beachten.
Ob dagegen – materiell – auch tatsächlich eine Willenseinigung zustande gekommen ist, bestimmt sich grundsätzlich nach dem vom IPR des Forums berufenen nationalen Recht. Dieses ist somit etwa massgeblich in bezug auf die Fragen, ob die Parteien überhaupt geschäftsfähig waren, die Vereinbarung mängelfrei zustande kam oder eine rechtsgültige Stellvertretung vorlag (J. Kropholler, aaO, S. 191, 194; L. Killias, aaO S. 199; M. Staehelin, aaO, S. 137). Längst nicht jedes in diesem Zusammenhang auftauchende Problem lässt sich jedoch so einfach unter einen der beiden Begriffe “Formerfordernis“ oder “Willenseinigung“ subsumieren. Im Gegenteil bestehen diesbezüglich zwangsläufig gewisse unlösbare Zusammenhänge. Dies zeigt sich nur schon daran. dass Art. 17 LugÜ das Vorliegen einer “Vereinbarung“. verlange worunter der EuGH eine “tatsächliche Willenseinigung“ versteht (Verweise bei L. Killias, aaO, S. 146). Besonders ausgeprägt erscheint diese Verflechtung in lit. c von Art. 17. Abs. 1 LugÜ, wo auf internationale Handelsbräuche verwiesen wird: Dieser Begriff muss sinnvollerweise als auch die materielle Willenseinigung umfassend betrachtet werden (J. Kropholler, aaO, S. 194).
Daraus ergibt sich. dass Are 17 Abs. 1 LugÜ nicht nur bezüglich reiner Formfragen massgeblich ist, sondern das vom IPR berufene nationale Recht auch dort verdrängt, wo aufgrund der einheitlichen Sachregelung des Übereinkommens Formerfordernisse und Einigungsvoraussetzungen als unlösbare Einheit erscheinen (J. Kropholler. aaO, S. 194; L Killias, aaO, S. 202; je mit vielen Hinweisen auf diese herrschende Meinung.) Damit einher geht, dass die Gerichtsstandsklausel – und mithin die Frage deren Zustandekommens – vom Hauptvertrag unabhängig, autonom beurteilt werden muss (M. Staehelin, aaO, S. 128 ff., 132; L. Killias, aaO, S. 150/151).
Art. 17 Abs. 1 LugÜ sind gewisse Mindestanforderungen an die vertragliche Vereinbarung zu entnehmen. So muss die Gerichtsstandsklausel klar und deutlich aus dem Vertrag hervorgehen; es reicht aber aus, wenn sich die Parteien stillschweigend einigen (J. Kropholler. aaO, S. 193). Immerhin sind aber nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH die von Art. 17 aufgestellten Voraussetzungen mit Rücksicht auf die für die Parteien mit Gerichtsstandsvereinbarungen verbundenen Folgen eng auszulegen (L Killias, aaO, S. 146, Fn. 5).
2.1 Primär behauptet die Klägerin, sie habe am 1. September 1994 mit der Beklagten einen mündlichen Kaufvertrag geschlossen. Dieser habe den in der noch gleichentags versandten Einkaufsbestätigung aufgeführten Inhalt und umfasse insbesondere auch die klägerischen“General Conditions of Purchase“. Dementsprechend ist die Klägerin der Ansicht, die Parteien hätten in der Form der sog. halben“Schriftlichkeit“– mündlich mit schriftlicher Bestätigung – die Gerichte des Kantons Zürich im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. a LugÜ rechtsgültig für zuständig erklärt. Die Beklagte bestreitet dies.
Entsprechend den oben (Ziff. III.1 a. E.) kurz angetönten Grundsätzen setzt die der schriftlichen Bestätigung vorausgehende mündliche Vereinbarung gemäss Rechtsprechung des EuGH nicht voraus, dass sich die Parteien ausdrücklich auf einen Gerichtsstand geeinigt haben. Vielmehr genügt es, dass die Willensübereinstimmung stillschweigend zum Ausdruck gekommen ist. Dieses Erfordernis ist etwa dann erfüllt, wenn sich die Parteien mündlich über die Anwendung der eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB eines Vertragspartners geeinigt haben und diese der andern Seite beim Vertragsabschluss vorlagen. so dass sie bei normaler Sorgfalt davon Kenntnis nehmen komme. In gleicher Weise kommt eine Gerichtsstandsvereinbarung zustande, wenn durch laufende Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien feststeht dass ein neuer, mündlich geschlossener Vertrag bestimmten AGB mit darin enthaltener prorogatio fori unterstehen soll. Als nicht ausreichend erachtet der EuGH hingegen, wenn eine Partei während den Vertragsverhandlungen zwar darauf hinweist zu ihren AGB abschliessen zu wollen, diese aber mit der darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel erst zusammen mit der schriftlichen Bestätigung der Gegenpartei zukommen lässt. Dies wird vom EuGH damit begründet, dass eine Gerichtsstandsklausel nicht unbemerkt in ein Vertragsverhältnis eingeführt werden können und deshalb derjenigen Partei, die sich mündlich bereit erklärt, zu den AGB der Gegenpartei abzuschliessen, nicht unterstellt werden darf, damit auch einer möglicherweise in den besagten AGB enthaltenen Gerichtsstandsklausel zugestimmt zu haben (J. Kropholler, aaO, S. 200; L. Kilias, S. 166/167; EuGH 14. Dezember 1976, Rs. 25/76, Sig. 1976, 1861 [Segoura/Bonakdarian]),
2.2 Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen fällt auf, dass die Klägerin nirgends behauptet, man habe sich am 1. September 1994 mündlich über die Gerichtsstandsklausel geeinigt oder – wenigstens – unterhalten. In der Klageschrift wird diesbezüglich lediglich sehr allgemein ausgeführt, die Parteien hätten“in Ziff. 13 der der Beklagten am 1. September 1994 zugesandten „General conditions of Purchase“ der Klägerin das Recht eingeräumt, Streitigkeiten aus dem Vertrag vor den Gerichten des Kantons Zürich [...] anhängig zu machen“. Im Rahmen des materiellen Teils der Klagebegründung legt die Klägerin auch nur dar, man habe“den Kaufvertrag mündlich“abgeschlossen und erwähnt ihre“Allgemeinen Einkaufsbedingungen“erst im Zusammenhang mit der schriftlichen Bestätigung, welcher diese beigelegen haben. In ihrer Stellungnahme zur Unzuständigkeitseinrede präzisiert die Klägerin sodann, dass die Parteien“am 1. September 1994 einen Kaufvertrag im Sinne der Einkaufsbestätigung inklusive Allgemeine Einkaufsbedingungen gemäss Klagebeilage 3 abschlossen“, und führt aus, die Parteien hätten bereits anlässlich des Telefongespräches vereinbart, dass die“Allgemeinen Einkaufsbedingungen“der Klägerin zur Anwendung kämen. Lediglich diesen Umstand – und nicht mehr – bestätigt auch die Erklärung von X. vom 1. Dezember 1995 (Wortlaut siehe unter Ziff. 1.3. vorstehend).
2.3 Allein – dies genügt im Lichte der vorstehend dargestellten Praxis des EuGH nicht: Die Klägerin behauptet mit keinem Wort, dass die Parteien telefonisch den Inhalt der“Allgemeinen Einkaufsbedingungen“– und damit insbesondere auch die Gerichtsstandsklausel – diskutiert hätten oder dass dieser der Beklagten mündlich auch nur bekanntgegeben worden wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Ziff. 13 der klägerischen“General Conditions of Purchase“der Beklagten erst durch die mit der schriftlichen Einkaufsbestätigung verbundene Telefax-Übermittlung zur Kenntnis kam,
2.4 Es steht demnach fest, dass die Parteien die von Art. 17 Abs. 1 lit. a LugÜ zur Verfügung gestellte Form einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht gewahrt haben.
3.1 Die Klägerin beruft sich eventualiter auf Art. 17 Abs. 1 lit. c LugÜ: Ihr Vorgehen habe den Usanzen und Gebräuchen im internationalen Handel entsprochen, und dies sei der Beklagten bekannt gewesen bzw. habe ihr bekannt sein müssen. Mit andern Worten macht die Klägerin geltend. die Gerichtsstandsvereinbarung dadurch zustande gekommen, dass die Beklagte auf die“Einkaufsbestätigung“vom 1. September 1994 geschwiegen habe.
Die Beklagte bestreitet, dass ein solcher Handelsbrauch bestehe; jedenfalls sei ihr kein solcher bekannt. Im übrigen scheitere die entsprechende These der Klägerin schon an ihrem eigenen Bestätigungsschreiben, werde doch darin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beklagte eine Kopie davon zum Einverständnis gegenzuzeichnen und zurückzusenden habe. In dieser Weise manifestiere die Klägerin gleich selbst, auch ihrerseits davon auszugehen, dass einem allfälligen blossen Schweigen der Beklagten keine rechtserzeugende Kraft zukomme.
3.2 Gerade die restriktive Praxis des EuGH zur sog.“halben Schriftlichkeit“, die ihren Niederschlag unter anderem in der vorstehend unter Ziff. III.2.1 zitierten Entscheidung gefunden hat und auch vorliegend dazu führt, dass das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung gemäss Art. 17 lit. a LugÜ zu verneinen ist, hat zur Aufnahme der Bestimmung ins EuGVÜ und LugÜ geführt, wonach eine gültige Gerichtsstandsklausel auch in einer von einem Handelsbrauch anerkannten Form statuiert werden kann. Nicht zuletzt im Auge hatten die Verfasser in diesem Zusammenhang das weit verbreitete kaufmännische Bestätigungsschreiben, dem auf diesem Wege bei Schweigen der Gegenpartei unter Umständen rechtserzeugende Kraft zugebilligt werden sollte (J. Kropholler, aaO, S. 204/205). Es wurde argumentiert, den Bedürfnissen des internationalen Handelsverkehrs werde zuwenig Rechnung getragen, wenn man strikt daran festhalte, dass bei einer fehlenden mündlichen Einigung der Vertragspartner des Verwenders von AGB deren Einbeziehung schriftlich bestätigen müsse, damit eine im Bedingungswerk enthaltene Gerichtsstandsklausel überhaupt wirksam sei (L. Killias, aaO, S. 181, m. Hw. auf Bericht SCHLOSSER [Bericht zum Beitrittsübereinkommen zum EuGVÜ vom 9. Oktober 1978]).
3.3 Die“Einkaufsbestätigung“der Klägerin vom 1. September 1994 ist ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben: Im Anschluss an telefonische Verhandlungen, die sich unbestrittenermassen um eine Lieferung“LDPE“drehten, welche die Beklagte in Weissrussland erhältlich machen könne, und nachdem diese der Klägerin per Fax die Spezifikation der zur Diskussion stehenden Ware übermittelt hatte, bestätigte die Klägerin den ihrer Meinung nach geschlossenen Kaufvertrag noch gleichentags.
Dass damit eindeutig eine Bestätigung von bereits Geschehenem bezweckt wurde und nicht etwa die Absicht bestand, der Beklagten eine Offerte zu machen, ergibt sich deutlich aus dem gewählten Wortlaut und musste daher auch der Beklagten klar sein (die folgenden Hervorhebungen wurden durch das Gericht angebracht): Unter dem Titel Einkaufsbestätigung/Purchase Confirmation beginnt das Schreiben mit“wir bestätigen hiermit, gemäss umseitigen Allgemeinen Einkaufsbedingungen von Ihnen gekauft zu haben“bzw.“we hereby confirm having purchased from you as per General Purchase Conditions stated overleaf“. Es folgen detaillierte Angaben zum Kaufgegenstand und unter anderem ein Verweis auf das von der Beklagten gelieferte Spezifikationsblatt. Angesichts dieser Umstände erscheint die am Fusse des Papiers aufgedruckte Bemerkung“Bestätigung: Wir bitten um Gegenzeichnung und Rücksendung der anliegenden Kopie“bzw.“Confirmation: Please return the adjoined copy duly signed“nicht als ein für das Zustandekommen des Vertrags unabdingbares Gültigkeitserfordernis, sondern als eine lediglich Beweisfunktion erfüllende Empfangsbestätigung. Dies macht absolut Sinn, kann doch ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben selbstverständlich nur dann Wirkungen entfalten, wenn es der Gegenpartei auch tatsächlich zugegangen ist, und ist für diesen Umstand der Absender beweispflichtig. Dass ein solcher Beweis am einfachsten durch Vorlage einer den Empfang bescheinigenden Unterschrift erbracht werden kann, bedarf wohl keinerlei weiterer Ausführungen. Da vorliegend indessen die Beklagte den Erhalt der klägerischen Bestätigung anerkennt, hat deren Nichtunterzeichnung und -rücksendung keine Bedeutung. Die – im übrigen reichlich interpretative – Ansicht der Beklagten, die Klägerin habe durch den zur Diskussion stehenden Hinweis ausdrücklich kundgetan,“dass die Beklagte ihr Einverständnis [Hervorhebung durch das Gericht] durch schriftliche Bestätigung und Rücksendung bekunden müsse“, findet im Wortlaut keine Stütze und erscheint nicht zuletzt auch rein begrifflich wenig überzeugend: Sogar jedem Laien ist – auch wenn vielleicht nicht mit den entsprechenden juristischen Fachbegriffen – klar, dass ein Vertrag durch eine Kombination von Offerte einerseits und Akzept andererseits zustandekommt. Damit geht einher, dass unter“Bestätigung“entweder die Annahme eines Angebotes oder aber die Bekräftigung einer bereits geschlossenen Vereinbarung verstanden wird – niemals aber wird davon ausgegangen werden, der Vertragspartner wolle einem durch eine“Bestätigung“ein Angebot unterbreiten. Daraus folgt, dass die Beklagte vorliegend die von ihr verlangte“Bestätigung einer Bestätigung“nicht dahingehend verstehen durfte, als von ihr eine (konstitutiv wirkende) Akzepterklärung verlangt werde. Mit anderen Worten musste die Beklagte annehmen, die Klägerin sei der Ansicht, einen Vertrag mit dem in der“Einkaufsbestätigung“wiedergegebenen Inhalt bereits geschlossen zu haben.
3.4 Art. 17 Abs. 1 lit. c LugÜ enthält drei Tatbestandsmerkmale, die kumulativ für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung gegeben sein müssen:
-Es muss ein internationaler Handelsbrauch vorliegen.
-Die Parteien haben denselbigen zu kennen bzw. müssten ihn wenigstens kennen.
-Parteien von Verträgen gleicher Art in dem betreffenden Geschäftszweig müssen diesen Handelsbrauch allgemein kennen und regelmässig beachten.
3.5 a) Der Begriff des Handelsbrauches ist ebenfalls autonom auszulegen. Nationale Rechte sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sich aus ihrer Gesamtheit allgemeine Rechtsgrundsätze ergeben. Massgebende Auslegungshilfen können auch internationale Übereinkommen sein; in diesem Zusammenhang steht insbesondere das Wiener UN-Kaufrecht (WKR) zur Diskussion, dessen Art. 9 Abs. 2 als Vorlage für Art. 17 Abs. 1 lit. c LugÜ gedient hat (M. Staehelin, aaO, S. 60/61; L. Killias, aaO, S. 187).
b) Der EuGH hat sich zum Thema“Handelsbrauch“noch nie geäussert. In der Lehre werden aber im Grunde genommen recht einheitliche Definitionen verwendet: Unter einem Handelsbrauch versteht man im wesentlichen gleichartige Verhaltensweisen, die von den beteiligten Verkehrskreisen bei einer überwiegenden Anzahl vergleichbarer Geschäfte tatsächlich befolgt und akzeptiert werden (M. Staehelin, aaO, S. 66; L. Killias, aaO, S. 187; je mit vielen HW.).
c) Die heutigen, modernen Kommunikationsmittel ermöglichen es den Beteiligten, ihre Geschäfte ungeachtet der dabei zu überwindenden Distanzen innert immer kürzerer Zeit abzuschliessen, und haben so zu einer allgemeinen Kadenzerhöhung im internationalen Handelsverkehr geführt. Diese Tatsache ist schon ganz grundsätzlich dem Entstehen von – insbesondere auch ungeschriebenen – Regeln und Gebräuchen förderlich. Die Marktteilnehmer müssen sich darauf verlassen können, dass Verhaltensweisen, die sich im Verlaufe der Zeit mit Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten eingebürgert haben, auch tatsächlich den“Spielregeln“entsprechend sanktioniert werden. Hierzu darf ohne weitere Abklärungen füglich davon ausgegangen werden, dass die Versendung von kaufmännischen Bestätigungsschreiben gerade im internationalen Handel Westeuropas eine solche weit verbreitete und anerkannte Verkehrsübung darstellt (so auch L. Killias, aaO, S. 189, m. w. H.; M. J. Schmidt, Recht der internationalen Wirtschaft 1992, S. 173 ff., 177, mit Verweis auf Urteil des LG Essen vom 12. Dezember 1990; C. T. Ebenroth, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Bd. 77, 1978, S. 161 ff.; M. Esser, Zeitschrift für Rechtsvergleichung 29. Jg., 1988, S. 167 ff.; für die Schweiz B. Schmidlin, BE-K zu Art. 1-18 OR, N 90 zu Art. 6). Dementsprechend muss sich der Empfänger eines Bestätigungsschreibens bewusst sein, dass sein Schweigen unter Umständen rechtserzeugende Wirkung hat, indem der Vertrag als so abgeschlossen gilt, wie ihn die Gegenpartei bestätigt hat. Nicht zuletzt im Hinblick auf diese faktischen Gegebenheiten wurde ja auch lit. c von Art. 17 Abs. 1 LugÜ in den Gesetzestext aufgenommen bzw. Art. 17 EuGVÜ um den entsprechenden Wortlaut ergänzt (vgl. oben Ziff. III.3.2).
d) Ob der internationale Handelsbrauch allerdings soweit geht, einem unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreiben auch dann rechtserzeugende Kraft zuzubilligen, wenn etwas“bestätigt“wird, über das man nicht einmal gesprochen hat, ist sehr fraglich. In bezug auf die vorliegend zur Diskussion stehende Gerichtsstandsklausel ist nicht zu verkennen, dass damit die schweigende Partei riskieren würde, sich unter Umständen recht überraschend vor den Gerichten eines fremden Landes wiederzufinden.
e) In Anbetracht der fehlenden Rechtsprechung des EuGH zu diesem Thema drängt sich an dieser Stelle ein Rekurs auf die nationalen Rechte auf. Dabei fällt auf, dass alle Rechtsordnungen die Frage der konstitutiven Wirkung von kaufmännischen Bestätigungsschreiben im Zusammenhang mit Vertrauens-, Vernunfts- und Voraussehbarkeitsüberlegungen sehen (M. Staehel1n, aaO, S. 96-106; C. T. Ebenroth, aaO, S. 164-180; M. Esser, aaO, S. 168-180). Der Absender eines Bestätigungsschreibens soll dessen Inhalt dem schweigenden Empfänger so lange entgegenhalten können, als vernünftigerweise noch mit seinem mutmasslichen Einverständnis gerechnet werden darf. Im Hinblick auf den vorliegenden Fall stellt sich demnach die Frage, ob die Klägerin davon ausgehen durfte, die Beklagte billige durch ihr Schweigen die ihr im Zusammenhang mit der“Einkaufsbestätigung“erstmals zur Kenntnis gekommene Gerichtsstandsklausel.
f) Diese Frage muss verneint werden. Dabei hat man sich vorab in Erinnerung zu rufen, dass – wie bereits kurz angetönt – die Gerichtsstandsklausel unabhängig vom Zustandekommen des Hauptvertrages zu beurteilen ist. Nur so ist der Empfänger der“Bestätigung“genügend vor unangenehmen Überraschungen geschützt, und nur so kann auch eine effiziente, rasche Abklärung der Zuständigkeit vorgenommen werden. Insbesondere das wäre nicht gewährleistet, wenn – wie vorliegend – bei einer entsprechenden Bestreitung der Gegenpartei zuerst auch noch geprüft werden müsste, wie es um den Bestand des (behaupteten) Hauptvertrages steht. Diese Aufspaltung in einen prozessualen und einen materiellen Teil ist auch dahingehend sachgerecht, als – ebenfalls wie vorliegend – regelmässig von verschiedenen Voraussetzungen ausgegangen werden muss: Während in bezug auf den materiellen Teil im Normalfall feststeht, dass sich die Parteien mündlich wenn auch nicht geeinigt, so wenigstens über den ungefähren (möglichen) Vertragsinhalt unterhalten haben, so wird es in formeller Hinsicht nicht selten so sein, dass über eine allfällige Gerichtsstandsvereinbarung nicht einmal diskutiert worden ist. Im ersten Bereich – wenn es also etwa um genaue technische Spezifikationen der Ware, Erfüllungsmodalitäten oder ähnliches geht – wird den Empfänger eines Bestätigungsschreibens regelmässig eine Widerspruchsverpflichtung treffen, wenn er nicht einverstanden ist. Ein solcher Handelsbrauch dürfte – freilich nicht abschliessend beurteilt – wohl bestehen. Der zweite Bereich hingegen betrifft eine grundsätzlich eigenständige prozessuale Vereinbarung, die gerade darüber Klarheit schaffen soll, wo und von wem der materielle Anspruch beurteilt werden soll. Hat man darüber nicht gesprochen, so muss der entsprechende prozessuale Vertrag, soll er doch noch zustande kommen, in herkömmlicher Weise durch (neue) Offerte und Annahme geschlossen werden. Nicht genügt diesbezüglich jedenfalls, dass die eine Partei einfach einseitig eine Gerichtsstandsklausel“bestätigt“und die andere Partei hierauf schweigt. Hier trifft den“Bestätigungs“empfänger grundsätzlich keine Widerspruchspflicht. Allein die Tatsache, dass die Parteien einen (materiellen Haupt-)Vertrag abgeschlossen haben, erlaubt es der bestätigenden Partei noch nicht davon auszugehen, die andere werde mit einer diese benachteiligenden Gerichtsstandsklausel einverstanden sein. Nicht zuletzt ist ja eine solche objektiv gesehen gar nicht“nötig“; auch ohne sind ordentliche Gerichtsstände gegeben, an welchen die vertraglichen Ansprüche durchgesetzt werden können. Im Gegensatz etwa zu für den Vollzug des Hauptvertrages oftmals unumgänglichen Präzisierungen und Ergänzungen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung keineswegs notwendigerweise mit dem Abschluss eines internationalen Kaufvertrages verbunden.
Auch wenn in einzelnen Ländern das Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen in der hier abgelehnten Weise unter bestimmten Voraussetzungen für möglich erachtet wird (z. B. Dänemark, Deutschland, Niederlande; vgl. dazu M. Staehelin, aaO, S. 96-106; C. T. Ebenroth, aaO, S. 164-180; M. J. Schmidt aaO, S. 177 f.), kann nicht von einem internationalen Handelsbrauch im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c LugÜ gesprochen werden. Gemäss den Erhebungen von M. Staehelin (aaO, S. 110) hat sich diese Ansicht denn auch auf internationaler Ebene durchgesetzt; die gegenteilige Rechtslage herrsche nur in Deutschland.
g) Im internationalen Verhältnis ist demnach davon auszugehen, dass für die Entstehung einer Bindungswirkung eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens neben dem Schweigen der Gegenpartei noch weitere Umstände vorliegen müssen. Es hat insbesondere sichergestellt zu sein, dass der Empfänger einer eine Gerichtsstandsklausel enthaltenenden Bestätigung vorgängig die Möglichkeit gehabt haben muss, sich irgendwie Kenntnis über die Klausel zu beschaffen. Dem wäre beispielsweise so, wenn die Parteien bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen darüber gesprochen oder allenfalls schon seit längerem in Geschäftsbeziehungen gestanden und dabei auch schon Verträge mit der fraglichen Klausel abgeschlossen hätten (vgl. dazu etwa die Rechtslage in der Schweiz [B. Schmidlin, aaO, N 110 zu Art. 6 OR; BGE 114 II 250 mit Anmerkungen von P. Gauch, SZW 4/91, S. 177 ff. und E. Kramer, recht 1990 Heft 3, S. 99 ff.]; in Frankreich [M. Staehelin, aaO, S. 103/104; C. T. Ebenroth, aaO, S. 175; M. Esser, aaO, S. 180] und wohl auch in Belgien [C. T. Ebenroth, aaO, S. 176]. Nicht fehlen soll an dieser Stelle auch der Hinweis darauf, dass es bedeutende Länder gibt, in deren Rechtslandschaft das Institut des konstitutiven kaufmännischen Bestätigungsschreibens noch gar nicht existiert oder zumindest nur unter sehr einschränkenden Voraussetzungen zugelassen wird (z. B. England, Irland, USA, Italien [M. Staehelin, aaO, S. 101/102, 104/105; C. T. Ebenroth, aaO, S. 164-172; M. J. Schmidt, aaO, S. 177]).
h) Endlich entspricht auch das WKR diesen Gegebenheiten: Zunächst hält es bei den Vorschriften über den Abschluss eines Vertrages in Art. 19 Abs. 2 fest, dass eine Annahme, die in nicht wesentlicher Art und Weise vom Angebot abweicht, verpflichtende Wirkungen zeitigt, wenn der Anbietende nicht unverzüglich widerspricht. Sodann bezeichnet es in Abs. 3 derselben Bestimmung unter anderem Ergänzungen und Abweichungen, die sich auf die Beilegung von Streitigkeiten beziehen, explizit als wesentliche Änderung. Es steht ausser Diskussion, dass das nachträgliche“Hinzufügen“einer Gerichtsstandsklausel eine solche wesentliche Ergänzung des mündlich Vereinbarten oder wenigstens Besprochenen darstellt.
i) Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass kein dahingehender internationaler Handelsbrauch besteht, als das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben, in dessen Rahmen einem durch Verweis auf beigelegte AGB erstmals eine Gerichtsstandsklausel unterbreitet wird, bezüglich letzterer konstitutive Wirkung zeitigen würde.
3.6 In Anbetracht dieses Resultates braucht nicht abgeklärt zu werden, ob die von der Klägerin behauptete Usanz der Beklagten bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Nur am Rande sei erwähnt, dass man zur Beantwortung dieser Frage auf das belgische Recht zu greifen hätte: Ob einem nämlich unter dem Titel“Handelsbrauch“ein bestimmtes Verhalten subjektiv entgegengehalten werden kann, wird von Lehre und Praxis unter Zuhilfenahme des Wohnsitzrechts der betroffenen Partei beurteilt. Auf diese Weise wird der sicherste Schutz vor unbilligen Bindungen erzielt (J. Kropholler, aaO, S. 205; M. Staehelin, aaO, S. 80; L. Killias, aaO, S. 191).
3.7 Abschliessend sei noch darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht einmal behauptet, der von ihr ins Feld geführte angebliche Handelsbrauch sei Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein bekannt und werde regelmässig beachtet. Gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. c LugÜ ist dies aber eine (kumulative) Voraussetzung für die allfällige Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung. Streng genommen könnte der klägerische Standpunkt daher schon aus diesem Grund mangels Behauptung der relevanten tatsächlichen Grundlagen verworfen werden.
4. Zwischen den Parteien ist demnach keine rechtsgültige Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen.