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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger ist Verwaltungsratspräsident einer Gesellschaft mit Sitz in Zürich (CH). Die Gesellschaft hatte mit der Beklagten, einer Gesellschaft mit Sitz in London (UK), einen Kaufvertrag geschlossen. Die Züricher Gesellschaft trat ihre Forderungen gegen die Beklagte bezüglich dieses Kaufvertrages an den Kläger ab, der sie mit seiner Klage vor dem Handelsgericht Zürich geltend macht. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Londoner Gerichte zuständig seien, da auf der Rückseite ihrer Bestellung eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Londoner Gerichte enthalten gewesen sei. Der Kläger beruft sich hingegen auf eine in dem Angebot durch die schweizerische Gesellschaft enthaltene Gerichtsstandsklausel zugunsten der Züricher Gerichte.
Das Handelsgericht Zürich erklärt sich für zuständig. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 Abs. 1 lit. a LugÜ sei in Betracht zu ziehen, wobei die Schriftform keine beiderseits unterzeichnete Urkunde erfordere, sondern getrennte Schriftstücke genügen lasse. Erforderlich sei jedoch, dass der von beiden Parteien unterzeichnete Vertragstext ausdrücklich auf die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB Bezug nehme. Vorliegend sei der Vertragsschluss durch die Bestellung der Beklagten erfolgt. Diese habe zwar auf ihre auf der Rückseite abgedruckten AGB, welche eine der Gerichtsstandsklausel der Züricher Gesellschaft widersprechende Gerichtsstandsklausel enthalten haben, hingewiesen, doch müsse beachtet werden, dass es sich bei dem Bestellformular um einen Vordruck gehandelt habe. Bei der Bestellung wurde in einem speziell dafür freigelassenen Feld ausdrücklich erklärt, dass sich die Beklagte mit allen Bedingungen des Angebots der schweizerischen Gesellschaft, und damit folglich auch mit der Gerichtsstandsklausel, einverstanden erkläre. Es liege damit eine der Schriftform entsprechende tatsächliche Willenseinigung zwischen den Vertragsparteien vor, so dass das Handelsgericht Zürich zuständig sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Sachverhalt
Der Kläger ist VR-Präsident der T. AG, Zürich. Diese hat am 4. Juni 1991 der Beklagten, C. Ltd, London, eine Offerte unterbreitet zum Kauf einer Maschine. Mit Schreiben vom 29. August 1991 hat die Beklagte die Maschine bestellt. Als die Maschine montiert und in Betrieb gesetzt war, wurde sie von der Beklagten zurückgewiesen. Die T. AG hat noch eine Restkaufpreisforderung zugut sowie den Auslagenersatz für die Montage- und Intriebsetzungskosten. Diese Forderung hat die T. AG am 24. September 1994 an ihren VR-Präsidenten, den Kläger, abgetreten.
Im Klagebegehren vom 10. November 1995 hat der Kläger beantragt, die Beklagte sei zur Zahlung von CHF 107 600,‑ nebst Zins zu verpflichten.
Im Schriftwechsel verlangen die Parteien zunächst, sich auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts zu beschränken. Zu dieser Frage macht der Kläger den Gerichtsstand des Erfüllungsortes geltend (Art. 5 Nr. 1 LugÜ). Dem hält die Beklagte entgegen, sie habe mit der T. AG eine auf London lautende Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen. Dies ergebe sich aus ihren AGB die auf der Rückseite ihrer Bestellung vom 29. April 1991 abgedruckt gewesen seien. Die T. AG habe diese Bestellung (und die daran gebundenen AGB) akzeptiert, habe sie doch gestützt darauf die Maschine geliefert. Subsidiär macht die Beklagte geltend, selbst ohne solche Vereinbarung könne vorliegend kein schweizerischer Gerichtsstand angenommen werden, denn das Geschäft sei praktisch vollständig in England abgewickelt worden, habe doch die T. AG über eine in England ansässige Vertreterin gehandelt.
Der Kläger hält dem entgegen, Zürich sei sowohl der Ort der Erfüllung (der strittigen Leistung) wie auch als vereinbarter Gerichtsstand das massgebende Forum. Die T. AG habe in ihrer Offerte vom 4. Juni 1991 auf die umseitigen AGB verwiesen. Darin sei festgehalten, dass mit der Bestellung der Maschine auch die Lieferbedingungen der T. AG akzeptiert würden. Und als Teil jener Bedingungen gelte in allen Fällen der Geschäftssitz der T. AG als Erfüllungsort und Gerichtsstand.
Erwägungen
(...)
3.1 a) Zunächst ist festzuhalten, dass es sich vorliegend – entgegen den Ausführungen der Beklagten – nicht um einen englischen Binnensachverhalt, sondern um einen internationalen Sachverhalt handelt. Aus den Akten geht klar hervor, dass die Beklagte bei der T. AG aufgrund einer ihr von dieser zugestellten Offerte eine Anlage bestellt hat, die in der Folge von der T. AG aus der Schweiz nach Englang geliefert und dort installiert wurde.
Da die Parteien des vorliegenden Verfahrens Wohnsitz bzw. Sitz in einem Vertragsstaat des Lugano- Übereinkommens haben – für die Schweiz trat es am 1. Januar 1992 und für England am 1. Mai 1992 in Kraft – gelangt dieses zur Anwendung. Auch nach dem Lugano- Übereinkommen befindet sich der ordentliche Gerichtsstand grundsätzlich am Wohnsitz der beklagten Partei (Art. 2 Abs. 1 LugÜ). Darüberhinaus sieht dieses eine Reihe besonderer Zuständigkeiten vor (Art. 5 ff. LugÜ), welche dem Rechtsuchenden alternative oder konkurrierende Gerichtsstände zur Verfügung stellen, auch die Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 17 LugÜ).
b) Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung bei einer Abtretung grundsätzlich als Nebenrecht der Forderung auf den Zessionar übergeht, soweit sie nicht untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft ist (Art. 170 Abs. 1 OR) – was vorliegend aber von keiner der Parteien behauptet wurde (vgl. P.Gauch/W.Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bd. II, 6. Aufl. , Zürich 1995, N3588). Sollte eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der T. AG und der Beklagten gültig zustande gekommen sein, so gilt dies aufgrund der Abtretung auch zwischen dem Kläger als Zessionar und dem Beklagten.
3.2 Die Wahl eines Gerichtsstandes ist ein Vertrag, dessen Wirksamkeit nicht allein von den einzuhaltenden Formvorschriften abhängt. Neben den gegenseitigen übereinstimmenden Willensäusserungen ist eine Gerichtsstandvereinbarung nur unter der weiteren Voraussetzung gültig zustande gekommen, dass sie z. B. mängelfrei getroffen worden ist, dass die Parteien geschäftsfähig waren etc. (L. Killias Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, Zürich 1993 S. 199). Diejenigen Punkte einer Gerichtsstandsvereinbarung, welche von Art. 17 LugÜ unmittelbar geregelt werden, wie insbesondere die Formvorschriften und die damit zusammenhängenden Voraussetzungen einer Einigung, sind autonom auszulegen. Eine Anwendung von nationalem Recht – bzw. des vom IPR berufenen nationalen Rechts – kommt diesbezüglich nicht in Frage (J. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zu EuGVÜ und Lugano-Übereinkommen, 5. Aufl. , Heidelberg 1996, N 26 zu Art. 17; L. Killias, aaO, S. 199 ff.). Gestützt auf Protokoll Nr. 2 (insbes. Abs. 3 und 4 der Präambel und Art. 1) über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens ist die Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ auch für die Anwendung des Lugano-Übereinkommens massgebend (O. Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl. , Zürich 1995, N 81 f.).
3.3. a) Beide Parteien machen das Zustandekommen einer gültigen Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 LugÜ geltend, wobei sich hiefür jede Partei auf ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen – bzw. der Kläger auf diejenigen der Zedentin – beruft.
b) Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. a LugÜ liegt vor, wenn jede Partei ihre Willenserklärung schriftlich abgegeben hat. Die Vorschrift erfordert jedoch keine beidseits unterzeichnete Urkunde, sondern es genügen auch getrennte Schriftstücke, sofern die Übereinstimmung hinsichtlich des gewählten Gerichtsstandes ausreichend deutlich wird. Da Art. 17 LugÜ. den Anforderungen des kaufmännischen Verkehrs Rechnung tragen will und insbesondere keine ausdrückliche Vereinbarung voraussetzt, kann – nach der Rechtsprechung des EuGH – dem Schrifterfordernis grundsätzlich auch durch eine Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen Genüge getan werden. Erforderlich ist allerdings, dass der von beiden Parteien unterzeichnete Vertragstext selbst ausdrücklich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der Gerichtsstandsklausel Bezug nimmt (J. Kropholler, aaO, N 30 ff. zu Art. 17).
c) Vorliegend ist der Hauptvertrag mit der von der Beklagten unterzeichneten Bestellung vom 29. August 1991 zustande gekommen. Darin hat die Beklagte ausdrücklich auf die Offerte der Technik AG vom 4. Juni 1991 Bezug genommen; darin verweist letztere auf ihre auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Lieferungsbedingungen, welche einen Gerichtsstand am Sitz der Firma vorsehen. Die Beklagte verweist allerdings im Bestellschreiben ihrerseits auf ihre eigenen rückseitigen Allgemeinen Einkaufsbedingungen (Subject to Buyer's General Conditions of Purchase on Reverse), welche eine mit derjenigen der T. AG nicht übereinstimmende Gerichtsstandsklausel enthalten. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Bestellung der Beklagten mittels eines vorgedruckten Formulars erfolgte. Die Bestellung als solche ist in einem speziell dafür leer gelassenen Feld aufgeführt und lautet auf eine <T. Gap Control Unit>. Auf der nächsten Zeile hält die Beklagte fest: <All as per your quotation no 291.233a dated 4.6.1991>. Damit wird ausdrücklich auf die Offerte No. 291.233a (der T. AG) vom 4. Juni 1991 Bezug genommen. Gleichzeitig bringt die Beklagte mit diesem Satz zum Ausdruck, dass sie sich mit der Offerte, einschliesslich aller Bedingungen – mithin auch der Allgemeinen Lieferungsbedingungen -, einverstanden erklärt. Dass sie die in deutscher Sprache verfassten Allgemeinen Lieferungsbedingungen der T. AG nicht verstanden hätte, hat die Beklagte nie geltend gemacht. (...)
3.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass eine durch die nach Art. 17 Abs. 1 lit. a LugÜ erforderliche Schriftform gedeckte wirkliche Willenseinigung zwischen der T. AG und der Beklagten vorliegt. Gestützt darauf ist das Handelsgericht zuständig. Die Unzuständigkeiteinrede der Beklagten ist daher abzuweisen.