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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger erhob gegen den Beklagten mit Wohnsitz in Spanien Klage vor dem Amtsgericht Luzern (CH) auf Rechenschaftsablegung über die zwischen ihnen vereinbarte Vermögensverwaltungstätigkeit sowie Herausgabe des Saldos zu seinen Gunsten. Der Beklagte bestritt die örtliche Zuständigkeit, da er seinen Wohnsitz in Spanien habe. Das Amtsgericht wies die Klage daraufhin ab. Hiergegen erhob der Kläger Rekurs zum Obergericht Luzern.
Das Obergericht weist den Rekurs ab, da eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ nicht gegeben sei. In der Klage gehe es um zwei Nebenpflichten aus dem Vermögensverwaltungsauftrag. Abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts sei zur Bestimmung von deren Erfüllungsort nicht auf den Erfüllungsort des Hauptanspruches abzustellen, sondern der Erfüllungsort für die Nebenpflichten gesondert zu bestimmen. Dies sei aufgrund einer Entscheidung des EuGH (Slg. 1999, I-6747 N 42 – Leathertex/Bodetex) geboten, da der EuGH hier festgestellt habe, dass mehrere Gerichtsstände gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ bestünden, wenn mehrere gleichrangige Pflichten mit verschiedenen Erfüllungsorten eingeklagt würden. In dieser Entscheidung sei es ebenfalls nicht um Hauptpflichten gegangen. Um die Parallelität zwischen EuGVÜ und LugÜ zu wahren, müsse die Auffassung des EuGH auch im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 LugÜ gelten. Der Erfüllungsort sei ferner nach der lex causae zu bestimmen, vorliegend nach spanischem Recht. Nach diesem befinde sich der Erfüllungsort für beide eingeklagten Nebenleistungspflichten am Wohnsitz des Schuldners und damit in Spanien. Folglich sei keine Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ gegeben.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger beantragte beim Amtsgericht, der Beklagte habe umfassende Rechenschaft über seine Vermögensverwaltungstätigkeit von 1994 bis 2002 abzulegen. Zusätzlich habe er ihm nach Massgabe der Rechenschaftsablegung den Saldo zu seinen Gunsten, mindestens jedoch den Betrag von EUR 579.592,94 nebst Zins zu 5 % seit Verfall zu bezahlen. Der Beklagte bestritt die örtliche Zuständigkeit der Vorinstanz, da er seinen Wohnsitz in Spanien habe. Mit Erledigungsentscheid vom 15. Dezember 2003 trat das Amtsgericht mangels örtlicher Zuständigkeit auf die Klage nicht ein. Das Obergericht wies den vom Kläger dagegen erhobenen Rekurs ab.
Aus den Erwägungen:
3. Das Amtsgericht hat zutreffend erwogen, dass die vom Kläger beantragte Rechenschaftsablegung und verlangte Herausgabe als vertragliche Nebenleistungspflichten des Vermögensverwaltungsauftrages zu qualifizieren sind. (…)
4. Zur Festlegung des Erfüllungsortes der beiden Nebenleistungspflichten nach dem hier massgebenden Art. 5 Ziff. 1 LugÜ folgte das Amtsgericht einem Teil der Lehre, wonach für selbständig eingeklagte Nebenansprüche der Erfüllungsort des Hauptanspruches für die Zuständigkeit entscheidend sei, im vorliegenden Fall also der Erfüllungsort der Vermögensverwaltung. Dem ist nicht zuzustimmen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) zum Brüsseler Übereinkommen (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 [EuGVÜ]), dem das LugÜ nachempfunden wurde, ist nicht ein und dasselbe Gericht dafür zuständig, über eine Klage, die auf zwei sich aus demselben Vertrag ergebende, gleichrangige Verpflichtungen gestützt wird, insgesamt zu entscheiden, wenn eine dieser Verpflichtungen nach den Kollisionsnormen des Staates dieses Gerichts in diesem Staat und die andere in einem anderen Vertragsstaat zu erfüllen wäre (EuGH, Slg. 1999, I-6747 N 42 [Leathertex/Bodetex]). Mit anderen Worten: Wenn mehrere gleichrangige Pflichten mit verschiedenen Erfüllungsorten eingeklagt werden, so bestehen auch mehrere Gerichtsstände gemäss Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ/LugÜ, unabhängig davon, ob diese Pflichten aus einem oder mehreren Verträgen resultieren (Furrer/Schramm, Zuständigkeitsprobleme im europäischen Vertragsrecht, Die neuesten Entwicklungen zu Art. 5 Ziff. 1 LugÜ/EuGVÜ, in: SJZ 99 [2003] S. 110). Von Interesse ist dabei vor allem, dass es im zitierten EuGH-Fall – wie hier – nicht um Hauptpflichten ging und das oberste Gericht der europäischen Gemeinschaft trotz seines bis anhin gelebten Grundsatzes, soweit wie möglich zu verhindern, dass aus ein und demselben Vertrag mehrere Zuständigkeitsgründe hergeleitet werden (EuGH, Slg. 1976, 1497 N 9/12 [de Bloos/Bouyer]), nicht an eine solche, d.h. nicht eingeklagte Hauptpflicht, anknüpfte. Vielmehr verwies es darauf, dass Nachteile, die sich daraus ergeben, dass unterschiedliche Gerichte über die verschiedenen Aspekte ein und desselben Rechtsstreits entscheiden, der Kläger dadurch vermeiden könne, indem er nach Art. 2 des Übereinkommens seine Ansprüche insgesamt bei dem Gericht des Ortes anhängig mache, an dem der Beklagte seinen Wohnsitz habe (EuGH, Slg. 1999, I-6747 N 41 [Leathertex/ Bodetex]). Damit steht gleichzeitig fest, dass für den EuGH, anders als es Furrer/Schramm (aaO, S. 111) sehen, eine Zusammenfassung der Zuständigkeiten wegen Konnexität der – auf gleichrangige Forderungen gestützten – Klageanträge nicht in Frage kommt (so ausdrücklich auch die Schlussanträge von Generalanwalt Léger sind, N 53 ff.). Mit Rücksicht auf die Wahrung der Parallelität zwischen EuGVÜ und LugÜ sieht sich das Obergericht nicht veranlasst, von der Auffassung des EuGH abzuweichen.
5. Zu bestimmen ist demnach, wo sich der Erfüllungsort der beiden eingeklagten Nebenleistungspflichten befindet.
5.1. Nach dem in E. 4 Gesagten spielt die Hauptpflicht, die Vermögensverwaltung, diesbezüglich keine Rolle. Der vom Kläger angerufene tatsächliche Erfüllungsort steht deshalb ausser Diskussion und es ist auf die in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen bzw. gestellten Beweisanträge nicht weiter einzugehen. Da der Kläger die eingeklagten Nebenleistungspflichten offensichtlich noch nicht entgegengenommen hat, kommt hier allein der rechtliche Erfüllungsort in Frage. Dieser ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Slg. 1999, I-6747 N 33 m.w.H. [Leathertex/Bodetex]) und des Bundesgerichts (BGE 124 III 189 E. 4a m.w.H.) nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts für die streitigen Verpflichtungen zu ermitteln. Ein jüngeres Urteil des EuGH bezeichnet diese Rechtsprechung zwar als überkommen, ohne jedoch den offenen Bruch damit zu vollziehen (EuGH, Slg. 2002, I-1699 N 33 und 36 [Besix/WABAG und Plafog]; Furrer/Schramm, aaO, S. 111).
5.2. Nach Art. 116 und 117 IPRG wird in concreto das anwendbare Recht entweder durch Rechtswahl der Parteien oder – subsidiär – durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Beauftragten, da dieser die charakteristische Leistung erbringen soll, festgelegt. Das Amtsgericht verneinte das Vorliegen einer Rechtswahl und stellte in der Folge auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten ab, welcher in Spanien liege, womit spanisches Recht zur Anwendung gelange. Der Kläger behauptet in der Rekursschrift nicht (mehr), die Parteien hätten eine Vereinbarung über den Erfüllungsort getroffen. Ebenso wenig ficht er die vorinstanzliche Feststellung betreffend den gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten an. Wohl vertritt der Kläger an verschiedenen Stellen die Auffassung, der Beklagte habe den grössten Teil des Jahres in Luzern verbracht. Damit setzt er aber einfach seine Meinung derjenigen des Amtsgerichts gegenüber, ohne zu erörtern, weshalb Letztere unhaltbar sei. Insoweit ist auf die klägerischen Vorbringen nicht einzutreten. Es bleibt daher bei der vorinstanzlichen Feststellung, dass spanisches Recht anzuwenden ist.
5.3. Das Amtsgericht hat zwecks Abklärung des Erfüllungsortes nach spanischem Recht beim Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung (ISDC) ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Dessen Inhalt findet sich im Wesentlichen in E. 9.2 des vorinstanzlichen Erledigungsentscheids vom 15. Dezember 2003. Gestützt darauf kam das Amtsgericht zum Schluss, dass aus der Aktenlage kein klarer Parteiwille in Bezug auf den effektiven Erfüllungsort hervorgehe, ebenso wenig eine stillschweigende Bestimmung des Erfüllungsortes. Da im vorliegenden Fall die Verpflichtung in einer Dienstleistung (Vermögensverwaltung) und nicht Sachleistung bestehe, bestimme Art. 1171 Abs. 3 CCE den Wohnsitz des Schuldners als Erfüllungsort. Der Wohnsitz des Beklagten befinde sich unbestritten seit 1992 in Spanien. Der vorinstanzlichen Darlegung ist beizupflichten, auch wenn nicht der Erfüllungsort der Vermögensverwaltung an und für sich, sondern derjenige der beiden streitigen Nebenleistungspflichten – Rechenschaftsablage und Herausgabe – festzulegen ist. Zum einen fehlt es, wie sich der vorinstanzlichen Beweiswürdigung entnehmen lässt, auch diesbezüglich an rechtsgenüglichen Hinweisen für eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung betreffend Erfüllungsort. Zum andern ist der Umstand, dass das Amtsgericht in diesem Zusammenhang von der Befragung der Ehefrau des Klägers absah, nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat in Würdigung des früheren und heutigen Verhältnisses der Parteien und deren Ehefrauen, welche jeweils als Zeuginnen angeführt wurden, zutreffend erwogen, dass keiner der Aussagen ausschlaggebenden Beweis zukommen kann. Schliesslich sind die beiden fraglichen Nebenleistungspflichten als Bestandteil der Vermögensverwaltung ebenfalls keine Sachleistungen.
5.4. Zusammenfassend steht fest, dass sich der Erfüllungsort der beiden eingeklagten Nebenleistungspflichten in Spanien befindet, mithin der Beklagte gestützt auf Art. 5 Ziff. 1 LugÜ nicht vor einem Schweizer Gericht verklagt werden kann. Im Übrigen präsentierte sich das Ergebnis nicht anders, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Beklagten entgegen E. 5.2 in der Schweiz läge und folglich Schweizer Recht anzuwenden wäre (vgl. Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 und 3 OR).
6. Insoweit der Kläger ein deliktisches Verhalten des Beklagten und damit zusätzlich den Gerichtsstand am Ort der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 LugÜ ins Spiel bringt, ist darauf hinzuweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der Begriff „unerlaubte Handlung“ nach Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ – mithin auch nach Art. 5 Ziff. 3 LugÜ (vgl. E. 4 in fine) – auf alle Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ/LugÜ anknüpfen (EuGH, Slg. 2002, I-7357 N 21 m.w.H. [Tacconi/HWS]; vgl. auch Jan Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Komm. zu EuGVÜ und LugÜ, 6. Aufl., Heidelberg 1998, N 56 zu Art. 5; Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Kurzkomm., Wien 1997; a.M. Ivo Schwander, Die Gerichtszuständigkeiten im Lugano-Übereinkommen, in: Ivo Schwander [Hrsg.], Das Lugano-Übereinkommen, St. Gallen 1990, S. 74 f.). Wie auch der Beklagte einwendet, verlangt der Kläger nicht, dass er ihn für die angeblich widerrechtliche Veräusserung von Anleihen zu entschädigen habe oder dass ihm Schadenersatz für einen Verkaufsauftrag oder für weitere angebliche Unregelmässigkeiten in der Vermögensverwaltung zu leisten sei. Der Kläger beantragt vielmehr, dass ihm der Beklagte gemäss Auftragsrecht Rechenschaft über seine Vermögensverwaltungstätigkeit in der Zeit vom 6. Januar 1994 bis und mit 14. März 2002 abzulegen habe. Nach Massgabe dieser Rechenschaftsablegung habe ihm der Beklagte sodann den Saldo herauszugeben. Dabei begründet der Kläger den Herausgabeanspruch wiederum ausdrücklich als „aus dem Vermögensverwaltungsauftrag erwachsend“. Zwar schloss der Kläger in der Klage nicht aus, „dass sich der Beklagte eines deliktischen Verhaltens schuldig gemacht hat“. Seine Ansprüche und Vorwürfe stützte er jedoch nach dem soeben Gesagten klar und deutlich auf Vertragsverletzung. Dass das Amtsgericht auf den vom Kläger zusätzlich vorgebrachten Gerichtsstand am Ort der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 LugÜ mit keinem Wort einging, ist daher nicht zu beanstanden.
7. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist das Amtsgericht zu Recht auf die Klage nicht eingetreten.