1.1. Die X. AG mit Sitz in Luzern ist Herausgeberin eines internationalen Touristikführers auf CD-ROM, des „TouristDirectory“. Y. betreibt unter dem Namen „E. Film + TV“ von Berlin aus eine Internet-Plattform, auf der er u.a. über dubiose Adressbuch-Firmen informiert. Auf verschiedenen „schwarzen Listen“ ist auch die X. AG aufgeführt.
1.2. Am 18. Februar 2004 reichte die X. AG beim Amtsgericht Klage ein und beantragte im Wesentlichen, es sei festzustellen, dass Y. sie unlauter herabgesetzt und ihren Ruf geschädigt habe, und es sei diesem unter Androhung von Art. 292 StGB zu verbieten, sie im Internet anzuschwärzen. In der (nicht einlässlichen) Klageantwort vom 28. Juni 2004 stellte Y. vorab Antrag auf Beschränkung des Verfahrens auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Die Klage sei zurückzuweisen.
1.3. Mit Vorentscheid vom 12. September 2005 trat das Amtsgericht auf die Klage ein. Für die behauptete Persönlichkeits- und Wettbewerbsverletzung bestehe gemäss Art. 5 Ziff. 3 LugÜ der Gerichtsstand des Erfolgsorts in Luzern. Dagegen erhob Y. am 26. September 2005 Rekurs beim Obergericht und verlangte, die Klage sei mangels örtlicher Zuständigkeit zurückzuweisen. Die X. AG schloss in ihrer Vernehmlassung vom 16. Oktober 2005 auf Abweisung des Rekurses.
2. Insoweit der Beklagte sowohl in der Begründung als auch im Beweispunkt pauschal auf die Akten der Vorinstanz verweist, ist auf den Rekurs nicht einzutreten. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanz, danach zu forschen, welche der vorgetragenen Tatsachen zur Begründung der einzelnen Rügen bzw. welche der angerufenen Beweismittel zur Erhärtung der einzelnen Vorbringen dienen. Auf den Rekurs ist auch nur soweit einzutreten, als er sich substanziiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzt (LGVE 2003 I Nrn. 45 und 46).
3. Streitig und zu prüfen ist, ob ein Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 LugÜ in Luzern gegeben ist.
3.1. Da Internet-Inhalte überall auf der Welt abrufbar sind, findet sich theoretisch auch weltweit ein Erfolgsort. Obwohl tatsächlich eine Website in jedem Land abgerufen werden kann, ist der Erfolgseintritt nur an all jenen Orten möglich, in denen das ursächliche Ereignis seine schädigende Wirkung unmittelbar gegenüber demjenigen entfaltet, der dessen unmittelbares Opfer wird (EuGH in der Rechtssache 220/88, Hessische Landesbank, Slg. 1990, I-49). Von welchen Erfolgsorten dabei konkret auszugehen ist, hängt von der Art der begangenen unerlaubten Handlung ab (Arter/Jörg/Gnos, Zuständigkeit und anwendbares Recht bei internationalen Rechtsgeschäften mittels Internet unter Berücksichtigung unerlaubter Handlungen, in: AJP/PJA 2000 S. 294; Oliver Arter, Gerichtsstand und anwendbares Recht bei elektronischen Rechtsgeschäften und unerlaubten Handlungen im Internet, in: Arter/Jörg [Hrsg.], Internet-Recht und Electronic Commerce Law, 1. Tagungsband, St. Gallen/Lachen 2001, S. 186; Flavio Romerio, in: Müller/Wirth [Hrsg.], Gerichtsstandsgesetz, Komm. zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, Zürich 2001, N 83 zu Art. 25; Rolf H. Weber, E-Commerce und Recht, Rechtliche Rahmenbedingungen elektronischer Geschäftsformen, Zürich 2001, S. 104; David Rosenthal, Das auf unerlaubte Handlungen im Internet anwendbare Recht am Beispiel des Schweizer IPR, in: AJP/PJA 1997 S. 1344). Im vorliegenden Fall geht es um unlauteren Wettbewerb nach Art. 3 lit. a UWG und eine Persönlichkeitsverletzung nach Art. 28 ZGB.
3.2. Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Parallelübereinkommen von Brüssel (EuGVÜ), die es auch für die Auslegung des LugÜ zu beachten gilt, wird bei einer grenzüberschreitenden Ehrverletzung durch Presseerzeugnisse die Persönlichkeitsverletzung an den Orten verwirklicht, an denen die Veröffentlichung verbreitet worden ist, wenn der Betroffene dort bekannt ist, und in dem das Ansehen des Betroffenen nach dessen Behauptungen beeinträchtigt worden ist (EuGH in der Rechtssache C-68/93, Fiona Shevill, Slg. 1995, I-415). Dies ist in erster Linie an dem Ort der Fall, wo die verletzte Person ihren (Wohn-)Sitz hat (Weber, aaO, S. 105; Entscheid des Schwyzer Kantonsgericht vom 13.3.1997, publiziert in: SJZ 95/1999 S. 200; vgl. auch Vischer, Zürcher Komm. zum IPRG, Zürich 2004, N 12 zu Art. 33). Die Klägerin sieht sich denn auch vor allem in der Schweiz verunglimpft.
3.2.1. Angesichts der – im Gegensatz zu herkömmlichen Presseerzeugnissen – Globalität des Internets, kann die Shevill-Entscheidung nicht unbesehen auf eine Persönlichkeitsverletzung im Internet übertragen werden. Es gilt insbesondere den Begriff des Verbreitens zu „übersetzen“. In Bezug auf Presseerzeugnisse ist darunter das vom Verleger räumlich angepeilte Vertriebsgebiet zu verstehen (vgl. EuGH in der Rechtssache C-68/93, Fiona Shevill, Slg. 1995, I-415 N 8 und 9; vgl. auch Romerio, aaO, N 82 zu Art. 25; NJW 1977 S. 1591 Ziff. 2 und 3). Während traditionelle Massenmedien wie Presse oder Rundfunk „sendergesteuert“ sind, ist das Internet jedoch weitgehend ein „empfängergesteuertes“ Medium (vgl. Michael von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, Das anwendbare Recht, Tübingen 1999, S. 13 f.; Rosenthal, unerlaubte Handlungen, S. 1345; Arter/Jörg/Gnos, aaO, S. 288; Arter, aaO, S. 196; wohl a.M., aber nicht überzeugend, Romerio, aaO, N 84 zu Art. 25). Dies hat zur Folge, dass der Verbreitungsort im Internet nicht das vom Website-Betreiber anvisierte Lesergebiet ist, sondern überall dort, von wo aus mit grosser Wahrscheinlichkeit die Website abgerufen wird. Des Nachweises eines tatsächlichen Abrufs bedarf es nicht. Abgesehen davon, dass ein solcher sowohl aus technischen als auch datenschutzrechtlichen Gründen kaum oder nur sehr schwer zu erbringen ist, erübrigt er sich auch bei herkömmlichen Pressedelikten. Dass ein ehrverletzender Artikel einer Zeitung in einem bestimmten Land tatsächlich von einer Person gelesen wurde, setzt der EuGH nicht voraus. Es genügt, dass die Zeitung in jenem Land verbreitet wurde, und die Person dort bekannt ist (vgl. von Hinden, aaO, S. 148, 150 und 175; Rosenthal, unerlaubte Handlungen, S. 1344; ders., Lauterkeitsrecht im Internet, in: Christian J. Meier-Schatz [Hrsg.], Neue Entwicklungen des UWG in der Praxis, Bern 2002, S. 89; a.M., aber dem Abrufprinzip des Internets nicht Rechnung tragend, Lukas Bühler, Schweizerisches und internationales Urheberrecht im Internet, Freiburg 1999, S. 372; Felix Dasser, Gerichtsstand und anwendbares Recht bei Haftung aus Internetdelikten, in: Arter/Jörg [Hrsg.], Internet-Recht und Electronic Commerce Law, 3. Tagungsband, Bern 2003, S. 146 unten).
3.2.2. Was das Kriterium der Bekanntheit der verletzten Person betrifft, so wird es in der Lehre kontrovers diskutiert. Ein Teil zählt es ebenfalls zu den Voraussetzungen eines Erfolgsorts bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet (Rosenthal, unerlaubte Handlungen, S. 1344; Arter, aaO, S. 187). Der andere Teil verzichtet darauf (von Hinden, aaO, S. 88 ff.; Weber, aaO, S. 109 f.). Nachdem in concreto der Erfolg der behaupteten Persönlichkeitsverletzung im „Heimatland“ der Klägerin bzw. an deren Sitz eingetreten sein soll (vgl. E. 3.2), erübrigen sich Weiterungen (vgl. Entscheid des Schwyzer Kantonsgericht vom 13.3.1997, publiziert in: SJZ 95/1999 S. 200; von Hinden, S. 89 oben).
3.2.3. Zusammengefasst ergibt sich somit: Bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet legitimiert der Sitz der Klägerin nicht per se als Erfolgsort die Anrufung des dortigen Gerichts. Erforderlich ist vielmehr, dass dort mit einer relevanten Verbreitung im Sinne einer objektiven Zielrichtung zu rechnen war (von Hinden, aaO, S. 175; im Ergebnis gleich, obwohl in der Begründung abweichend, Weber, aaO, S. 110 oben, unter Hinweis auf von Hinden; vgl. auch Rosenthal, unerlaubte Handlung, S. 1344).
3.3. Gleich verhält es sich bei unlauterem Wettbewerb. Diesbezüglich wird in der Lehre einhellig ein Erfolgsort nur an jenen Orten angenommen, an denen sich Abrufer befinden, die das fragliche Angebot objektiv ansprechen soll (Rosenthal, Lauterkeitsrecht, S. 89; Weber, aaO, S. 112; Arter, aaO, S. 186).
4. Zu klären ist demnach, ob sich die streitigen Internet-Informationen objektiv auch an Abrufer in der Schweiz richten. Dabei sind verschiedene Umstände zu berücksichtigen, wie Sprache, Inhalt, typischer Adressatenkreis, Disclaimer, Angaben von Kontaktadressen oder die Möglichkeit, in Benutzereingaben eine Länderwahl zu treffen (von Hinden, aaO, S. 148 ff.; Rosenthal, Lauterkeitsrecht, S. 89; Arter, aaO, S. 199 f.; Weber, aaO, S. 112).
4.1. Die fraglichen Internet-Informationen sind in deutscher Sprache veröffentlicht. Sie warnen vor „dubiosen Formulare(n) nach Deutschland, Italien, England …“, welche die Klägerin verschicke, und geben Auskunft darüber, dass der deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) im Jahre 2002 von ihr (der Klägerin) eine Unterlassungserklärung erwirkt habe. Ferner wird die Klägerin in der Liste 3 aufgeführt, in der es um „europaweit agierende dubiose 'Eintragungs' Firmen“ geht, „die vom Ausland aus nach Deutschland oder vom Ausland aus in Europa aktiv sind“. Im Weiteren wird auf eine österreichische Liste mit Hintergrundinformationen verwiesen (ÖAVV). Wird diese angeklickt, so wird ersichtlich, dass mit der Liste auf österreichische Unternehmen, die teilweise auch in Deutschland arbeiten, aufmerksam gemacht wird. Unter „Anwälte im europäischen Ausland“ figuriert lediglich ein Anwalt in Österreich. Die geografische Top-Level-Domain (TLD) lautet auf „.de“. Der Beklagte verfügt ausserdem über eine netzweite TLD. Die Website, die auch in englischer Sprache abrufbar ist, findet sich darauf.
4.2. Die deutsche Sprache ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Liechtenstein und in der Schweiz gebräuchlich. Sie ist ein Indiz für eine internationale Zuständigkeit in diesen Staaten (Arter, aaO, S. 199). Inhaltlich geht es um sogenannten „Adressbuchschwindel“, d.h. „im Zusammenhang mit Registerbetrug, Unterschriften-Erschleichung, Vertrags-Schwindel usw. werden arglistig Unterschriften oder Zahlungen erschlichen, um so z.B. Anzeigen und Adressen in wertlosen Verzeichnissen (Adressengräber) zu verkaufen“. Der Beklagte bietet diesbezüglich „Hilfe zur Selbsthilfe“ an indem er u.a. verschiedene Listen mit Hintergrundinformation zur Verfügung stellt. Zwar beschränken sich die spezifischen „Länderlisten“ auf Deutschland und Österreich. Auch „vermittelt“ der Beklagte zwecks Rechtsberatung ausschliesslich Kontaktadressen in diesen beiden Ländern. Liste 3 handelt indessen vom „Internet Adressbuch Schwindel Europaweit“. Ihre Art und Präsentation richtet sich dabei klar (auch) an das europäische Ausland und entkräftet die Vermutung, dass das Web-Angebot – zumal unter der Domain „.de“ – ausschliesslich national – für das Gebiet Deutschland – bestimmt ist. Wie bereits erwähnt, ist die Website in Deutsch gehalten, weshalb Liste 3 auch für Abrufer, die in der Schweiz ansässig sind, von erheblichem Interesse ist (vgl. von Hinden, aaO, S. 150). „Adressbuchhandel“ wird nämlich auch hier rege betrieben. Ebenso wenig schliesst der auf der Website angebrachte Disclaimer einzelne (deutschsprachige) Länder aus. Er bezieht sich auf den Verweis auf andere Internetseiten bzw. entsprechende Links (vgl. von Hinden, aaO, S. 150 f.; Arter, aaO, S. 200).
4.3. Nach dem Gesagten widmet sich die Website einem Thema, welches über Deutschland hinaus interessiert. Das Sammeln und gezielte Bündeln von Adressen einerseits sowie die damit verbundene (pekuniäre) Erwartung bzw. Hoffnung auf grösseren Bekanntheitsgrad anderseits finden sich überall, ebenso „schwarze Schafe“. Mit der Liste 3 wird denn auch explizit auf europaweit agierende dubiose Eintragungsfirmen aufmerksam gemacht. Damit werden objektiv auch allfällige „Opfer“ ausserhalb Deutschlands angesprochen, und zwar infolge der verwendeten Sprache vor allem auch in der Schweiz. Demnach ist ein Erfolgsort im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 LugÜ in Luzern zu bejahen und der vorinstanzliche Vorentscheid zu bestätigen.