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unalex. Rechtsprechung Entscheidung CH-321
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung CH-321  



Appellationsgericht Basel-Stadt (CH) 26.09.2008 - 16/2007/MEM/chi
Art. 25, 82 CISG – unalexBegriff der wesentlichen Vertragsverletzung –unalexKeine Vertragsaufhebung bei Unvermögen zur Rückgabe der Ware

Appellationsgericht Basel-Stadt (CH) 26.09.2008 - 16/2007/MEM/chi, unalex CH-321



Erbringt eine gelieferte Maschine nur eine geringere Leistung als vereinbart, so dass dem Käufer Einbußen von 36 bis 71 % gegenüber der vereinbarten Leistung entstehen, liegt eine wesentliche Vertragsverletzung iSd Art. 25 CISG vor.

Das Recht zur Vertragsaufhebung erlischt nicht nach Art. 82 Abs. 1 CISG, wenn an einer gelieferten Maschine Änderungen durch den Verkäufer nicht in der Ausführung von Aufträgen des Käufers, sondern zur Herstellung des vertragskonformen Zustands der Maschine erfolgt sind.

Die Frage, ob das Recht zur Vertragsaufhebung auf Grund von gezogenen Nutzungen ausgeschlossen ist, ist nach Art. 82 Abs. 2 lit. c CISG zu beurteilen. Dabei ändert die weitere Nutzung nach Erklärung der Vertragsaufhebung zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Verkäufer im Rücknahmebezug befand, an der Wirksamkeit der Erklärung nichts mehr.


-  Entscheidungstext 

Die Y S. A. mit Sitz in Spanien und die X AG mit Sitz in Basel schlossen am 12. Dezember 2000 einen Vertrag über die Lieferung einer Abfüll- und Verpackungsanlage durch die X. Der Kaufpreis der gesamten Anlage, welche zehn Maschinen sowie die Transport- und Verbindungssysteme zwischen diesen umfasste, betrug Pts 247.278.337,‑ (entsprechend EUR 1.486.172,74). Die X hatte die Verpackungslinie zu installieren und in Betrieb zu setzen.

Nach der Installation der Anlage wollte die X einen Abnahmelauf durchführen, wobei sich die Parteien über die zu erreichende Produktionsleistung uneinig waren. Die Y bestand im Wesentlichen auf einer Leistungsfähigkeit der gesamten Anlage von 180 Flacons pro Minute. Die X erklärte, dass eine solche Gesamtleistung weder möglich noch vereinbart sei. Sie unternahm diverse Versuche, die deutlich unter dem Wert von 180 Flacons pro Minute liegende Leistung zu erhöhen. Am 23. März 2003 erklärte die Y die Auflösung des Vertrages und forderte die Rückzahlung des bereits bezahlten Kaufpreises nebst Schadenersatz. Mit Eingabe vom 5. August 2004 erhob die Y gegen die X Klage beim Zivilgericht. Die X forderte ihrerseits widerklageweise den Restpreis sowie Entschädigungen. Das Zivilgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. November 2006 im Wesentlichen gutgeheissen und die Widerklage abgewiesen.

Dagegen hat die Beklagte rechtzeitig appelliert. In der Appellationsbegründung vom 10. Mai 2007 begehrt sie, es sei das Urteil des Zivilgerichts aufzuheben, es sei die Klage abzuweisen und es sei die Beklagte widerklageweise zu verurteilen, ihr EUR 731.675,19 nebst gestaffeltem Zins zu bezahlen. Die Klägerin begehrt die Abweisung der Appellation.

Erwägungen:

1. Die Parteien haben im Vertrag vom 12. Dezember 2000 die Zuständigkeit der basel-städtischen Gerichte vereinbart. Diese Vereinbarung ist nach Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ; SR 0.275.11) beachtlich. Die Zuständigkeit der hiesigen Gerichte ist gegeben. Auf die rechtzeitig erklärte Appellation ist einzutreten.

2. Das Zivilgericht hat den vorliegenden Vertrag nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (CISG; SR 221.211.1) beurteilt. Gemäss Art. 1 CISG ist das Übereinkommen unter anderem massgebend, wenn Verkäufer und Käufer ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten haben. Es ist anwendbar auf Kaufverträge über Waren, wobei Art. 3 CISG den Kauf herzustellender oder zu erzeugender Ware dem Kaufvertrag grundsätzlich gleichstellt. Die Anwendbarkeit des CISG ist unter den Parteien unbestritten und zu bestätigen.

3. Zu beurteilen ist im Folgenden, was Gegenstand der vereinbarten Lieferung gewesen, ob vertragskonform geliefert worden, ob der Klägerin ein Rücktrittsrecht zugestanden ist und ob sie dieses wirksam ausgeübt hat.

4. Vertragsgegenstand

4.1 Strittig ist, welche Leistung der Abfüll- und Verpackungsanlage vereinbart worden ist. Das Zivilgericht hat erwogen, dass sich die Parteien übereinstimmend auf eine Produktionslinie mit einem Gesamtausstoss von 180 Einheiten pro Minute geeinigt hätten. Die Beklagte behauptet demgegenüber, möglich und geschuldet sei lediglich eine Leistung von 127 Stück pro Minute.

4.2 Nach Art. 8 Abs. 1 CISG sind Erklärungen und das sonstige Verhalten einer Partei in erster Linie nach deren Willen auszulegen, wenn die andere Partei diesen Willen kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte. Daher ist für die Auslegung von Parteierklärungen in erster Linie auf den wirklichen subjektiven Willen der erklärenden Partei abzustellen. Dieser Wille muss der anderen Partei bekannt oder jedenfalls für diese erkennbar gewesen sein. Erst wenn dies nicht der Fall ist, wird die erklärende Partei nach Art. 8 Abs. 2 CISG an der objektiven Bedeutung ihrer Erklärung behaftet (vgl. Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Tübingen 2003, Rn. 54; BGer, 4C. 474/2004 vom 5. April 2005, E. 3.2 ff. m.w.H.)

4.3 Zu klären ist im Folgenden, wozu sich die Beklagte verpflichtet hat. Das Zivilgericht hat zutreffend erwogen, dass sich die Klägerin am 27. Juli 2000 für eine „Linie von 180 Einheiten/Minute“ interessiert hat (Klagbeilage [KBJ 36). Die Beklagte hat darauf nicht geantwortet, eine solche Leistung sei unmöglich, sondern sie hat ihr in der Antwort vom 28. Juli 2000 nicht widersprochen (Klagbeilage [KB] 38). Die Klägerin hat sich auch erkundigt, ob ihr vorhandener LaserKodierer bei der gewünschten Geschwindigkeit noch arbeiten könne. Die Beklag4 te hat darauf ebenfalls am 28. Juli 2000 geantwortet, ihre Abklärung habe ergeben, dass das Kodierungsgerät einwandfrei mit 200 Flaschen pro Minute funktioniere.

Diese Abklärung und die darauf erfolgte Rückmeldung belegen, dass die Beklagte nicht der Meinung gewesen ist, es seien bloss 127 Flacons pro Minute zu kodieren. Vielmehr haben die Parteien übereinstimmend über eine Linie mit einer Leistungsfähigkeit von 180 Stück pro Minute verhandelt. Der Leistungsbeschrieb vom 3. August 2000 (KB 24) und der Vertrag vom 12. Dezember 2000 (Klagkurzbegründungsbeilage [KKBJ 1a) enthalten Verzeichnisse, in welchen die Leistungen der einzelnen Linienteile mit „Nenngeschwindigkeiten“ und „tatsächliche Geschwindigkeiten“ angegeben werden. Die Teilgeschwindigkeiten liegen jeweils deutlich tiefer, bei keinem Teil jedoch unter 180 Stück pro Minute.

Das Zivilgericht hat zutreffend erwogen, dass diese Tatsachen von der Beklagten nicht substantiiert bestritten worden seien. Die Beklagte hat keine Vorbehalte bezüglich der Leistung von 180 Einheiten pro Minute angebracht. Sie hat auch nicht auf die Mischrechung verwiesen, mit der sie nun eine geschuldete Leistungskapazität von 127 Einheiten pro Minute errechnen will. Das Zivilgericht hat auch das weitere Verhalten der Parteien berücksichtigt und erwogen, dass die Beklagte über ein Jahr lang vergeblich versucht habe, die Leistung der installierten Anlage zu erhöhen. Parallel dazu habe sie die nach ihrer Ansicht vereinbarte Leistungsfähigkeit kontinuierlich nach unten korrigiert: Im August 2002 sollte die Anlage mit einer Geschwindigkeit von 150 Einheiten pro Minute arbeiten, anfangs November 2002 mit 145, gegen Ende November 2002 mit 120 bis 130 und heute mit 127 Stück pro Minute. Aus dem Verhalten der Beklagten hat das Zivilgericht geschlossen, dass jene selbst der Meinung gewesen sei, mehr versprochen als geliefert zu haben. Daraus hat es geschlossen, die Parteien hätten sich auf die Lieferung einer Linie mit einer Gesamtleistungsfähigkeit von 180 Einheiten pro Minute geeinigt.

4.4 Die Beklagte bringt dagegen vor, die Parteien hätten in Bezug auf die vereinbarte Leistungsfähigkeit der Anlage jeweils verschiedene Begriffe verwendet. Zu unterscheiden sei zwischen „velocidad effectiva“, „Effektivgeschwindigkeit“, „tatsächlicher Geschwindigkeit“ und „Effektivausbringung“. Zum Verständnis dieser Begriffe bedürfe es technischen Wissens, weshalb das Zivilgericht ein gerichtliches Gutachten dazu hätte einholen müssen, welches auch die Klägerin beantragt habe. Die Auslegung von Parteierklärungen ist aber eine Rechtsfrage, welche der Richter zu beantworten hat und welche nur Gegenstand eines Gutachtens sein kann, soweit der Richter zum Verständnis der auszulegenden Begriffe auf sachverständige Erklärungen angewiesen ist (vgl. Staehelin/Sutter, Zivilprozessrecht, Zürich 1992, § 14 Rn. 61). Wenn die Klägerin am 27. Juli 2000 eine Anlage für“ 180 Uds [unidades = Einheiten]/ minuto“ wollte und wenn die Beklagte ihr am 28. Juli 2000 bestätigte, ihr Kodifizierer könne bis zu 200 „frascos [= Fläschlein]/minuto“ bearbeiten,. so haben die Parteien nicht über eine Effektivausbringung in umstrittener Definition verhandelt, sondern über eine Anlage mit einem Ausstoss von 180 Einheiten pro Minute. Die Klägerin hat mit ihrer expliziten Nachfrage zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungsfähigkeit für sie wesentlich war. Wenn die Offerte und der Vertrag jeweils eine höhere „velocidad nominal“ (Nenngeschwindigkeit) und eine tiefere „velocidad effectiva“ (tatsächliche Geschwindigkeit) nannten, so waren damit Höchst- und Durchschnittsgeschwindigkeit gemeint. Davon sind die Parteien übereinstimmend ausgegangen, was auch ihr nachmaliges Verhalten beweist, auf das zurückzukommen ist. Dass die Parteien sich verstanden haben, kann der Richter aus eigener Wahrnehmung und aus eigener Kenntnis feststellen. Das Zivilgericht hat daher zu Recht auf die Einholung einer Expertise verzichtet.

4.5 Die Vorinstanz hat auch aus dem Verhalten der Parteien nach dem Vertragsschluss auf ihren Willen beim Vertragsschluss geschlossen. Nachdem die Produktionslinie aufgestellt war und sich zeigte, dass diese nicht die von der Klägerin ausbedungene Leistung erbrachte, versuchte die Beklagte mehrfach, die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Die von der Beklagten unternommenen Nachbesserungsversuche sprechen klar dagegen, dass sie der Meinung gewesen ist, vertragskonform geliefert zu haben. Auch kündigte sie am 12. August 2002 einen Abnahmelauf mit „bis zu“ 150 Flacons pro Minute an (KB B 40). Die Klägerin widersetzte sich dem tags darauf und bestand auf einer Leistungsfähigkeit von 180 Stück pro Minute (KB B 41). Die Beklagte widersprach dieser Antwort der Klägerin nicht, sondern versuchte weiterhin, die Leistung zu verbessern. Ende Oktober 2002 schlug sie schliesslich einen weiteren Abnahmelauf vor, „um die Linie im Rahmen des Möglichen zu optimieren“ (KB B 45). Das nachvertragliche Verhalten der Beklagten zeigt klar auf, dass sie selbst der Meinung gewesen ist, nicht vertragskonform geliefert zu haben.

4.6 Die Beklagte wirft der Vorinstanz auch vor, sie habe unterlassen „zu ermitteln, ob sich aufgrund des Ablaufs der Vertragsverhandlungen nicht ausdrücklich ergeben hat, dass solch eine Vereinbarung aus Sicht der Verkäuferin gerade ausgeschlossen wurde.“ (vgl. Appellationsbegründung Rn. 30). Der Vorwurf überzeugt nicht. Die Beklagte verkennt, dass die den Zivilprozess beherrschende Verhandlungsmaxime den Parteien auferlegt, die wesentlichen Tatsachen zu behaupten und den erforderlichen Beweis durch Einreichung der greifbaren Beweismittel und Stellung von Beweisanträgen zu erbringen (vgl. Staehelin/Sutter, aaO, § 11 Rn. 15). Es ist im Zivilprozess keineswegs die Aufgabe des Gerichtes, den Sachverhalt durch eigene Nachforschungen zu ermitteln. Es wäre vielmehr an der Beklagten gelegen, zu substantiieren und zu beweisen, wozu sie sich entgegen den vorvertraglichen Verhandlungen, dem Wortlaut des Vertrages sowie ihrem eigenen nachvertraglichen Verhalten verpflichtet hat. Entgegen ihrer Auffassung (vgl. Appellationsbegründung Rn. 36) ist sehr wohl relevant, ob sie bezüglich der vereinbarten Leistung von 180 Flacons pro Minute. einen Vorbehalt angebracht hat oder nicht. Sie hat es nicht getan und kann einen Vorbehalt auch nicht nachträglich konstruieren. Die Beklagte bezeichnet Erwägung 3.3 des erstinstanzlichen Urteils zu Unrecht als „völlig konfus“. Das Zivilgericht hat den Mechanismus des Vertragsschlusses dargelegt und schlüssig die Abfolge von Anfrage, Antwort, Leistungsbeschrieb, 2. Offerte, Präzisierungsbegehren und Vertrag abgehandelt.

4.7 Die Beklagte will sich auf diverse Unklarheiten des Vertrag vom 12. Dezember 2000 berufen, muss sich diese aber entgegen halten lassen, da sie den Vertrag formuliert hat. Das gilt auch für Vertragspassagen, die sie allenfalls von der Klägerin übernommen hat. Die Beklagte kann ferner nichts zu ihren Gunsten ableiten, wenn sie ausführt, die vertraglich geschuldete Leistung sei unmöglich (vgl. Appellationsbegründung Rn. 31). Aus den Nachbesserungsversuchen ergibt sich, dass keine anfängliche objektive Leistungsmöglichkeit bestanden hat.

5. Erfüllung

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass eine Anlage für 180 Einheiten pro Minute vereinbart worden ist. Dass die gelieferte Anlage diese Leistung erbracht hätte, wird von der Beklagten – offensichtlich zu Recht – nicht behauptet. Das Zivilgericht stellt zutreffend fest, dass der Vertrag weder bei einer Leistung von 52 Einheiten noch bei einer solchen von 115 Stück pro Minute erfüllt ist. Diese Kapazitäten bedeuten Einbussen von 36 oder gar 71 % gegenüber der vereinbarten Leistung von 180 Einheiten. Nach Art. 35 Abs. 1 CISG hat der Verkäufer Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich Verpackung oder Behältnis den Anforderungen des Vertrages entspricht. Es ist daher ohne Weiteres festzuhalten, dass die Anlage eine Qualitätsabweichung aufweist, welche die Lieferung vertragsmässiger Ware ausschliesst (vgl. Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 3. Aufl., München 2000, Art. 35 CISG N 9).

6. Leistungsreduktion

Die Beklagte will aus der von ihr ins Recht gelegten Korrespondenz ableiten, dass die Klägerin ihr Einverständnis zu einer reduzierten Leistung erteilt habe. Dies trifft nicht zu, wofür auf das bereits Gesagte verwiesen werden kann. Die Be7 klagte will zudem aus der Zahlung der zweiten Kaufpreisrate, welche die Klägerin nach dem Factory Acceptance Test (FAT) vom 28. resp. 29. August 2001 vertragskonform geleistet hat, eine Zustimmung zu einer tieferen Leistung ableiten.

Dem kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Beim FAT handelt es sich nach dem klaren Vertragskonzept um Probeläufe bei der Beklagten. Diese konnten zwar die Fälligkeit einer Rate auslösten, nicht jedoch die vereinbarte Übergabe im Betrieb der Klägerin vorwegnehmen, ersetzen oder beeinflussen. Diese sollte nach dem Willen der Parteien erst erfolgen, wenn die Anlage zur vollen Zufriedenheit arbeitet. Die Klägerin hat einer Reduktion der vereinbarten Leistung nicht zugestimmt.

7. Nichtlieferung und wesentliche Vertragsverletzung

7.1 Das Zivilgericht hat das Rücktrittsrecht der Klägerin sowohl auf Nichtlieferung als auch auf wesentliche Vertragsverletzung gestützt. Gegen die Nichtlieferung wendet die Beklagte ein, es habe eine Abnahme der Anlage stattgefunden. Diese Abnahme haben die Parteien, in zulässiger Abweichung von den disponiblen CISG-Bestimmungen, mit der Bestimmung des Übergabedatums definiert als Vorgang, bei dem die ganze Anlage vollständig bei der Käuferin installiert ist und zur vollen Zufriedenheit arbeitet. Entscheidend ist somit nicht, ob die Anlage zur Klägerin transportiert worden ist, sondern ob eine Übergabe im Sinne der Vereinbarung stattgefunden hat. Das ergibt sich auch aus dem Mail der Klägerin an die Beklagte vom 13. August 2002, wo die Klägerin auf die anstehende „Abnahme der Linie“ verweist (KB B 41). Die Beklagte hat dem nicht widersprochen.

7.2 Als Übergabedatum haben die Parteien jenen Tag vereinbart, an dem alle Geräte installiert sind und zur „vollen Zufriedenheit“ arbeiten. Da die Klägerin offensichtlich allen Grund hatte, mit der Anlage unzufrieden zu sein, kann offenbleiben, was dieses Kriterium bedeutet.

7.3 Das Zivilgericht hat zum Einen erwogen, dass und warum die tatsächliche Leistung der Anlage weit hinter der vertraglich vereinbarten zurückgeblieben sei (Urteil, E. 4.4.6). Zum Andern hat es festgestellt, die Beklagte habe anerkannt, dass die vereinbarten Formatwechselzeiten nicht erreicht worden seien und selbst mit einer Überarbeitung einzelner Maschinen nicht erreichbar seien (Urteil, E. 4.4.3). Überdies sei die Anlage störungsanfällig, was sich auch an den zahlreichen erfolglosen Nachbesserungsversuchen zeige (Urteil, E. 4.4.4). Nach Art. 25 CISG ist eine Vertragsverletzung grundsätzlich wesentlich, wenn sie für die andere Partei solchen Nachteil zur Folge hat, dass ihr im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Den ausführlichen und schlüssigen Erwägungen des Zivilgerichts, welches die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung bejaht hat, kann ohne Weiteres gefolgt werden.

8. Rücktritt

Das Zivilgericht hat erwogen, dass die Klägerin die bei Nichtlieferung erforderliche Nachfrist am 5. Dezember 2001 wirksam per 20. Dezember 2001 gesetzt habe. In der Folge sei sie berechtigt gewesen, am 25. März 2003 den Rücktritt zu erklären. Im Eventualstandpunkt hat das Zivilgericht festgehalten, dass auch der Rücktritt wegen wesentlicher Vertragsverletzung am 23. Mai 2003 wirksam erklärt werden konnte und wurde, nachdem Mängelrügen erfolgt waren, eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt worden war und Nachbesserungsversuche erfolglos geblieben waren (Urteil, E. 4.6). Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe den Rücktritt wegen Nichtlieferung zu spät erklärt, und scheint sich damit auf die Verwirkung des Rücktrittsrechts berufen zu wollen. Mit den Erwägungen des Zivilgerichts, welche die Rechtzeitigkeit der Rücktrittserklärung wegen Nichtlieferung begründet haben, setzt die Beklagte sich indessen nicht auseinander. Das Zivilgericht hat aufgezeigt, weshalb das Rücktrittsrecht nicht verwirkt ist: Die Beklagte hat laufend Nachbesserungsversuche vorgenommen, wobei die Klägerin bis zum Dezember 2002 über zwanzig Schreiben verfasst hat, wo die jeweils nicht behobenen Mängel detailliert gerügt worden sind (z.B. vor der Nachfristsetzung: Schreiben vom 5. Oktober 2001 [KKB 21, vom 11. Oktober 2001 [KB B 61, vom 30. Oktober 2001 [KKB 31, vom 31. Oktober 2001 [KKB 41, vom 16. November 2001 [KB B121, vom 29. November 2001 [KB B 16), vom 30. November 2001 [KB B 17); z.B. nach der Nachfristansetzung: Schreiben vom 24. Januar 2002 [KB B 231, vom 4. April 2002 [KB B 301, vom 10 Mai 2002 [KB B 32], vom 31. Mai 2002 [KB B 351, vom 19. Juni 2002 [KB B 381, vom 2. August 2002 [KB B 391, vom 23. August 2002 [KB B 42], vom 5. November 2002 [KKB 61, vom 28. November 2002 [KB B 51], vom 10. Dezember 2002 [KB B 52]). Die Klägerin musste innert angemessener Frist reagieren, nachdem die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung feststand, wenn sie die Konsequenz der Vertragsaufhebung ziehen wollte (vgl. Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, aaO, Art. 49 CISG N 46). Sie war zur Aufhebung des Vertrages berechtigt, hat den Rücktritt wirksam erklären können und hat ihn rechtzeitig erklärt.

9. Verwirkung des Rücktritts

Die Beklagte bringt vor, die Klägerin habe das Recht zur Vertragsaufhebung nach Art. 82 Abs. 1 CISG verloren, weil es ihr unmöglich sei, die Anlage im Wesentlichen im Zustand zurückzugeben, in dem sie sie erhalten habe. Dazu hat das Zivilgericht zutreffend begründet, dass und warum das Rücktrittsrecht nicht untergegangen sei (Urteil, E. 4.7). Die Beklagte übersieht, dass sie selbst die Änderungen an der Anlage vorgenommen hat. Diese sind nicht in Ausführung von Aufträgen der Klägerin, sondern zur Herstellung des vertragskonformen Zustands erfolgt und haben daher das Rücktrittsrecht nicht untergehen lassen. Fraglich kann hingegen sein, ob die Nutzung der Anlage durch die Klägerin das Rücktrittsrecht abgeschnitten hat. Nach Art. 82 Abs. 2 lit. c CISG geht das Recht, die Aufhebung des Vertrages zu erklären, indessen nicht unter, wenn der Käufer die Ware der normalen Verwendung entsprechend verbraucht oder verändert hat, bevor er die Vertragswidrigkeit entdeckt hat oder hätte entdecken müssen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Verbrauch oder die Veränderung erfolgt sind, bevor der Käufer den Aufhebungsgrund kannte oder kennen musste (vgl. Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, aaO, Rn. 329). Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass es im vorliegenden Fall auf die Nutzung bis zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ankommt, da die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung – wie ausgeführt – zuvor nicht festgestanden ist. Die allfällige Nutzung der Anlage nach der Rücktritts- oder Wandelungserklärung, in einem Zeitpunkt, in welchem sich die Beklagte im Rücknahmeverzug befunden hat, ändert an deren Wirksamkeit nichts mehr.

10. Verjährung

Die Beklagte hält auch vor zweiter Instanz an der Einrede der Verjährung fest. Sie wirft dem Zivilgericht vor, es habe sich „nicht ansatzweise“ mit der umstrittenen Frage der Verjährung im Anwendungsbereich des CISG auseinandergesetzt. Auch diese Rüge trifft nicht zu. Die Vorinstanz hat erwogen, dass das CISG selbst keine Verjährungsbestimmung enthalte. Nach Art. 118 iVm Art. 148 IPRG richte sich die Frage der Verjährung des Rechts zur Vertragsaufhebung daher nach Schweizerischem Recht. Art. 39 Abs. 2 CISG bestimmt, dass eine Vertragswidrigkeit spätestens zwei Jahre nach Übergabe der Ware gerügt werden müsse. Die analoge Anwendbarkeit der Verjährungsfrist von einem Jahr nach Art. 210 OR wird daher überwiegend abgelehnt, da sie im Widerspruch dazu stünde. Dem UN-Verjährungsübereinkommen von 1974, welches in Art. 8 eine Verjährungsfrist von 4 Jahren für Ansprüche aus internationalen Kaufverträgen vorsieht, ist die Schweiz nicht beigetreten, weshalb dessen Anwendung ausser Betracht fällt. Vertreten wird daher auch, dass die zehnjährige Frist von Art. 127 OR massgeblich sei. Andere Lehrmeinungen gehen indessen von einer zweijährigen Frist aus, wobei einerseits vertreten wird, Art. 39 Abs. 2 CISG sei als kombinierte zweijährige Ausschluss- und Verjährungsfrist aufzufassen oder aber die Frist von Art. 210 OR sei auf zwei Jahre auszudehnen (vgl. SCHLECHTRIEM, Internationales UN-Kaufrecht, aaO, Rn. 347; HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 7. Aufl., Bern 2003, S. 154 ff. Die Frage der Verjährungsfrist kann vorliegend offengelassen werden. Wie das Zivilgericht zutreffend erwogen hat, richtet sich die Unterbrechung der Verjährung nach Schweizerischem Recht. Nach Art. 135 OR wird die Verjährung sowohl durch Anerkennung der Forderung als auch durch Schuldbetreibung unterbrochen. Als Anerkennung einer Forderung gilt jedes Verhalten des Schuldners, das vom Gläubiger nach Treu und Glauben im Verkehr als Bestätigung der rechtlichen Verpflichtung aufgefasst werden darf (BGer, 4C.60/2002 vom 16. Mai 2002, E. 1.3). Nachdem die Beklagte die Verjährung durch ihren letzten Nachbesserungsversuch vom 31. Oktober 2002 unterbrochen hat (vgl. BGE 121 111 270 E. 3c S. 272) und die Klägerin am 9. Februar 2004 die Betreibung eingeleitet hat, wäre die Verjährung selbst im Falle der Annahme einer zweijährigen Frist nicht eingetreten. Dem Zivilgericht ist daher auch in diesem Punkt zu folgen.

11. Widerklage/Verrechnung

Die Beklagte rügt schliesslich, dass die Vorinstanz ihre Gegenforderungen zur Abgeltung der Nutzung der Anlage nicht zur Verrechnung zugelassen habe. Dabei zitiert sie mit Nachdruck die Erwägung der Vorinstanz, wonach der Klägerin ohne Nutzung der Anlage ein grösserer Schaden entstanden wäre (Appellationsbegründung Rn. 201 und 202. Die Beklagte legt aber wiederum nicht dar, woraus das Zivilgericht hätte gegenteilige Schlüsse hätte ziehen sollen. Das CISG regelt nach überwiegender Lehre und Praxis die Verrechnung nicht (BGer, 4C.314/2006 vom 20. Dezember 2006, E. 2.2.1, SZIER 2008, S. 175 f.). Im Einzelnen kann indessen offenbleiben, ob die vom Zivilgericht herangezogene Schadensminderungspflicht der Klägerin verrechenbare Gegenforderungen der Beklagten ausschliesst. Ebenfalls nicht beantwortet zu werden braucht die Frage,“ ob es an einem entsprechenden Rechtsbegehren der Beklagten fehlt, was die Klägerin vorbringt (Appellationsantwort, 11. B. ad AB 209, S. 38). Denn die Beklagte hat in der Klagantwort die Gegenforderung, die sie eventualiter zur Verrechnung bringen möchte, weder substantiiert noch unter Beweis gestellt (vgl. Rn. 120 bis 124). Der Antrag auf Feststellung der Nutzungsentschädigung durch eine gerichtliche Expertise genügt nicht zur Substantiierung einer Forderung, welche die Beklagte in Kenntnis der Anlage selbst hätte beziffern können. Als Beweis für die unbezifferte Forderung bietet die Beklagte neben der Expertise nur die Befragung eines eigenen Angestellten als Zeugen an. Abgesehen davon, dass der Mitarbeiter kaum als Zeuge einzuvernehmen wäre, ist der angebotene Beweis untauglich. Zeugen sind Personen, welche von einer zu beweisenden Tatsache durch eigene Sinneswahrnehmung Kenntnis haben (vgl. § 113 ZPO). Zeugen sind aber nicht geeignet, die Substantiierungslast zu übernehmen (vgl. AGE vom 25. April 2008 i.S. H.W.). Eine verrechenbare Gegenforderung ist daher weder rechtzeitig substantiiert noch tauglich bewiesen worden. Das Zivilgericht hat die widerklageweise geltend gemachte und eventualiter zur Verrechnung gestellte Nutzungsentschädigung zu Recht abgewiesen.

12. Die Höhe der vom Zivilgericht zugesprochenen Beträge, auch diejenige der Schadenersatzpositionen, ist unbestritten und daher ohne Weiteres zu bestätigen.

13. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Appellation abzuweisen und das Urteil des Zivilgerichts zu bestätigen ist.





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