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Zusammenfassung der Entscheidung Die in der Schweiz ansässige Klägerin vermittelt Ferienhäuser sowie -appartements vornehmlich im südeuropäischen Raum. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit hat sie mit dem in Frankreich wohnhaften Beklagten als Eigentümer einer Liegenschaft in Frankreich einen Vertrag betreffend die „Übertragung der Buchungsrechte" geschlossen. Im Jahr 1992 hat die Klägerin beim Zivilgerichtspräsidenten in Basel (CH) Klage auf Zahlung einer Konventionalstrafe wegen vorzeitiger Vertragsauflösung gegen den Beklagten erhoben. Die Klage wurde mangels örtlicher Zuständigkeit abgewiesen.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (CH) weist die Berufung der Klägerin ab. Der strittige Vertrag sei als Mietverhältnis im Sinne von Art. 16 Nr. 1 a) LugÜ zu qualifizieren, da er als wesentliche Leistung die Überlassung einer unbeweglichen Sache zum Gegenstand habe. Sinn der Vereinbarung der Parteien sei es, dass der Beklagte seine Nutzungsrechte an der Liegenschaft der Klägerin übertrage, welche diese Rechte durch Vermietung als Feriendomizil an Dritte ausübe. In diesem Zusammenhang stehe ihr das ausschließliche Nutzungsrecht zu; denn der Beschwerdegegner bedürfe zu einer anderweitigen Nutzung, selbst zum eigenen Gebrauch, die Zustimmung der Beschwerdeführerin. Angesichts der umfassenden Rechte der Klägerin an der Liegenschaft des Beklagten gehe ihr Einwand, wonach sie für ihn eine bloße Vermittlungstätigkeit im Rahmen eines Auftrags übernommen habe, fehl. Dafür spreche auch, dass die starren Kündigungsbestimmungen des Vertrags mit dem auftragstypischen freien Widerrufsrecht, wie es in den europäischen Kodifikationen allgemein normiert sei, kaum vereinbar seien. Eine restriktive Auslegung von Art. 16 LugÜ sei schließlich nur dann geboten, wenn den Parteien die ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstandes genommen werde und sie überdies vor einem Gericht zu verklagen seien, das für keine von ihnen das Gericht des Wohnsitzes sei. Ein solcher Fall sei hier nicht gegeben.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die V.S. S.A. mit Sitz in BL vermittelt Ferienhäuser sowie -appartements vornehmlich im südeuropäischen Raum. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit hat sie am 31. Juli 1989 mit dem in Frankreich wohnhaften M.F. als Eigentümer einer Liegenschaft in St. Georges d'Oléron, Frankreich, einen Vertrag betreffend die „Übertragung der Buchungsrechte“ mit Objektbeschrieb vom 13. Oktober 1990 abgeschlossen. Am 24. Dezember 1992 hat die V.S. S.A. beim Zivilgerichtspräsidenten Klage gegen M.F. erhoben mit dem Begehren, der Beklagte sei zur Zahlung einer Konventionalstrafe wegen vorzeitiger Vertragsauflösung von Fr. 1.554,- (FF 6.000,- à Fr. 25.90) nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 1992 zu verurteilen. Mit Kontumazurteil vom 2. Februar 1993 hat der Zivilgerichtspräsident diese Klage vollumfänglich gutgeheissen.
Am 17. Juni 1993 hat die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, da das ergangene Urteil vom 2. Februar 1993 infolge fehlerhafter Zustellung der Vorladung zur damaligen Verhandlung in Frankreich nicht vollstreckt werden könne. Nachdem eine ordnungsgemässe Vorladung des Beklagten erfolgt war, hat der Zivilgerichtspräsident wiederum in dessen Abwesenheit am 18. Februar 1994 einen neuen Entscheid gefällt, mit welchem er auf die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht eingetreten ist.
Gegen diesen Entscheid des Zivilgerichtspräsidenten hat die V.S. S.A. rechtzeitig Beschwerde erhoben, womit sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Gutheissung ihrer Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung beantragt. Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit für den Entscheid von Belang, aus den nachfolgenden Erwägungen.
Der Zivilgerichtspräsident beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdegegner hat sich innert der gesetzten Frist nicht geäussert.
II. 1. Gemäss § 242 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO kann gegen das inappellable Endurteil des Zivilgerichtspräsidenten Beschwerde erhoben werden, wenn sich diese auf die Frage des Gerichtsstandes bezieht. In dieser Hinsicht überprüft das Appellationsgericht den angefochtenen Entscheid mit freier Kognition und ohne Beschränkung auf Willkür (BJM 1988 S. 161, 1977 S. 248 mit weiteren Hinweisen; Staehelin/Sutter, Zivilprozessrecht, § 21 Rn. 89).
2. Die Beschwerdeführerin beanstandet zunächst, dass sich der Zivilgerichtspräsident mit dem angefochtenen Nichteintretensentscheid in Widerspruch gesetzt habe zu dem in der gleichen Sache gefällten Urteil vom 2. Februar 1993, womit die Klage vollumfänglich gutgeheissen worden war. Da die Wiederaufnahme des Verfahrens nur zur Korrektur des vom Zivilgericht zu vertretenden Fehlers bei der Zustellung der Vorladung zur ersten Verhandlung erfolgt sei und dabei keinerlei neuen prozessrelevanten Fakten vorgelegen hätten, erscheine die abweichende Beurteilung im zweiten Entscheid unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als unzulässig und willkürlich. Mit diesem Einwand verkennt die Beschwerdeführerin indessen, dass das frühere Urteil wegen des erwähnten Verfahrensmangels in Frankreich nicht vollstreckbar ist und ihm daher keine materielle Rechtskraft zukommt. Bei dieser Situation stand einer Neubeurteilung der Sache durch den Zivilgerichtspräsidenten, wie dies im übrigen von der Beschwerdeführerin selbst beantragt worden war, nichts entgegen, wobei auch inhaltlich keinerlei Bindung an den fehlerhaften Entscheid bestand (vgl. Staehelin/Sutter, aaO, § 18 Rn. 11).
3. Der Zivilgerichtspräsident hat auf den vorliegenden Fall die Bestimmungen des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (Lugano-Übereinkommen, LugÜ; AS 1991 III S. 2436 ff.) zur Anwendung gebracht. Dies wird von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht beanstandet, da das Abkommen entsprechend Art. 54 Abs. 1 LugÜ im Zeitpunkt der Klageerhebung (24. Dezember 1992) sowohl in der Schweiz als auch in Frankreich Gültigkeit gehabt hat (in Kraft getreten in beiden Ländern am 1. Januar 1992).
4. Art. 16 Ziff. 1 lit. a LugÜ sieht eine ausschliessliche und zwingende Zuständigkeit der Gerichte am Ort der gelegenen Sache vor für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben. Im Rahmen dieser Bestimmung besteht somit für die Parteien keine Prorogationsfreiheit (vgl. Hofstetter Schnellmann, Die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Lugano-Übereinkommen, S. 87; Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, S. 138; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 1993, Nr. 4 zu Art. 16 LugÜ). Das angerufene Gericht eines Vertragsstaates hat sich nach der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 19 LugÜ von Amtes wegen als unzuständig zu erklären, wenn aufgrund von Art. 16 LugÜ eine ausschliessliche Zuständigkeit eines andern Vertragsstaates besteht. Im vorliegenden Fall bestreitet die Beschwerdeführerin allerdings, dass der mit dem Beschwerdegegner geschlossene Vertrag in den Anwendungsbereich von Art. 16 Ziff. 1 lit. a LugÜ fällt mit der Begründung, dass diesbezüglich kein Mietverhältnis, sondern ein einfacher Auftrag vorliege.
a) Art. 16 Ziff. 1 lit. a LugÜ basiert auf der Annahme, dass die Gerichte am Ort der gelegenen Sache am ehesten in der Lage sind, die komplizierten Bestimmungen des örtlichen Miet- und Pachtrechts zu beurteilen (Hofstetter Schnellmann, aaO, S. 88). Zudem verfügen sie über die erforderliche Sachnähe, weshalb sie sich am besten Kenntnis verschaffen können über die tatsächlichen Umstände bei Abschluss und Durchführung von Miet- und Pachtverträgen (Kropholler, aaO, Nr. 20 zu Art. 16 LugÜ). Eine restriktive Auslegung von Art. 16 LugÜ ist nur dann geboten, wenn den Parteien die ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstandes genommen wird und sie überdies vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von ihnen das Gericht des Wohnsitzes ist (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften [EuGH] vom 26. Februar 1992 i.S. Hacker, in: SZIER 1993, S. 366). Diese letztgenannte Voraussetzung ist im Unterschied zum zit. Fall hier nicht gegeben, wären doch bei Anwendung von Art. 16 Ziff. 1 lit. a LugÜ die französischen Gerichte, d.h. jene im Wohnsitzstaat des Beklagten, zuständig.
Die Begriffe der Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen im Sinne von Art. 16 LugÜ sind grundsätzlich vertragsautonom, d.h. nach den Regeln des Abkommens selbst, zu bestimmen (vgl. Kropholler, aaO, Nr. 9 zu Art. 16 LugÜ; Kilias, aaO, S. 33). Nach der Rechtsprechung des EuGH fallen unter Art. 16 Ziff. 1 lit. a LugÜ alle Rechtsstreitigkeiten, welche die sich aus dem Mietvertrag ergebenden jeweiligen Verpflichtungen des Vermieters und des Mieters betreffen. Ein Mietvertrag enthält im allgemeinen Vorschriften für die Überlassung der Mietsache an den Mieter, ihre Nutzung, die jeweiligen Verpflichtungen des Vermieters und des Mieters in bezug auf die Instandhaltung der Mietsache, die Dauer des Mietvertrages und die Wiedereinräumung des Besitzes der Mietsache an den Vermieter sowie den Mietzins und die vom Mieter zu tragenden Nebenkosten.
b) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist der hier strittige Vertrag als Mietverhältnis im Sinne von Art. 16 LugÜ zu qualifizieren, da er als wesentliche Leistung die Überlassung einer unbeweglichen Sache zum Gegenstand hat. Sinn der Vereinbarung der Parteien ist es, dass der Beschwerdegegner seine Nutzungsrechte an der im Objektbeschrieb vom 13. Oktober 1990 angeführten Liegenschaft der Beschwerdeführerin übertrug, welche diese Rechte durch Vermietung als Feriendomizil an Dritte ausübte. In diesem Zusammenhang stand ihr gemäss Ziff. 3. der „Conditions Générales du Contrat“ vom 31. Juli 1989 das ausschliessliche Nutzungsrecht zu; denn der Beschwerdegegner bedurfte zu einer anderweitigen Nutzung, selbst zum eigenen Gebrauch, die Zustimmung der Beschwerdeführerin. Diese schloss die Verträge mit den Reisenden auch in eigenem Namen und auf eigene Rechnung ab, während der Beschwerdegegner damit nichts zu tun hatte und ihm auch nur ein Teil der von diesen bezahlten Beträge zustand. Angesichts dieser umfassenden Rechte der Beschwerdeführerin an der Liegenschaft des Beschwerdegegners geht ihr Einwand, wonach sie für ihn eine blosse Vermittlungstätigkeit im Rahmen eines Auftrags übernommen habe, fehl. Es trifft entgegen den Ausführungen in der Beschwerde auch keinesfalls zu, dass die Beschwerdeführerin ihre „Vermittlungstätigkeit“ unentgeltlich erbracht hätte, hat sie doch von den durch die Reisenden bezahlten Mietzinse offensichtlich nur einen Teil an den Beschwerdegegner weiterleiten müssen. Damit kann ungeachtet der Formulierung von Ziff. 4. der „Conditions Générales du Contrat“ nicht von einem unentgeltlichen Auftrag ausgegangen werden. Auch die von den Parteien vereinbarten weiteren Pflichten des Beschwerdegegners, insbesondere seine Verpflichtungen, die betreffenden Räumlichkeiten in gutem Zustand zu halten und selbst bei einem Zahlungsrückstand den Zugang zum Mietobjekt zu gewährleisten (Ziff. 7.1. und 7.3.), entsprechen nicht den Obliegenheiten eines Auftraggebers, sondern sind vielmehr typische Pflichten eines Vermieters. Schliesslich sind auch die Kündigungsbestimmungen des Vertrags mit dem auftragstypischen freien Widerrufsrecht, wie es in den europäischen Kodifikationen allgemein normiert ist (Fellmann, Berner Komm. Art. 404 OR Nr. 3), kaum vereinbar (vgl. dazu BGE 109 II 468 ff., 110 II 383). Gemäss Ziff. 5. sowie 7.4. des Formularvertrags ist eine Kündigung durch den Eigentümer einer Liegenschaft nur vor dem 31. Mai eines laufenden Jahres für die nächste Saison möglich; andernfalls verlängert sich der Vertrag jeweils stillschweigend für eine feste Dauer von einem Jahr. Ferner beansprucht die Beschwerdeführerin bei jeglicher Vertragsauflösung während der Saison unter Vorbehalt weiteren Schadens eine pauschale Abgeltung von FF 7.500,-. Diese Beschränkungen der Vertragsauflösung sollten überdies sogar für einen allfälligen Käufer der betreffenden Liegenschaft gelten, so dass der bisherige Eigentümer – bzw. nach der Terminologie der Beschwerdeführerin der Auftraggeber – im Falle der Nichtweiterführung des Vertrags die Konventionalstrafe zu zahlen hatte (Ziff. 7.4. Abs. 4 der „Conditions Générales du Contrat“). Diese starre Kündigungsordnung, welche im übrigen bezüglich der Konventionalstrafe einseitig zu Lasten des Beschwerdegegners formuliert ist, widerspricht offensichtlich dem beidseitig freien Widerrufsrecht im Auftragsverhältnis.
Da sich somit die hier zur Beurteilung stehende Streitigkeit auf die Miete einer unbeweglichen Sache bezieht, besteht nach Art. 16 Ziff. 1 lit. a LugÜ ein ausschliesslicher und zwingender Gerichtsstand am Ort der gelegenen Sache in Frankreich. Damit ist der Zivilgerichtspräsident im Ergebnis zu Recht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit auf die Klage nicht eingetreten. Bei dieser Situation kann offen bleiben, ob die in den „Conditions Générales du Contrat“ enthaltene Prorogationsvereinbarung der Parteien als gültig zu erachten wäre.
5. Aus den obigen Erwägungen folgt, dass die Beschwerde abzuweisen ist.
Bei diesem Ausgang des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin dessen Kosten zu tragen.
Demgemäss hat das Appellationsgericht (Ausschuss) erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen.