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Zusammenfassung der Entscheidung Das Landgericht Frankfurt am Main (DE) verurteilte eine Schweizer Gesellschaft zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrags. Die Klägerin leitete in der Schweiz das Vollstreckungsverfahren ein. Dagegen legte die Beklagte Rechtsbehelf zum Obergericht des Kantons Zug (CH) ein. Dieser wurde zurückgewiesen, woraufhin sie Rechtsbehelf zum Bundesgericht (CH) einlegte und geltend machte, das Obergericht habe willkürlich geurteilt.
Das Bundesgericht weist den Rechtsbehelf zurück. Im kantonalen Verfahren habe sich die Frage gestellt, ob das Versäumnisurteil der Beklagten iSv. Art. 47 Nr. 1 iVm. Art. 33 Abs. 3 LugÜ zugestellt worden sei. Das LugÜ verweise für die Zustellung auf das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ). Dieses erkläre das Recht am Zustellungsort als maßgeblich. Im internationalen Rechtshilfeverkehr werde die Zustellung in der Schweiz auf entsprechendes Ersuchen des Obergerichts als zuständige Behörde Sv. Art. 18 HZÜ durch den zuständigen Gemeindeweibel vorgenommen. Das deutsche Urteil sei Herrn X., dem am Gesellschaftssitz wohnhaften einzelzeichnungsberechtigten Mitglied des Verwaltungsrates der Beklagten, der gleichzeitig deren Revisionsstelle sei, zugestellt worden. Der Weibel habe ausgeführt, er habe schon verschiedentlich Zustellungen an X. vorgenommen. Das Obergericht sei der Ansicht gewesen, dies könne nur so verstanden werden, dass es sich um Zustellungen für die Beklagte gehandelt habe. Zwar gehe dies aus der Erklärung des Weibels nicht explizit hervor. Willkür liege jedoch nicht schon vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar bzw. vorzugswürdig erscheine, sondern erst, wenn der angefochtene Entscheid mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehe, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletze bzw. dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufe. Vorliegend sei dies nicht der Fall.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
A. Mit Versäumnisurteil vom 22. April 2002 verurteilte das Landgericht Frankfurt am Main, 2. Kammer für Handelssachen, die in Zug domizilierte Z. AG, der Y. AG. 2.388.664,55 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
B. Am 22. September 2003 leitete die Y. AG hierfür beim Betreibungsamt Zug die Betreibung ein. Nachdem die Z. AG Rechtsvorschlag erhoben hatte, erwirkte die Y. AG beim Kantonsgerichtspräsidium Zug die definitive Rechtsöffnung für Fr. 3.715.568,- nebst Zinsen. Am 15. April 2004 wies das Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, die dagegen erhobene Beschwerde der Z. AG ab.
C. Gegen dieses Urteil hat die Z. AG am 7. Mai 2004 staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Begehren um dessen Aufhebung und Verweigerung der Rechtsöffnung. Mit Vernehmlassung vom 17. Juni 2004 hat die Y. AG auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde geschlossen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Im kantonalen Verfahren ging es um die Frage, ob das Versäumnisurteil der Beschwerdeführerin im Sinn von Art. 47 Ziff. 1 iVm Art. 33 Abs. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ, SR 0.275.11) zugestellt worden ist.
Das Obergericht hat hierzu erwogen, das LugÜ verweise für die Zustellung auf das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (Haager Zustellungsübereinkommen, HZÜ, SR 0.274.131), und dieses wiederum erkläre das Recht am Zustellungsort als massgeblich. Gemäss § 86 Abs. 1 GOG/ZG erfolge die Zustellung gerichtlicher Akten an die Parteien oder deren Vertreter in der Regel durch die Post mit eingeschriebenem Brief oder gegen Doppel mit Empfangsbestätigung. Im internationalen Rechtshilfeverkehr werde die Zustellung in jahrzentelanger Praxis auf entsprechendes Ersuchen des Obergerichts als zuständige Behörde im Sinn von Art. 18 HZÜ durch den zuständigen Gemeindeweibel vorgenommen.
Das Obergericht hat weiter ausgeführt, vorliegend sei das deutsche Urteil durch das Weibelamt der Stadt Zug am 11. Dezember 2002 an Herrn X. zugestellt worden. Bei diesem handle es sich um das einzelzeichnungsberechtigte Mitglied des Verwaltungsrates der W. AG, die Revisionsstelle der Beschwerdeführerin und an derselben Adresse domiziliert sei. Zwar sei die Revisionsstelle im Bereich der Zustellung an sich nicht zur Vertretung berufen, aber von einem gesetzlichen Organ der Beschwerdeführerin müsste erwartet werden können, dass es die Entgegennahme einer gerichtlichen Sendung ablehne, wenn es dazu nicht bevollmächtigt sei, und andernfalls dürfe angenommen werden, dass die Entgegennahme mit Billigung der Beschwerdeführerin erfolgt sei. Vorliegend komme hinzu, dass X. gemäss einer nachträglichen Bestätigung des Weibels angegeben habe, dass die Beschwerdeführerin ihr Domizil bei der W. AG habe, und dieser folglich als Vertreter der Domizilhalterin fungiere. Zudem sei bereits der Zahlungsbefehl an eine Angestellte der W. AG zugestellt worden, ohne dass sich die Beschwerdeführerin dagegen zur Wehr gesetzt hätte. Die Angestellte der W. AG habe für die Beschwerdeführerin sogar Rechtsvorschlag erhoben. Wenn der Weibel in seiner Bestätigung vom 2. Dezember 2003 ausführe, er habe schon verschiedentlich Zustellungen an X. vorgenommen, könne das nur so verstanden werden, dass es sich um Zustellungen für die Beschwerdeführerin gehandelt habe. Darin sei aber zumindest eine Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht zu erblicken, welche die Beschwerdeführerin gegen sich gelten lassen müsse, da sie nicht dartue, dass sie gegen solche Zustellungen je opponiert hätte.
2. In diesen Erwägungen erblickt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs insofern, als sich das Obergericht zu den von ihr ins Recht gelegten Mietverträgen nicht geäussert habe.
Sodann rügt sie eine Verletzung des Willkürverbots. In Bezug auf die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung macht sie geltend, entgegen den vorgelegten Mietverträgen und dem Eintrag im Handesregister habe das Obergericht unterstellt, dass die Revisionsstelle als Domizilhalterin fungiere. In rechtlicher Hinsicht erachtet die Beschwerdeführerin als willkürlich, dass das Obergericht die Erklärung des Weibels, er kenne X. von verschiedenen anderen Zustellungen, ohne nähere Abklärungen so ausgelegt habe, dass damit Zustellungen an sie gemeint seien.
3. Wie die Beschwerdeführerin richtig festhält, geht aus der Erklärung des Weibels nicht explizit hervor, dass es sich bei den erwähnten früheren Zustellungen an X. um solche für die Beschwerdeführerin gehandelt hat. Willkür liegt jedoch nach der Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder sogar vorzuziehen wäre (BGE 129 I 9 E. 2.1; 128 II 259 E. 5 S. 280 f.; 127 I 54 E. 2b S. 56). Im vorliegenden Fall sind ohne weiteres beide Interpretationen möglich, hat doch der Weibel die Erklärung konkret für die Zustellung des deutschen Versäumnisurteils und folglich mit Bezug auf die Beschwerdeführerin abgegeben. Aus diesem Grund scheint die Ansicht des Obergerichts, die Erklärung könne nur so verstanden werden, dass es um Zustellungen für die Beschwerdeführerin gegangen sei, sogar den Vorzug zu verdienen; jedenfalls aber ist sie nicht willkürlich.
Das Obergericht hat eine Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht nicht nur mit den erwähnten früheren Zustellungen, sondern auch damit begründet, dass eine Angestellte der W. AG in der vorliegenden Streitigkeit mit der Beschwerdegegnerin bereits den Zahlungsbefehl entgegengenommen und bei der Übergabe sogleich für die Beschwerdeführerin Rechtsvorschlag erklärt habe. Dazu kann festgehalten werden, dass ein unmittelbar bei der Übergabe erhobener Rechtsvorschlag auf beiden Ausfertigungen des Zahlungsbefehls vermerkt wird. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass ihr der Zahlungsbefehl anschliessend nicht übergeben worden wäre, und sie hätte somit den für sie erhobenen Rechtsvorschlag ohne weiteres erkennen können. Es wäre jedoch in der Tat nicht nachvollziehbar, weshalb die entgegennehmende Revisionsstelle ohne jede (wenigstens stillschweigende) Vollmacht für die Beschwerdeführerin Rechtsvorschlag erhoben hätte.
Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls nicht willkürlich, wenn das Obergericht von einer Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht der W. AG ausgegangen ist, würde doch Willkür erst dann vorliegen, wenn der angefochtene Entscheid mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 129 I 49 E. 4 S. 58; 128 II 259 E. 5 S. 280 f.; 127 I 54 E. 2b S. 56).
4. Durfte jedoch das Obergericht aufgrund der Erklärung des Weibels und der Zustellung des Zahlungsbefehls an die (Rechtsvorschlag erhebende) W. AG willkürfrei von einer Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht ausgehen, wird die Frage, ob die W. AG Domizilhalterin sei, gegenstandslos. Demnach musste sich das Obergericht auch nicht mit den eingereichten Mietverträgen der Beschwerdeführerin auseinander setzen und entsprechend stossen die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen ins Leere. Nicht angefochten ist schliesslich die (implizite) Erwägung, dass eine Zustellung gemäss § 86 GOG/ZG nicht persönlich erfolgen muss, sondern die Übergabe an einen bevollmächtigten Stellvertreter genügt.
5. Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Beschwerdeführerin wird demnach kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Ausgehend vom Streitwert ist die Gerichtsgebühr zwischen Fr. 7.000,- und Fr. 40.000,- anzusetzen (Ziff. 3 des Tarifs für die Gerichtsgebühren im Verfahren vor dem Bundesgericht, SR 173.118.1). Das Honorar für den Anwalt der Beschwerdegegnerin liegt vom massgeblichen Tarifrahmen her zwischen Fr. 12.000,- und Fr 50.000,-, wobei es unter den Minimalansatz herabzusetzen ist, wenn ein offenbares Missverhältnis zur tatsächlich geleisteten Arbeit besteht (Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 2 des Tarifes über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Bundesgericht, SR 173.119.1). Dies ist vorliegend der Fall, waren doch kaum Abklärungen nötig und beschränken sich die Ausführungen in der Vernehmlassung auf eineinhalb Seiten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.