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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsteller begehrte vor einem Gericht in Rheinfelden (CH) den in der Schweiz wohnhaften Antragsgegner vorsorglich zu verpflichten, ihm für die Dauer des Hauptsacheunterhaltsverfahrens einen bestimmten Unterhaltsbetrag zu bezahlen. Der Antragsteller hatte in Freiburg (DE) ein Studium aufgenommen und hielt sich dort während der Woche zu Studienzwecken auf, während er an den Wochenenden in die Schweiz zurückkehrte. Dem Antrag wurde stattgegeben. Einem dagegen beim Obergericht des Kantons Aargau (CH) eingelegten Rechtsbehelf des Antragsgegners wurde stattgegeben. Der Antragsteller legte sodann Rechtsbehelf zum Bundesgericht (CH) ein.
Das Bundesgericht (CH) gibt dem Rechtsbehelf statt. Art. 5 Nr. 2 Halbsatz 1 LugÜ sei zu prüfen. Ob eine Partei ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Vertragsstaats habe, dessen Gerichte angerufen worden seien, bestimme sich nach der lex fori (Art. 52 Abs. 1 LugÜ). Kenne dieses Recht für internationale Sachverhalte einen speziellen Wohnsitzbegriff – wie die Schweiz in Art. 20 Abs. 1 lit. a Schweizer IPR-Gesetz - sei auf diesen abzustellen. Letzteres müsse auch für den Begriff des „gewöhnlichen Aufenthaltes“ gelten. Dabei sei der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse maßgebend. Beim gewöhnlichen Aufenthalt werde weniger auf die subjektiven Momente, insbesondere den Willen abgestellt als vielmehr auf den äußeren Anschein. Der Antragsteller habe sich größtenteils in Freiburg aufgehalten, wo er über eine eigene Wohnung verfüge und in beruflicher und sozialer Hinsicht einen gewissen Grad an Bindung erreicht habe. Die regelmäßige Rückkehr bewirke jedoch, dass er in der Schweiz Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt habe, da er dort äußerlich den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse habe und nicht etwa nur nach Maßgabe seines Willens. Eine Klage vor einem ausländischen Gericht gegen den in der Schweiz wohnhaften Beschwerdegegner (Art. 5 Nr. 2 LugÜ) komme nicht in Betracht.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
A. Mit Klage vom 24. September 2001 stellte A. beim Gerichtspräsidium Rheinfelden (AG) im Hauptpunkt das Begehren, es sei B. vorsorglich zu verpflichten, A. ab 1. August 2001 für die Dauer des Hauptverfahrens betreffend Unterhaltsbeitrag (Art. 276 ff. ZGB) monatlich im Voraus Fr. 1.800,- zuzüglich allfällig bezogene Ausbildungszulagen zu bezahlen. Mit Verfügung vom 19. November 2001 verpflichtete der Gerichtspräsident B., A. mit Wirkung ab 1. August 2001 für die Dauer des Hauptprozesses einen monatlich vorschüssigen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1.475,- zu bezahlen. Eine dagegen von B. beim Obergericht des Kantons Aargau erhobene Beschwerde wurde wegen örtlicher Unzuständigkeit des erstinstanzlichen Richters mit Urteil vom 3. Mai 2002 gutgeheissen.
B. A. führt gegen den Entscheid des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher er Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung beantragt.
C. B. schliesst in seiner Beschwerdeantwort vom 11. September 2002 auf Abweisung des Rechtsmittels.
D. B. hat gegen das Urteil des Obergerichts staatsrechtliche Beschwerde mit Bezug auf Ziff. 3 des Urteilsdispositivs (Parteientschädigung) erhoben. Mit Beschluss vom heutigen Tag hat das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde als gegenstandslos abgeschrieben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Vorsorgliche Massnahmen nach Art. 281 ZGB können nicht mit Berufung angefochten werden (BGE 117 II 127 unveröffentlichte E. 1a; unveröffentlichtes Urteil 5P.280/2002 des Bundesgerichts vom 7. Oktober 2002, E. 1). Da es vorliegend um eine Zuständigkeitsfrage geht, ist aufgrund von Art. 68 Abs. 1 lit. e OG auf die Nichtigkeitsbeschwerde einzutreten (Messmer/Imboden, Die Eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Rn. 131 S. 181/182, mit Hinweisen; Hegnauer, Berner Kommentar, Bern 1997, N. 51 zu Art. 281-284 ZGB).
2.1 Das Obergericht ist davon ausgegangen, sowohl der Beschwerdegegner als auch der Beschwerdeführer lebten grundsätzlich in der Schweiz. Da sich aber der Beschwerdeführer zu Studienzwecken in Freiburg im Breisgau aufhalte und dort auch über eine eigene Wohnung verfüge, liege ein Sachverhalt mit Auslandberührung vor. Aufgrund von Art. 2 Abs. 1 des daher anwendbaren Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (SR 0.275.11; LugÜ) richte sich die örtliche Zuständigkeit nach Art. 79 Abs. 1 IPRG. Das bedeute, dass für die vorliegende Klage die Schweizerischen Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder am Wohnsitz des beklagten Elternteils zuständig seien. Aufgrund von Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG habe der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Freiburg im Breisgau (Deutschland); dass er seinem Lebensmittelpunkt und somit seinen Wohnsitz im Sinne von Art. 24 ff. ZGB allenfalls in X. (Bezirk Rheinfelden/AG) habe, ändere daran nichts. Daraus folge, dass die Klage entweder in Freiburg im Breisgau oder dann am Wohnsitz des Beschwerdegegners (Y. /BL) zu erheben gewesen wäre.
Demgegenüber macht der Beschwerdeführer – dessen Nichtigkeitsbeschwerde sich auf den erwähnten Art. 68 Abs. 1 lit. e OG stützt – geltend, Art. 2 Abs. 1 LugÜ sei von vornherein nicht anwendbar, da beide Parteien Wohnsitz in der Schweiz hätten, während es auf den studienbedingten Wochenaufenthalt des Beschwerdeführers in Deutschland nicht ankomme; anwendbar sei vielmehr Art. 17 lit. a GestG, weshalb das Bezirksgericht Rheinfelden (AG) zuständig sei; eventualiter seien auch Art. 79 in Verbindung mit Art. 20 IPRG unrichtig angewendet worden, weil der Beschwerdeführer in X. auch gewöhnlichen Aufenthalt habe.
2.2 Da der hier gegebene Sachverhalt auf alle Fälle eine gewisse Auslandbeziehung hat, ist vorab die Frage der Anwendbarkeit des LugÜ zu überprüfen, denn gemäss Art. 1 Abs. 2 IPRG gilt der Vorrang der Staatsverträge. Ob das LugÜ zur Anwendung gelangt, ergibt sich nicht aus einer entsprechenden allgemeinen Norm dieses Abkommens, sondern ist anhand seiner einzelnen Zuständigkeitsbestimmungen zu prüfen (Urteil des Bundesgerichts vom 6. Mai 1997 in: SemJud 1998 S. 443; Schwander, Gerichtszuständigkeiten im Lugano-Übereinkommen, in: Das Lugano-Übereinkommen, St. Gallen 1990, S. 61/62). Dabei fällt vorliegend – im Sinne eines Vorbehaltes zur allgemeinen Zuständigkeit am Wohnsitz der beklagten Partei (Art. 2 Abs. 1 LugÜ) – Art. 5 Ziff. 2 Halbsatz 1 LugÜ in Betracht. Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn es sich um eine Unterhaltssache handelt; dabei ist das Gericht zuständig, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nur Letzteres ist somit massgeblich und im Folgenden zu prüfen.
Das Obergericht ist davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe im Frühjahr 2001 in Freiburg im Breisgau ein Studium aufgenommen und halte sich seither dort während der Woche zu Studienzwecken auf, wohingegen er nach seiner Darstellung jeweils an den Wochenenden zu seiner Mutter nach X. zurückkehre, weil er dort seinen Lebensmittelpunkt habe. Faktisch halte er sich aber grossmehrheitlich in Freiburg im Breisgau auf, verfüge dort auch über eine eigene Wohnung und habe mit dem Beginn seines Studiums in beruflicher und – wenn auch in beschränktem Masse – sozialer Hinsicht einen gewissen Grad an Bindung erreicht. Es sei deshalb von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Freiburg im Breisgau auszugehen; dass der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt und somit seinen Wohnsitz im Sinne von Art. 24 ff. ZGB allenfalls in X. habe, ändere daran nichts.
Ob eine Partei Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates hat, dessen Gerichte angerufen werden, bestimmt sich nach dem Recht des Forums (Art. 52 Abs. 1 LugÜ). Kennt dieses Recht für „internationale“ Sachverhalte einen speziellen Wohnsitzbegriff – wie die Schweiz in Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG -, ist dieser massgebend (Schwander, aaO, S. 66). Letzteres muss auch für den Begriff des „gewöhnlichen Aufenthaltes“ gelten (so auch BGE 117 II 334 E. 4 betreffend das Verhältnis zwischen Art. 1 MSA und Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG; im Ergebnis gleich Schwander, aaO, S. 71/72, welcher in diesem Zusammenhang betreffend das LugÜ auf die Haager Unterhaltsabkommen verweist). Dabei ist in vorliegendem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sowohl beim Wohnsitz als auch beim gewöhnlichen Aufenthalt massgebend ist, wo sich der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse befindet; indessen wird beim gewöhnlichen Aufenthalt weniger auf die subjektiven Momente, insbesondere den Willen, abgestellt als vielmehr stärker auf den äusseren Anschein (BGE 117 II 334 E. 4a S. 337). Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer in X. nicht nur seinen Wohnsitz, sondern auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, denn die regelmässige Rückkehr (an den Wochenenden) zu seiner Mutter bewirkt, dass er dort auch äusserlich den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse hat und nicht etwa nur nach Massgabe seines Willens. Dabei darf die Frage des Schwerpunktes der Lebensverhältnisse auch bei der Auslegung von Art. 20 IPRG nicht gänzlich losgelöst vom internen Schweizerischen Recht beantwortet werden. Dieses verneint bei Studierenden, die regelmässig an den Wochenenden zu ihren Eltern zurückkehren, einen solchen „Schwerpunkt“ am Studienort und bejaht ihn für den Wohnsitz der Eltern (vgl. BGE 82 III 12 ff.; Riemer, Personenrecht des ZGB, 2. Aufl., Bern 2002, N. 203).
Hat aber der Beschwerdeführer weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, so ist vorliegend das LugÜ von vornherein nicht anwendbar, da eine Klage des Unterhaltsberechtigten vor einem ausländischen Gericht gegen den in der Schweiz wohnhaften Beschwerdegegner (Art. 5 Ziff. 2 LugÜ) nicht in Betracht fällt.
2.3 Das bedeutet, dass – mangels rechtlich relevantem internationalem Verhältnis (vgl. Art. 1 Abs. 1 IPRG) – auch die Anwendbarkeit des IPRG ausgeschlossen werden muss (vgl. Art. 79 iVm Art. 20 IPRG).
2.4 Mithin richtet sich vorliegend die örtliche Zuständigkeit nach dem Gerichtsstandsgesetz (vgl. Art. 1 Abs. 1 GestG). Für Unterhaltsklagen der Kinder gegen ihre Eltern ist zwingend das Gericht am Wohnsitz der Kinder zuständig (Art. 17 lit. a GestG; vgl. dazu Fabienne Hohl, in: Das Gerichtsstandsgesetz/La loi sur les fors [Hrsg.: Leuenberger/Pfister-Liechti], S. 57). Gemäss Art. 33 GestG ist für den Erlass vorsorglicher Massnahmen das Gericht am Ort, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist, zwingend zuständig. Zu den vorsorglichen Massnahmen nach dieser Norm zählen auch diejenigen nach Art. 285 ff. ZGB (Kellerhals/Güngerich, in: Kommentar zum Gerichtsstandsgesetz [Hrsg.: Kellerhals/von Werdt/Güngerich], Bern 2001, N. 2 zu Art. 33), weshalb der Beschwerdeführer zu Recht an dem für seinen Wohnsitz (X.) zuständigen Gericht (Rheinfelden) geklagt hat.
3. Unter diesen Umständen ist die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, vom 3. Mai 2002 aufzuheben. Da die Sache spruchreif ist, ist über die Gerichtsstandsfrage zu entscheiden (Art. 73 Abs. 2 OG, Halbsatz 2): In erster Instanz ist das Bezirksgericht Rheinfelden (AG) zur materiellen Behandlung des Rechtsstreites örtlich zuständig (die gerichtsinterne Zuständigkeit richtet sich nach aargauischem Recht).
4. Ausgangsgemäss wird der Beschwerdegegner für das vorliegende Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege (einschliesslich unentgeltlicher Rechtsbeistand) gegenstandslos, ausgenommen bezüglich allfälliger Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung (Art. 152 Abs. 2 OG); in diesem Umfang ist es gutzuheissen. Hinsichtlich der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens ist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.1 In Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, vom 3. Mai 2002 aufgehoben.
1.2 Es wird festgestellt, dass in erster Instanz das Bezirksgericht Rheinfelden AG zur materiellen Entscheidung des Rechtsstreites örtlich zuständig ist.
1.3 Im Übrigen wird die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.