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unalex. Rechtsprechung Entscheidung CH-267
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung CH-267  



Bundesgericht (CH) 31.08.2007 - 4A_80/2007 /len
Art. 24, 27 Nr. 1 LugÜ 1988 – unalexMaßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes –unalexBegriff der einstweiligen Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen –unalexInhalt des verfahrensrechtlichen ordre public –unalexAbweichende Ausgestaltung des ausländischen Zivilprozessrechts

Bundesgericht (CH) 31.08.2007 - 4A_80/2007 /len, unalex CH-267


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de - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (4 cit.) erweiternde - Kommentar zur VO(EG) 44/2001 und zum Übereinkommen von Lugano (4 cit.)



Ein decreto ingiuntivo des italienischen Zivilprozessrechts, welches nach Widerspruch des Antragsgegners nach summarischer Prüfung im ordentlichen Verfahren für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde, ist keine Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß Art. 24 LugÜ, sondern eine im Rahmen eines Hauptsacheprozesses ergangene vollstreckbare Entscheidung.

Ein Abweichung des Verfahrensrechts eines anderen Vertragsstaats des LugÜ vom Schweizer Bundesrecht verstößt selbst dann nicht gegen den Schweizer ordre public im Sinne von Art. 27 Nr. 1 LugÜ, wenn der Unterschied beträchtlich sein sollte, sofern dabei nicht grundlegende Prinzipien der Schweizer Rechtsordnung auf schockierende Weise verletzt werden.


-  Zusammenfassung der Entscheidung 

Die Beschwerdegegnerin mit Sitz in Italien erwirkte gegen den Beschwerdeführer mit Sitz in der Schweiz ein "decreto ingiuntivo" des Tribunale di Brescia (IT). Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht Einspruch. Auf Antrag der Beschwerdegegnerin wurde das "decreto ingiuntivo" für vorläufig vollstreckbar erklärt. Diese beantragte die Erteilung der Schweizer Vollstreckungsklausel, die vom Obergericht des Kantons Zug (CH) erteilt wurde. Die Zwangsvollstreckung wurde gemäß Art. 38 Abs. 3 LugÜ von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Der Beschwerdeführer legte Rechtsbehelf zum Bundesgericht (CH) ein. Er wandte ein, das "decreto ingiuntivo" sei eine im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Art. 24 LugÜ ergangene Entscheidung. Die danach erforderlichen besonderen Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung in der Schweiz lägen nicht vor. Auch verstoße eine Anerkennung der Entscheidung gegen den Schweizer ordre public.

Das Bundesgericht weist den Rechtsbehelf zurück. Es legt dar, nach italienischem Recht werde nach einem Widerspruch gegen ein "decreto ingiuntivo" das Verfahren als ordentlicher Prozess weiter geführt, in dem dieser nach summarischer Prüfung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden könne. Diese Entscheidung ergehe im Hauptsacheverfahren und sei deshalb keine Entscheidung des einstweiligen Rechtsschutzes. Wie bereits der EuGH (13. Juli 1995 - C-474/93 - Campese) festgestellt habe, werde mit der Möglichkeit, gegen das "decreto ingiuntivo" Widerspruch einzulegen, dem Erfordernis der Gewährung des rechtlichen Gehörs genügt. Dass mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit des "decreto ingiuntivo" bereits eine vorläufige Befriedigung ermöglicht werde, verstoße nicht gegen grundlegende Grundsätze des Schweizer Rechts. Ein Verstoß gegen den Schweizer ordre public sei nicht ersichtlich. Das Obergericht habe dem Schutz des Beschwerdeführers zudem Rechnung getragen, indem es die Vollstreckung von einer Sicherheit abhängig gemacht habe.

 JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission

-  Entscheidungstext 

A. Am 24. Februar 2003 erliess das Tribunale di Brescia auf Antrag der Z. SRL (Beschwerdegegnerin) mit Sitz in Italien einen Mahnbescheid (decreto ingiuntivo) gegen die Y. AG (Beschwerdeführerin) mit Sitz in Rotkreuz. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen innert Frist Einsprache. Der italienische Instruktionsrichter erklärte den Mahnbescheid mit Verfügung vom 30. November 2005 in Italien vorläufig vollstreckbar.

B. Mit Eingabe vom 28. Juli 2006 stellte die Beschwerdegegnerin beim Kantonsgerichtspräsidium Zug ein Gesuch um Vollstreckbarerklärung des Mahnbescheids des Tribunale di Brescia vom 24. Februar 2003 und der daraus folgenden Zahlungsaufforderung (Atto di Precetto) vom 17. Januar 2006 sowie um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Risch für den Betrag von Fr. 538.053,- nebst Zins zu 5 % seit 22. Januar 2006.

C. Mit Verfügung vom 13. November 2006 wies der Rechtsöffnungsrichter beim Kantonsgerichtspräsidium das Gesuch der Beschwerdegegnerin ab. Zur Begründung führte er aus, es liege eine vorsorgliche Massnahme eines Gerichts vor, dessen Zuständigkeit sich aus Art. 24 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (SR 0.275.11; im Folgenden LugÜ) ergebe, da die Parteien im Vertrag, der Grundlage für die erhobenen Ansprüche sei, eine Schiedsklausel vorgesehen hätten und eine Zuständigkeit des staatlichen Gerichts zur Anordnung einstweiliger Massnahmen deshalb nur nach dieser Bestimmung ergehen könne. Eine solche vorsorgliche Massnahme dürfe aber nur vollstreckt werden, wenn es sich um eine Leistungsverfügung handle, die eine Rückzahlung des zugesprochenen Betrags an einen in der Hauptsache obsiegenden Schuldner gewährleiste und die sich auf Vermögensgegenstände im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts beschränke. Da die vorläufige Vollstreckbarkeit des „decreto ingiuntivo“ nicht von der Leistung einer Sicherheit durch die Beschwerdegegnerin abhängig gemacht worden sei, könne das „decreto ingiuntivo“ nicht anerkannt und vollstreckt werden.

D. Die Beschwerdegegnerin erhob am 27. November 2006 Beschwerde bei der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug und beantragte, die Verfügung des Kantonsgerichtspräsidiums Zug sei aufzuheben und der rechtskräftige Mahnbescheid des italienischen Tribunale Ordinario di Brescia sei gemäss Art. 81 Abs. 3 SchKG iVm Art. 31 ff. und 25 LugÜ in der Schweiz vollstreckbar zu erklären. Weiter sei in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Risch/Rotkreuz vom 31. Mai 2006 für den Betrag von Fr. 538.053,- (EUR 344.618,34 zum mittleren Umrechnungskurs von 1,5613) nebst Zins zu 5 % seit 22. Januar 2006 die definitive Rechtsöffnung zu erteilen und die Beschwerdeführerin zu verpflichten, der Beschwerdegegnerin den geforderten Betrag zu bezahlen.

Mit Urteil vom 16. März 2007 hiess die Justizkommission die Beschwerde teilweise gut, hob die Verfügung des Rechtsöffnungsrichters beim Kantonsgerichtspräsidium Zug vom 13. November 2003 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Sie kam zum Schluss, die Verfügung, mit der die vorläufige Vollstreckbarkeit des Mahnbescheids angeordnet worden sei, sei innerhalb eines ordentlichen Zivilprozesses ergangen, womit der Mahnbescheid den Charakter einer vorsorglichen Massnahme des Hauptgerichts habe. Er falle deshalb unter Art. 25 LugÜ. Das ins Recht gelegte „decreto ingiuntivo“ sei in der Schweiz vollstreckbar, da es in Italien vollstreckbar sei und keine Anerkennungsverweigerungsgründe nach Art. 27 und 28 LugÜ vorliegen würden. Die Unzuständigkeitseinrede aus einer Schiedsvereinbarung könne im Exequaturverfahren nach LugÜ nicht gehört werden. Gestützt auf Art. 38 Abs. 2 LugÜ sei die Zwangsvollstreckung jedoch von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, da es um eine der schweizerischen Rechtsordnung unbekannte Leistungsverfügung gehe, mit der die vorläufige Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung angeordnet werde.

E. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 30. März 2007 beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, das Urteil vom 16. März 2007 der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug sei aufzuheben (Ziff. 1) und das Rechtsöffnungsbegehren der Beschwerdegegnerin im Betrag von Fr. 538.053,- nebst Zins zu 5 % seit 22. Januar 2006 in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Risch/Rotkreuz sei abzuweisen (Ziff. 2). In prozessualer Hinsicht beantragt sie die Erteilung der aufschiebenden Wirkung.

Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Vernehmlassung, das Urteil der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug sei zu bestätigen und die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen (Ziff. 1). Weiter sei das Rechtsöffnungsbegehren der Beschwerdegegnerin in der Höhe von Fr. 538.053,- nebst Zins zu 5 % seit dem 22. Januar 2006 in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Risch zu gewähren (Ziff. 2).

Das Obergericht des Kantons Zug beantragt unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann.

F. Mit Präsidialverfügung vom 11. Mai 2007 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der angefochtene Entscheid ist am 16. März 2007 gefällt worden und damit nach Inkrafttreten des BGG am 1. Januar 2007. Das neue Recht ist gemäss Art. 132 BGG auf das vorliegende Verfahren anwendbar.

2. Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95lit. a BGG) und von Völkerrecht (Art. 95 lit. b BGG) gerügt werden. In der Begründung der Rechtsschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Genügt die Rechtsschrift dieser Anforderung, wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).

3. Das LugÜ wurde am 16. September 1988 als Parallelübereinkommen zum EG-internen Europäischen Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden EuGVÜ) von den EG-Staaten und den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation unterzeichnet. Für die Auslegung des LugÜ sind deshalb auch Lehre und Rechtsprechung zum EuGVÜ heranzuziehen (BGE 121 III 336 E. 5c S. 338 f. mit Verweis; vgl. mit Bezug auf die Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH auch das Protokoll Nr. 2 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens sowie die Erklärung der Vertreter der Regierungen der Unterzeichnerstaaten des Luganer Übereinkommens, die Mitglieder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, SR 0.275.11). Das EuGVÜ wurde im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten gemäss seinem Art. 68 Abs. 1 durch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden EuGVO) ersetzt. Dadurch wurde die Artikelzählung teilweise verändert. Soweit die EuGVO im Vergleich mit dem EuGVÜ inhaltlich keine Änderung bringt, kann für die Auslegung des LugÜ auf Rechtsprechung und Lehre zur Parallelbestimmung der EuGVO zurückgegriffen werden (BGE 129 III 626 E. 5.2.1 S. 633).

4. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, der Mahnbescheid vom 24. Februar 2003 sei ein vorprozessualer vorsorglicher Massnahmeentscheid über eine Leistungsmassnahme, der ohne ihre Anhörung erlassen worden sei. Die Tatsache, dass der Hauptsachenrichter, dessen Zuständigkeit bestritten sei, die Massnahme als vorläufig vollstreckbar erklärt habe, ändere an deren Rechtsnatur nichts. Beim Mahnbescheid handle es sich deshalb um einen Entscheid im Sinn von Art. 24 LugÜ. Da im vorliegenden Fall über die Zuständigkeit des Hauptsachengerichts noch nicht rechtskräftig entschieden sei, könne der Instruktionsrichter am italienischen Tribunale di Brescia nicht als ein in der Hauptsache zuständiger Richter angesehen werden. Die Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen für eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 24 LugÜ seien nicht erfüllt. Die Vorinstanz habe deshalb Art. 24, 25-28 und 31 LugÜ verletzt, als sie von einer vorsorglichen Massnahme eines Hauptsachengerichts ausging und den Schluss zog, der Mahnbescheid sei wie ein Entscheid nach Art. 25 ff. und Art. 31 ff. LugÜ zu vollstrecken.

4.1 Die in einem Vertragsstaat des LugÜ ergangenen Entscheidungen werden in jedem anderen Vertragsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind (Art. 31 Abs. 1 LugÜ). Als Entscheide im Sinne dieser Bestimmung gelten in Verbindung mit Art. 25 LugÜ grundsätzlich auch Anordnungen des einstweiligen Rechtsschutzes (BGE 129 III 626 E. 5 S. 630). Dabei kann ein nach den Regeln des LugÜ in der Hauptsache zuständiges Gericht gleichsam automatisch auch die Eilzuständigkeit beanspruchen, und zwar unabhängig davon, ob es tatsächlich mit der Hauptsache befasst ist oder nicht (BGE 129 III 626 E. 5.3.2 S. 638). Eine allein auf Art. 24 LugÜ in Verbindung mit nationalem Recht gestützte Zuständigkeit der Gerichte eines Vertragsstaats zum Erlass vorsorglicher Massnahmen kommt hingegen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen in Betracht. Um zu verhindern, dass die Vorschriften des LugÜ über die Zuständigkeit für die Entscheidung in der Hauptsache durch die Vollstreckung einer einstweiligen Massnahme umgangen werden, für deren Erlass die Zuständigkeit nach Art. 24 LugÜ in Anspruch genommen wird, stellt die Anordnung der vorläufigen Erbringung einer vertraglichen Massnahme nur dann eine einstweilige Massnahme im Sinn dieser Norm dar, wenn die Rückzahlung des zugesprochenen Betrags an den Antragsgegner für den Fall gewährleistet ist, dass der Antragsteller in der Hauptsache unterliegt, und wenn die beantragte Massnahme nur bestimmte Vermögensgegenstände betrifft, die sich im örtlichen Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts befinden oder befinden müssten (Urteil des EuGH vom 17. November 1998 in der Rechtssache C-391/95, van Uden gegen Deco-Line u.a., Slg. 1998, I-7091, Rn. 47 zu Art. 24 EuGVÜ; vgl. auch BGE 125 III 451 E. 3b S. 458).

Gerichtliche Entscheidungen, durch die einstweilige oder auf Sicherheit gerichtete Massnahmen angeordnet werden, müssen in keinem Fall anerkannt werden, wenn der Gegenseite das rechtliche Gehör verweigert wurde (BGE 129 III 626 E. 5.2.1 S. 631 ff.). Dabei ist nicht erforderlich, dass das rechtliche Gehör vor Erlass der vorsorglichen Massnahme gewährt wird. Es genügt, wenn der Betroffene nach Erlass der Verfügung die Möglichkeit hat, sich in einem Anfechtungsverfahren dagegen zur Wehr zu setzen (BGE 129 III 626 E. 5.2.2 S. 634).

4.2 Das „procedimento di ingiunzione“ nach Art. 633 ff. des italienischen Codice di procedura civile (im Folgenden c.p.c.) erlaubt es einem Gläubiger in bestimmten Fällen, einen gerichtlichen Mahnbescheid (decreto ingiuntivo) zu erlangen. Nach Art. 637 c.p.c. ist für den Erlass eines Mahnbescheids das Gericht zuständig, das auch für eine ordentliche Klage zuständig wäre. Erhebt die Gegenpartei nach Zustellung des „decreto ingiuntivo“ Einspruch, wird ein ordentlicher Prozess mit verkürzten Fristen eröffnet (Art. 645 c.p.c.). Im Rahmen dieses ordentlichen Prozesses kann der Instruktionsrichter den Mahnbescheid nach summarischer Prüfung des Einspruchs unter bestimmten Voraussetzungen für vorläufig vollstreckbar erklären (Art. 648 c.p.c.).

4.3 Es ist unbestritten, dass im vorliegenden Fall durch den Einspruch der Beschwerdeführerin vom 23. Mai 2003 gegen das „decreto ingiuntivo“ ein Hauptverfahren nach den Vorschriften des ordentlichen Prozesses eröffnet wurde. Die Verfügung vom 30. November 2005, mit der die vorläufige Vollstreckbarkeit des Mahnbescheids angeordnet wurde, erging innerhalb dieses Hauptprozesses. Damit kann von vorneherein kein Verfahren nach Art. 24 LugÜ vorliegen. Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, als sie die Verfügung des Tribunale di Brescia vom 30. November 2005 betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit des „decreto ingiuntivo“ vom 24. Februar 2003 nicht unter Art. 24 LugÜ subsumierte.

4.4 Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, ihr sei das rechtliche Gehör verweigert worden, kann ihr nicht gefolgt werden, da das italienische Recht der Gegenpartei nach dem Gesagten die Möglichkeit einräumt, nach Erlass des „decreto ingiuntivo“ Widerspruch einzulegen, wodurch das Verfahren in ein gewöhnliches streitiges Verfahren übergeleitet wird (vgl. auch das Urteil des EuGH vom 13. Juli 1995 in der Rechtssache C-474/93, Hengst Import BV gegen Campese, Slg. 1995, I-2113, Rn. 14 f.).

5. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, dem Mahnbescheid müsse, selbst wenn er als Entscheid des Hauptsachengerichts zu betrachten wäre, die Anerkennung versagt bleiben, da er gegen den schweizerischen Ordre public verstosse.

5.1 Der in Art. 27 Ziff. 1 LugÜ vorgesehene Vorbehalt des Ordre public gibt dem Gericht die Möglichkeit, einem ausländischen Entscheid die Anerkennung zu versagen, wenn er die grundlegenden Prinzipien der schweizerischen Rechtsordnung auf schockierende Weise verletzt (BGE 126 III 534 E. 2b S. 538 mit Hinweis). Mit dem Abschluss eines internationalen Vertrags, der unter bestimmten Voraussetzungen die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in der Schweiz vorsieht, nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass Urteile ausländischer Gerichte anders ausfallen können als Entscheide, die ein schweizerisches Gericht in Anwendung schweizerischen Rechts fällen würde. Es geht deshalb nicht an, bei jedem Abweichen des ausländischen Rechts vom schweizerischen Bundesrecht eine Verletzung des Ordre public geltend zu machen, selbst wenn der Unterschied beträchtlich sein sollte (BGE 126 III 534 E. 2b S. 538; 125 III 443 E. 3d S. 447).

5.2 Die Tatsache allein, dass nach schweizerischem Recht Leistungsmassnahmen zur vorläufigen Vollstreckung von Ansprüchen auf Geldzahlung grundsätzlich unzulässig sind, genügt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht, um eine Verletzung des Ordre public zu bejahen. Es ist in Anbetracht dessen, dass die erste Instanz gemäss Anweisungen der Vorinstanz der Beschwerdegegnerin eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen hat, auch nicht ersichtlich, wieso die Beschwerdeführerin das Insolvenzrisiko tragen sollte für den Fall, dass sie in der Hauptsache obsiegen würde und die Beschwerdegegnerin finanziell nicht mehr in der Lage wäre, den geleisteten Betrag zurückzuerstatten. Eine Verletzung des Ordre public liegt nicht vor.

6. Aus den genannten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Dem Begehren der Beschwerdegegnerin, ihr Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Risch zu gewähren, kann nicht entsprochen werden, da die erste Instanz das Rechtsöffnungsbegehren noch gar nicht behandelt hat.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.





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