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unalex. Rechtsprechung Entscheidung CH-266
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung CH-266  



Bundesgericht (CH) 29.12.2008 - 4A_440/2008 /len
Art. 27 Nr. 1 LugÜ 1988 – unalexInhalt des materiellen ordre public –unalexKein Verstoß gegen den materiellen ordre public

Bundesgericht (CH) 29.12.2008 - 4A_440/2008 /len, unalex CH-266



Das General Agreement on Trade in Services (GATS) ist nicht unmittelbar anwendbares - self executing - Völkerrecht. Eine private Partei kann sich deshalb nicht auf eine Verletzung seiner Regeln zur Begründung eines Verstoßes gegen den schweizerischen ordre public im Sinne von Art. 27 Nr. 1 LugÜ berufen.

Ein möglicher Verstoß gegen den in Art. II GATS vorgesehenen Grundsatz der Meistbegünstigung ist schon deshalb nicht dazu geeignet, einen Verstoß gegen den Schweizerischen ordre public im Sinne von Art. 27 Nr. 1 LugÜ zu begründen, weil das GATS es zulässt, dass er von den Vertragsstaaten durch einen Vorbehalt ausgeschlossen werden kann.


-  Zusammenfassung der Entscheidung 

Der deutsche Antragsteller hat bei der Antragsgegnerin, deren Sitz in der Schweiz liegt, Vermögensanlagen getätigt. Er hat beim Landgericht Leipzig (DE) ein Urteil erwirkt, mit dem die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen das deutsche Gesetz über das Kreditwesen - KWG - zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wurde. Nach dem KWG sind in Deutschland bestimmte Formen von Anlagegeschäften und der Werbung für diese erlaubnispflichtig, wogegen die Antragsgegnerin verstoßen habe. Zu diesem Urteil erwirkte der Antragsteller beim Bezirksgericht Appenzell I.Rh. (CH) die Schweizer Vollstreckungsklausel. Der Rechtsbehelf der Antragsgegnerin wurde zurückgewiesen. Mit ihrem weiteren Rechtsbehelf zum Bundesgericht (CH) macht die Antragsgegnerin geltend, das deutsche Urteil könne gemäß Art. 27 Nr. 1 LugÜ nicht anerkannt werden. Die Unterwerfung der von ihr betriebenen Anlagegeschäfte unter eine besondere Erlaubnispflicht in Deutschland verletze den im General Agreement on Trade in Services (GATS) niedergelegten Grundsatz der Meistbegünstigung und damit den Schweizer ordre public.

Das Bundesgericht weist den Rechtsbehelf zurück. Ein Verstoß gegen den Schweizer ordre public im Sinne von Art. 27 Nr. 1 LugÜ setze voraus, dass die Anerkennung und Vollstreckung der ausländischen Entscheidung das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise verletze. Das GATS sei als völkerrechtlicher Vertrag nicht "self executing", sondern verpflichte lediglich die Signatarstaaten. Die Antragsgegnerin könne sich deshalb nicht auf eine Verletzung seiner Regeln berufen. Aber auch wenn das GATS unmittelbar anwendbares Recht wäre, sei ein Verstoß gegen den Schweizer ordre public ausgeschlossen. Da das GATS es den Signatarstaaten gestatte, den Grundsatz der Meistbegünstigung durch einen Vorbehalt auszuschließen, könne ein Verstoß gegen ihn nicht grundlegende Prinzipien des Schweizer Rechts verletzen.

 JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission

-  Entscheidungstext 

A. Die X.Y. AG mit Sitz in B. bezweckt gemäss Handelsregistereintrag insbesondere die Vermögensverwaltung für mittelständische Unternehmungen und Einzelpersonen.

A. ist selbständiger Optiker mit Wohnsitz im deutschen Bundesland Sachsen. Er legte mit der Unterstützung der X.Y. AG Kapital in der Schweiz an. Im März 2006 kündigte A. die mit der X.Y. AG geschlossenen Vereinbarungen und verlangte Schadenersatz.

B.a Mit Urteil vom 25. Januar 2007 verpflichtete das Landgericht Leipzig die X.Y. AG (Beklagte), A. (Kläger) 19.056,92 EUR nebst Zins zu bezahlen. Dieses Urteil bestätigte das Oberlandesgericht Dresden am 20. Juni 2007. Zur Begründung führte es zusammengefasst aus, der Kontakt zwischen den Parteien sei durch ein Call-Center in Deutschland hergestellt worden. Daraufhin habe der Kläger in Deutschland bei jeweiligen Gesprächsterminen mit einem Vertreter der Beklagten am 19. und 25. August 2003 mit „Vermögensverwaltungsauftrag“ und „Anlageauftrag – Schweizer Vermögensaufbauprogramm“ bezeichnete Verträge unterzeichnet. Der Kläger habe dem Kundenbetreuer der Beklagten an diesen Terminen Barbeträge von7.200,- EUR und 9.700,- EUR ausgehändigt und eine einmalige „Auslands-Bearbeitungsgebühr“ von 1.700,- EUR in bar bezahlt. Tatsächlich habe die Beklagte für den Kläger zwei Lebensversicherungen mit jeweils jährlicher Dynamisierung von 10 % abgeschlossen. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz, KWG) bedürfe, wer im Inland gewerbsmässig Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen wolle, der vorherigen schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt. Diese Pflicht greife jedenfalls dann, wenn der ausländische Anbieter von Finanzportofolioverwaltung wie im vorliegenden Fall deutsche Kunden durch Mitarbeiter oder Repräsentanten im Inland unaufgefordert zielgerichtet anspreche und sie im persönlichen Gespräch zum Abschluss eines entsprechenden Vermögensverwaltungsvertrages veranlasse. Da die Beklagte gewerbsmässig gehandelt habe, habe sie gegen die Erlaubnispflicht gemäss § 32 Abs. 1 Satz 1 iVm § 1 Abs. 1a Nr. 3 KWG verstossen, zumindest fahrlässig. Der Kläger könne Ersatz des durch die schuldhafte Schutzgesetzverletzung entstandenen Schadens verlangen.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2007 verpflichtete das Landgericht Leipzig die Beklagte weiter, dem Kläger eine ausseramtliche Entschädigung von 2.899,86 EUR zu bezahlen.

B.b In der Folge verlegte die Beklagte ihren Sitz von B. nach C. und änderte am 29. Juni 2007 ihre Firma in X. AG. Um diese Änderungen für die Vollstreckung festzuhalten, erliess das Oberlandesgericht Dresden am 27. August 2007 einen Beschluss zur Anpassung des erst- und zweitinstanzlichen Urteils. Mit gleichlautendem Beschluss vom 28. September 2007 passte das Landgericht Leipzig seinen Kostenfestsetzungsbeschluss entsprechend an.

B.c Der Kläger liess mit Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes Appenzell vom 6. Dezember 2007 die Beklagte über Fr. 41.842,40 nebst Zins betreiben, worauf diese Rechtsvorschlag erhob. Am 8. Januar 2008 reichte der Kläger beim Bezirksgerichtspräsidenten von Appenzell I.RH. ein Begehren um Vollstreckbarerklärung und definitive Rechtsöffnung ein. Mit Urteil vom 14. Februar 2008 erklärte das Bezirksgericht das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 25. Januar 2007 betreffend die Parteien inklusive des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 3. Mai 2007 für vollstreckbar und erteilte in der Betreibung Nr. 000 des Betreibungsamtes Appenzell für den Betrag von Fr. 41.842,40 nebst Zins zu 8,19 % seit 4. Dezember 2007 sowie Zahlungsbefehlskosten von Fr. 100,- definitive Rechtsöffnung.

Die Beklagte erhob gegen die Vollstreckbarkeitserklärung den in Art. 36 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (SR 0.275.11; Lugano-Übereinkommen; LugÜ) vorgesehenen Rechtsbehelf, den das Kantonsgericht Appenzell I.Rh. mit Urteil vom 3. Juni 2008 abwies, soweit es darauf eintrat.

C. Die Beklagte (Beschwerdeführerin) beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Kantonsgerichts vom 3. Juni 2008 aufzuheben und das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 25. Januar 2007 sowie den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2007 als in der Schweiz nicht vollstreckbar zu erklären; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Der Kläger (Beschwerdegegner) beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.1 Der angefochtene Entscheid ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 BGG) in einem Verfahren zur Vollstreckung eines Urteils in Zivilsachen. Solche Entscheide unterliegen gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG der Beschwerde in Zivilsachen. Der erforderliche Streitwert von Fr. 30.000,- ist gegeben (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; vgl. auch Urteil 4A_31/2008 vom 6. März 2008 E. 1). Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde in Zivilsachen ist demnach grundsätzlich einzutreten.

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin, die die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substantiiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Dies kann auf Tatsachen zutreffen, die erst aufgrund einer neuen überraschenden rechtlichen Argumentation der Vorinstanz Rechtserheblichkeit erlangt haben (Urteil 4A_36/2008 vom 18. Februar 2008 E. 4.1). Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweicht, ohne substantiiert Ausnahmen von der Sachverhaltsbindung gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG geltend zu machen oder Tatsachen vorbringt, welche im angefochtenen Urteil keine Stütze finden, haben ihre Vorbringen unbeachtet zu bleiben.

2.1 Gemäss Art. 27 Ziff. 1 LugÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widersprechen würde. Ähnlich sieht auch Art. 27 Abs. 1 IPRG vor, dass eine ausländische Entscheidung in der Schweiz nicht anerkannt werden kann, wenn die Anerkennung mit dem schweizerischen Ordre public offensichtlich unvereinbar wäre. Eine Unvereinbarkeit mit dem materiellen Ordre public liegt vor, wenn das einheimische Rechtsgefühl durch die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Entscheids in unerträglicher Weise verletzt würde, weil er grundlegende Vorschriften der schweizerischen Rechtsordnung missachtet (BGE 131 III 192 E. 4.1 S. 185 mit Hinweisen). Dies kann zutreffen, wenn ein ausländisches Urteil gegen qualifiziert zwingende Bestimmungen des schweizerischen Rechts verstösst (BGE 130 III 336 E. 2.4 S. 340). Der formelle Ordre public ist verletzt, wenn das anzuerkennende Urteil gegen die fundamentalen Prinzipien, wie sie sich aus der Konzeption des schweizerischen Zivilprozessrechts ergeben, verstösst. Ein solcher Verstoss liegt nicht bereits vor, wenn eine gerichtliche Zahlungsaufforderung in Verletzung einer staatsvertraglichen Verpflichtung per Post anstatt rechtshilfeweise zugestellt wird (Urteil 5A_633/2007 vom 14. April 2008 E. 3 und E. 3.3).

2.2 Vor dem Kantonsgericht machte die Beschwerdeführerin geltend, in der Schweiz könnten die deutschen Urteile gemäss Art. 27 Ziff. 1 LugÜ nicht vollstreckt werden, weil sie das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS, SR 0.632.20) und damit den schweizerischen Ordre public verletzen.

2.3 Das Kantonsgericht erwog, das GATS sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht direkt anwendbares (self-executing) Völkerrecht, weshalb sich die Beschwerdeführerin nicht darauf berufen könne.

2.4 Die Beschwerdeführerin wendet vor Bundesgericht ein, für die Frage, ob Staatsvertragsrecht zum schweizerischen Ordre public gehöre, sei nicht massgebend, ob ein Staatsvertrag self executing sei oder nicht. Andernfalls könnte nationales Recht die Nichterfüllung internationaler Verträge rechtfertigen. Dies würde dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge und dem darin statuierten Grundsatz „pacta sunt servanda“ widersprechen. Das Völkerrecht sei für in der Schweiz ansässige Unternehmen mit international ausgerichteter Leistungserbringung eine wichtige Entscheidungs- und Vertrauensgrundlage, welche als Bestandteil der öffentlichen Ordnung der Schweiz angesehen werden müsse. Die zu vollstreckenden Urteile verstiessen gegen den in Art. II GATS vorgesehenen Grundsatz der Meistbegünstigung. Gemäss dem von der Schweiz und Deutschland ratifizierten Zweiten Anhang zum GATS könnten die Mitgliedstaaten in Erklärungen Massnahmen aufführen, welche der Meistbegünstigung im Bereich der Finanzdienstleistungen entgegenstehen. So habe Belgien für die Erbringung der Anlageberatung einen nationalen Vorbehalt angebracht, wonach diese Dienstleistung nur erbracht werden darf, wenn eine zugelassene Niederlassung im Inland errichtet werde. Deutschland habe jedoch keine entsprechende Vorbehaltserklärung abgegeben.

2.5 Nach Rechtsprechung und Lehre kann sich der Einzelne nur auf staatsvertragliche Bestimmungen berufen, soweit diese direkt anwendbar bzw. „self-executing“ und in einem Vertrag enthalten sind, der dem Einzelnen überhaupt eine rechtlich geschützte Stellung verschafft (BGE 130 I 26 E. 1.2.3 S. 30 f. mit Hinweisen; Ulrich Häfeli und andere, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl. 2008, S. 571 Rn. 1915, Markus Schott, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 54 zu Art. 95 BGG; vgl. auch René Rhinow, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, 2003, S. 571 Rn. 3234 ff.). Das Bundesgericht hat in BGE 125 II 293 (E. 4d S. 305) ausgeführt, das GATS verpflichte lediglich die Signatarstaaten, es schaffe keine unmittelbar anwendbaren Rechte, auf die sich Fernmeldeunternehmungen berufen könnten. In einem späteren Entscheid lehnte es das Bundesgericht ab, aus dem GATS ein subjektives Recht der Leistungserbringer auf „Entbündelung“ von Mietleitungen abzuleiten (Urteil 2A.503/2000 und 2A.505/2000 vom 3. Oktober 2001, E. 9c).

2.6 Dass das GATS entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichts direkt anwendbar sei, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Sie konnte demnach nicht darauf vertrauen, dieses Übereinkommen verschaffe ihr eine rechtlich geschützte Stellung. Damit ist eine Verletzung des schweizerischen Ordre public wegen enttäuschten Vertrauens in staatsvertragliche Bestimmungen zu verneinen.

2.7 Zudem wäre selbst bei direkter Anwendbarkeit des GATS kein Verstoss gegen den schweizerischen Ordre public gegeben. Dieser wird durch eine mögliche Staatsvertragsverletzung nur verletzt, wenn grundlegende Prinzipien des schweizerischen Rechts missachtet werden (vgl. E. 2.1). Die Beschwerdeführerin bringt selbst vor, dass die Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall die Geltung der Meistbegünstigungsklausel des GATS durch einen Vorbehalt hätte ausschliessen können. Somit erweist sich die Beachtung dieser Klausel unter Umständen als verzichtbar, weshalb ihre Verletzung keinen Verstoss gegen grundlegende Prinzipien des schweizerischen Rechts bedeuten kann.

3. Nach dem Gesagten kommt der Erwägung des Kantonsgerichts, wonach die Beschwerdeführerin die Völkerrechtswidrigkeit des zu vollstreckenden Urteils im Vollstreckungsverfahren nicht mehr beanstanden kann, weil sie diese Rüge bereits im Erkenntnisverfahren beim Bundesgerichtshof hätte erheben können und müssen, keine entscheiderhebliche Bedeutung zu. Auf die gegen diese Erwägung gerichtete Kritik der Beschwerdeführerin ist daher nicht einzutreten.

4.1 Alsdann bringt die Beschwerdeführerin vor, der schweizerische Ordre public werde verletzt, weil das zu vollstreckende Urteil einen ungerechtfertigten Eingriff in die Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 BV darstelle. Danach könne der Beschwerdegegner bei der Rückabwicklung des Vermögensverwaltungsvertrages nicht nur zurückverlangen, was er anvertraut habe, sondern auch, was er der Lebensversicherungsgesellschaft übergeben habe, ohne dass die Frage der Kausalität zur unerlaubten Handlung geprüft worden sei.

4.2 Die Rüge ist unbegründet. Die Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass das Oberlandesgericht die Frage der Kausalität durchaus prüfte und in der Annahme bejahte, ohne den Verstoss der Beschwerdeführerin gegen das KWG wäre es nicht zum Abschluss der Versicherungen gekommen. Von einer Verletzung des Ordre public kann auch insoweit nicht die Rede sein.

5.1 Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, das deutsche KWG verbiete in der Schweiz ansässigen unabhängigen Vermögensverwaltern, sich grenzüberschreitend von der Schweiz aus an den deutschen Markt zu wenden, um Kunden zu werben. Unabhängige Vermögensverwalter hätten nach den Bestimmungen des KWG keine Möglichkeit, in Deutschland die Zulassung für die Errichtung einer Zweigniederlassung zu erhalten, da der Hauptsitz in der Schweiz nicht einer vom KWG geforderten Aufsicht nach gleichwertigen Standards unterliege. Damit unterstünden in der Schweiz ansässige unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland einem Totalverbot der grenzüberschreitenden Information an potentielle Kunden. Dieses Verbot gehe über den Rahmen der zulässigen Einschränkungen nach Art. 10 Abs. 2 EMRK hinaus, weshalb das „Leipziger Urteil“ die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit gemäss Art. 10 Abs. 1 EMRK und damit auch den schweizerischen Ordre public verletzte.

5.2 Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts schützt die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) nur Meinungen ideellen Inhalts, nicht jedoch zu kommerziellen Zwecken abgegebene Äusserungen. Diese unterstehen nur dem weniger weit gehenden Schutz der Wirtschaftsfreiheit (BGE 128 I 295 E. 5a mit weiteren Hinweisen). Wohl deshalb, weil die EMRK keine der Wirtschaftsfreiheit entsprechende Garantie enthält, erfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) der Schutzbereich der Meinungsäusserungsfreiheit nach Art. 10 EMRK auch kommerzielle Werbung. Der EGMR wendet insoweit jedoch einen zurückhaltenden Prüfungsmassstab an und räumt den Staaten einen weiten Beurteilungsspielraum ein. Rein wirtschaftliche Werbung wird deshalb von Art. 10 EMRK weniger intensiv geschützt als andere Äusserungen im Geltungsbereich dieses Grundrechts (Jörg Paul Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Auflage, S. 368 f. mit Hinweisen; vgl. auch Ulrich Häfelin und andere, aaO, S. 137 Rn. 455).

5.3 Die Beschwerdeführerin hat gemäss den Feststellungen des Oberlandesgerichts den Beschwerdegegner über ein deutsches Call-Center angesprochen und ihn in Deutschland im Gespräch zum Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages veranlasst. Damit lag eine rein kommerzielle Kommunikation vor, welche zudem mit einer aktiven persönlichen Kontaktaufnahme verbunden war. Dass der deutsche Gesetzgeber derartige Werbeaktivitäten durch ausländische Vermögensverwalter mittels eines Bewilligungsvorbehalts einschränkt, lässt sich ohne Weiteres mit dem öffentlichen Interesse des Konsumentenschutzes rechtfertigen (vgl. Art. 36 Abs. 2 BV), weshalb eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit zu verneinen ist. Auch insoweit liegt kein Verstoss gegen den Ordre public vor.

6. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.





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