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Zusammenfassung der Entscheidung Die in Zürich (CH) ansässige Klägerin schloss mit der Beklagten, deren Sitz in einem anderen Vertragsstaat des LugÜ liegt, einen Werkvertrag über die Erbringung bestimmter Montageleistungen. Die Leistungen sollten in einer Anlage in Mulhouse (FR) erbracht werden. Mit ihrer zum Handelsgericht Zürich erhobenen Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz wegen Leistungsverzuges. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der Schweizer Gerichte beruft sie sich auf eine Gerichtsstandsklausel in den ihrem Werkauftrag beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. In dieser heißt es, zuständig seien die Gerichte am Sitz des Käufers - „domicile de l'acheteur". Das Handelsgericht Zürich hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von der Klägerin zum Bundesgericht (CH) eingelegte eidgenössische Berufung.
Das Bundesgericht weist das Rechtsmittel zurück. Die in Art. 17 LugÜ für den Abschluss einer rechtswirksamen Gerichtsstandsvereinbarung vorgesehenen formellen und materiellen Voraussetzungen seien eng auszulegen, also streng zu handhaben. Für in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsklauseln gelte zudem der Grundsatz, dass Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten des Vertragstextes zu Lasten des Verwenders gingen. Hier habe die Klägerin die Anlage, an der von der Beklagten als Subunternehmerin Montageleistungen zu erbringen waren, an einen Dritten in Frankreich geliefert, wobei für den Vertrag mit diesem Dritten die Qualifizierung als Kaufvertrag mit Montagepflicht in Betracht komme. Bei dieser Sachlage könne aus einer Vereinbarung der Gerichte am Sitz des „Käufers" nicht mit hinreichender Eindeutigkeit geschlossen werden, dass damit der Sitz der Klägerin - als der Bestellerin in dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag - gemeint sein solle.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
A. Die Parteien standen in einem Werkvertrag um die Montage von Elektrofiltern mit Gaskanälen und Stützkonstruktionen in einer Anlage im Raum Mülhausen. Nachdem die Klägerin gestützt auf Art. 366 OR vom Vertrag zurückgetreten war, belangte sie die Beklagte vor Handelsgericht Zürich auf Fr. 232.120,65 nebst Zins, womit sie den Ersatz ihres Verzugsschadens abzüglich den von ihr anerkannten Werklohnanteil beanspruchte.
Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründete die Klägerin mit einer Gerichtsstandsvereinbarung. In den Werkvertrag seien ihre „Conditions Générales d'Achat“ integriert worden, welche unter Ziff. 11 bestimmen:
„Tribunal compétent
Le domicile compétent est celui du domicile de l'acheteur.“
B. Mit Beschluss vom 23. Juli 1999 trat das Handelsgericht auf die Klage nicht ein. Es hielt dafür, im Lichte von Art. 17 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (SR 0.275.11; Lugano-Übereinkommen, LugÜ) bringe die Gerichtsstandsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin den Prorogationswillen der Vertragsparteien nicht hinreichend klar und deutlich zum Ausdruck und begründe im objektiven Verständnis keinen Gerichtsstand am Sitz der Klägerin als Bestellerin im Werkvertrag.
C. Die Klägerin führt eidgenössische Berufung mit dem Antrag, den Beschluss des Handelsgerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, auf die Klage einzutreten.
Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung und auf Bestätigung des angefochtenen Beschlusses. Das Handelsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Selbständige Zuständigkeitsentscheide einer Spruchbehörde im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG sind in berufungsfähigen Streitsachen wegen Verletzung bundesrechtlicher Zuständigkeitsvorschriften unmittelbar anfechtbar (Art. 49 OG). Unstreitig beurteilt sich die Gültigkeit der von der Klägerin in Anspruch genommenen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 LugÜ, d.h. nach staatsvertraglichem Bundesrecht (BGE 119 II 391 E. 1). Da die Klägerin sodann ihren materiellen Anspruch auf schweizerisches Recht stützt, dessen Verletzung oder Nichtanwendung mit Berufung gerügt werden kann (Art. 43 OG), und der Streitwert der Hauptsache die Berufungssumme nach Art. 46 OG erreicht, ist auf die Berufung einzutreten.
2. Nach Art. 17 Abs. 1 LugÜ können die Parteien über eine künftige, aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit durch formgebundene Vereinbarung die ausschliessliche Zuständigkeit des Gerichts eines Vertragsstaats begründen. Das Handelsgericht hält dafür, eine Gerichtsstandsvereinbarung könne zwar formgenüglich auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein, die zum Bestandteil eines in Schriftform abgeschlossenen Vertrags erhoben werden, doch fehle der im vorliegenden Fall angerufenen Vereinbarung die erforderliche Klarheit und Eindeutigkeit, um den Gerichtsstand Zürich zu begründen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 59 aBV darf ein Verzicht auf das nach Verfassung oder Gesetz zuständige Gericht nicht leichthin angenommen werden. Es bedarf dazu einer ausdrücklichen Erklärung, deren Inhalt unmissverständlich ist und die den Willen, einen andern als den ordentlichen Gerichtsstand zu begründen, klar und deutlich zum Ausdruck bringt. Daran fehlt es namentlich, wenn die Gerichtsstandsklausel unklar gefasst ist und zu Missverständnissen führen kann (BGE 93 I 323 E. 5b). Befindet sie sich in einem Formularvertrag, so ist zudem erforderlich, dass sie an gut sichtbarer Stelle angebracht ist und hervortritt. Ob auf das ordentliche Gericht gültig verzichtet wurde, hängt normativ davon ab, ob der Vertragspartner des Verzichtenden in guten Treuen annehmen durfte, sein Kontrahent habe mit der Annahme des Vertrags auch der darin enthaltenen Derogations- und Prorogationsabrede zugestimmt (BGE 109 Ia 55 E. 3a). Diese Grundsätze gelten ebenfalls für die Beurteilung von Gerichtsstandsvereinbarungen, welche dem einfachen Bundesrecht unterstehen, namentlich von solchen nach Art. 5 IPRG (Hess, Basler Kommentar, N. 69 zu Art. 5 IPRG).
b) In seinem Anwendungsbereich verdrängt zwar das Lugano-Übereinkommen das autonome Recht der Vertragsstaaten (Hess, aaO, N. 13 zu Art. 5 IPRG), setzt nach dazu entwickelter Lehre und Rechtsprechung aber rechtliche Anforderungen an die konsensuale Einigung auf eine Gerichtsstandsvereinbarung, die sich im Wesentlichen mit den zu Art. 59 aBV entwickelten Grundsätzen decken (zum materiellen Konsenserfordernis Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, N. 75 zu Art. 17 EuGVÜ/LugÜ). Ist eine Gerichtsstandsvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten, ist darauf einerseits im Vertrag ausdrücklich oder zumindest deutlich Bezug zu nehmen, und sind diese Bedingungen anderseits dem Vertragspartner in einer Art und Weise zugänglich zu machen, dass dieser bei normaler Sorgfalt davon Kenntnis nehmen kann. Sodann muss aus dem Vertragsnexus klar und deutlich hervorgehen, dass die gerichtliche Zuständigkeit Gegenstand einer Willenseinigung der Parteien war, der Verzichtende ihr in Kenntnis ihres Inhalts zugestimmt hat. Dabei sollen vorab die Formerfordernisse des Art. 17 Abs. 1 LugÜ gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht. Entsprechend sind die formellen und materiellen Voraussetzungen der Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln eng auszulegen, d.h. streng zu handhaben (EuGH Slg. 1976, 1831; EuGH Slg. 1992, I-1745, 1769; Ingo Saenger, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach EuGVÜ und LugÜ, Zeitschrift für Zivilprozess 1997, S. 477 f., 486; Geimer/
Schütze, aaO, N. 85 f. zu Art. 17 EuGVÜ/LugÜ; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., N. 23 und 31 ff. zu Art. 17 EugVÜ/LugÜ; Hélène Gaudemet-Tallon, Les Conventions de Bruxelles et de Lugano, 2e éd., S. 85; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht. 3. Aufl., S. 436 Rn. 1684; Gerhard
Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 2. Aufl., S. 229; Hans Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach IPR-Gesetz und Lugano-Übereinkommen, Zürich 1995, S. 35; differenzierend Schlosser, N. 18 und 20 zu Art. 17 EuGVÜ). Dabei gilt auch hier der namentlich für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen entwickelte Grundsatz, dass Unklarheiten des Vertragstextes, darunter auch Mehrdeutigkeiten, im Zweifel zu Lasten seines Verfassers gehen (Kramer, Berner Kommentar, N. 109, 221 zu Art. 1 und N. 48 zu Art. 18 OR; Jäggi/Gauch, Zürcher Kommentar, N. 451 ff. zu Art. 18 OR; Wiegand, Basler Kommentar, N. 40 zu Art. 18 OR).
c) Die Klägerin stützt sich auf ihre von der Beklagten gegengezeichnete Offerte vom 27. Februar 1998, welche die „Montage des constructions pour installations d'électrofiltre“ in der Gegend von Mülhausen zum Gegenstand hatte, als integrierenden Bestandteil die „conditions d'achat“ erwähnte und mit beigehefteten „Conditions Générales d'Achat“ der Klägerin bestückt war, in welchen das Gericht am Domizil des Käufers als zuständig erklärt wird.
Die fragliche Anlage wurde von der Klägerin an einen Dritten in Frankreich geliefert. Für die Montagearbeiten zog sie die Beklagte als Subunternehmerin bei. Für die zu erbringenden Dienstleistungen stand sie mit dieser unstreitig in einem Werkvertrag. Die Rechtsnatur ihres Vertrags mit dem Empfänger der Anlage lässt sich auf Grund der Feststellungen der Vorinstanz nicht ausmachen, ist an sich für die vorliegende Auseinandersetzung auch bedeutungslos, doch fällt mindestens theoretisch auch ein Kauf mit Montagepflicht in Betracht (dazu Gauch, Der Werkvertrag, 4. Aufl., Rn. 130 f.; vgl. auch Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf [WKR], SR 0.221.211.1). Bei dieser Konstellation aber fehlt im Verhältnis der Prozessparteien der angerufenen Gerichtsstandsvereinbarung die erforderliche Klarheit und Eindeutigkeit, um objektiv als Prorogation auf die Gerichte am Sitz der Klägerin als Bestellerin im Werkvertrag gelten zu können. Wer vertraglich reine Dienstleistungen (Montage) entgegennimmt, ist nicht Käufer und der Leistende nicht Verkäufer. Folglich macht in diesem Verhältnis eine Gerichtsstandsvereinbarung auf den Sitz des Käufers keinen Sinn. Da zudem im Gesamtgefüge der mehrseitigen Vertragsbeziehungen nicht auszuschliessen ist, dass darin auch kaufvertragliche Beziehungen bestanden, wird die Regelung umso mehrdeutiger und verworrener. Unter diesen Gegebenheiten lässt sie die Annahme eines vertrauenstheoretisch klaren und eindeutigen Gerichtsstandes nicht zu. Damit kann normativ nicht von einem Konsens der Parteien auf den Gerichtsstand Zürich ausgegangen werden, die Unklarheit wirkt sich zu Ungunsten der Klägerin als Verfasserin ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus. Dass die Parteien sodann tatsächlich den Sitz der Klägerin übereinstimmend als vereinbarten Gerichtsstand gewollt und verstanden hätten, hat die Vorinstanz nicht festgestellt, vielmehr im Gegenteil festgehalten, aus den gewechselten Korrespondenzen ergebe sich, dass die Beklagte eine Gerichtsstandsvereinbarung auf Bordeaux habe eingehen wollen.
d) Damit ist der Vorinstanz keine Bundesrechtsverletzung anzulasten, wenn sie für die vorliegende Auseinandersetzung eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung auf den Sitz der Klägerin verneinte. Entsprechend ist die Berufung kostenfällig abzuweisen und der angefochtene Beschluss zu bestätigen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Juli 1999 wird bestätigt.