I. 1. Mit Klage vom 29. April 2002 verlangte die Klägerin, die Beklagte sei zu verurteilen, ihr CHF 20.222,06 nebst gesetzlichen Verzugszinsen seit wann rechtens zu bezahlen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge (S. 1 ff.).
In ihrer Klageantwort vom 13. August 2002 schloss die Beklagte auf kostenfällige Abweisung der Klage (S. 35 ff.).
2. Mit Urteil vom 8. Mai 2003 (S. 155 ff.) verurteilte der Gerichtspräsident des Gerichtskreises … die Beklagte zur Bezahlung von CHF 20.222,06 nebst Zins zu 10 % seit 29.08.2003 und zur Bezahlung der Gerichtskosten (Ziffer 2) und der Parteikosten (Ziffer 3).
3. Dagegen appellierte die Beklagte am 22. Mai 2003 mit dem Begehren, die Klage sei vollumfänglich abzuweisen. Zudem stellte sie die Beweisanträge, den Zeugen … anzuhören und einen Augenschein vorzunehmen (S. 163. ff.).
4. Am 10. Februar 2004 fand vor der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern die Hauptverhandlung statt. Die Beweisanträge der Beklagten/Appellantin (nachfolgend Appellantin) wies die Kammer ab. Sie erwog, dass die Anträge verspätet vorgebracht worden sind und die Appellantin keine stichhaltigen Gründe als Entschuldigung genannt hat. Zudem ist die Kammer der Ansicht, dass ein Augenschein in den Lagerräumlichkeiten der Appellantin höchstens über die gegenwärtige Situation des Lagerbewirtschaftungssystems Aufschluss geben könnte und nicht über die damalige Situation bei Anlieferung der Ware. Ein Augenschein ist auch abgesehen davon nicht zielführend für die Frage der unvollständigen Lieferung der Ware im Jahr 2001. Bereits in erster Instanz war der Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen … abgelehnt worden, weil er ohne hinreichende Entschuldigungsgründe zu spät gestellt worden war (S. 137). Ebensowenig drängen sich die beantragten Beweismassnahmen von Amtes wegen im Sinne von Art. 89 ZPO auf.
In der Sache stellte die Appellantin das Begehren, die Klage sei vollumfänglich abzuweisen. Die Klägerin/Appellatin (nachfolgend Appellatin) schloss auf kostenfällige Bestätigung des angefochtenen Urteils.
5. Der Appellationshof des Kantons Bern ist sachlich, örtlich und funktionell zuständig zur Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit (Art. 7 Abs. 1 und Art. 335 Abs. 1 ZPO, Art. 2 LugÜ). Das Urteil der ersten Instanz wurde der Beklagten am 20. Mai 2003 zugestellt. Die am 23. Mai 2003 eingegangene Appellationserklärung ist somit fristgerecht, weshalb auf die Appellation einzutreten ist.
II. 1. Vor oberer Instanz wurde kein Beweisverfahren durchgeführt. Auszugehen ist daher primär von den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (S. 177 ff.), da es keinen praktischen Sinn macht, in mehr oder weniger veränderter Redaktion in oberer Instanz das Gleiche zu sagen (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl., Bern 2000, N. 3 zu Art. 351).
Der Sachverhalt lässt sich mit der gebotenen Kürze wie folgt zusammenfassen: Die Parteien standen seit Jahren in geschäftlichen Beziehungen und haben auch bei der vorliegend zur Beurteilung stehenden Streitigkeit im Jahr 2001 einen Kaufvertrag über die Lieferung von Leitungen und Kabeln abgeschlossen. Gemäss Rechnung vom 26. April 2001 hatte die Appellatin der Appellantin Leitungen und Kabel im Wert von CHF 35.641,21 zu liefern (Klagebeilage 3). Diese Güter wurden am 2. Mai 2001 auf 10 Paletten und 20 Trommeln verpackt und auf Auftrag der Appellatin von der Firma … “express“ per Lastwagen transportiert und der Appellantin am 3. Mai 2001 nach … geliefert. Die Transportfirma … holte die Ware bei der Firma … in … ab, welcher der grösste Teil der Ware von der Appellatin geliefert worden war. Herr …, der damalige Chauffeur des Lastwagens der Firma …, quittierte auf dem Frachtbrief den Empfang der gesamten Ware (Klagebeilage 5), ohne vorher eine entsprechende Mengenkontrolle durchgeführt zu haben. In … wurde die Fracht am 3. Mai 2001 vom Magaziner der Appellantin, Herrn …, auf dem Frachtbrief unterschriftlich quittiert (ebenfalls Klagebeilage 5). In der Folge stellte die Appellantin fest, dass nur ein Teil der bestellten Ware ausgeliefert worden war.
2. Vor der Vorinstanz war unter den Parteien strittig, ob die Minderlieferung der Ware seitens der Appellantin rechtzeitig angezeigt worden war. Die Vorinstanz hat das Beweisergebnis, wonach die unvollständige Lieferung der Ware rügelos geblieben ist, antizipiert bzw. supponiert, indem sie auf S. 187 feststellte, dass Herr … die gelieferte Ware am 3. Mai 2001 ohne Vorbehalt angenommen und sich damit die Beweislast bezüglich vertragsgemässer Ware umgekehrt hat. Dadurch ist vorinstanzlich die Appellantin für die unvollständige Lieferung der vertraglichen Ware beweispflichtig gemacht worden.
Bezüglich der Rechtzeitigkeit der Rüge ist für die Kammer beweismässig erstellt, dass die Appellantin die Ware am Donnerstag, 3. Mai 2001, erhalten und der Appellatin die Minderlieferung am Dienstag, 15. Mai 2001, erstmals schriftlich per Fax angezeigt hat (Klagebeilage 8). Herr …, der Vertreter der Appellantin, hat glaubwürdig ausgesagt, dass sie innerhalb der nächsten zwei Tage nach der Lieferung bemerkt hätten, dass etwas nicht stimmte (S. 87, Z. 8). Der Zeuge …, Sachbearbeiter bei der Appellantin, gab zu Protokoll, dass angelieferte Ware spätestens nach einem Tag entweder weitergeliefert oder eingelagert wird (S. 139, Z. 20). Herr … hat im Weiteren glaubwürdig ausgesagt, dass die Appellantin im vorliegenden Fall zwei oder drei Tage nach dem Erhalt der Lieferung bemerkt hatte, dass etwas mit der von der Firma … gebrachten Sendung nicht in Ordnung war, nämlich als sie eine Type habe verkaufen wollen (S. 143, Z. 13-16). Die Kammer geht auf Grund der übereinstimmenden und glaubhaften Aussagen beweismässig davon aus, dass die Ware von der Appellantin spätestens drei (Arbeits-) Tage nach Annahme, d.h. am Dienstag, 8. Mai 2001, untersucht worden ist.
Herr … sagte als Zeuge weiter aus, dass er der Appellatin noch vor dem 15. Mai 2001 telefonisch die unvollständige Lieferung der Ware mitgeteilt habe (S. 143). Sie hätten zur … bisher einen sehr guten Kontakt gehabt, weshalb sie sich zuerst mündlich in Verbindung gesetzt hätten. Sie hätten mit der … bisher keine Fälle gehabt, wo sie sich nicht mündlich hätten verständigen können (S. 143). Nach dem Telefonat hätten sie zuerst bei sich nachgeschaut und nach der Ware gesucht. Erst als sie sie nicht haben finden können, hätten sie sich am 15. Mai 2001 per Fax an die … gewandt. Die Appellatin bringt vor, es sei zwar unbestritten, dass zwischen den Parteien telefonische Kontakte stattgefunden hätten, aber es sei unklar, ob vor oder nach dem Faxschreiben. Der Kammer scheinen die Darstellungen der Appellantin und des Zeugen glaubhaft und durchaus nachvollziehbar. Angesichts der langjährigen Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien ist gut verständlich, dass die Appellatin nicht sofort schriftlich mittels Fax die Minderlieferung gerügt hat, sondern zuerst auf informellem Weg das Gespräch mit der Appellatin aufnahm, wie es anscheinend zwischen den Parteien üblich war, und anschliessend auch noch im eigenen Machtbereich nach dem Verbleib der Ware suchte. Die Appellantin hat ganz bestimmt nicht das bislang unbelastete Geschäftsverhältnis mit der Appellatin gefährden wollen, indem sie sofort schriftlich und förmlich mittels Einschreiben oder Fax die Minderlieferung gerügt und die Verkäuferin mit Anschuldigungen konfrontiert hätte. Vielmehr hat sie in entgegenkommender Weise Kontakt zur Geschäftspartnerin aufgenommen und sich ernsthaft bemüht herauszufinden, wo sich die Ware befindet. Es war für die Appellantin offensichtlich schleierhaft und schlicht nicht erklärbar, wie die restliche Ware einfach so hat verschwinden können. Es scheint der Kammer auch logisch, dass die Appellantin die Gründe für die unvollständig gelieferte Ware primär bei Dritten suchte, weil ja schliesslich bis dahin mit der italienischen Geschäftspartnerin stets alles geklappt hatte. So stellte sie sich vor, dass infolge Umzugsschwierigkeiten des Lieferwerks dort ein Fehler passiert war. Dies teilte sie auch der Appellatin so mit, was das Schreiben der Appellantin vom 22. Mai 2001 belegt (Klagebeilage 9). Die von der Appellantin behauptete mündliche Rüge per Telefon vor Verschicken des Faxes scheint der Kammer folglich glaubwürdig.
Die genannten Umstände führen daher zum Beweisschluss, dass die Ware spätestens am Dienstag, 8. Mai 2001, untersucht und die Minderlieferung der Appellatin dann zuerst mündlich per Telefon und anschliessend am 15. Mai 2001 schriftlich per Fax gerügt worden ist. Nur nebenbei sei erwähnt, dass auch die Annahme nicht bewiesener Telefongespräche vor dem Fax vom 15. Mai 2001 am Entscheid der Kammer nichts zu ändern vermöchte.
3. Bis heute konnte nicht rekonstruiert werden, wo sich der fehlende Teil der Ware befindet. Auch nach Durchführung des Beweisverfahrens bleibt unklar, ob die Transportfirma … bei der Firma … die gesamte Lieferung geladen hat. Herr …, der Lastwagenchauffeur der Firma …, hat zwar auf dem Frachtbrief den Empfang der gesamten Ware quittiert, jedoch zuvor keine entsprechende Mengenkontrolle vorgenommen. Nach Aufladen der Ware ist er unbestrittenermassen direkt von … nach … gefahren und es hat auch beim Passieren des Zolls keine Kontrolle stattgefunden. Aus den Zeugenaussagen weiss man also, dass die Menge weder beim Verlad in … noch beim Zoll oder beim Abladen in … überprüft bzw. gezählt worden ist. Die Appellatin selbst hat die Ware nie gesehen und auch nicht nachgewiesen, dass sie jemals vollständig vorhanden gewesen ist. Klar ist hingegen, dass die gesamte Lieferung des Lieferscheins Nr. 341 fehlt. Es fehlen also nota bene nicht einzelne Teile verschiedener Lieferscheine, sondern der gesamte Inhalt eines einzelnen Lieferscheins.
Beweismässig kann also auf Grund der diversen unterschriftlichen Quittierungen – in Abweichung von der Auffassung der Vorinstanz und der Meinung der Appellatin – nicht davon ausgegangen werden, dass das ganze Material geliefert worden ist. Ganz im Gegenteil ist auf Grund der Aussagen verschiedener Beteiligter beweismässig erstellt, dass die Ware nie von jemandem nachgezählt worden ist. Es ist also nicht einmal klar, ob jemals die gesamte Ware die Schweiz erreicht hat. Für eine gegenteilige Annahme hat die Appellatin bis heute keinen Beweis erbracht.
III. 1. In casu liegt ein internationaler Sachverhalt vor, womit sich die Frage des anwendbaren Rechts stellt. Die Appellatin als Verkäuferin hat ihren Sitz in … die Appellantin als Käuferin hat ihren Sitz in der …. Der vorliegende Prozess dreht sich um Leitungen und Kabel, welche die Verkäuferin nach … zu liefern hatte. Das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG, SR 291) ist anwendbar. Gemäss Art. 1 Abs. 2 IPRG gehen jedoch völkerrechtliche Verträge dem IPRG vor und somit kommt das für die Schweiz seit dem 1. März 1991 geltende Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG, SR 0.221.211.1) zur Anwendung. Gemäss dessen Art. 1 Abs. 1 lit. a ist es nämlich auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind. … und die … sind beide Vertragsstaaten des CISG und somit ist das Übereinkommen auf die vorliegend zu beurteilende Streitigkeit anwendbar.
2. Wie die Vorinstanz richtigerweise festgestellt hat, geht Art. 35 CISG von einem einheitlichen Begriff der Vertragswidrigkeit aus und es fallen sowohl Qualitäts- als auch Quantitätsabweichungen darunter. Die vorliegende Mengenabweichung fällt folglich unter die Vertragswidrigkeiten im Sinne von Art. 35 CISG, welche der Untersuchung und der Rüge bedürfen (Hans-Josef Vogel, Die Untersuchungs- und Rügepflicht im UN-Kaufrecht, Inaugural-Dissertation 2000, S. 37). Gemäss Art. 35 CISG hat der Verkäufer Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich der Verpackung oder des Behältnisses den Anforderungen des Vertrages entsprechen. Bei der strittigen Unterschreitung der vertraglich vereinbarten Menge handelt es sich nicht etwa um einen versteckten, sondern um einen offenen Mangel, zu dessen Untersuchung und Prüfung es nicht besonders langer Fristen oder komplizierter Verfahren bedarf.
3. Zentraler Punkt im vorliegenden Verfahren ist nebst der Rechtzeitigkeit der Rüge die Frage, welche Partei wofür beweisbelastet ist und wer damit die Folgen einer allfälligen Beweislosigkeit zu tragen hat. Beweisbelastet in subjektiver Hinsicht ist die Partei, die den Beweis zu führen hat Beweislast im objektiven Sinn ist das Risiko einer Partei, die Folgen der Beweislosigkeit einer Tatsache zu tragen.
Das CISG spricht die Beweislast ausdrücklich nur in Art. 79 Abs. 1 CISG an. Daher stellt sich die Frage, ob die Beweislast eine Materie ist, die das CISG regelt, dann müsste die Beweislast nach Art. 7 Abs. 1 und 2 CISG ermittelt werden; oder ob sie eine Materie ist, die das CISG nicht hat regeln wollen, dann bedürfte es des Rückgriffs auf nationales Recht (Vogel, aaO, S. 196 f.). Die Mehrheit der Lehre vertritt die Meinung, dass das CISG Beweislastregeln enthalte. Schlechtriem/Ferrari sind der Meinung, dass die Fragen der Beweislast im Übereinkommen zumindest implizit, mittelbar oder autonom geregelt seien (Ferrari in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 3. Aufl., Rn. 48 ff. zu Art. 4 CISG). Dem schliesst sich Henniger in seiner Dissertation (Michael Henniger, Die Frage der Beweislast im Rahmen des UN-Kaufrechts, Verlag V. Florentz GmbH, München 1995) an: „Die weitgehende Nichterwähnung der Beweislast im CISG ist somit Ausdruck für die Zuerkennung der ihr immanenten Selbstverständlichkeit als fester Bestandteil des materiellen Rechts. Bereits aus diesen Überlegungen folgt der Schluss, dass es sich bei der objektiven Beweislast um eine Lücke, d.h. um eine vom CISG (mit Ausnahme des Art. 79 Abs. 1 CISG) nur stillschweigend geregelte oder, andersherum gesehen, um eine nicht ausdrücklich geregelte Frage des Einheitskaufrechts iSv Art. 7 Abs. 1 CISG handelt“ (Henninger, aaO, S. 181 f.). Damit liegt eine Lücke iSv Art. 7 Abs. 2 CISG vor, die primär nach den allgemeinen Grundsätzen des Übereinkommens und mangels solcher Grundsätze – also nur sekundär – nach dem nationalen Recht zu füllen ist, das nach den Regeln des IPR anwendbar ist.
Die Kammer schliesst sich dieser herrschenden Meinung an, dass die Beweislast im CISG – wenn auch mit Ausnahme von Art. 79 CISG nur in stillschweigender Weise – geregelt ist. Als nächstes stellt sich damit automatisch die Frage, ob es im CISG allgemeine Grundsätze zur Beweislastverteilung gibt.
Gemäss Schlechtriem/Ferrari spricht sich die herrschende Lehre für eine dem römisch-rechtlichen Grundsalz „ei incumbit probatio, qui dicit non qui negat“ ähnliche Beweislastregel aus, was von der Rechtsprechung auch schon bestätigt worden sei. Demnach sei jede Partei für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorschriften, auf denen sie ihre Ansprüche gründen, beweispflichtig. Zusätzlich seien Billigkeitsgründe zu berücksichtigen, z.B. dass Tatsachen aus dem eigenen Zuständigkeitsbereich von derjenigen Partei bewiesen werden müssen, die die Herrschaft über diesen Bereich hat (Schlechtriem/Ferrari, aaO, Rn. 50 ff. zu Art. 4 CISG). Auch nach Schlechtriem lässt sich dem CISG die allgemeine Regel entnehmen, dass jede Partei für die tatsächlichen Voraussetzungen beweispflichtig ist, die für sie günstig sind bzw. die sie als Tatbestandsvoraussetzungen einer für sie günstigen Norm behauptet (Peter Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, Tübingen 1996, Rn. 50).
Die Frage der Beweislastverteilung im Mängelhaftungsprozess ist, soweit sie die Vertragsmässigkeit der Ware betrifft, kontrovers. Der wohl herrschende Teil der Lehre wie auch Gerichte (zum Beispiel das Handelsgericht des Kantons Zürich in seinem nicht veröffentlichten Entscheid vom 30. November 1998, HG 930634) sind klar der Meinung, dass die Beweislast für die Mängelfreiheit der Ware im Zeitpunkt des Gefahrübergangs den Verkäufer trifft. Henninger kommt zum Schluss, dass auch im Rahmen von Art. 35 CISG vom Grundsatz auszugehen ist, dass der Verkäufer für die ordnungsgemässe Erfüllung seiner Lieferverpflichtung als einem gegenüber dem Erfüllungsanspruch des Käufers rechtsvernichtend wirkenden Umstand beweispflichtig ist. Schlechtriem/Schwenzer gehen ebenfalls davon aus, dass der Verkäufer die Vertragsmässigkeit der Ware bei Gefahrübergang zu beweisen hat, wenn der Käufer die Vertragswidrigkeit entsprechend Art. 39 CISG rügt (Schwenzer in: Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, 3. Aufl., München 2000, Rn. 49 zu Art. 3 CISG). Es darf folglich zweifellos davon ausgegangen werden, dass die Vertragskonformität im CISG (Art. 35) explizit als Verkäuferpflicht ausgestaltet und damit Voraussetzung für den ungeminderten Kaufpreiszahlungsanspruch des Verkäufers ist. Dies bedeutet, dass der Verkäufer grundsätzlich die Beweislast für die Tatsache der Lieferung mängelfreier Ware in quantitativer und qualitativer Hinsicht trägt.
Art. 36 Abs. 1 CISG verdeutlicht, dass der Verkäufer für die Vertragsgemässheit der Ware grundsätzlich nur bis zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs zu sorgen und bei Nichtvorliegen einzustehen hat. Hinter dieser Regelung steht die Überlegung, dass mit dem Gefahrenübergang die Einflussmöglichkeiten des Verkäufers auf die Ware regelmässig enden. Als vorläufiges Element bleibt somit festzuhalten, dass auch nach der Regelung des Einheitskaufrechts der Verkäufer nicht unbegrenzt mit dem Nachweis der Vertragsmässigkeit der Ware beschwert ist. Die Beweislast hierfür obliegt ihm nach bisheriger Feststellung vielmehr nur bis zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs. Neben Art. 36 Abs. 1 CISG und dessen Beziehung zu Art. 79 Abs. 1 CISG ist nun aber für die Bestimmung des exakten Zeitpunktes, bis zu dem der Verkäufer den Nachweis für die Vertragsgemässheit der Ware zu erbringen hat, ferner noch die für sämtliche Mängelgewährleistungsrechte unerlässliche Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des Käufers (Art. 38 und 39 CISG) in die Betrachtung miteinzubeziehen. Diese dient vorrangig dem Interesse des Verkäufers, alsbald über Beanstandungen der Lieferung informiert zu werden, um somit Art und Ausmass der auf ihn zukommenden Forderungen des Käufers übersehen zu können. Für die Erfüllung dieser Obliegenheiten gewährt das Übereinkommen dem Käufer, wiederum vor allem im Interesse des Verkäufers, lediglich einen relativ begrenzten Zeitraum. Diese Vorteile für den Verkäufer rechtfertigen und erfordern nun aber andererseits eine Verlängerung der Beweisbelastung für den Verkäufer über den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs hinaus um die Zeitspanne, die die Art. 38 und 39 CISG dem Käufer für die Erfüllung seiner Untersuchungs- und Rügeobliegenheit einräumen. Ansonsten würde die Tatsache, dass die Untersuchungsmöglichkeit regelmässig erst nach Gefahrenübergang besteht, dazu führen, dass umgekehrt grundsätzlich der Käufer mit dem Nachweis des Sachmangels beschwert würde. Mit dieser letzten Korrektur ergibt sich für den Nachweis der Vertragsgemässheit der gelieferten Ware folgende Beweislastverteilung: Der Verkäufer muss im Falle der fristgerechten und den Anforderungen des Art. 39 CISG genügenden Rüge sowie bei einer sofortigen Zurückweisung der Ware durch den Käufer beweisen, dass die Ware im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vertragsgemäss war (Henninger aaO, S. 221 f.).
Nach rügeloser Abnahme der Ware als Erfüllung hingegen obliegt dem Käufer der Nachweis, dass die Istbeschaffenheit von der Sollbeschaffenheit im dafür massgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs abgewichen ist. „Rügelose Abnahme“ der Ware meint den Fall, wo der Käufer nach Annahme der Ware und anschliessender Überprüfung derselben innert der gesetzlichen Frist dem Verkäufer keinen Mangel anzeigt. Eine solche rügelose Annahme hat also die Umkehr der obgenannten allgemeinen Beweislastregel des CISG zur Folge, d. h. der Käufer ist dann für die behauptete nicht vertragsgemäss gelieferte Ware beweispflichtig. Rügelose Annahme meint – entgegen der Meinung der Vorinstanz, S. 187 – nicht, dass der Käufer bereits im Moment der Anlieferung der Ware dieselbe prüfen und allfällige Mängel rügen muss. Eine solche Handhabung ist nicht üblich und schon allein aus praktischen Gründen unmöglich, kommen doch bei Warenlagern wie demjenigen der Appellantin oft mehrere beladene Lastwagen gleichzeitig an, deren Chauffeure die Anlieferung raschmöglichst quittiert haben und das Areal wieder verlassen wollen. Herr … hat denn auch an der erstinstanzlichen Verhandlung ausgesagt, dass es wegen dem Zeitaufwand und in Anbetracht des Warenvolumens, das täglich angeliefert wird, praktisch nicht möglich ist, die angelieferte Ware der Menge nach sofort zu kontrollieren (S. 89, Z. 23-24). Es ist auch nicht der Meinung des Anwalts der Appellatin zu folgen, der geltend macht, der Magaziner … hätte die Ware halt mit dem Vorbehalt der Mengenprüfung annehmen und quittieren müssen. Eine solche Gepflogenheit ist in vorliegender Konstellation nicht üblich und müsste zwingend dazu führen, dass jede Quittierung mit Vorbehalt getätigt werden würde, weil die Ware immer erst nach Erhalt und nicht bei Erhalt untersucht und geprüft werden kann. Die vorliegend am 3. Mai 2001 erfolgte Quittierung des Empfangs der Ware durch den Magaziner … bedeutet folglich keine rügelose Annahme im Sinne des Gesetzes und hat keine Umkehr der Beweislast zu Ungunsten der Appellantin zur Folge.
Solange der Käufer also die Mängel innert der Frist von Art. 38 und 39 CISG gerügt hat (wofür natürlich er die Beweislast trägt), bleibt die Beweislast für die Vertragsmässigkeit der Ware im Zeitpunkt des Gefahrübergangs beim Verkäufer. Der Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vom. Verkäufer auf den Käufer ist gemäss CISG normalerweise der Zeitpunkt der Versendung (Art. 67 Abs. 1 CISG). Da aber vorliegend zwischen den Parteien vereinbart wurde, dass die Verkäuferin der Käuferin die Ware frei Haus unverzollt liefern würde (Vertragsbestätigung auf Rechnung, Klagebeilage 3), und somit als Erfüllungsort ein vom Verkäuferdomizil verschiedener Ort vereinbart worden ist, ist die Gefahr in casu erst mit Ablieferung der Ware am Erfüllungsort in Ostermundigen übergegangen (siehe dazu Eugen Bucher, Überblick über die Neuerungen des Wiener Kaufrechts; dessen Verhältnis zur Kaufrechtstradition und zum nationalen Recht, S. 42, in: Berner Tage für juristische Praxis 1990, Wiener Kaufrecht, Stämpfli Verlag 1991).
Vorliegend gilt es vorab abzuklären, ob die Appellantin als Käuferin die unvollständige Lieferung der Ware rechtzeitig gerügt hat. Nur dann nämlich ist die Beweislast für die vertragsgemässe Lieferung der Ware in casu bei der Appellatin geblieben. Für die der Verkäuferin im konkreten Fall rechtzeitig angebrachte Rüge ist die Käuferin beweispflichtig, wie dies ja auch in der erstinstanzlichen Beweisverfügung in Punkt B angeordnet worden ist (S. 79). Die Untersuchung der Ware ist hingegen keine Voraussetzung für die ordnungsgemässe Rüge. Insoweit ergibt sich nicht die Notwendigkeit, die Untersuchung der Ware zu beweisen (Vogel, aaO, S. 197).
4. Das CISG unterscheidet zwischen der Untersuchungsfrist gemäss Art. 38 CISG und der Rügefrist gemäss Art. 39 CISG.
Art. 38 Abs. I CISG: Der Käufer hat die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben.
Die Untersuchungshandlung soll den Käufer in die Lage versetzen, zu überprüfen, ob die erworbene Ware vertragsgemäss oder vertragswidrig ist. Sie soll die Rüge inhaltlich vorbereiten und ein zwischen Käufer und Verkäufer bestehendes Informationsgefälle beheben. Der Grad der notwendigen Untersuchung wird zum einen durch die Ware und ihre Verwendung bestimmt, zum anderen aber auch durch den Käufer und die allgemeinen Umstände am Untersuchungsort. Dementsprechend kann die Untersuchungshandlung zwischen einigen Stunden und mehreren Monaten in Anspruch nehmen und von einer Inaugenscheinnahme bis zu einer Untersuchung durch Sachverständige reichen (Vogel, aaO, S. 141). Die Frist für die Untersuchung ist so kurz wie es die Umstände erlauben. Der Käufer muss zweifelsohne zügig handeln. Bei unempfindlichen langlebigen Gütern besteht nicht die gleiche Notwendigkeit zu schneller Reaktion wie beispielsweise bei verderblicher Ware. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um verderbliche Ware, die teilweise innert Stunden untersucht werden muss. Nichtverderbliche Ware muss der Käufer rasch auf Quantitäts- und Artabweichungen untersuchen (Vogel, aaO, S. 75). Dass bei der Untersuchungsfrist ein strenger Massstab angelegt werden müsse, ergibt weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des Art. 38 CISG. Vielmehr ist Zurückhaltung geboten, den Käufer mit Strenge zu behandeln, wenn es um eine Vertragsverletzung des Verkäufers geht (Magnus, Rn. 20 ff. zu Art. 38, in: Heinrich Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht, Springer Verlag 1997). Die Frist von Art. 38 Abs. 1 CISG beginnt, wenn die Ware dem Käufer am vereinbarten Lieferort zur Verfügung steht. Art. 38 Abs. 2 CISG erlaubt, die Ware auch erst am Bestimmungsort zu untersuchen. Im vorliegenden Fall begann die Untersuchungsfrist am Donnerstag, 3. Mai 2001, zu laufen, als die Appellantin die Ware in … entgegennahm. Bezüglich Dauer der Untersuchungsfrist wurde diese Bestimmung in der Praxis so konkretisiert, dass die Untersuchungsfrist regelmässig nicht länger als eine Woche beträgt. Die bislang in der deutschen Literatur für die Untersuchung zugestandene Zeit von zwischen einer halben und einer Woche ist zu kurz bemessen. Ohne Hinzutreten besonderer verkürzender oder verlängernder Umstände oder abweichender Gebräuche oder Gepflogenheiten ist die Untersuchungsfrist bei nicht verderblichen Waren mit etwa 2-3 Wochen zu bemessen (Vogel, aaO, S. 75). Als groben Orientierungswert, der je nach Lage des Falles nach oben oder unten zu korrigieren ist, kann eine Untersuchungsfrist von einer Woche – 5 Arbeitstagen – gelten (Magnus, aaO, Rn. 24 zu Art. 38).
In casu begann die Untersuchungsfrist am Donnerstag, 3. Mai 2001, als die Ware der Appellantin in … übergeben wurde und dauerte angesichts der in casu lediglich mengenmässig vorgenommenen Kontrolle allerhöchstens 5 Arbeitstage. Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Appellantin den Mangel spätestens am Dienstag, 8. Mai 2001, bemerkt hat, als sie eine Type hat verkaufen wollen (S. 143, Z. 13-16). Damit ist erstellt, dass sie die Ware innert dreier Arbeitstage untersucht hat. Die Untersuchungsfrist im Sinne von Art. 38 Abs. 1 CISG ist folglich eingehalten.
Art. 39 Abs. 1 CISG: Der Verkäufer verliert das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet.
Die Rüge soll dem Verkäufer Aufschluss über die Vertragswidrigkeit der Ware bieten. Art. 39 Abs. 1 CISG erfordert nur die Anzeige der Vertragswidrigkeit, ohne ausdrücklich die Form der Anzeige anzusprechen. Die Formfreiheit der Anzeige folgt aus Art. 11, 29 und 7 Abs. 2 CISG. Der Käufer kann die Vertragswidrigkeit daher in jeder Form anzeigen (Vogel, aaO, S. 100 f.). Im Übrigen ist die Mängelrüge nicht empfangsbedürftig, sondern gemäss Art. 27 CISG nur absendungsbedürftig; es genügt also grundsätzlich die rechtzeitige Absendung der Mängelrüge.
Bei offenen Mängeln beginnt die Anzeigefrist unmittelbar mit dem Ablauf der kurzen Untersuchungsfrist des Art. 38, gleichgültig, ob der Käufer eine ordnungsgemässe Untersuchung tatsächlich durchgeführt hat oder nicht (Magnus, aaO, Rn. 16 zu Art. 39). Die Frist ist für jeden Mangel gesondert zu berechnen; die Rügefrist für rasch zu entdeckende Quantitätsabweichungen als offener Mangel kann also bereits verstrichen sein, wenn die Untersuchungsfrist für Qualitätsabweichungen noch läuft. Der Käufer muss daher darauf bedacht sein, einzelne Vertragswidrigkeiten bereits zu rügen, bevor die Untersuchung der Ware auf Vertragswidrigkeiten insgesamt beendet ist. Der Käufer stellt die Vertragswidrigkeit im Sinne des Art. 39 Abs. 1 CISG fest, wenn ein Grad der Gewissheit erreicht ist, der einen verständigen Käufer veranlassen würde, rechtliche Schritte zu ergreifen. Bei Quantitätsabweichungen liegt der notwendige Grad der Gewissheit vor, wenn der Käufer das Ergebnis der quantitativen Überprüfung erfährt (Vogel, aaO, S. 111). Feiertage oder beim Käufer arbeitsfreie Tage verlängern die Frist. Dass die Länge der Rügefrist im Einzelfall durch den Richter aufgrund der konkreten Umstände zu bestimmen ist, führt erfahrungsgemäss zu einer wenig einheitlichen Rechtsprechung. In der Lehre werden folgende Meinungen zur Fristlänge vertreten: „Als Mittelwert wird man daher für die Rüge, in Abwesenheit besonderer fristverkürzender oder fristverlängernder Umstände, einen Zeitraum von 1-2 Wochen annehmen können“ (Vogel, aaO, S. 118). „Will man allzu grossen Auslegungsdivergenzen vorbeugen, erscheint eine Annäherung der Standpunkte unabdingbar. Als grobem Mittelwert sollte man deshalb wenigstens von ca. einem Monat ausgehen“ (Schlechtriem/Schwenzer, aaO, Art. 39, Rn. 17). „Als grober durchschnittlicher Orientierungswert kann eine Anzeigefrist von einer Woche angesetzt werden, die je nach den Umständen angemessen zu verlängern oder zu verkürzen ist. Damit ergibt sich als Anhaltswert für die gesamte Untersuchungs- und Anzeigefrist eine Dauer von etwa 14 Tagen“ (Magnus, aaO, Rn. 21 und 22 zu Art. 39).
In vorliegender Konstellation hat die Appellantin am Dienstag, 8. Mai 2001, von der Mangelhaftigkeit der Ware erfahren und der Appellatin den Mangel am Dienstag, 15. Mai 2001, schriftlich gerügt. Wenn man also die behaupteten und durchaus glaubwürdigen vorangehenden telefonischen Reklamationen ausser Betracht lässt, hat die Appellantin innerhalb von 5 Arbeitstagen die Rüge angebracht. In Anlehnung an die vorerwähnten Lehrmeinungen ist vorliegend die Rüge innert angemessener Frist erfolgt. Als weiteres Argument für die Annahme einer rechtzeitig angebrachten Rüge der Käuferin kommt hinzu, dass das CISG bewusst wegkommen will von den strengen Massstäben bei den Fristen. Das CISG ist käuferfreundlicher als Art. 201 OR mit der Erforderlichkeit sofortiger Anzeige und geht auf entsprechende Forderungen der Vertreter von Entwicklungsländern zurück (Peter Schlechtriem, Die Pflichten des Verkäufers und die Folgen ihrer Verletzung, S. 125, in: Berner Tage für die juristische Praxis 1990, Wiener Kaufrecht, Stämpfli Verlag 1991). Im Übrigen geht es nicht an, dass die Käuferin Fehler der Verkäuferin ausbaden muss, indem man mit strengen Untersuchungs- und Rügefristen die Beweislast umkehrt.
Die am 15. Mai 2001 per Fax erfolgte Mängelrüge durch die Appellantin ist demnach rechtzeitig im Sinne von Art. 39 CISG erfolgt.
5. Es handelt sich folglich gerade nicht um den Fall einer rügelosen Annahme, welche eine Umkehr der Beweislast zu Folge hätte. Damit hat die Appellantin gemäss Art. 39 Abs. 1 CISG auch nicht das Recht verloren, sich auf allfällige Mängel zu berufen. Die Ware gilt klar als nicht genehmigt, weil rechtzeitig gerügt worden ist. Aus diesem Grund greift die ordentliche Beweislastverteilung des CISG, d.h. die Appellatin als Verkäuferin hat über den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs am 3. Mai 2001 hinaus, nämlich bis zum Ablauf der Rügefrist am 15. Mai 2001, die vertragsgemässe Lieferung der Ware zu beweisen. Genau diesen Beweis ist die Klägerin jedoch schuldig geblieben. Es liegt ein Fall der sogenannten Beweislosigkeit vor. Die Beweislast im objektiven Sinn ist das Risiko einer Partei, die Folgen der Beweislosigkeit einer Tatsache zu tragen. In casu liegt die objektive Beweislast auf Seiten der Appellatin. Da sie vorliegend die vertragsgemässe Lieferung der Ware nicht hat nachzuweisen vermögen, kann sie daraus auch keine Rechte ableiten, das heisst keinen Kaufpreis verlangen. Ihre Klage muss demnach mangels erbrachten Beweises für die vollständige Lieferung der Ware abgewiesen werden.
6. Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, dass die Beweisverfügung erster Instanz ihr nicht ausdrücklich den Beweis für die vertragsgemässe Lieferung der Ware auferlegt hat Zwar wurde in der erstinstanzlichen Beweisverfügung fälschlicherweise angeordnet, dass die Beklagte zu beweisen hat, dass die Klägerin eine Minderlieferung erbracht hat. In der Beweisverfügung wurde jedoch ebenso klar festgehalten, dass die Klägerin die Tatsachen zu beweisen hat, aus denen sich die Fälligkeit ihrer Forderung und die Höhe des Verzugszinses ergibt (S. 79). Mit der Fälligkeit ihrer Forderung ist implizit auch die Konformität, d.h. in casu die vollständige Lieferung der vertraglichen Ware gemeint Die Klägerin ist nicht nur für die Fälligkeit, sondern auch für die vertragskonforme Lieferung der Ware beweispflichtig, wenn sie daraus einen Kaufpreisanspruch ableiten will. Die Appellatin kann nicht argumentieren, dass ihr kein mangelnder Beweis vorgeworfen werden könne, der von ihr nie gefordert worden sei. Der Appellatin, vertreten durch einen kundigen Anwalt, sind allgemeine Grundsätze der Beweislastverteilung sicher bekannt und es musste ihr – unabhängig von allfälligen Beweisverfügungen – klar sein, dass sie Tatsachen beweisen muss, aus den sie Rechte ableiten will. Diesbezüglich unterscheidet sich das CISG nämlich nicht im Geringsten von der Beweislastregel nach Art. 8 ZGB. Das Beweisthema war mit der erstinstanzlichen Beweisverfügung abgesteckt und die Kammer geht nicht über den Beweisumfang der Vorinstanz hinaus, wenn sie von der Appellatin die Erbringung des Beweises der vertragsgemäss erbrachten Lieferung verlangt und sie dann bei Beweislosigkeit deren Folgen tragen lässt. Das rechtliche Gehör ist dadurch jedenfalls nicht verletzt worden.
IV. 1. Bei diesem Verfahrensausgang unterliegt die Appellatin vollumfänglich und hat die gesamten Gerichtskosten erster und oberer Instanz zu tragen. Die erstinstanzlichen Gerichtskosten werden auf CHF 3.400,00 festgesetzt und mit den von den Parteien geleisteten Kostenvorschüssen verrechnet. Die Appellatin wird verurteilt, der Appellantin unter diesem Titel CHF 1.700,00 zu ersetzen.
Die oberinstanzlichen Gerichtskosten, bestimmt auf CHF 3.000,00, werden ebenfalls der Appellatin zur Bezahlung auferlegt und mit den von den Parteien geleisteten Kostenvorschüssen verrechnet. Der Appellantin werden CHF 1.000,00 zurückerstattet. Die Klägerin/Appellatin wird verurteilt, der Appellantin unter diesem Titel CHF 1.000,00 zu ersetzen.
2. Die Appellatin wird zudem verurteilt, der Appellantin deren erst- und oberinstanzliche Parteikosten zu ersetzen (Art. 58 Abs. 1 ZPO).
Aus diesen Gründen wird erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.