Rechtsbegehren
a) Klägerin und Widerbeklagte
1. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin CHF 1.860,45 zuzüglich 5 % Zins seit 20. Oktober 2004 sowie CHF 70,‑ Zahlungsbefehlskosten und CHF 130,‑ Vermittlungsgebühr zu bezahlen.
2. Der Rechtsvorschlag in Betreibung Nr. 48316 des Betreibungsamtes Appenzeller Vorderland sei zu beseitigen.
3. Die Widerklage sei abzuweisen.
4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beklagten und Widerklägers.
b) Beklagter und Widerkläger
1. Die Klage sei abzuweisen.
2. Die Widerbeklagte sei zu verpflichten, dem Widerkläger den Betrag von CHF 1.900,‑ zu bezahlen.
3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin und Widerbeklagten.
Sachverhalt
A. Die Klägerin und Widerbeklagte (nachfolgend als Klägerin bezeichnet) ist das deutsche Tochterunternehmen der C. Sie vertreibt Fitnessgeräte, die von der D. mit Sitz in Taiwan produziert werden. Kunden sind unter anderem Fitnessstudios, Rehabilitationskliniken, Hotels und die Endverbraucher.
Im Sommer 2004 bestellte der Beklagte und Widerkläger (in der Folge Beklagter genannt), der in Z. eine Physiotherapie-Praxis betreibt, bei der Klägerin ein Laufband (Typ Elite HRC; Verkaufspreis EUR 1.185,‑) und ein Ergometer (Typ E3200 HRT; Verkaufspreis EUR 530,‑). Die Lieferung sollte „frei Haus“ erfolgen. Die Klägerin beauftragte die Firma E. GmbH mit der Auslieferung. Die Firma E GmbH gab den Auftrag an die F GmbH oder an die G. GmbH weiter.
Die Auslieferung erfolgte am 20. September 2004. Der Beklagte macht geltend, es sei dabei zu einer Beschädigung des Laufbandes und des Parkettbodens in der Praxis gekommen. Die Klägerin verneint eine Verantwortlichkeit. In der Folge bezahlte der Beklagte den Ergometer, nicht aber die EUR 1.185,‑ für das Laufband.
B. Nachdem sich die Parteien aussergerichtlich über die gegenseitigen Ansprüche nicht einigen konnten und auch der Vermittlungsvorstand vom 12. August 2005 ergebnislos verlaufen war, machte der Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 7. September 2005 die vorliegende Klage beim Einzelrichter des Kantonsgerichts anhängig. Die Klageantwort und Widerklage ging am 10. Januar 2006 beim Kantonsgerichtspräsidium ein, die Widerklageantwort am 17. Februar 2006. Zur mündlichen Hauptverhandlung vom 9. März 2006 sind beide Rechtsvertreter erschienen.
Das Dispositiv wurde am 10. März 2006 an die Parteien versandt. Am 24. März 2006 hat der Beklagte die Appellation anmelden lassen.
C. Auf weitere tatsächliche Gegebenheiten sowie auf weitere Vorbringen der Parteien wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Erwägungen
1. Prozessuales
a) Für die Berechnung des Streitwertes sind die Begehren von Klage und Widerklage zusammenzuzählen (Art. 115 Abs. 4 ZPO). Es resultiert ein Streitwert von CHF 3.760,45.
b) Die Klägerin hat ihren Sitz in Deutschland. Es liegt somit ein Fall mit Auslandsberührung vor, der bezüglich der örtlichen Zuständigkeit sowie des anwendbaren Rechts einer gesonderten Betrachtung bedarf.
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Lugano-Übereinkommen (SR 0.275.11, LugÜ), dem sowohl Deutschland als auch die Schweiz beigetreten sind. Nach Art. 2 Abs. 1 LugÜ sind Klagen am Wohnsitz des Beklagten einzureichen. Der Beklagte wohnt in der Gemeinde Y. (Kanton Appenzell A.Rh.), womit die Zuständigkeit der ausserrhodischen Gerichte für die Beurteilung der Klage gegeben ist. Die Zuständigkeit für die Widerklage lässt sich aus Art. 6 Ziff. 3 LugÜ ableiten.
Im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz beurteilen sich Kaufverträge nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (SR 0.221.211.1; „Wiener Kaufrecht“; abgekürzt „WKR“ oder – in der englischen Fassung – CISG [zum Gebrauch der Abkürzungen: SZIER 2005 S. 115 Fussnote 2]). Zum CISG kann man auf zwei Wegen gelangen: Zum einen durch die sogenannte autonome Anwendung, welche sich direkt auf Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG stützt (Vorgehensweise gemäss Entscheid des Landgerichts Bielefeld vom 15. August 2003, Verfahren Nr. 15 O 5/03, S. 4, publiziert in: ww.cisg-online.ch/cisg/overview.php? test=906). Oder aber auf dem Umweg über Art. 118 Abs. 1 IPRG und Art. 3 Abs. 1 des Haager Übereinkommens betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen anzuwendende Recht (SR 0.221.211.4). Die letztgenannte Bestimmung verweist auf das innerstaatliche Recht des Landes, in dem der Verkäufer seinen Sitz hat, im vorliegenden Fall also auf deutsches Recht. Deutschland ist Vertragsstaat des CISG, das zudem als innerstaatliches Recht gilt (Amstutz/Vogt/Wang, IPRG-Kommentar, Basel 1996, N. 4 zu Art. 118). Daraus ergibt sich, wie bereits erwähnt, ebenfalls die Anwendbarkeit des CISG (auch das Handelsgericht des Kantons St. Gallen hat sich in seinem Urteil vom 11. Februar 2003, Verfahren Nr. HG.2001.11-HGK, S. 4, publiziert in: http//www.cisg-online.ch/cisg/overview.php?test=900, für die kollisionsrechtliche Anwendung entschieden).
c) Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 8 Ziff. 2 ZPO.
2. Zur Klage
Der Beklagte verweigert die Bezahlung des Kaufpreises mit der Begründung, das Laufband weise Schäden auf (act. 9 S. 6 f.). Die Klägerin wendet ein, die Mängelrüge des Beklagten sei verspätet erfolgt (act. 13 S. 4).
Nach Art. 39 Abs. 1 CISG verliert der Käufer das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat, anzeigt.
Das Laufband wurde, wie bereits ausführt, am 20. September 2004 ausgeliefert. Der Schaden soll gemäss den Angaben des Beklagten am Auslieferungstag und in seiner Anwesenheit entstanden sein. Die Rügefrist begann somit am 20. September 2004 zu laufen. Die Klägerin hat an Schranken das E-Mail des Beklagten vom 3. Oktober 2004 (act. 16) als Mängelrüge akzeptiert. Eine frühere Rüge hat der Beklagte nicht nachgewiesen. Im vorerwähnten E-Mail wird zwar auf ein zuvor geführtes Telefongespräch Bezug genommen, der Inhalt des Gespräches ist aber unbekannt. Offen ist deshalb, ob der Beklagte anlässlich des Telefongespräches die Vertragswidrigkeit genau bezeichnet hat, wie dies Art. 39 Abs. 1 CISG vorschreibt. Die Folgen der Beweislosigkeit hat der Beklagte zu tragen, der für die Einhaltung der Rügefrist die Beweislast trägt. Mithin ist davon auszugehen, dass anlässlich des Telefongespräches keine gesetzeskonforme Mängelrüge erhoben worden ist.
Zu prüfen bleibt, ob der Beklagte mit seinem E-Mail noch innert „angemessener Frist“ gemäss Art. 39 Abs. 1 CISG gehandelt hat oder nicht. Üblicherweise wird eine Woche als angemessene Rügefrist angesehen (Entscheid des Kantonsgerichts Schaffhausen vom 27.1.04, publ. in: SZIER 2005 S. 123; Entscheid des Oberlandesgericht Linz vom 1.6.05, Verfahren Nr. 1 R 68/05h, publ. in: http//www.cisg-online.ch/cisg/overview.php?test=1088). Im vorliegenden Fall erfolgt die Rüge mehr als 10 Tage nach der Feststellung des Schadens. Gründe für eine Verlängerung der Frist hat der Beklagte weder behauptet noch nachgewiesen. Solche sind auch nicht ersichtlich. Der Beklagte kannte den – von ihm geltend gemachten – Mangel, der zudem einfacher Natur war, wusste, an wen er sich wenden musste, und hatte – als Betriebsinhaber – auch keine internen Entscheidprozesse (die üblicherweise eine gewisse Zeit beanspruchen) abzuwarten. Im Zeitraum 20. September bis 2. Oktober 2004 gab es im übrigen weder in der Schweiz noch in Deutschland irgendwelche Feiertage. Erst der 3. Oktober 2004, bei dem es sich sowieso um einen Sonntag handelte, war der „Tag der deutschen Einheit“. Dies hatte den in der Schweiz lebenden Beklagten aber nicht zu kümmern. Damit aber erweist sich die am 3. Oktober 2004 erfolgte Mängelrüge als verspätet. Daraus folgt, dass sich der Beklagte nicht auf einen allfälligen Mangel des Laufbandes berufen kann bzw. dass der Beklagte generell mit Mängelrechten ausgeschlossen ist. Offen bleiben kann somit, ob dem Käufer in Fällen mangelhafter Erfüllung des Verkäufers nach dem CISG ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, wie dies der Beklagte geltend macht (vgl. dazu etwa des Entscheid des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich vom 8. November 2005, Verfahren Nr. 4 Ob 179/05k, publiziert in: http//www.cisg-online.ch/cisg/overview.php?test=1156).
Der Beklagte schuldet deshalb der Klägerin den Kaufpreis von EUR 1.185,‑. Gegen den von der Klägerin angewandten Umrechnungskurs hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Mithin sind die EUR 1.185,‑ in CHF 1.860,45 umzurechnen.
Die Klägerin verlangt 5 % Verzugszins auf dem eingeklagten Betrag seit dem 20. Oktober 2004. Der Kaufpreis wird fällig mit der Übergabe der Ware (Art. 58 Abs. 1 CISG). Bei Säumnis schuldet der Käufer ab der Fälligkeit Zins (Art. 78 CISG); eine Mahnung ist nicht erforderlich (Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. Februar 2003, Verfahren Nr. HG.2001.11-HGK, S. 8, aaO). Im vorliegenden Fall wurde der Kaufgegenstand am 20. September 2004 übergeben. Die Rechnung vom 20. September 2004 (kl.act. 2) weist ein Zahlungsziel vom 30 Tagen auf. Der von der Klägerin auf den 20. Oktober 2004 festgesetzte Beginn des Zinsenlaufes ist somit ausgewiesen. Das CISG enthält indessen keine Regelung zur Zinshöhe. Nach Lehre und Rechtsprechung wird die Höhe des Zinssatzes vom nationalen Recht bestimmt, das kollisionsrechtlich als Vertragsstatut berufen ist (Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. Februar 2003, Verfahren Nr. HG.2001.11-HGK, S. 8, aaO). Die von der Klägerin geforderten 5 % Verzugszins entsprechen der schweizerischen Regelung in Art. 104 Abs. 1 OR und sind somit nicht zu beanstanden. Die Zinshöhe wäre auch dann gerechtfertigt, wenn man deutsches Recht anwenden würde (vgl. Entscheid des Landgerichts Bielefeld vom 15. August 2003, Verfahren Nr. 15 O 5/03, S. 5, aaO).
Die von der Klägerin geforderten Kosten des Zahlungsbefehls teilen das Schicksal der Betreibung (Art. 68 Abs. 2 SchKG), weshalb über sie nicht zu entscheiden ist. Die Vermittlungsgebühr wird mit den amtlichen Kosten verlegt (Art. 77 Abs. 1 ZPO).
3. Zur Widerklage
Der Beklagte hat geltend gemacht, bei der Auslieferung des Laufbandes sei am Parkettboden in der Praxis ein Schaden in der Höhe von CHF 1.900,‑ entstanden, den die Klägerin zu ersetzen habe.
Der Beklagte hat seine Sachverhaltsdarstellung nachzuweisen. Bezüglich des von der Klägerin bestrittenen Ablaufes der Ereignisse am 20. September 2004 hat der Beklagte seine Ehefrau als Zeugin sowie sich selbst als Partei zur Aussage angeboten. Von der Einvernahme der Ehefrau wird gestützt auf Art. 173 ZPO abgesehen, von der Befragung des Beklagten gestützt auf Art. 195 Abs. 3 ZPO. Der von der Klägerin offerierte Zeuge Z. (act. 13 S. 4) hätte prozessrechtlich auch vom Beklagten angerufen werden können (Art. 152 Abs. 2 ZPO). An Schranken hat der Beklagte Z. als Zeugen aber ausdrücklich abgelehnt. Andere Beweise sind nicht angeboten. Mithin ist nicht erstellt, was am 20. September 2004 geschehen ist. Damit aber fehlt die Grundlage für einen Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin und die Widerklage muss abgewiesen werden.