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Zusammenfassung der Entscheidung Ein Betreibungsamt in der Schweiz vollzog am 20. Juli 1992 einen gegen eine in Italien ansässige Gesellschaft erwirkten Arrestbefehl eines italienischen Gerichts. In der zur Vollziehung des Arrestes eingeleiteten Betreibung stellte das Betreibungsamt am 3. August 1992 den Zahlungsbefehl aus. Am 23. November 1993 vollzog es die Pfändung. Das von der italienischen Gesellschaft mit Beschwerde vom 14. Januar 1994 gestellte Begehren, sämtliche Betreibungshandlungen für nichtig zu erklären, fußte auf dem Argument, dass die Betreibung unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens von Lugano an einem sog. exorbitanten Gerichtsstand, nämlich dem Gerichtsstand des Arrestortes stattfand; ein Arrest würde am betreffenden Ort nur noch dann vollzogen werden können, wenn sich dort zufällig ein anderer - zulässiger - Gerichtsstand befinde. Das Begehren war in keiner behördlichen und gerichtlichen Instanz erfolgreich.
Das Bundesgericht (CH) hält dem Argument der italienischen Gesellschaft entgegen, dass auch in Fällen, in denen am Arrestort nicht zugleich ein Gerichtsstand gemäß dem LugÜ bestehe, am erwähnten Ort ein Zahlungsbefehl zur Aufrechterhaltung des Arrestes erlassen werden dürfe. Die Vollziehung durch Zahlungsbefehl sei als Bestandteil eines auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens zu verstehen, wofür Art. 24 LugÜ ausdrücklich einen Vorbehalt zu Gunsten des betreffenden Staates enthalte. Die bloße Ausstellung des Zahlungsbefehls zur Aufrechterhaltung des Arrestes im Sinne von Art. 278 des schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs verstoße weiterhin deshalb nicht gegen das LugÜ, weil sich daraus nicht zwingend die örtliche Zuständigkeit des Richters ergebe, der über den Bestand der Arrest- bzw. Betreibungsforderung zu befinden habe.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Das Betreibungsamt M. vollzog am 20. Juli 1992 den von Z. gegen die in Italien domizilierte X. S.p.A. erwirkten Arrestbefehl des Gerichtspräsidiums R. vom 17. Juli 1992. In der zur Prosequierung des Arrestes eingeleiteten Betreibung stellte das Betreibungsamt M. am 3. August 1992 den Zahlungsbefehl aus. Am 23. November 1993 vollzog es alsdann die Pfändung. Dem von der X. S.p.A. mit Beschwerde vom 14. Januar 1994 gestellten Begehren, sämtliche Betreibungshandlungen für nichtig zu erklären, haben weder die untere noch die obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen stattgegeben.
Unter Erneuerung des im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehrens hat die X. S.p.A. gegen den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde vom 28. April 1994 Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben.
Auszug aus den Erwägungen:
Aus den Erwägungen:
4. a) Sodann ist die Rekurrentin - hauptsächlich unter Berufung auf Walter A. Stoffel (Ausschliessliche Gerichtsstände des Lugano-Übereinkommens und SchKG-Verfahren, insbesondere Rechtsöffnung, Widerspruchsklage und Arrest, in: Beiträge zum schweizerischen und internationalen Zivilprozessrecht, Festschrift für Oskar Vogel, Freiburg 1991, S. 357 ff.) - der Ansicht, die am Ort des Arrestes zu dessen Prosequierung eingeleitete Betreibung sei nichtig zu erklären, jedenfalls aber aufzuheben, weil sie gegen das Lugano-Übereinkommen verstosse. Danach seien sogenannte exorbitante Gerichtsstände, zu denen gemäss Art. 3 Abs. 2 LugÜ für die Schweiz ausdrücklich der Gerichtsstand des Arrestortes gehöre, ausgeschlossen. Unter dem Lugano-Übereinkommen vermöge der Arrestort mit andern Worten keinen Prosequierungsgerichtsstand mehr zu begründen; der Arrest könne am betreffenden Ort nur noch dann prosequiert werden, wenn sich dort zufällig ein anderer - zulässiger - Gerichtsstand befinde.
b) Diese Vorbringen sind unbegründet. Die Rekurrentin verkennt, dass der von ihr angerufene Autor davon ausgeht, dass auch in Fällen, wo am Arrestort nicht zugleich ein Gerichtsstand gemäss Lugano-Übereinkommen besteht, am erwähnten Ort ein Zahlungsbefehl zur Aufrechterhaltung des Arrestes erlassen werden darf. Zwar ergibt sich dieser Schluss nicht direkt aus der Qualifizierung des Zahlungsbefehls als Instrument der Zwangsvollstreckung, um welche es (noch) nicht geht; die Prosequierung durch Zahlungsbefehl ist jedoch als Bestandteil eines Verfahrens um einstweiligen Rechtsschutz zu verstehen, wofür Art. 24 LugÜ ausdrücklich einen Vorbehalt zu Gunsten des betreffenden Staates enthält (Stoffel, aaO S. 393). Der Erlass eines Zahlungsbefehls am Arrestort ist auch nach Isaak Meier nicht schlechthin ausgeschlossen, doch vertritt dieser Autor die Auffassung, dass, sofern noch nicht geschehen, zuvor bei dem nach Lugano-Übereinkommen zuständigen Richter ein Entscheid über die Forderung erwirkt werden müsse (Besondere Vollstreckungstitel nach dem Lugano-Übereinkommen, in: Ivo Schwander [Hrsg.], Das Lugano-Übereinkommen, St. Galler Studien zum internationalen Recht, St. Gallen 1990, S. 208 f.). Amonn hält seinerseits dafür, dass nicht nur die Prosequierungsbetreibung am Arrestort durchgeführt werden dürfe, sondern auch das Rechtsöffnungsverfahren (vgl. Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. A., § 51 Rn. 85a).
c) Die blosse Ausstellung des Zahlungsbefehls zur Aufrechterhaltung des Arrestes im Sinne von Art. 278 SchKG verstösst insofern nicht gegen das Lugano-Übereinkommen, als sich daraus nicht zwingend die örtliche Zuständigkeit des Richters ergibt, der über den Bestand der Arrest- bzw. Betreibungsforderung zu befinden hat. Der Rekurs ist mithin auch in diesem Punkt abzuweisen. Ob der Auffassung von Amonn bezüglich des Gerichtsstandes für die Rechtsöffnung beigepflichtet werden kann, ist eine Frage, die nicht in die Zuständigkeit der erkennenden Kammer fällt. Im übrigen ist sie im vorliegenden Fall gegenstandslos, da der Rekursgegner mit Eingabe vom 23. Oktober 1992 gestützt auf eine entsprechende Gerichtsstandsklausel beim Richteramt A., d.h. am Ort seines Wohnsitzes, gegen die Rekurrentin Klage erhoben hat unter anderem mit dem Antrag, es seien die Arreste, die er auf verschiedenen Guthaben der Rekurrentin aus von ihm für sie getätigten Kaufabschlüssen gegenüber Kunden erwirkt habe, zu prosequieren, soweit die Rekurrentin in den betreffenden Arrestbetreibungen Rechtsvorschlag erhoben habe bzw. noch erheben werde.