1. Die Klägerin (und Widerbeklagte sowie Wider-Widerklägerin) ist eine Export-Firma, bestehend aus einigen Mitarbeitern, mit Sitz in L.. Die Klägerin war hauptsächlich im Osteuropageschäft tätig. Heute haben sich die Aktivitäten der Klägerin erheblich reduziert. Die Beklagte (und Widerklägerin sowie Wider-Widerbeklagte) ist eine Handelsfirma (Anstalt) in Liechtenstein mit drei Mitarbeitern. Die Parteien schlossen durch Vermittlung der Firma B. (mit Sitz in B.) im Herbst 1992 miteinander einen Kaufvertrag über Lammfelljacken ab, welche Ende 1992/anfangs 1993 nach Weissrussland geliefert wurden. Die Klägerin erhielt die Jacken von einem Exporteur in Mazedonien, welcher sie seinerseits von mehreren Produzenten bezog. Die Beklagte verkaufte die Jacken ihrerseits an die mit ihr eng verbundene Firma R. weiter. Diese verkaufte die Ware an den russischen Endabnehmer, die Firma R. (vgl. Prot. S. 15).
2. Es ergibt sich folgender zeitlicher Ablauf:
a) Die Parteien schlossen am 23. Oktober 1992 einen Kaufvertrag über 12.000 Lammfelljacken (8000 für Damen, Artikel-Nr. O-1500; 4000 für Herren, Artikel-Nr. M-1600, Qualität jeweils entsprechend der übergebenen Muster) zum Stückpreis von 150 US$ ab und vereinbarten folgende Liefertermine (act. 3/5):
- 15.11.92: 2000 Damenjacken
- 30.11.92: 2000 Herrenjacken
- 15.12.92: 2500 Damenjacken
- 20.12.92: 2000 Herrenjacken
- 15.01.93: 2500 Damenjacken
- 30.01.93: 1000 Damenjacken.
b) Der Vollzug des Kaufvertrages gestaltete sich jedoch wie folgt:
Die Beklagte erhielt im November 1992 eine erste und im Dezember eine zweite Lieferung von je 1800 Damenjacken, welche sie über das von ihr eröffnete Akkreditiv bezahlte.
Der Beklagten wurden im Januar 1993 als dritte Lieferung 1530 Damen-Lammfelljacken und als vierte Lieferung 1458 Herren-Lammfelljacken (total somit weitere 2988 Lammfelljacken) in ihr Lager „R.“ in ... (Weissrussland) gesandt. Die Beklagte bezahlte für diese Lieferungen insgesamt US$ 150.000,‑; vom Kaufpreis dieser beiden Lieferungen blieben somit noch US$ 298.200,‑ offen.
Nach Eintreffen der vorstehend erwähnten Lieferungen rügte die Beklagte in verschiedenen Schreiben bei der Klägerin die ungenügende Qualität der Jacken. Ende März/anfangs April trafen sich deshalb die Parteien und überprüften gemeinsam die Qualität der gelieferten Jacken. Schliesslich verlangte die Beklagte in einem Fax vom 30. Juni 1993 an die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises in der Höhe von US$ 520.800,‑ gegen Rücknahme von 5460 Jacken (act. 3/22).
3. a) Am 27. September 1993 erwirkte die Klägerin einen Arrestbefehl gegen die Beklagte, welcher zur Verarrestierung von CHF 300.000,‑ führte (act. 3/2).
Am 2. November 1993 reichte die Klägerin beim Handelsgericht die vorliegende Arrestprosequierungsklage ein. Die Beklagte erhob Widerklage und die Klägerin darauf Wider-Widerklage.
b) Die Klägerin verlangt im wesentlichen mit ihrer Klage und Wider-Widerklage die Bezahlung des ausstehenden Kaufpreises von US$ 298.200,‑ für die von ihr gelieferten Lammfelljacken (vgl. act. 17 S. 3 ff.). Die Beklagte verlangt mit ihrer Widerklage die Rückzahlung des Kaufpreises in der Höhe von insgesamt US$ 520.800,‑ für die ihrer Ansicht nach mangelhaften Lammfelljacken und erklärt sich bereit, gegen Überweisung dieses Betrages die bemängelten 5460 Lammfelljacken der Klägerin – Zug um Zug – zurückzugeben (act. 8 S. 11 f.).
c) Die Parteien streiten sich vor allem darüber, ob und in welchem Umfang die gelieferten Lammfelljacken Mängel aufweisen und ob die Beklagte der Klägerin allfällige Mängel gehörig angezeigt hat. Auf die einzelnen Behauptungen der Parteien wird soweit nötig bei den einzelnen Erwägungen näher eingegangen.
4. Der Prozess erwies sich als sehr langwierig:
a) Das Hauptverfahren wurde schriftlich durchgeführt und mit Eingang der Wider-Widerklageduplik der Beklagten (act. 28) am 22. Februar 1995 abgeschlossen. Die Referentenaudienz vom 2. Mai 1995 brachte keine Einigung (Prot. S. 11 ff.). Auch die aussergerichtlichen Bemühungen der Parteien, die Ware zu besichtigen und darauf die Vergleichsgespräche weiterzuführen, blieben erfolglos (vgl. act. 33 und 33A), so dass ein Beweisverfahren durchgeführt werden musste.
b) Am 15. September 1995 erliess das Handelsgericht den Beweisauflagebeschluss (act. 36). Nach Eingang der Beweisantretungsschriften erfolgte am 29. Januar 1996 der Beweisabnahmebeschluss (act. 48), gemäss welchem im wesentlichen insgesamt sechs Zeugen mit Wohnsitz in W., B., M. und A. einzuvernehmen, ein Augenschein im Lager. der Firma R. in ... (Weissrussland) und eine Expertise über die angeblich mangelhaften Lammfelljacken durchzuführen waren. Am 27. und 28. März 1996 reichten die Parteien ihre Stellungnahmen zum Beweisabnahmebeschluss ein (act. 53 und act. 54). Mit Beschluss vom 24. April 1996 ernannte das Gericht definitiv den Experten und traf weitere Massnahmen zur Durchführung des Beweisverfahrens (act. 59).
Mit Schreiben vom 14. Mai 1996 (act. 62) beantragte die Klägerin, die Ausführungen der Beklagten in Ziffer IVc Abs. 2 und 3 von ihrer Eingabe vom 28. März 1996 (act. 54) seien wegen Verspätung aus dem Recht zu weisen. Nach Eingang der Stellungnahme der Beklagten (act. 57) wies das Gericht mit Beschluss vom 9. Juli 1996 unter anderem diesen Antrag der Klägerin ab, soweit es überhaupt darauf eintrat (act. 69).
Mit Schreiben vom 22. Juli 1996 (act. 71) ersuchte die Klägerin um sofortige Durchführung der Expertise durch den Gutachter in B.. Mitte August 1996 verfasste das Gericht die Experteninstruktion an den Gutachter D. (act. 72), das Gesuch für die Bewilligung eines Augenscheins (act. 74) in B., die Rechtshilfegesuche für die Einvernahmen des Zeugen B. in B. (act. 73), des Zeugen K. in M. (act. 75) und des Zeugen R. in A.(act. 76).
c) Am 13. Dezember 1996 ging das Protokoll über die Einvernahme des Zeugen B. ein (act. 73/3), nachdem dieser der Zeugenvorladung offenbar zweimal nicht Folge geleistet hatte, was der Klägerin zusätzliche Reisespesen verursachte (vgl act. 73/1 und 73/2, act. 82 und 82a, vgl. auch act. 123). Der Antrag der Klägerin, diese zusätzlichen Auslagen habe die Beklagte zu ersetzen, wies jedoch das Gericht mit Beschluss vom 25. Oktober 1996 ab (act. 86).
Anlässlich der Beweisverhandlung vom 24. Januar 1997 wurden vor dem Handelsgericht die Einvernahmen der Zeugen L. (Prot. S. 42-55), S. (Prot. S. 55-72) und Z. (Prot. S. 72 – 79) durchgeführt.
Bei der Durchführung der Einvernahme des Zeugen R. gab es verschiedene Schwierigkeiten, so dass dessen Einvernahmeprotokoll erst am 8. September 1997 einging (vgl. act. 76; Prot. S. 85 f.; Prot. S. 87 f.).
Bis heute gelang es nicht, von Russland eine Einvernahme des Zeugen K. zu erhalten (vgl. act. 75/4). Eine Mahnung der für die Rechtshilfe zuständigen Behörde erfolgte mit Verfügung vom 24. Juni 1997 (Prot. S. 85 f.). Unter Hinweis auf ZR 89 Nr. 75 wies der Instruktionsrichter das Gesuch der Klägerin vom 23. Juli 1996 auf Verzicht der Einvernahme des Zeugen K. mit Verfügung vom 2. Oktober 1997 ab (Prot. S. 87). Weitere Nachforschungen ergeben sich aus dem Schreiben des Bundesamtes für Polizeiwesen, Sektion internationale Rechtshilfe, vom 30. Januar 1998, in welchem die Schweizerische Botschaft in M. ersucht wird, das Ausbleiben der Zeugeneinvernahme abzuklären (act. 75/4). Mit Schreiben vom 30. April 1998 erklärte die Beklagte, der Zeuge K. sei bereit, vor Handelsgericht in Zürich auszusagen, und sie würde die Zustellung der Vorladung an ihn übernehmen (act. 118). Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 26. Mai 1998 (Prot. S. 92) wurde dieser Antrag der Beklagten gutgeheissen und K. auf den 3. Juli 1998 zur Zeugeneinvernahme vor dem hiesigen Gericht vorgeladen (act. 125). Mit Schreiben vom 3. Juni 1998 teilte der Vertreter der Beklagten dem Gericht jedoch mit, dass sich der Zeuge K. weigere, vor dem Handelsgericht in Zürich zu erscheinen (act. 127).
d) Die Beklagte stellte dem Handelsgericht am 16. Februar 1996 vier sogenannte „falsche“ Lammfell-Damenjacken zu (act. 51/1-5), d.h. Jacken, welche ihrer Ansicht nach nicht vertragskonform waren (act. 54 S. 2). Im Anschluss an die Beweisverhandlung vom 24. Januar 1997 orientierte der Vertreter der Beklagten das Gericht darüber, dass die Lammfelljacken inzwischen vom Lager in ... (Weissrussland) in ein Zollfreilager nach Antwerpen disloziert worden seien (Prot. S. 79). Etwas später teilte das Wirtschaftsgericht des Distrikts B. dem Handelsgericht mit Entscheid vom 17.4.97 mit, dass sämtliche Jacken nicht mehr in B. seien, weshalb dem Gesuch auf Durchführung eines entsprechenden Augenscheines und einer Expertise nicht stattgegeben werden könne (act. 85/3). Ein Teil der noch vorhandenen Jacken sei nach Belgien, die restlichen 475 Mäntel seien nach Russland versandt worden. Fast gleichzeitig zog das Handelsgericht mit Schreiben vom 27. April 1997 sein Gesuch um Bewilligung eines Augenscheins in B. zurück (act. 104).
Auf entsprechende Aufforderung durch das Gericht (Prot. S. 80) teilte die Beklagte dem Gericht mit, es seien lediglich noch insgesamt 2350 Lammfelljacken nach Antwerpen gebracht worden, ebenso eine Musterjacke mit, der Nr. 0-1500 (act. 100). Im Einverständnis mit dem Gericht (Prot. S. 83) reichte die Beklagte die erwähnte Musterjacke ein (act. 105 und 106). Schliesslich reichte die Beklagte im Hinblick auf die geplante (und gescheiterte) Einvernahme des Zeugen K. dem Handelsgericht noch weitere zehn, ihrer Meinung nach mangelhaften Jacken aus dem Lager in Antwerpen ein (act. 119, Prot. S. 97; act. 126A-C). Die übrigen Jacken liess sie in die Schweiz nach B. für eine Besichtigung und Begutachtung bringen (act. 127 S. 2).
e) Mit Verfügung vom 2. Juli 1998 konnten die Parteien zum Beweisergebnis Stellung nehmen. Ihre Stellungnahmen gingen anfangs September 1998 beim Handelsgericht ein (act. 131 und 132).
Der Prozess erweist sich auch ohne Einholung einer Expertise und Durchführung eines Augenscheins als spruchreif. Auf allfällige von den Parteien nach Abschluss des Hauptverfahrens vorgebrachte Noven und nachträglich eingereichte Beweismittel ist bei Bedarf im Rahmen der Erwägungen noch näher einzugehen, sofern darüber nicht bereits im Verlaufe des Beweisverfahrens entschieden worden ist (vgl. Prot. S. 41, art. 80 und 91; Prot. S. 82 f., act. 97 und 100; Prot. S. 85, act. 105 und act. 107; Prot. S. 88 und act. 111; vgl. dazu auch vorstehend Abschnitt b).
Erwägungen:
1. a) Vorab ist kurz auf die Zuständigkeit des Handelsgerichts einzugehen: Die Klägerin hat ihren Sitz in L., die Beklagte in Liechtenstein, Die Klägerin erwirkte am 27. September 1993 einen Arrestbefehl gegen die Beklagte, welcher am 7. Oktober 1993 in Zürich durch das Betreibungsamt Zürich 1 vollzogen wurde (act. 3/2). Bei der vorliegenden Klage handelt es sich um eine Arrestprosequierungsklage. Anstelle der Arrestgegenstände leistete die Beklagte jedoch Sicherstellung nach Art. 277 SchKG durch Solidarbürgschaftsverpflichtung des Schweizerischen Bankvereins Zürich (heutige UBS). Die Arrestforderung beläuft sich auf CHF 300.000,‑. Nach Art. 4 IPRG (welche Bestimmung § 9 Abs. 2 ZPO vorgeht) kann die Klage auf Arrestprosequierung am schweizerischen Arrestort erhoben werden. Das Lugano Übereinkommen, welches das forum arresti in seinem Art. 3 Abs. 2 für ungültig erklärt, ist nicht anwendbar, da Liechtenstein diesem Übereinkommen nicht beigetreten ist. Damit ist die Zuständigkeit der Zürcher Gerichte gegeben. Die Zuständigkeit des Handelsgerichts ergibt sich aus § 63 GVG, da die Beklagte als liechtensteinische Anstalt im Handelsregister von Liechtenstein eingetragen ist.
b) Vorliegend stellt sich auch die Frage des anwendbaren Rechts, da ein internationaler Sachverhalt vorliegt: Die Klägerin als Verkäuferin hat zwar ihren Sitz in der Schweiz, doch ist der Sitz der Beklagten als Käuferin in Liechtenstein. Der vorliegende Prozess dreht sich um Lammfelljacken, welche die Klägerin nach Russland bzw. Weissrussland ... zu liefern hatte.
Somit ist das IPRG anwendbar. Eine Rechtswahl im Sinne von Art. 116 IPRG haben die Parteien nicht getroffen. Nach Art. 117 Abs. 1 IPRG untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt, wobei in der Regel auf die charakteristische Leistung abgestellt wird, welche bei Kaufverträgen beweglicher Sachen der Verkäufer erbringt (Art. 117 Abs. 2 und 3 IPRG). Bei beweglichen Sachen gilt jedoch gemäss Art. 118 IPRG das Haager Übereinkommen vom 15. Juni 1955 betreffend das auf internationale Kaufvertrage über bewegliche körperliche Sachen anzuwendende Recht.
Völkerrechtliche Verträge gehen jedoch dem IPRG vor (Art. 1 Abs. 2 IPRG). Seit dem 1.3.1991 gilt für die Schweiz, nicht aber für Liechtenstein, das UN-Kaufrecht bzw. Wiener Kaufrecht (siehe Keller/Siehr, Kaufrecht, 3. A. Zürich 1995, S. 170 f.). Das Wiener Kaufrecht kommt vorliegend zur Anwendung: Nach Art. 1. Abs. 1 lit. b WKR ist es auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen. Art. 118 IPRG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Haager Übereinkommens, wonach grundsätzlich das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers anwendbar ist, verweist nämlich im vorliegenden Fall auf das schweizerische Recht. Demnach ist das WKR anwendbar, obwohl Liechtenstein diesem Abkommen nicht beigetreten ist. Damit beansprucht das WKR umfassende Geltung, und es verdrängt daher auch die im erwähnten Haager Abkommen (und im IPRG) vorgesehene Sonderanknüpfung hinsichtlich der Untersuchungsmodalitäten (vgl. dazu etwa Keller/Kren/Kostkiewicz in IPRG Kommentar, herausgegeben von Heini etc., Zürich 1993, zu Art. 118 N 19-21; Keller/Girsberger in IPRG Kommentar zu Art. 125 N 5-7). Dies ergibt sich vor allem aus dem Gedanken, dass das WKR eine Vereinheitlichung des Sachrechts darstellt, welche als die tiefergreifende internationale Rechtsharmonisierung den Vorrang gegenüber der Vereinheitlichung des IPR bzw. dem innerstaatlichen IPR beansprucht (vgl. dazu Keller/Siehr, aaO, S. 177 f.). Soweit das Wiener Kaufrecht allerdings eine Frage nicht regelt (vgl. Art. 4 WKR), ergibt sich das anwendbare Statut aus Art. 118 IPR, welche Bestimmung über Art. 3 Abs. 1 des Haager Übereinkommens grundsätzlich zur Anwendung des schweizerischen Obligationenrechts führt, da die Klägerin als Verkäuferin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat.
c) Das Handelsgericht ist auch für die von der Beklagten erhobene Widerklage zuständig. Nach Art. 8 IPRG beurteilt nämlich das Gericht, bei dem die Hauptklage hängig ist, auch die Widerklage, sofern zwischen Haupt- und Widerklage ein sachlicher Zusammenhang besteht. Mit ihrer Widerklage verlangt die Beklagte und Widerklägerin die Rückerstattung des bereits bezahlten Kaufpreises im Umfang von US$ 520.800,‑. Der verlangte Zusammenhang liegt somit vor, geht es doch um das gleiche Rechtsverhältnis.
d) In ihrer Replik und Widerklageantwort erhob die Klägerin eine Wider-Widerklage (act. 11 S. 3). In ihrer Hauptklage hat die Klägerin CHF 300.000,‑ eingeklagt. mit dieser Wider-Widerklage will sie nun den ganzen ausstehenden Kaufpreis von US$ 298.200,‑ einklagen, also auch den die CHF 300.000,‑ übersteigenden Betrag. In ihrer Hauptklage klagte die Klägerin nämlich nur denjenigen Forderungsbetrag ein, den sie in ihrem Arrestbegehren genannt hatte (vgl. act. 3/2), somit CHF 300.000,‑, und der durch den Arrest sichergestellt worden war.
Das Vorgehen der Klägerin ist zulässig, begründet doch abgesehen vom „leeren“ Arrest jeder Arrest für die gesamte in der Prosequierungsklage geltend gemachte Forderung einen Gerichtsstand am schweizerischen Arrestort gemäss Art. 4 IPRG, sofern der Arrest für die gleiche Forderung bewilligt worden war (BGE 117 II 90). Einem Eintreten auf die Wider-Widerklage steht aufgrund der vorhandenen Konnexität demnach nichts entgegen (vgl. zur Zulässigkeit der Wider-Widerklage Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur ZPO, 3. A. Zürich 1997, § 60 N 14 mit Hinweis auf die (ältere) Rechtsprechung). Ohne Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang die von der Klägerin aufgeworfene Frage (vgl. act. 17 S. 4 f.) der Vollstreckbarkeit eines die Wider-Widerklage gutheissenden Urteils in Liechtenstein.
2. Der von den Parteien untereinander abgeschlossene Vertrag ist als Sukzessivlieferungsvertrag im Sinne des WKR zu qualifizieren, verpflichtete sich doch die Klägerin, in mehreren Teillieferungen der Beklagten Jacken gemäss den übergebenen Mustern zu liefern (act. 3/5). Für solche Verträge gilt die Sonderbestimmung von Art. 73 WKR. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Begriff des Sukzessivlieferungsvertrages etwas anders als im inländischen Recht definiert wird, indem er nicht verlangt, dass stets gleichartige Ware geliefert werden muss (vgl. Keller/Siehr, aaO, S. 215). Art. 73 WKR ist also vorliegend auf alle Lieferungen anwendbar, selbst wenn einmal Herren- und einmal Damenjacken zu liefern waren.
Nach Art. 73 WKR sind die einzelnen Teillieferungen beim Sukzessivlieferungsvertrag grundsätzlich selbständig zu behandeln; vorbehalten bleiben die in Art. 73 WKR erwähnten Sonderfälle. Dieser Grundsatz wird in Art. 51 WKR für die eigentliche Teillieferung sogar ausdrücklich erwähnt; folglich muss er erst recht auch für den Sukzessivlieferungsvertrag gelten (vgl. von Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2. A. München 1995, Art. 73 N 14 und N 16; ferner Herber/Czerwenka, Internationales Kaufrecht, Kommentar, München 1991, Art. 73 N 8 und 9; ebenso die Rechtslage im schweiz. Recht, vgl. Keller/Siehr, aaO, S. 147 ff.). Entsprechend erlaubt Art. 73 Abs. 1 WKR in Übereinstimmung mit den allgemeinen Aufhebungsvorschriften die Aufhebung einer Teillieferung nur bei Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine mangelhafte Teillieferung zudem zur Aufhebung des ganzen Vertrages führen (Art. 73 WKR; zur Abgrenzung dieser Bestimmung von Art. 51 und 72 WKR, vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 73 N 8-10). Damit sind also die einzelnen Teillieferungen nachfolgend grundsätzlich gesondert abzuhandeln.
3. a) Vorliegend ist strittig, ob die Firma L. GmbH in W. als Bevollmächtigte aufgetreten ist. Zweifellos hat diese Firma bei der Vertragsabwicklung mitgewirkt, doch bestreitet die Klägerin, dass sie diese je bevollmächtigt hat und dass diese sie durch die Entgegennahme rechtlich relevanter Erklärungen verpflichten konnte (act. 24 S. 4). Diese Frage der Bevollmächtigung ist vorab zu klären, da sie die vorliegend zentrale Streitfrage (vgl. act. 131 S. 2 und 132 S. 3), ob die Beklagte jeweils rechtzeitig substantiierte Mängelrügen erhoben hat, entscheidend beeinflusst.
Grundsätzlich unterscheidet das WKR nicht, ob Handlungen von einem Vertreter einer Vertragspartei oder von dieser selbst ausgehen (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 66 N 1). Im übrigen ist die Frage der Stellvertretung im WKR nicht geregelt (vgl. etwa Gerold Herrmann in Wiener Kaufrecht, herausgegeben von E. Bucher, Bern 1991, S. 97). Gemäss Art. 126 Abs. 1 IPRG untersteht bei rechtsgeschäftlicher Vertretung das Verhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter dem auf ihren Vertrag anwendbaren Recht. Damit ist also – mangels einer Regelung im WKR – das schweizerische OR anwendbar (vgl. dazu vorn Erwägung 1b).
Mit Fax vom 17. November 1992 (act. 9/7) bestätigte die Firma L. GmbH der Beklagten, dass das vorliegende Geschäft betreffend Lammfellmäntel von ihrem Büro in W. bearbeitet werde. Entsprechend erklärte die Beklagte, dass sämtliche Korrespondenz der Klägerin über die Firma L. GmbH in Wien ausgeführt worden sei (act. 21 S. 5). Diese Behauptung wird von der Klägerin nicht (substantiiert) bestritten, beschränkt sie sich doch auf die Feststellung, die Firma L. sei nicht bevollmächtigt gewesen (act. 24 S. 4; ebenso act. 17 S. 7). Auch aufgrund der eingereichten Urkunden steht fest, dass sich der Geschäftsverkehr zwischen den Parteien teilweise über die L. abwickelte (vgl. act. 9-9/8; 3/21 und 3/22). Bei der L. ging die Korrespondenz teilweise ausdrücklich über Frau L. (vgl. act. 3/21 und 3/22), welche damals gleichzeitig die Direktorin der Klägerin war (vgl. Prot. S. 11, 43).
Nach Art. 32 und 33 OR benötigt der Vertreter eine Vollmacht. Die Bevollmächtigung kann ausdrücklich oder stillschweigend bzw. konkludent erfolgen. Vorliegend steht fest, dass Frau L. Direktorin der Klägerin war und gleichzeitig in W. bei der Firma L. GmbH arbeitete. Bereits am 17.11.92 teilte die Firma L. im Namen der Klägerin der Beklagten mit, „dass dieses Geschäft von unserem ... Büro (L. GmbH) ... bearbeitet wird“(act. 9/7). Unter diesen Umständen durfte die Beklagte nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass die Firma L. Bevollmächtigte der Klägerin war. Zumindest lag eine sog. Duldungsvollmacht (vgl. Rolf Watter in Basler Kommentar zu Art. 1 – 529 OR, 2. A. Basel 1996, Art. 33 N 16) vor: Die Klägerin wusste zweifellos über Frau L., dass die Firma L. für die Abwicklung des Vertrages an ihrer Stelle auftrat und duldete dies. Der Umfang der Vollmacht ergibt sich ebenfalls aus Treu und Glauben (Watter, aaO, Art. 33 N 17). Indem die Vertragsabwicklung grundsätzlich über die L. AG erfolgte, durfte die Beklagte nach Treu und Glauben auch davon ausgehen, dass diese zur Entgegennahme von Mängelrügen und von anderen rechtlich bedeutsamen Erklärungen berechtigt gewesen war, so dass deren Wissen der Klägerin anzurechnen ist (vgl. Watter, aaO, Art. 32 N 25). Eine solche umfassende Bevollmächtigung darf also ohne weiteres angenommen werden. Im Rahmen des Beweisverfahrens (vgl. dazu die Beweissätze II.1 a und b in act. 36) haben die Parteien keine weiteren Beweismittel eingereicht. Die Beklagte hat vielmehr auf ihre Klagebeilagen (act. 9/3-12 ohne 9/9) verwiesen (act. 42 S. 4), und die Klägerin hat auf die Nennung von Gegenbeweismitteln überhaupt verzichtet (act. 40 S. 4 f.). Im übrigen hat die Zeugin I. L. ausdrücklich bestätigt, dass die Firma L. die Vertretung der T. für Osteuropa innehatte (Prot. S. 44). Sinngemäss ebenso äusserte sich der Zeuge S. (Prot. S. 62 f.), welcher bis Ende 1993 als Exekutivdirektor der Firma L. tätig war (Prot. S. 55). Nichts anderes ergibt sich auch aus der Aussage der Zeugin (Prot. S. 72 ff.); diese arbeitet seit 1986 als Sekretärin bei der Firma L.
b) Die Beklagte weigert sich vor allem deshalb, der Klägerin den ausstehenden Kaufpreis zu bezahlen, weil sie die Qualität der meisten der gelieferten Jacken bemängelt. Damit ist zu prüfen, ob sie bei den einzelnen Lieferungen jeweils rechtzeitig eine substantiierte Mängelrüge erhoben hat. Vorab aber stellt sich die Frage der Beweislastverteilung. Gemäss Art. 35 WKR hat der Verkäufer Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich der Verpackung oder des Behältnisses den Anforderungen des Vertrages entsprechen. Die Beweislast ist im WKR nicht geregelt, doch ergibt sich aus seiner Systematik folgendes (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 4 N 8; Art. 35 N 9; Art. 36 N 5; vor Art. 38 N 5; Art. 39 N 20):
-Die Mängelhaftung wird als eine besondere Erscheinungsform des Erfüllungsanspruches angesehen, weshalb grundsätzlich der Verkäufer die Mängelfreiheit bzw. Vertragsmässigkeit der Ware zur Zeit des Gefahrenübergangs zu beweisen hat.
-Der Käufer ist aber beweispflichtig für die ordnungsgemässe Untersuchung und Mangelrüge.
-Nach rügeloser Abnahme trifft die Beweislast für allfällige Mängel ebenfalls den Käufer.
Damit hat also grundsätzlich die Beklagte nachzuweisen, dass sie bei den einzelnen Jackenlieferungen jeweils gehörige Mängelrügen erhoben hat. Liegen dagegen solche vor, so hat die Klägerin nachzuweisen, dass ihre Jacken den vertraglich vereinbarten Mustern entsprechen. Weitgehend unbestritten ist dagegen, dass die Beklagte die Jacken aus den vier Lieferungen am Bestimmungsort in B. entgegengenommen hat (vgl. etwa act. 8 S. 5, 11 ff.; für Lieferung 3 und 4 vgl. act. 21 S. 9 und act. 8 S. 10; zur Übernahme der Ware vgl. auch hinten unter Erwagung 9). Gegebenenfalls ist auf die Frage der Beweislast nachfolgend noch zurückzukommen.
4. a) Die Beklagte behauptet, 881 der 1800 Damenjacken der ersten Lieferung seien mangelhaft (vgl. act. 3/22, act. 8 S. 11). Sie muss daher auch nachweisen, dass sie eine entsprechende Mängelrüge gegenüber der Klägerin erhoben hat. Es ist deshalb vorab festzuhalten, welche Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten gemäss dem WKR bestehen.
aa) Gemäss Art. 38 WKR muss der Käufer die Ware innerhalb einer so kurzen Frist untersuchen, wie es die Umstande erlauben. Art. 38 Abs. 2 WKR erlaubt, die Ware auch erst am Bestimmungsort zu untersuchen, im vorliegenden Fall also in B. In der Praxis wurde diese Bestimmung wie folgt konkretisiert (vgl. dazu etwa Herber/Czerwenka, aaO, Art. 38 N 7; von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 38 N 15): Die Untersuchungsfrist ist regelmässig nicht länger als eine Woche. Einem Käufer sind zumindest Stichproben zuzumuten. Kompliziertere, mit technischem Aufwand verbundene Untersuchungen rechtfertigen eine längere Frist.
bb) Ein Sonderfall wird in Art. 38 Abs. 3 WKR geregelt: Wird die Ware vom Käufer umgeleitet oder von ihm weiterversandt, so kann die Untersuchung bis zur Ankunft am neuen Bestimmungsort hinausgeschoben werden, jedoch nur unter folgenden Voraussetzungen:
- Er darf vor der Weiterveräusserung keine ausreichende Gelegenheit gehabt haben, die Ware zu untersuchen. Nimmt der Käufer die Ware zwischendurch auf Lager, so dürfte die Untersuchung in den meisten Fällen zumindest in Stichproben möglich sein (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 38 N 12 und 13).
- Der Verkäufer kannte die Möglichkeit der Weiterversendung oder musste sie zumindest kennen.
Dieser Sonderfall ist aber vorliegend aus folgenden Gründen nicht gegeben: Die Beklagte erklärte zwar beiläufig, eine detaillierte Prüfung habe erst in M. erfolgen können (act. 21 S. 5); gleichzeitig anerkannte sie aber auch, dass die Ware in B. zwischengelagert worden sei (act. 21. S. 5). Aus ihren späteren Behauptungen ergibt sich sogar eindeutig, dass ein grosser Teil der Jacken noch lange Zeit im Lager in B. lag (vgl. etwa act. 28 S. 4; Prot. S. 79; act. 100); erst im Verlaufe des Beweisverfahrens wurden die Lammfelljacken gemäss Auskunft der Beklagten in ein Zollfreilager nach Antwerpen gebracht (vgl. Prot. S. 79; act. 100), was durch den Bericht des Wirtschaftsgerichts des Distrikts B. bestätigt wurde (act. 85/3). Damit hätte die Beklagte bei den Jacken, die nur ein paar Tage ans Lager in B. genommen wurden, wenigstens Stichproben durchführen und die anderen Jacken ohne weiteres einzeln prüfen können. Ausserdem erklärte die Zeugin L. die damalige Direktorin der Klägerin, glaubhaft, sie habe nichts davon gewusst, dass die Ware in B. bloss zwischengelagert werden sollte (Prot. S. 53). Damit sind also die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 38 Abs. 3 WKR nicht gegeben. Im übrigen hat die Beklagte keine weiteren im Hinblick auf Art. 38 Abs. 3 WKR bedeutsame Behauptungen aufgestellt; so hat sie es auch etwa unterlassen anzugeben, welche Jacken von welcher Lieferung für wie lange in B. zwischengelagert wurden. Weitere Ausführungen zu diesem Thema erübrigen sich daher.
cc) Neben der soeben erwähnten Obliegenheit, Ware zu untersuchen, treffen den Käufer nach Art. 39 WKR aber auch Rügeobliegenheiten: Hat er anlässlich seiner Untersuchung Mängel festgestellt, so muss er diese innert einer angemessenen Frist mitteilen. Auch diese Frist ist im Einzelfall durch den Richter aufgrund der Umstände zu bestimmen, was erfahrungsgemäss zu einer wenig einheitlichen Rechtsprechung führt. In der Lehre wird dazu etwa auf folgende Fälle hingewiesen: eine Rüge nach 16 Tagen für Schuhe wurde als verspätet angesehen (von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 39 N 16 Anm. 59). Auch ein Zuwarten von vier Wochen dürfte nicht mehr fristgerecht sein (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 9 a.E.). Eine Rügefrist von acht Tagen sollte dagegen entgegen einem anderslautenden Entscheid noch als rechtzeitig angesehen werden (so Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 9 a.E.). Im übrigen ist die Mängelrüge nicht empfangsbedürftig, sondern gemäss Art. 27 WKR nur absendungsbedürftig; es genügt also grundsätzlich die rechtzeitige Absendung der Mängelrüge (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 11).
Auch das WKR lässt eine spätere Mängelrüge zu, wenn die Mängel in der ordnungsgemäss durchgeführten Untersuchung nicht erkennbar gewesen sind. In solchen Fallen beginnt die Rügefrist erst in dem Zeitpunkt, in welchem die Mängel hatten festgestellt werden können (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 1 und 10). Die in WKR Art. 39 Abs. 2 WKR erwähnte zweijährige Ausschlussfrist ist im vorliegenden Fall nicht aktuell, wie sich auch aus den nachfolgenden Erwägungen ergeben wird.
dd) Die Vertragswidrigkeit muss stets genau substantiiert werden. Der globale Hinweis auf Qualitätsmängel oder die Erklärung, die Ware entspreche nicht dem Muster, genügt demnach nicht (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 7). Infolgedessen genügt etwa die Rüge der „schlechten Verarbeitung“ oder „minderen Qualität“ nicht (von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 39 N 7, mit weiteren Hinweisen aus der deutschen Rechtsprechung).
b) Die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte ihre Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten erfüllt hat.
aa) Was die Frage der Substantiierung der Rüge betrifft, so ist unbestritten (act. 17 S. 6, act. 8 S. 5), dass die Beklagte am 26. Januar 1993 der Klägerin wegen der ersten Lieferung und – laut übereinstimmenden Angaben der Parteien (act. 8 S. 5 und act. 17 S. 6 f.) – auch der zweiten Lieferung per Fax eine schriftliche Mängelrüge zusandte (act. 3/13). Diese enthält den Hinweis, dass die Felle nicht farbgerecht zusammengesetzt sind und dass die Felle gewichtsmässig weit über der Norm liegen. Damit hat die Beklagte Mängelrüge genügend substantiiert. Der Beklagten kann nicht schaden, dass sie noch nicht genau angeben kann, wieviele der Jacken Mängel aufweisen und daher von ca. 1.200 mangelhaften Jacken spricht, welche Zahl nachher auf 881 reduziert wurde. Angesichts der kurzen Untersuchungsfrist und der grossen Anzahl Jacken durfte sie sich auf Stichproben beschränken.
bb) Dagegen hat die Beklagte nicht rechtzeitig gerügt: Laut ihren Angaben erhielt sie Ende November 1992 1800 Damenjacken und nach Mitte Dezember nochmals 1800 Damenjacken (act. 8 S. 5). Die erwähnte Mängelrüge (act. 3/13) datiert vom 26. Januar 1993. Eine frühere, allenfalls mündliche Mängelrüge hat die Beklagte nicht behauptet. Wie vorstehend aufgezeigt wurde (unter Ziffer 4. a aa und bb), hätte die Beklagte die Jacken sofort auf Mängel untersuchen müssen, sobald diese in B. angekommen waren, wobei angesichts der grossen Zahl Stichproben genügt hätten. Da solche Lammfelljacken relativ leicht auf Mängel überprüft werden können, ist in Anlehnung an die vorerwähnte Rechtsprechung die angemessene Untersuchungsfrist im Sinne von Art. 38 Abs. 1 WKR auf eine Woche bis zehn Tage festzulegen. Billigt man der Beklagten gestützt auf die zitierte Lehre und Rechtsprechung zu Art. 39 Abs. 1 WKR (dazu vorn Ziffer 4 a cc) eine Rügefrist von einer Woche bis maximal 14 Tage zu, so wird offensichtlich, dass die am 26. Januar 1993 erfolgte Mängelrüge bezüglich der ersten Lieferung verspätet ist.
Das gleiche gilt auch für die zweite Lieferung, welche laut Angaben der Beklagten am 16. Dezember 1992 M. per Lastwagen verlassen hatte und demnach kurz nach Mitte Dezember 1992 in B. eintraf (act. 21 S. 5 und act. 8 S. 5). Bei diese: Lieferung durfte auch unter Berücksichtigung der Weihnachtszeit erwartet werden, dass die Untersuchung mittels Stichproben spätestens Ende Dezember 1992 abgeschlossen war. Gesteht man der Beklagten wiederum eine eher grosszügig bemessene Rügefrist von 14 Tagen zu, so hätte sie der Klägerin spätestens Mitte Januar 1993 eine Mangelrüge zukommen lassen müssen. Damit wird klar, dass die Mängelrüge auch für die zweite Lieferung nicht rechtzeitig erfolgt ist. Noch längere Untersuchungs- und Rügefristen für die zweite Lieferung drängen sich schon deshalb nicht auf, weil ja bereits die Jacken der ersten Lieferung nach der Darstellung der Beklagten mangelhaft waren. Daher hätte diese allen Grund gehabt, die zweite Lieferung sofort und gründlich zu überprüfen und mit einer allfälligen Rüge nicht noch zuzuwarten. Auf diese zweite Lieferung ist später noch weiter einzugehen (dazu unter Erwägung 5a).
Im übrigen ergibt sich aus der Mängelrüge vom 26. Januar 1993 (act. 3/13), dass die Beklagte erst durch Reklamationen ihres Handelspartners auf die angeblichen Mängel aufmerksam wurde. Dies deutet klar darauf hin, dass sie selbst die Ware nicht näher untersucht hatte und daher auch nicht fristgerecht rügen konnte. Im Interesse des Verkäufers soll nun aber die eher kurz bemessene Rügefrist des Art. 39 Abs. 1 WKR gerade eine solche Konstellation verhindern: Der Käufer soll rügen müssen, bevor er die Ware bereits wieder weiterverkauft hat; nur so ist eine rasche Sachverhaltsabklärung gewährleistet (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 2 und 9). Es besteht demnach auch aus der Sicht eines funktionierenden Handels kein Anlass, längere Untersuchungs- und Rügefristen einzuführen.
Insgesamt darf also zweifellos angenommen werden, die Beklagte habe bezüglich der Jacken der ersten, aber auch der zweiten Lieferung keine rechtzeitige Mängelrüge erhoben. Damit hat sie gemäss Art. 39 Abs. 1 WKR auch das Recht verloren, sich auf allfällige Mängel an einzelnen Jacken zu berufen. Die Ware gilt vielmehr als genehmigt.
c) Die Beklagte rechnet denn auch mit der Möglichkeit, dass Ihre Mängelrüge nicht rechtzeitig erfolgt ist, beruft sie sich doch in ihrem Hauptstandpunkt auf Art. 40 WKR (vgl. act. 21 S. 12), welche Bestimmung eine Sonderregelung aufstellt, wenn der Verkäufer den Mangel verschweigt.
aa) Nach Art. 40 WKR kann sich der Verkäufer nicht auf Art. 38 und 39 WKR berufen, wenn die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, die er kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte und er dem Käufer nicht offenbart hat. Dabei genügt nach dem Gesetzestext bereits schon grobfahrlässige Unkenntnis. Massgebender Zeitpunkt für das Kennenmüssen ist die Übergabe der Kaufsache. Die Beweislast trifft den Käufer (von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 40 N 12; a.M. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 40 N 7)
bb) Die Beklagte hat demnach zu beweisen, dass die Klägerin bezüglich der ersten (und auch der zweiten) Lieferung wusste bzw. ohne weiteres hätte erkennen müssen, dass zahlreiche Jacken nicht farbgerecht zusammengesetzt und überdies gewichtsmässig zu schwer waren, so dass sie nicht dem übergebenen Muster entsprachen. Das dazu durchgeführte Beweisverfahren (vgl. Beweissatz II.3.a-c von act. 36) ergab folgendes:
Aus den von der Beklagten eingereichten Mängelprotokollen lasst sich überhaupt nichts zur Frage entnehmen, ob die Klägerin von den angeblichen Mängeln bereits bei der Übergabe der Ware gewusst hat (act. 9/15 und 9/16; act. 31/1-6 und Prot. S. 12). Aus den Zeugenaussagen ergibt sich zudem klar, dass die Klägerin oder ihr Vertreter, die Firma L. AG, die gelieferte Ware gar nie sah, da die Jacken vom Lieferanten der Klägerin direkt ins Lager der Beklagten in B. gesandt wurden (Zeuge B., act. 73/3 S. 4; Zeugin L. Prot. S. 52; Zeuge S. Prot. S. 57 f., 63 f.; Zeugin Z. Prot. S. 76). Dem Zeugen S. damals Exekutivdirektor der L., waren keine Mängel der beiden ersten Lieferungen bekannt (Prot. S. 63). Der zu dieser Frage von der Beklagten angerufene Zeuge K., welcher in M. wohnt, konnte innert einer Frist von über zwei Jahren über die Rechtshilfe trotz Mahnung nicht einvernommen werden; zudem war er auch nicht bereit, vor dem Handelsgericht auszusagen (vgl. dazu vorn unter dem Abschnitt Sachverhalt, Ziffer 4c). Damit ist dieses Beweismittel als unerhältlich einzustufen (ZR 89/1990 Nr. 75). Die von der Beklagten ausserdem vorgeschlagene Expertise über die noch vorhandenen Jacken kann keinen Aufschluss über das Wissen der Klägerin bezüglich allfälliger Mängel im Zeitpunkt der Lieferung der Jacken bringen. Weitere Beweismitte1 dazu hat die Beklagte nicht genannt (vgl. act. 42 S. 5). Somit steht aufgrund des Beweisverfahrens fest, dass die Klägerin die angeblichen Mängel an den Jacken der ersten und auch der zweiten Lieferung nicht gekannt hat. Auch sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf eine grobfahrlässige Unkenntnis schliessen liessen. Damit findet Art. 40 WKR keine Anwendung, so dass die Klägerin sich nach wie vor auf die Verspätung der Mängelrüge berufen kann (zum Sonderproblem der falschen Artikelnummer bei der zweiten Lieferung nachfolgend unter Ziffer 5 b).
d) Auch wenn der Käufer die Mängel zu spät angezeigt hat, so kann er gestützt auf Art. 44 WKR entgegen Art. 39 Abs. 1 WKR gleichwohl die Mängel geltend machen, wenn er eine vernünftige Entschuldigung dafür hat, dass er die erforderliche Anzeige unterlassen hat. Allerdings kann er nur noch den Kaufpreis mindern oder Schadenersatz verlangen (Art. 44 WKR). Vorliegend hat die Beklagte aber keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich eine entschuldbare Unterlassung der ordnungsgemässen Mangelrüge ergibt. Im übrigen wäre an eine solche Entschuldigung ein strenger Massstab anzulegen (Herber/Czerwenka, Art. 44 N 2).
e) aa) Schliesslich kann der Verkäufer auch auf das Recht, sich auf die Nichteinhaltung der Mängelrügefrist zu berufen, verzichten (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 17). Ein solcher Verzicht kann sich auch aus dem Verhalten des Verkäufers ergeben, so wenn er sich auf eine verspätete Beanstandung ernsthaft, insbesondere durch Untersuchung der Ware durch einen Sachverständigen, einlässt (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 17). Doch lässt sich ein solcher Verzicht nicht allein daraus ableiten, dass der Verkäufer die Ware auch noch nach Ablauf der Rügefrist auf Begehren des Käufers auf Mängel hin überprüft (vgl. Giger, Kommentar zu Art. 184-215, Bern 1979, Art. 201 N 86 und 106 für das schweiz. Recht; ebenso von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 39 N 33). Die Berufung des Verkäufers auf die Verspätung der Mängelrüge verstösst auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Giger, aaO, Art. 201 N 107), welcher im Bereich des Wiener Kaufrechts ebenfalls gilt. Gemäss Art. 8 WKR ist nämlich bei der Auslegung von Willenserklärungen stets auch Treu und Glauben zu beachten; insofern unterscheidet sich das WRK kaum von der schweiz. Vertrauenstheorie (vgl. Botschaft des Bundesrates betreffend das Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. Januar 1989, S. 22 f.; in diesem Sinne auch von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 8 N 6 und 9).
bb) Es ist unbestritten und ausgewiesen, dass die Klägerin bzw. ihr Büro in M. Ende Januar 1993 die Ware beim Endabnehmer in M. besichtigte (vgl. act. 9/8). Anfangs März fand eine weitere Besichtigung statt, die jedoch wegen sprachlicher Probleme nichts gebracht habe (act. 8 S. 7; act. 9/10; act. 17 S. 10). Danach fand Ende März nochmals eine Besichtigung statt, an welcher je ein Vertreter der Klägerin und der Beklagten, aber auch Vertreter der Herstellerfirma in M. sowie der Firma R. und der Firma B. teilnahmen (act. 8 S. 7; act. 17 S. 6; act. 1 S. 6 f.; act. 55/1). Strittig ist, ob damals die geltend gemachten Mängel tatsächlich vorgelegen haben und ob die Klägerin durch ihr Verhalten in Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht darauf verzichtet hat, sich auf die Nichteinhaltung der Rügefrist zu berufen. Ein solcher Verzicht wird nämlich von der Beklagten zumindest sinngemäss behauptet (vgl. act. 8 S. 8). Aus dem Fax-Schreiben der Klägerin vom 24. Juni 1993 an die Beklagte, wonach diese die Ware zur Verfügung stellen solle (act. 3/21), leitet sie sogar einen ausdrücklichen Verzicht auf die Bezahlung der Ware ab (act. 21 S. 7). Über die Frage eines allfälligen Verzichts musste somit ein Beweisverfahren durchgeführt werden (vgl. act. 36, Beweissatz II.4.a-c), welches folgendes ergeben hat:
Der Zeuge R. konnte nicht bestätigen, dass die Beklagte noch bis Ende Juni 1993 aufgrund des Verhaltens der Klägerin damit rechnen konnte, die Klägerin werde sämtliche Mängel an den Jacken aus den verschiedenen Lieferungen beseitigen bzw. die mangelhaften Jacken ersetzen (act. 76/8 S. 3). Der Zeuge B. erklärte, dass seiner Meinung nach ein Teil der von ihm besichtigten Jacken Mängel aufwiesen, und bestätigte ausserdem, dass eine Besichtigung von Jacken in M. stattgefunden hatte, an welcher eine Gruppe von Leuten teilgenommen hatte. Er wusste aber nicht, ob die Klägerin der Beklagten irgendwelche Zusicherungen bezüglich der Mängelbehebung gegeben hatte (act. 73/3 S. 4 f.). Gerade solche Zusicherungen bestritt aber die damalige Direktorin der Klägerin, die Zeugin L., entschieden (Prot. S. 49). Im gleichen Sinne äusserte sich der Zeuge S. (Prot. S. 64 ff.) und die Zeugin Z. (Prot. S. 78). Weitere Zeugenaussagen dazu liegen nicht vor (vgl. dazu den Beweisauflagebeschluss, act. 48 S. 6), zumal die Einvernahme des Zeugen K. nicht durchgeführt werden konnte. Auch aus den von den Parteien eingereichten Urkunden lässt sich nicht ableiten, dass die Klägerin im ersten Halbjahr 1993 sich zu einer bestimmten Mängelbehebung verpflichtet hat (vgl. act. 42/1-7; act. 3/5-21; act. 9/2, 9/10 und 9/11; act. 55/1), Gerade die aufgeführten Zeugenaussagen zeigen klar, dass die Klägerin mit der Beklagten nur über die von ihr geltend gemachten Mängel gesprochen hat, aber ihr diesbezüglich nie etwas verbindlich versprochen hat. Das gleiche ergibt sich aus der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz. Damit kann die Beklagte aus diesen Verhandlungen unter den Parteien nach Treu und Glauben nicht ableiten, die Klägerin habe dadurch, dass sie sich in Verhandlungen mit ihr eingelassen habe, darauf verzichtet, die Nichteinhaltung der Rügefrist geltend zu machen. Solche gütliche Verhandlungen dürfen nicht als Verzicht auf die einer Partei zustehenden Rechte angesehen werden; dies gebietet nicht nur die Rechtssicherheit, sondern gerade auch der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Giger, aaO, Art. 201 N 106 und von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 39 N 33; Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 17 a.E. mit Hinweis auf die Rechtssicherheit; vgl. dazu auch etwa Baumann in Zürcher Kommentar zu Art. 1-7 ZGB, Zürich 1998, Art. 2 N 161, N 389).
Auf die Offerte der Klägerin in ihrem Fax vom 24. Juni 1998 (act. 3/21 = act. 43/6), die Ware sogar zurückzunehmen, ist nachfolgend (unter Erwagung 8) noch näher einzugehen. Auch daraus lässt sich nach den vorstehenden Erwägungen kein solcher Verzicht auf die Rechtzeitigkeit einer allfälligen substantiierten Mängelrüge ableiten, zumal die Beklagte diese Offerte der Klägerin nicht angenommen hat (dazu ausführlicher in Erwagung 8).
f) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Beklagte die von ihr bezüglich der ersten Lieferung geltend gemachten Mängel der Klägerin nicht rechtzeitig angezeigt hat, weshalb sie gemäss Art. 39 Abs. 1 WKR das Recht verloren hat, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen. Da die Klägerin als Verkäuferin keine Mängel im Sinne von Art. 40 WKR verschwiegen hat und die Beklagte auch nicht eine entschuldbare Unterlassung der verspäteten Rüge im Sinne von Art. 44 WKR geltend machen kann, ist die Klägerin berechtigt, sich auf die Verspätung der Mangelrüge zu berufen. Darauf hat sie auch nicht dadurch verzichtet, dass sie mit der Beklagten über allfällige Mängel verhandelt hat. Damit braucht nicht naher geprüft zu werden, wieviele der 1800 Damenjacken der ersten Lieferung tatsächlich überhaupt Mängel aufwiesen und um was für Mängel es sich dabei gehandelt hat. Wieviel Jacken der ersten Lieferung sich im Lager in Antwerpen befinden, ist im übrigen selbst aufgrund der Angaben der Beklagten unklar, da offenbar ein Teil der Jacken inzwischen verschwunden ist (vgl. act. 100 S. 2).
5. a) Die Beklagte erhielt nach Mitte Dezember 1992 eine zweite Lieferung von 1800 Damenjacken. Auch diese sollen teilweise nicht vertragsgemäss hergestellt worden sein. Wie bereits vorstehend erwähnt wurde (Erwägung 4b, bb), hat die Beklagte es auch bezüglich dieser zweiten Lieferung jedoch versäumt, rechtzeitig eine Mängelrüge zu erheben. Ihre Mängelrüge vom 26. Januar 1993 ist nicht nur für die erste, sondern auch für die zweite Lieferung zu spät erfolgt, weshalb die Beklagte sich gemäss Art. 39 Abs. 1 WKR nicht mehr auf Mängel berufen kann. Die dazu zur ersten Lieferung angestellten Erwägungen gelten auch für die zweite. Es kann daher vollumfänglich auf die vorstehende Ziffer 4 verwiesen werden. Einzig auf den Einwand der Beklagten, bei den Damenjacken der zweiten Lieferung handle es sich auch um eine Falschlieferung, da sie eine andere Artikelnummer hatten, als vertraglich vereinbart worden sei, ist nachstehend noch gesondert einzugehen.
b) Das Wiener Kaufrecht unterscheidet nicht wie das schweizerische OR zwischen Schlechterfüllung (Gewährleistung) und Falschlieferung bzw. Nichterfüllung (vgl. etwa Honsell, Schweiz. Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3. A. Bern 1995, S. 99 f. und S. 128 f.).
aa) Nach Art. 35 Abs. 1 WKR haftet der Verkäufer dafür, dass die Ware vertragsgemäss ist. Besondere Vereinbarung vorbehalten, muss die Ware gemäss Art. 35 Abs. 2 WKR durchschnittliche Qualität aufweisen oder für einen bestimmten ausbedungenen Zweck geeignet sein, oder sie muss einer Probe oder einem Muster entsprechen (Keller/Siehr, aaO, S. 191). Laut Kaufvertrag (vgl. act. 3/5) hatte die Klägerin der Beklagten folgende Lammfelljacken zu liefern:
- mit der Artikel-Nr. 0-1500 Damen-Lammfelljacken gemäss übergebenem Muster,
-mit der Artikel-Nr. M-1600 Herren-Lammfelljacken gemäss übergebenem Muster.
bb) Die Klägerin anerkennt, dass die zweite Lieferung vom Dezember 1992 1591 Damenjacken mit der Artikelnummer 9491 enthielt. Diese seien aber gleich wie die Jacken mit der Nr. 1500; zudem sei die Beklagte mit diesem Vorgehen einverstanden gewesen. Sie anerkennt also, nicht vertragsgemäss geliefert zu haben und macht ausserdem sinngemäss eine Vertragsänderung geltend.
Nach dem WKR wäre die Beklagte auch für die von ihr behauptete Falschlieferung grundsätzlich rügepflichtig (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 39 N 4; von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 39 N 8). Bekanntlich hat die Beklagte nicht rechtzeitig Mängelrüge erhoben. Dies kann ihr jedoch deshalb nicht schaden, weil die Klägerin ja anerkennt, wissentlich Jacken mit einer falschen Artikelnummer geliefert zu haben, so dass ein Anwendungsfall von Art. 40 WKR vorliegt: Die Klägerin hat laut ihren Angaben zwar von dieser falschen Nummer vom Hersteller erst dann erfahren, als sie die Ware bereits bestellt gehabt habe, doch hätten ihr die Hersteller versichert, dass die Jacken mit der Artikelnummer 9491 den Jacken mit der Nr. 1500 gleichwertig seien (act. 17 S. 13 f.). Damit wusste aber die Klägerin bei der Lieferung der Jacken zweifellos, dass diese eine Artikelnummer trugen, die nicht dem Vertrag entsprach, Die Klägerin als Verkäuferin kann sich unter diesen Umstanden nach Art. 40 WKR nicht auf die Verspätung der Mangelrüge berufen (dazu vorstehend unter Erwägung 4 c aa).
Gelingt es der Klägerin, die von ihr behauptete Gleichwertigkeit der Jacken trotz unterschiedlicher Artikelnummer zu beweisen, so liegt keine Vertragsverletzung vor, da allein durch eine andere Artikelnummer der Gebrauchswert der Jacke nicht herabgesetzt wird, die Ware somit immer noch vertragsgemäss im Sinne von Art. 35 WKR ist. Dafür ist sie jedoch beweispflichtig; zumindest hat sie zu beweisen, dass die Beklagte die Ware mit der falschen Artikelnummer anstandslos entgegengenommen oder sich damit sogar einverstanden erklärt hat (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 35 N 9; vorn Erwägung 3b). Letzteres würde einer Vertragsänderung gleichkommen, welche nach Art. 29 Abs. 1 WKR jederzeit möglich ist,
cc) Das Beweisverfahren (vgl. dazu act. 36 Ziffer I. 1 a-d und Ziffer 2) hat bezüglich der Damenjacken mit der falschen Artikelnummer folgendes ergeben:
Der Zeuge B., welcher der Beklagten nahesteht (vgl. act. 73/3 S. 1 f.), hat glaubhaft erklärt (act. 73/3 S. 2 f.), die Damenjacken mit der falschen Artikelnummer seien grundsätzlich akzeptiert worden, doch habe man dafür eine Art „Vermittlungsprovision“ von US$ 10.000,‑ an die russischen Abnehmer leisten müssen. Vom russischen Abnehmer habe er dann die Genehmigung erhalten, die Jacken mit der Nr. 0515 zu liefern, tatsächlich seien aber Jacken mit der Nr. 9491 geliefert worden, doch sei er in seinem Schreiben vom 8. Februar 1993 (act. 81/1; vgl. act. 73/5 S. 2) davon ausgegangen, dass die Nr. 9491 identisch sei mit der Nr. 0515, weshalb er den Kunden entsprechend informiert und diese Vertragsänderung im erwähnten Schreiben akzeptiert habe. Die Russen seien also mit der Lieferung von Jacken mit der Nr. 9491 grundsätzlich einverstanden gewesen, nicht aber mit deren Qualität. Über diese Vertragsänderung habe er nach der Lieferung auch die Beklagte informiert (Firma R. im Protokoll steht fälschlicherweise „R.“ act. 73/3 S. 3, Zeile 10).
In diesem von B. unter seiner Firma „B.“ verfassten Schreiben vom 8. Februar 1993 an die L. nimmt er Bezug auf die telefonische Mitteilung der L., wonach die Damenlammfelljacken statt mit der Nr. 0-1500 mit der Nr. 9491 vom Hersteller gekennzeichnet wurden. Gleichzeitig bestätigt er, dass darüber der Kunde schriftlich informiert worden sei und dass diese Änderung Bestandteil des Vertrages geworden sei. Die Klägerin hat dieses Schreiben allerdings verspätet eingereicht (vgl. act. 80). Gestützt auf § 138 ZP0 und § 115 Ziffer 2 ZPO können Urkunden, die eine klare Rechtslage schaffen und zu keiner wesentlichen Prozessverzögerung führen, auch noch nachträglich eingereicht werden, selbst wenn den Säumigen an der Verspätung ein Verschulden trifft (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, aaO, § 115 N 8 und § 138 N 2). Um eine solche Urkunde handelt es sich beim erwähnten Brief. Er ist daher ohne weiteres verwertbar. Die Annahme der Beklagten (act. 91 S. 3 f.), beim erwähnten Schreiben handle es sich um ein anderes Geschäft zwischen der Klägerin und der Firma B. und die Beklagte habe von der neuen Artikelnummer entgegen dem Inhalt dieses Schreibens nie erfahren, wird durch die oben erwähnte Aussage von B. widerlegt. Seine Aussage relativiert auch seinen Fax vom 8.7.1993 an die Firma R., welche der Beklagten nahestand (so ausdrücklich der Zeuge B., vgl. act. 73/3 S. 1), in welchem er erklärte, man habe statt der Artikelnummer 1500 die Nr. 0515, nie aber die Nr. 9491 vereinbart (act. 92/2). Im übrigen hat gerade auch die Beklagte im Zusammenhang mit der Interpretation des vorliegenden Schreibens (act. 81 und act. 92/1 und 2) B. als Zeugen angerufen (act. 91), weshalb erst recht auf seine durchaus glaubwürdigen Erklärungen abgestellt werden kann. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der Aussage von B. und dem erwähnten Schreiben klar ergibt, dass B. offenbar auch berechtigt gewesen ist, als Vertreter der Beklagten – ähnlich wie die L. für die Klägerin – aufzutreten. Zumindest dürfte eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht vorgelegen haben (vgl. dazu vorstehend Erwägung 3a und Watter, aaO, N 16 zu Art. 33 OR). Darauf deuten auch klar die Aussagen der Zeugin Z. (Prot. S. 75 f.), der Zeugin L. (Prot. S. 46, 48) und des Zeugen S. (Prot. S. 60) hin. Die Beklagte hat zudem eine solche Bevollmächtigung von B. nie bestritten (vgl. act. 91 und act. 132).
Aufgrund der Aussagen des Zeugen B. und seines Schreibens an die L. AG (act. 81/1) darf also nach Treu und Glauben angenommen werden, dass nachträglich eine Vertragsänderung in dem Sinne stattgefunden hat, dass anstelle der Damenjacken mit der Nr. 1500 solche mit der Nr. 9491 akzeptiert worden sind, wobei die Qualität der Jacken grundsätzlich gleich zu sein hatte. Diese Annahme wird noch dadurch bestärkt, dass ja die Beklagte in der bereits erwähnten Mängelrüge vom 26. Januar 1993 (act. 3/13), welche sich auch auf die zweite Lieferung mit der Artikelnummer 9491 bezieht (vgl. vorne Erwägung 4b aa), die angeblich falsche Artikelnummer überhaupt nicht beanstandet hat. Aufgrund dieses Beweisresultates braucht daher vorliegend nicht weiter geprüft zu werden, ob die Qualität der Jacken mit der anderen Artikelnummer tatsachlich der im ursprünglichen Vertrag vereinbarten Qualität entsprach. Denn die Frage nach der Qualität deckt sich mit der Frage, ob die Jacken Mängel aufweisen; diesbezüglich aber gelten die vorstehenden Erwägungen betreffend verspäteter Mängelrüge (unter a).
Eine solche Vertragsänderung wird auch von den drei der Klägerin nahe stehenden Zeugen bestätigt, nämlich von der damaligen Direktorin der Klägerin und heutigen Geschäftsführerin der Firma L., der Zeugin L. (Prot. S. 45-49), dem damaligen Geschäftsführer der L., dem Zeugen S. (Prot. S. 58-61), der Sekretärin von Frau L., der Zeugin Z. (Prot. S. 74-77). Die von den Parteien zu diesem Fragekreis als Beweismittel angeführten übrigen Urkunden (act. 42 S. 2 f. und act. 40 S. 1 f.) bestätigen im wesentlichen die Aussagen der Zeugen. Die erste schriftliche und ausdrückliche Beanstandung der Artikel-Nr. 9491 durch die Beklagte datiert erst vom 30. Juni 1993 (act. 3/22). Die Vertragsänderung aber hat nach dem soeben Gesagten bereits erheblich früher stattgefunden, weshalb die Beklagte aus diesem Schreiben nichts mehr zu ihren Gunsten ableiten kann. Als Mangelrüge ist dieses Schreiben zudem fraglos verspätet.
6. Eine dritte Lieferung von 1530 Damen-Lammfelljacken erfolgte Ende Januar 1993 ins Lager der Firma „R.“ in B. (Weissrussland). Ebenfalls im Januar 1993 erhielt die Beklagte eine vierte und letzte Lieferung von 1458 Herren-Lammfelljacken an den gleichen Ort. Die Jacken dieser beiden Lieferungen sind nach Ansicht der Beklagten ebenfalls mangelhaft, was zu weiteren Reklamationen gegenüber der Klägerin führte. Die rechtliche Bedeutung dieser Reklamationen ist ebenfalls aufgrund der Bestimmungen des WKR näher zu klären.
a) Vorerst fragt sich, ob die Beklagte nach den ersten beiden Lieferungen einen Lieferungsstopp angeordnet hat. Mit Fax vom 26. Januar 1993 (act. 3/13) verlangte sie nämlich die Einstellung weiterer Lieferungen von Damenjacken und ersuchte die Klägerin, Herrenjacken nur noch bis zum 31. Januar 1993 auszuliefern. Die Klägerin lieferte der Beklagten jedoch bereits am 21. Januar 1993 weitere 1530 Damenjacken (act. 3/11 und 9/6) und am 26. Januar 1993 noch 1458 Herrenjacken (act. 3/12 und act. 9/6). Diese Daten werden von der Beklagten nicht bestritten (act. 8 S. 5, 10, act. 21 S. 9). Da die Lieferung 3 auf jeden Fall noch vor dem Fax vom 26. Januar 1993 erfolgte und die vierte Lieferung Herrenjacken enthielt, welche dic Beklagte noch bis Ende Januar 1993 entgegennehmen wollte, kann die Beklagte aus ihrem Fax nichts zu ihren Gunsten ableiten. Vielmehr steht fest, dass im Zeitpunkt des Versands der beiden Lieferungen ein Lieferungsstopp der Beklagten für diese Sendungen nicht vorlag.
Im übrigen ist ein solcher Lieferungsstopp für zukünftige Lieferungen beim Sukzessivlieferungsvertrag nicht ohne weiteres möglich. Art. 73 Abs. 2 WKR sieht nämlich nicht einen solchen Stopp, sondern einzig die (einseitige) Vertragsaufhebung für die Zukunft vor, falls die Nichterfüllung einer eine Teillieferung betreffenden Pflicht durch eine der Parteien der anderen Partei triftigen Grund zu der Annahme gibt, dass eine wesentliche Vertragsverletzung in bezug auf künftige Teillieferungen zu erwarten ist. Ergänzend ist auch noch auf Art. 49 WKR hinzuweisen, welche Bestimmung eine Vertragsaufhebung ebenfalls nur bei einer wesentlichen Vertragsverletzung vorsieht.
b) Auch für diese Lieferungen stellt sich die Frage, ob die Beklagte ihre Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten erfüllt hat. Sie erhielt die Lieferungen Ende Januar 1993. Die am 17. Februar 1993 per Fax der Klägerin zugestellte Mangelrüge (act. 3/14) enthält lediglich folgenden Hinweis: „Heute erhalten wir nunmehr eine weitere Reklamation bezüglich schlechter Qualität nicht konformer Modelle etc.“ Weitere Einzelheiten werden auf später versprochen. Damit hat die Beklagte aber eine ungenügend substantiierte Mängelrüge erhoben (vgl. dazu vorn Erwägung 4a dd). Sie verliert dadurch nach Art. 39 Abs. 1 WKR das Recht, diese Mängel geltend zu machen. Im übrigen hat die Beklagte auch später keine substantiierte Mängelrüge erhoben; selbst in ihrem Schreiben vom 30. Juni 1993 verlangt sie bloss die Rücknahme der Lieferung 3 und 4 (act. 3/22). Sie hat auch stets zugegeben, dass diese Lieferungen im Lager der Firma „R.“ in B. (Weissrussland) angekommen sind. (vgl. etwa act. 21 S. 9). Es ist deshalb unzutreffend oder zumindest missverständlich, wenn die Beklagte behauptet, sie habe diese Jacken nie übernommen, da sie nicht den vertraglichen Bestimmungen entsprochen hätten (act. 8 S. 10). Auf die Frage der Übernahme ist später (unter Erwägung 9) noch näher einzugehen.
c) Die Beklagte beruft sich allerdings auch für diese beiden Lieferungen auf Art. 40 WKR. Entsprechend hat sie auch hier nachzuweisen, dass die Klägerin von der Mangelhaftigkeit der Lieferung 3 und 4 im Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache wusste bzw. hatte wissen müssen (vgl. vorn Erwägung 4c aa). Auch darüber wurde ein Beweisverfahren durchgeführt (Ziff. 6 und 7 des Beweisauflagebeschlusses, act. 36 S. 3 f.), welches folgendes ergab:
Aus den von der Beklagten eingereichten Mängelprotokollen lässt sich auch für die dritte und vierte Lieferung überhaupt nicht ableiten, dass die Klägerin von den angeblichen Mängeln bereits bei der Übergabe der Ware gewusst hatte (9/15 und 9/16; act. 31/1-6 und Prot. S. 12). Das gleiche gilt für die von den Parteien untereinander geführte Korrespondenz (vgl. act. 9/3-12, act. 43/1-7; act. 3/5,6; act 3/11-21). Aus den Zeugenaussagen ergibt sich zudem klar, dass die Klägerin oder ihre Vertreterin, die Firma L. AG, die gelieferte Ware gar nie sah, da die Jacken vom Lieferanten der Klägerin direkt ins Lager der Beklagten in B. gesandt wurden, weshalb sie über Mängel nichts wissen konnte (Zeuge B., act. 73/3 S. 4, 5; Zeugin L. Prot. S. 51 f.; Zeuge S. Prot. S. 57 f., 68 f.; Zeugin Z. Prot. S. 76, 78 f.). Der zu dieser Frage von der Beklagten angerufene Zeuge K. konnte – wie erwähnt – nicht einvernommen werden. Einzig der Zeuge R., welcher der Beklagten nahe steht (vgl. dazu der Zeuge B. in act. 73/3 S. 1), behauptete, die Klägerin habe von Mängeln, die die Damenjacken der dritten Lieferung aufgewiesen hätten, Kenntnis gehabt (act. 76/8 S. 3). Er begründete aber diese Ansicht nicht weiter. Seine Aussage wirkt deshalb wenig überzeugend und steht zudem im Widerspruch zu sämtlichen anderen Zeugenaussagen, weshalb auf diesen Zeugen nicht abgestellt werden kann. Im übrigen kann er bezüglich der vierten Lieferung keine Aussagen machen (act. 76/8 S. 3). Die von der Beklagten ausserdem vorgeschlagene Expertise über die noch vorhandenen Jacken kann ebenfalls keinen Aufschluss über das Wissen der Klägerin bezüglich Mängel im Zeitpunkt der Lieferung der Jacken bringen. Somit ist aufgrund des Beweisverfahrens anzunehmen, dass die Klägerin auch die angeblichen Mängel an den Jacken der dritten und vierten Lieferung nicht gekannt hat. Aufgrund der vorliegenden Beweismittel kann auch nicht auf eine grobfahrlässige Unkenntnis der Klägerin geschlossen werden. Dies umso weniger, als ja die vierte Lieferung am 26. Januar 1993 erfolgte (act. 3/12 und 9/6) und die erste Besichtigung der früheren Lieferungen durch die von der Klägerin beauftragten Personen erst danach, nämlich Ende Januar 1993, stattfand (vgl. vorn Erwägung 4e bb und insbesondere act. 9/8, Fax vom 28.1.93). Damit findet Art. 40 WKR keine Anwendung, so dass die Klägerin sich auch für diese beiden Lieferungen auf die Verspätung der Mängelrüge berufen kann.
d) Aus dem Verhalten der Klägerin in der ersten Hälfte des Jahres 1993 kann auch nicht geschlossen werden, dass sie darauf verzichtet hatte, die Verspätung der Mängelrüge geltend zu machen. Es kann dazu auf die entsprechenden Erwägungen zur ersten Lieferung verwiesen werden (dazu vorn Ziffer 4e). Ebensowenig liegt ein Entschuldigungsgrund im Sinne von Art. 44 WKR vor; dies ergibt sich aus Erwägung 4d vorstehend.
7. a) Aufgrund des vorliegenden Beweisresultates steht somit fest, dass die Beklagte der Klägerin nicht rechtzeitig eine gehörige Mängelrüge im Sinne von Art. 39 Abs. 1 WKR hat zukommen lassen. Damit hat die Beklagte bezüglich sämtlicher der ihr von der Klägerin zugesandten Jacken das Recht verloren, sich auf die Vertragswidrigkeit der Jacken zu berufen bzw. die vertragswidrige Qualität zu bemängeln. Es braucht daher die Qualität der Jacken nicht weiter durch ein Gutachten oder einen gerichtlichen Augenschein abgeklärt zu werden.
Damit erübrigen sich aber auch weitere Ausführungen zur Frage, ob es sich bei den von der Beklagten dem Gericht eingereichten Lammfelljacken tatsächlich um diejenigen handelt, die die Klägerin der Beklagten aufgrund des Kaufvertrages vom 23. Oktober 1992 nach B. geliefert hat. Auch dies ist nämlich strittig, (vgl. act. 131 S. 4 ff. act. 118 S. 3), sogar bezüglich der eingereichten Musterjacke (act. 105 und 106, act. 131 S. 6). Selbst die anlässlich der Zeugeneinvernahmen in Zürich vorgelegten Jacken konnten von den Zeugen nicht identifiziert werden (vgl. Zeugin L. Prot. S. 51, Zeugin Z. S. 76 f.). Das gleiche Problem stellt sich zudem bei den restlichen noch vorhandenen nun in Antwerpen eingelagerten Jacken, welche sich offenbar zur Zeit in B. befinden (vgl. act. 127 S. 2; act. 131 S. 5). Dessen ist sich im übrigen auch die Beklagte bewusst, sollte doch vor allem der von ihr angerufene Zeuge K. die nach Antwerpen transportierten und die dem Gericht eingereichten Jacken (inkl. angebliche Musterjacke) identifizieren (vgl. act. 118 S. 3; act. 100 S. 2 f.). Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten nachträglich aufgestellte (act. 100 S. 3) und von der Klägerin bestrittene (act. 107) Behauptung, die Klägerin habe ein Muster mit der Artikelnummer 0-1500 bereits erhalten (act. 100 S. 3), ist verspätet, da die Beklagte weder substantiiert dargetan noch nachgewiesen hat, dass die Voraussetzungen von § 115 ZPO gegeben sind. Diese Behauptung ist daher nicht zu hören.
b) Kann sich die Beklagte somit nicht auf die von ihr geltend gemachten Mängel berufen, so braucht auch nicht weiter abgeklärt zu werden, wie schwerwiegend allfällige Mängel sind. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Klägerin keine Vertragsverletzung begangen hat. Damit ist auch auf die Rechtsbehelfe, welches das WKR dem Käufer bei Vertragsverletzungen des Verkäufers gewährt (vgl. Art. 45-52 WKR), nicht näher einzugehen. Es soll einzig noch darauf hingewiesen werden, dass nur eine wesentliche Vertragsverletzung es der Beklagten erlauben würde, die Ware zurückzugeben (vgl. Art. 49 Abs. 1 lit. a WKR und Art. 73 WKR), was also etwa heissen würde, dass die Lammfelljacken für die Bedürfnisse der russischen Kunden praktisch nicht brauchbar sein dürften (vgl. Beweissätze 5 und 8 des Beweisauflagebeschlusses, act. 36).
8. Die Beklagte leitet aus dem Fax der Klägerin vom 24. Juni 1993 (act. 3/21) ab, dass sich die Parteien auf eine Rücknahme der Ware geeinigt hätten (act. 8 S. 13 und act. 21 S. 11).
Wie soeben dargelegt wurde (Erwägung 7b), sind die Voraussetzungen für eine einseitige Vertragsaufhebung des Käufers wegen einer wesentlichen Vertragsverletzung durch den Verkäufer nicht gegeben. Die Beklagte kann daher die Ware nur dann zurückgeben, wenn auch die Klägerin mit einer Rücknahme einverstanden ist, was bezüglich der zurückzugebenden Ware auf eine Vertragsaufhebung hinauslaufen würde. Ein Vertrag kann nämlich auch nach dem WKR jederzeit nachträglich noch abgeändert oder aufgehoben werden (Art. 29 WKR). Gerade in solchen Fällen, in welchen die Parteien streiten, ob eine Vertragsverletzung vorliegt, ist regelmässig auch abzuklären, ob die Gegenpartei sich mit einer Vertragsaufhebung oder -änderung einverstanden erklärt hat (vgl. von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Art. 49 N 67).
Somit ist zu prüfen, ob sich ein solcher Aufhebungsvertrag aus dem bereits mehrfach erwähnten Fax vom 24. Juni 1993 (act. 3/21) ergibt. Darin schrieb die Klägerin an die Beklagte: „Da wir bis heute von Ihnen die Bezahlung unserer Dokumente nicht erhalten haben und wir von Ihnen auch keine schriftliche Reklamation erhalten haben, bitten wir Sie, uns die Ware unverzüglich zur Verfügung zu stellen.“ Da die Beklagte ja die Lammfelljacken der ersten beiden Lieferungen bereits bezahlt hatte, bezog sich somit dieser Fax auf die dritte und vierte Lieferung, für welche die Beklagte bloss eine Anzahlung von US$ 150.000,‑ geleistet hatte. Darauf unterbreitete die Beklagte mit Fax vom 30. Juni 1993 der Klägerin ein Angebot, welches auch die Rücknahme von 881 Damenjacken aus der ersten und 1591 aus der zweiten Lieferung verlangte: Gegen Überweisung eines Betrages von US$ 520.000,‑ werde sie 5460 Jacken „freistellen lassen“ (act. 3/22): Dieses Angebot der Beklagten lehnte die Klägerin mit Fax vom 1. Juli 1993 (act. 9/11) jedoch sofort ab und verdeutlichte gleichzeitig ihren Fax vom 24. Juni 1993, indem sie unter anderem schrieb: „Wir teilen Ihnen mit, dass die Ware der Banca della Svizzera L. gehört und diese verlangt die Zurverfügungstellung der nicht bezahlten 2000 Stück im Wert von US$ 300.000,‑.“ Auf diesen Fax antwortete die Beklagte mit Fax vom 6. Juli 1993 (act. 9/12). Darin ging sie auf die Rücknahme der nicht bezahlten Ware nicht näher ein, sondern wies vor allem darauf hin, dass sie ihre „Reklamationsansprüche“ der Klägerin rechtzeitig angemeldet habe. Schliesslich erklärte die Beklagte in ihrem Fax vom 16. Juli 1993 (act. 9/13) erneut, dass sie die Rücknahme von 5460 Jacken verlange und dafür den bereits entrichteten Kaufpreis von US$ 520.800,‑ zurückfordere. Diese Korrespondenz zeigt somit deutlich, dass sich die Parteien nicht auf eine gemeinsame Lösung einigen konnten und dass sie sich bezüglich der vorhandenen Mängel nach wie vor uneinig waren.
Für die Frage des Zustandekommens des Aufhebungs- bzw. Abänderungsvertrag gelten grundsätzlich die Art. 14 ff. des WKR analog (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 29 N 3). Das Wiener Kaufrecht regelt die Vertragsentstehung im wesentlichen gleich wie das schweizerische Obligationenrecht, indem Angebot und Annahme zum Vertragsschluss führen (vgl. Honsell, aaO, S. 125). Bedeutsam im vorliegenden Zusammenhang sind die Art. 18 und 19 WKR. Nach Art. 18 Abs. 1 WKR stellt Schweigen oder Untätigkeit allein noch keine Annahme dar. Ebensowenig liegt eine Annahme vor, wenn eine Antwort auf ein Angebot Ergänzungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen enthält. Es handelt sich dann vielmehr um ein Gegenangebot (Art. 19 Abs. 1 WKR). Aufgrund des vorstehend aufgezeigten Fax-Verkehrs ergibt sich, dass keine der Parteien ein Angebot der anderen je angenommen hat. Vielmehr blieben stets wesentliche Differenzen zwischen den Parteien bestehen, so dass auch nicht Art. 19 Abs. 2 WKR anwendbar ist, wonach bloss unwesentliche Änderungsvorschläge der Gegenpartei als Antwort auf ein Angebot zu einem Vertragsschluss führen können. Damit ist nie ein Vertrag auf Abänderung bzw. Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages zustande gekommen.
9. a) Die Beklagte behauptet, sie habe nur die beiden ersten Lieferungen vorbehaltlos angenommen. Dagegen habe sie die beiden weiteren Lieferungen nicht übernommen. Die entsprechenden Dokumente seien nämlich von der Bank der Beklagten, dem Schweiz. Bankverein, wegen verspäteter Lieferung und weiterer Unstimmigkeiten zurückgewiesen und nicht honoriert worden (act. 21 S. 3 f.). Demgegenüber ist nach Ansicht der Klägerin ohne Bedeutung, dass die dritte und vierte Lieferung nicht über das Akkreditiv bezahlt worden seien (act. 24 S. 3).
b) Nach dem schriftlich abgeschlossenen Kaufvertrag vom 23. Oktober 1992 (act. 3/5) hat die Klägerin die Lammfelljacken franko nach B. ins Lager der Firma R. zu liefern; die Zahlung soll durch die Beklagte durch Eröffnung eines unwiderruflichen Sichtakkreditivs erfolgen. Entsprechend liess die Beklagte beim damaligen Schweiz. Bankverein am 30. Oktober 1992 in Zürich ein Akkreditiv zugunsten der Klägerin bei deren Bank, der Banca della Svizzera Italiana in L. eröffnen (act. 3/6). Gemäss diesem von den Parteien vereinbarten Akkreditiv verpflichtete sich die Bank der Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises gegen Vorlage folgender Dokumente: Rechnungen, Spediteurenübernahmebescheinigung (ausweisend den unwiderruflichen Versand der Ware auf der Basis CIF B.), Ursprungszeugnis, neutrale Packlisten, handschriftlich unterschriebenes Qualitätszertifikat der T., dass die Ware den vertraglichen Vereinbarungen entspricht, Versicherungszertifikat. Es liegt also ein durchaus handelsübliches Dokumentenakkreditiv vor (vgl. dazu etwa D. Guggenheim, Die Verträge der schweizerischen Bankpraxis, Zürich 1986, S. 167 ff.; Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, Bern 1985 § 31, S. 394 ff.). Damit beeinflusst aber die Akkreditivklausel weder die Pflichten des Verkäufers zur Lieferung der Ware noch die Übertragung von Besitz und Eigentum der Ware an den Käufer (vgl. Guggenheim, aaO, S. 174; in diesem Sinne auch Meier-Hayoz/von der Crone, aaO, § 31 N 54 f.). Mit einem solchen Dokumentenakkreditiv kann der Käufer auch nicht verhindern, dass er allenfalls mangelhafte Ware erhält (vgl. Meier-Hayoz/von der Crone, aaO, § 31 N 21 f.). Das von den Parteien vereinbarte Akkreditiv beeinflusst also die Pflicht der Klägerin zur Lieferung der Ware gemäss Art. 20 WKR und die Pflicht der Beklagten zur Abnahme der Ware gemäss Art. 53 und 60 WKR grundsätzlich nicht. Auf diese Abnahmepflicht des Käufers ist nachfolgend noch naher einzugehen.
c) Art. 53 WKR verpflichtet den Käufer ausdrücklich, die Ware abzunehmen, und der Verkäufer kann diese Abnahme grundsätzlich auch durchsetzen (Art. 62 WKR). Die Abnahme der Ware besteht gemäss Art. 60 WKR darin, dass der Käufer für die körperliche Übernahme der Ware sorgt, die Lieferung entgegennimmt (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 53 N 9 und Art. 60 N 5).
Die Beklagte hat zweifellos auch die dritte und vierte Lieferung von Lammfelljacken übernommen, behauptete sie doch, die Ware liege in B. und die bisherigen Versuche, die mangelhafte Ware zu verkaufen, seien fehlgeschlagen (act. 21 S. 6 f., S. 9). Darauf weist auch die von der Beklagten in ihrem Fax vom 7. Mai 1993 ausdrücklich als Akontozahlung bezeichnete Zahlung von US$ 150.000,‑ für diese beiden Lieferungen hin (act. 3/16 und 3/18), auch wenn die Beklagte in ihrer Rechtsschrift diese Zahlung nachträglich als Vergleichsangebot hinstellen will (act. 28 S. 4 als Antwort zu act. 24 S. 6). Schliesslich ist auch noch auf die Zugabe der Beklagten hinzuweisen, wonach insgesamt nur noch 3243 Jacken (Prot. S. 16) und inzwischen sogar nur noch ca. 2350 Jacken vor allem mit der falschen Artikelnummer vorhanden seien (vgl. act. 100). Der Rest sei verschwunden (act. 100 S. 2) oder zum Verkauf nach M. gesandt worden (Prot. S. 16). Unter allen diesen Umständen kann also nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass die Beklagte die Jacken tatsächlich übernommen und vorerst in B. eingelagert hat.
Von der Abnahme (gleichbedeutend mit Annahme, vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 60 N 2) der Ware ist die Abnahme allfälliger Dokumente zu unterscheiden. Die Abnahme nach Art. 60 WKR bezieht sich grundsätzlich auch auf die Dokumente, welche der Verkäufer nach Art. 30 und 34 WKR zu übergeben hat oder welche zur Verfügung über die Ware berechtigen (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 60 N 7). Im übrigen ist der Käufer nach Art. 54 WKR verpflichtet, die Förmlichkeiten zu erfüllen, die für die Einlösung des Akkreditivs nötig sind (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 54 N 2-4; vgl. dazu auch Art. 58 WKR). Allfällige Probleme bei der Honorierung des Akkreditivs durch die Bank der Beklagten vermögen daher nichts an der Tatsache zu ändern, dass die Beklagte die Lammfelljacken der dritten und vierten Lieferung übernommen hat.
10. a) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beklagte der Klägerin den vertraglich vereinbarten Kaufpreis für die gelieferten Jacken schuldet. Der ausstehende Kaufpreis berechnet sich wie folgt:
- Die beiden ersten Lieferungen umfassten 3600 Jacken à 150,‑ US$. Bezahlt wurde der ganze Kaufpreis von 540.000,‑ US$.
- Die Lieferungen 3 und 4 umfassten noch 2988 Jacken à 150,‑ US$. Die Beklagte bezahlte dafür bisher bloss 150.000,‑ US$. Damit ist ein Betrag von US$ 298.200,‑ noch offen.
b) In der Replik formulierte die Klägerin ihr Rechtsbegehren neu und klagte nicht mehr CHF, sondern US$ ein (act. 17 S. 2, 3 f.).
Es ist unbestritten, dass die Jacken in US$ und nicht in CHF zu zahlen sind. Das führt zur Frage, wie solche in der Schweiz eingeklagten Fremdwährungsschulden im Arrestprosequierungsprozess zu behandeln sind. Zu diesem Problem enthält das WKR keine Regelung (vgl. Herber/Czerwenka, aaO, Art. 53 N 3 ff.); damit ist auf das schweizerische IPRG abzustellen. Nach Art. 147 Abs. 2 IPRG regelt das Schuldstatut die Frage, welche Währung geschuldet ist (vgl. Vischer in IPRG Kommentar, Zürich 1993, Art. 147 N 3). Dies führt vorliegend zur Anwendung des schweizerischen Obligationenrechts (vgl. vorn Erwägung 1 b). Nach Art. 84 Abs. 2 OR ist der Schuldner in der Regel berechtigt, eine Fremdwährungsschuld in der Landeswährung zu bezahlen. Dagegen steht dem Gläubiger nicht das Recht zu, die Erfüllung in Landeswährung zu verlangen, wenn eine ausländische Währung vereinbart worden ist (vgl. Weber, Kommentar zu Art. 68-96 OR, Bern 1963, Art. 84 N 348; Gauch/Schluep, Schweiz. OR, Allg. Teil, Band II, 6. A Zürich 1995, N 2343). Wohl aus diesem Grunde änderte die Klägerin ihr ursprüngliches Rechtsbegehren auf Zahlung in CHF in der Replik wieder auf Zahlung in US$ um. Indessen ergab sich bereits von Anfang an aus ihrer Klagebegründung, dass US$ geschuldet sind. Da auch Rechtsbegehren bekanntlich nach Treu und Glauben auszulegen sind (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, § 54 N 16 und § 100 N 15; § 107 N 6), ist die Neuformulierung des Rechtsbegehrens durch die Klägerin nicht als eigentliche Klageänderung, sondern nur als Verdeutlichung des ursprünglichen Rechtsbegehrens anzusehen und daher ohne weiteres zuzulassen.
Zudem war die Klägerin aufgrund von Art. 67 Abs. 1 Ziffer 3 SchKG (dazu nachfolgend unter c) verpflichtet, im Arrest- und Betreibungsverfahren ihre Forderung in CHF umzurechnen, was sie denn auch getan hat (act. 3/2 und 3/3). Aus der Sicht des Betreibungsrechtes war es daher nur folgerichtig, dass sie die im Zahlungsbefehl erwähnte Forderung im vorliegenden Arrestprosequierungsprozess nicht wieder in US$ umgerechnet hat (vgl. dazu auch vorn Erwägung 1a). Damit kann ihr nicht schaden, dass sie in ihrem ursprünglichen Rechtsbegehren keine US$ eingeklagt hat (vgl. Guldener, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. A. Zürich 1979, S. 149; Zürcher Handelsgericht in ZR 90/1991 Nr. 37).
c) Wie erwähnt verlangt Art. 67 Abs. 1 Ziffer 3 SchKG im Betreibungsverfahren eine Umwandlung von Fremdwährungsschulden in die Landeswährung. Diese Zwangsumrechnung bewirkt aber keine Novation der Schuld (Vgl. Vischer, aaO, Art. 147 N 21; Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweiz. Recht, Band I, Zürich 1984, S. 194 f.).
Damit ist die Beklagte auf Bezahlung eines bestimmten Betrages in US$ zu verpflichten und gleichzeitig ist in Schweizer Franken Rechtsöffnung zu erteilen (vgl. in diesem Sinne auch ZR 90/1991 Nr. 37 und Leu in Basler Kommentar zu Art. 1-529 OR, 2. A., Basel 1996, Art. 84 N 10). Mit dieser Rechtslage stimmt die von der Klägerin in der Replik vorgenommene Neuformulierung ihres Rechtsbegehrens überein.
d) Wie vorne unter lit. a ausgeführt, ist noch ein Kaufpreis von US$ 298.200,‑ offen. In Gutheissung der Klage und Wider-Widerklage ist die Beklagte somit zu verpflichten, der Klägerin diesen Betrag zu bezahlen. Im Umfang von CHF 300.000,‑ ist der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 93/3.830 des Betreibungsamtes Zürich 1 (Zahlungsbefehl vom 13. Oktober 1993) zu beseitigen.
11. Da die Beklagte die von ihr als mangelhaft beanstandeten Lammfelljacken nicht zurückgeben darf, kann sie auch nicht die Rückzahlung des für diese Jacken bereits bezahlten Kaufpreises verlangen. Ihre Widerklage in der Höhe von US$ 520.800,‑ ist daher abzuweisen. Im übrigen wäre sie laut ihren eigenen Angaben gar nicht mehr in der Lage, wie von ihr beantragt insgesamt 5460 Jacken gegen Rückerstattung des Kaufpreises zurückzugeben, da ja nur noch etwa 2350 Jacken vorhanden sein sollen (act. 100 S. 2).
12. Die Klägerin verlangt einen Verzugszins von 5 % ab 4. Mai 1993. Auch für diese Frage ist auf das WKR abzustellen. Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so wird nach Art. 58 Abs. 1 WKR in Verbindung mit Art. 59 WKR der Kaufpreis fällig, sobald dem Käufer „der Verkäufer entweder die Ware oder die Dokumente, die zur Verfügung darüber berechtigen, nach dem Vertrag und diesem Übereinkommen zur Verfügung gestellt hat“. Ab Fälligkeit tritt nach Art. 78 WKR die (Verzugs-) Zinspflicht ein (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 78 N 3). Eine Mahnung wie im schweizerischen Recht (Art. 102 OR) wird nicht verlangt.
In ihrem Kaufvertrag haben die Parteien vereinbart, dass die Zahlung durch Eröffnung eines unwiderruflichen Sichtakkreditivs erfolge (act. 3/5 S. 2; vgl. dazu vorn Erwägung 9 b). Damit hat der Käufer gegen Vorlage der Dokumente zu bezahlen (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 58 N 10). Die Parteien haben zur Frage der Fälligkeit des Kaufpreises und zur Frage des (Verzugs-) Zinses nichts näheres ausgeführt (vgl. insbesondere etwa act. 1 S. 11, act. 8 S. 12, act. 21 S. 3 f., act. 24 S. 7). Die Klägerin verlangt Zins ab 4. Mai 1993. Die Jacken und die Dokumente hat sie schon früher geliefert. Ihre Rechnungen stammen von Februar, ihre Mahnung vom 4. Mai 1993 (act. 3/11, 3/12 und 3/15). Hat also die Beklagte schon seit längerer Zeit die Jacken in Empfang genommen, so ist der Kaufpreis nach Art. 58 WKR zweifellos fällig, zumal die Beklagte sogar im Sinne von Art. 58 Abs. 3 WKR genügend Zeit hatte, die Jacken zu untersuchen. Dass wesentliche Dokumente im Sinne von Art. 58 WKR gefehlt hätten, die ein Hinausschieben der Zahlungszeit bewirkt hätten, hat die Beklagte im übrigen nicht behauptet. Damit ist auch die Zinspflicht ab 4. Mai 1993 zweifellos gegeben. Der Zinssatz bestimmt sich nach dem nationalen Recht (Herber/Czerwenka, aaO, Art. 78 N 6), und zwar nach dem Vertragsstatut, welches grundsätzlich umfassend zur Anwendung kommt (vgl. Keller/Girsberger, in IPRG Kommentar, Zürich 1993, vor Art. 123-126, N 1 und 2; Keller/Siehr, aaO S. 219), Art. 73 Abs. 1 OR legt allgemein und Art. 104 Abs. 1 OR legt für den Sonderfall des Verzuges den Zinsfuss auf 5 % fest. Der verlangte Zins ist daher auch in seiner Höhe ausgewiesen. Entsprechend ist auch für diesen Verzugszins der Rechtsvorschlag der Beklagten in der Betreibung (vgl. act. 3/3) zu beseitigen.