A. Am 14. Februar 1994 reichte die Firma B. S. p.A. beim Bezirksgericht Brig gegen A.F. eine Klage mit folgenden Rechtsbegehren ein:
„1. Herr A.F. bezahlt der Firma B. folgende Beträge:
– Fr. 1 ‘688.80 nebst Zins von 11 % ab 16. Januar 1993 – Fr. 4‘437.60 nebst Zins von 11 % ab 26. Februar 1993 – Fr. l‘056,‑– nebst Zins von 11 % ab 2. April 1993 – Fr. 1‘041.60 nebst Zins von 11 % ab 1. Mai 1993 – Fr. 2‘311.20 nebst Zins von 11 % ab 13. Juni 1993.
2. Der Rechtsvorschlag zum Zahlungsbefehl Nr. 9762 wird definitiv aufgehoben.
3. Herr A.F. bezahlt die Kosten von Verfahren und Entscheid.“
Die Klägerin erklärte, der Beklagte habe bei ihr verschiedentlich Möbel bezogen. Die entsprechenden Rechnungen seien unbestritten geblieben, jedoch trotz Mahnung nicht bezahlt worden.
B. Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 17. Februar 1994 zugestellt, unter Ansetzung einer Antwortfrist bis zum 20. März 1994.
Am 23. März 1994 räumte der Bezirksrichter dem Beklagten eine zweite Frist von zehn Tagen zur Klagebeantwortung an, verbunden mit der Androhung: „Sollten Sie auch von dieser neuen Frist keinen Gebrauch machen, wird das zuständige Gericht in Gemässheit der Art. 113 und 114 ZPO ein Säumnisurteil ausfällen.“ Die genannten Bestimmungen wurden im Wortlaut wiedergegeben.
C. Am 25. April 1994 sandte der Bezirksrichter die Akten ans Kantonsgericht, um die Säumnis des Beklagten zu überprüfen und gegebenenfalls ein Säumnisurteil zu erlassen.
Das Kantonsgericht stellt fest und zieht in Erwägung
1. a) Abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen erkennt das Kantonsgericht in erster Instanz über Rechtsstreitigkeiten, die mit Berufung ans Bundesgericht weitergezogen werden können (Art. 5 Abs. 1 ZPO), d.h. in vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten, wenn einerseits der Streitwert wenigstens Fr. 8‘OOO,‑– beträgt (Art. 46 OG) und andererseits Bundesrecht – zu dem auch die Kollisionsregeln des schweizerischen internationalen Privatrechts gehören (BGE 110 II 78 E. 2 mit Hinweisen) – oder ein vom Bund abgeschlossener völkerrechtlicher Vertrag zur Anwendung kommt (Art. 43 Abs. 1 OG; Poudret, N 1.2.3 zu Art. 43 OG). Vorliegend macht die Klägerin eine Forderung von insgesamt Fr. 10‘535.20 (nebst Zins) geltend, womit der Streitwert die Berufungssumme übersteigt. Da die Klägerin indessen ihren Sitz in Italien und der Beklagte seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, und es somit um ein internationales Rechtsverhältnis geht, ist weiter zu prüfen, nach welchem Recht die Sache zu beurteilen ist, denn die Berufung ans Bundesgericht ist gegen ein Urteil eines schweizerischen Gerichts, das ausländisches Recht anwendet, nicht gegeben, ausgenommen bei nicht vermögensrechtlichen Zivilstreitigkeiten (Art. 43 Abs. 1, Art. 43a Abs. 2 OG; Poudret, N 1.6.5 zu Art. 43 OG).
b) Die Klägerin verlangt vom Beklagten den Kaufpreis für die ihm in der Schweiz verschiedentlich ab Dezember 1992 gelieferten Möbel, wobei diese laut Akten nicht zum persönlichen Gebrauch bestimmt waren. Es handelt sich zweifellos um ein Vertragsverhältnis, und zwar um einen oder mehrere Fahrniskaufverträge, deren Zustandekommen im Rahmen dieses Verfahrens angenommen werden kann. Anhaltspunkte, wonach die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung oder Rechtswahlabrede getroffen hätten, fehlen.
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf („Wiener Kaufrecht“) vom 11. April 1980 ist – vorbehältlich anderer Abrede (Art. 6) – gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind (Art. 1 Abs. 1 lit. a). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, denn einerseits haben die Parteien – wie ausgeführt – ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten und andererseits ist für Italien das Übereinkommen am 1. Januar 1988 und für die Schweiz am 3. März 1991 in Kraft getreten, so dass für sie im Bereich des internationalen Warenkaufs ein einheitliches materielles Recht gilt. Auch in sachlicher Hinsicht (vgl. Art. 2) sind die Voraussetzungen gegeben und Abreden, wonach die Parteien einen Ausschluss des Übereinkommens verabredet hätten (Art. 6), fehlen. Der vorliegende Kaufvertrag ist mithin nach dein Wiener Kaufrecht (WKR) zu beurteilen. Dieses Übereinkommen ist indessen entgegen der in ZWR 1993 S. 280 E. 2b vertreten Ansicht autonom (Neumeyer/Ming, CEDIDAC, S. 42) und nicht als innerstaatliches Recht jenes Landes anwendbar, das die Kollisionsregeln bezeichnen. Demnach kann eine Verletzung dieses Konventionsrechts mit Berufung ans Bundesgericht gerügt werden, womit auch unter diesem Gesichtspunkt die erstinstanzliche Zuständigkeit des Kantonsgerichtes vorliegend gegeben ist. Das Kantonsgericht hat folglich auch darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen zur Ausfällung eines Säumnisurteils erfüllt sind (ZWR 1984 S. 101 E. 3).
2. a) Gemäss Art. 113 ZPO geht eine Partei säumig, wenn sie binnen der beiden gesetzeskonform angesetzten Fristen eine Rechtsverkehr nicht erstattet oder eine andere prozessuale Verpflichtung nicht erfüllt. Eine solche Rechtsverkehr, deren Unterlassung die Folgen des Art. 114 ZPO nach sich zieht, ist die Beantwortung der Klage (ZWR 1990 S. 108 E. 2a). Im vorliegenden Fall hatte der Bezirksrichter dem Beklagten die Fristen zur Klagebeantwortung gesetzeskonform angesetzt, unter korrektem Hinweis auf die Säumnisfolgen. Dennoch reichte der Beklagte innert dieser Fristen keine Antwort ein. Er hat auch keine Entschuldigungsgründe im Sinne des Art. 120 ZPO vorgebracht, so dass er als säumig zu betrachten und gegen ihn ein Säumnisurteil auszufällen ist (Art. 114 Abs. 2 ZPO).
b) Gemäss Art. 114 Abs. 3 ZPO sollen der nichtsäumigen Partei ihre Begehren zugesprochen werden, sofern diese nach den Akten nicht als offenbar ungerechtfertigt erscheinen. Diese Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Kantonsgerichts im Zusammenhang mit Art. 115 Abs. 2 ZPO zu sehen, wonach die von der erscheinenden (nichtsäumigen) Partei angebrachten Tatsachen als richtig anerkannt, die von der ausbleibenden (säumigen) Partei jedoch nur insoweit angenommen werden, als sie erwiesen sind (Satz 2). Der massgebliche Sachverhalt ist mithin den Tatsachenbehauptungen der nichtsäumigen Partei zu entnehmen, soweit sich aus den Akten nicht der Beweis des Gegenteils ergibt. Den Begehren der nichtsäumigen Partei darf aber nur insofern entsprochen werden, als sie aufgrund des festgestellten Sachverhalts im anwendbaren Recht ihre Begründung finden (ZWR 1992 S. 205 E. 1c mit Hinweisen).
3. a) Nach den klägerischen Tatsachenbehauptungen und den vorhandenen Akten liegt folgender Sachverhalt vor:
Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestanden Geschäftsbeziehungen. Der Beklagte bestellte mehrmals bei der Klägerin Möbel. Die entsprechenden Waren wurden wie folgt in Rechnung gestellt:
Datum 16. 12. 1992 Rechnung Nr. 11369 Betrag Fr. l‘688.80 Datum 26. 1. 1993 Rechnung Nr. 493 Betrag Fr. 4‘437.60 Datum 2. 3. 1993 Rechnung Nr. 1445 Betrag Fr. 1‘056,‑Datum 31. 3. 1993 Rechnung Nr. 2269 Betrag Fr. 1041,‑Datum 13. 5. 1993 Rechnung Nr. 3767 Betrag Fr. 2‘311.20 Total Fr. 10‘535.20
Auf der jeweiligen Rechnung war als Zahlungskondition vermerkt: „15 Tage 3 % Sk./130 Tage netto“. Trotz Mahnung von seiten der Klägerin wurden jedoch die Rechnungen nicht bezahlt. Auf Verlangen sandte die Klägerin dem Beklagten am 14. Oktober 1993 einen Auszug der Rechnungen mit einer Verzugszinsrechnung. Eine Zahlung erfolgte indessen nicht. Am 5. November 1993 wurde der Beklagte für den obgenannten Betrag betrieben. Gegen den Zahlungsbefehl Nr. 9762 des Betreibungsamtes des Bezirkes Brig vom 5./9. November 1993 erhob der Beklagte Rechtsvorschlag.
b) aa.) Nach Art. 30 WKR wird durch den Kaufvertrag der Verkäufer verpflichtet, die Ware vertragsgemäss (Art. 35 Abs. 1 WKR) zu liefern, die sie betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen, und nach Art. 53 WKR der Käufer, den Kaufpreis zu bezahlen und die Ware anzunehmen, wobei Art. 58 WKR die Vermutung für die Zug- um- Zug Leistung statuiert. Ist der Zeitpunkt der Zahlung nach Art. 58 festgestellt oder durch den Vertrag festgelegt, so bedarf es gemäss Art. 59 WKR keiner weiteren Zahlungsaufforderung, womit nicht bloss Fälligkeit, sondern auch Verzugseintritt gemeint ist, da damit iSv Art. 74 und 78 WKR Verzugszinsen und Schadenersatz für Verspätung verfallen (Bucher, Berner Tage für die juristische Praxis 1990, S. 34 und Wiegand, S. 156).
Im vorliegenden Säumnisverfahren ist anzunehmen, dass die von der Klägerin dem Beklagten in Rechnung gestellten Waren vom Beklagten bestellt und von der Klägerin geliefert worden sind und dass die Sachen fehlerfrei waren. Die Berechnung des Kaufpreises der gelieferten Waren kann in diesem Verfahren als unbestritten gelten, nachdem der Beklagte diesbezüglich nie irgendwelche Einwände erhoben hat. Der eingeklagte Betrag von insgesamt Fr. 10‘535.20 ist demnach vom Beklagten geschuldet. Indem auf der jeweiligen Rechnung die Zahlungskondition „30 Tage netto“ vermerkt ist, darf im Rahmen dieses Verfahrens angenommen werden, dass die Parteien eine entsprechende Fälligkeitsabrede getroffen haben, so dass der Beklagte nach Ablauf dieser Frist für den geschuldeten Rechnungsbetrag in Verzug geriet und somit Verzugszinsen zu leisten hat. Demnach sind Verzugszinsen wie folgt geschuldet: auf Fr. l‘688.80 ab 16. Januar 1993, auf Fr. 4‘437.60 ab 26. Februar 1993, auf Fr. 1056,‑– ab 2. April 1993, auf Fr. l‘041,‑– ab 1. Mai 1993 und auf Fr. 2‘31l.20 ab 13. Juni 1993.
bb) Art. 78 WKR regelt die Verzugszinshöhe nicht, weshalb hierfür das nach den Kollisionsregeln anzuwendende Recht massgebend ist (Art. 7 Abs. 2 WKR; Hermann, Berner Tage für die juristische Praxis 1990 S. 98 und Weber S. 208).
Nach Art. 117 IPRG untersteht bei Fehlen einer Rechtswahlabrede der Vertrag dem Recht jenes Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt (Abs. 1), wobei vermutet wird, die engste Beziehung bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Vertragsleistung erbringen soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder, wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, in dem sich ihre Niederlassung befindet (Abs. 2). Bei Veräusserungsverträgen ist die charakteristische Leistung jene des Veräusserers (Abs. 3 lit. a). Mit Bezug auf Veräusserungsverträge ist zu beachten, dass Art. 118 IPRG für den Kauf beweglicher körperlicher Sachen auf das Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen anzuwendende Recht vom 15. Juni 1955, für die Schweiz in Kraft getreten am 27. Oktober 1972, verweist, das unter Verzicht auf jegliche Gegenseitigkeit immer dann zur Anwendung kommt, wenn der Gerichtsstandsstaat ein Vertragsstaat ist (Keller/Kren Kostkiewicz, IPRG Kommentar, N. 5 zu Art. 118 IPRG). Nach Art. 3 Abs. 1 dieses Übereinkommens untersteht bei fehlender Rechtswahl der Kaufvertrag dem innerstaatlichen Recht des Landes, in dem der Verkäufer zu dem Zeitpunkt, an dem er die Bestellung empfängt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Geschäftssitz hat. Das Haager Abkommen sieht allerdings in Art. 3 Abs. 2 eine Ausnahme zugunsten des Käuferrechts vor, wenn die Bestellung vom Verkäufer oder seinem Vertreter, Agenten oder Handelsreisenden im Land des Käufers entgegengenommen wurde.
Nach diesen Kollisionsregeln ist mithin hinsichtlich der Verzugszinshöhe das italienische Recht massgebend. Die charakteristische Leistung, die Lieferung von Möbel, ist jene der Klägerin, die ihren Sitz in Italien hat, und da die Umstände der Bestellungen nicht aktenkundig sind, ist auf ihren Geschäftssitz abzustellen. Gemäss Art. 1284 des italienischen Zivilgesetzbuches beträgt der gesetzliche Zinssatz 10 %. Zinsen, die diese Höhe übersteigen, müssen schriftlich bestimmt werden. Eine solche Abrede ist vorliegend nicht behauptet worden und auch nicht aktenkundig, weshalb der geschuldete Betrag zum gesetzlichen Satz von 10 % zu verzinsen ist.
4. Der vom Beklagten in der Betreibung Nr. 9762 des Betreibungsamtes des Bezirkes Brig erhobene Rechtsvorschlag kann für den Betrag von insgesamt Fr. 10‘535.20 nebst festgehaltenem Zins aufgehoben werden (BGE 107 III 65).
5. Bei diesem Ausgang rechtfertigt es sich, die Prozesskosten dem Beklagten aufzuerlegen (Art. 302 ZPO).
Demnach wird erkannt:
1. A.F. bezahlt der Firma B. folgende Beträge: – Fr. 1'688.80 nebst Zins von 10 % ab 16. Januar 1993 – Fr. 4'437.60 nebst Zins von 10 % ab 26. Februar 1993 – Fr. 1'056,‑nebst Zins von 10 % ab 2. April 1993 – Fr. 1'041.60 nebst Zins von 10 % ab 1. Mai 1993 – Fr. 2'311.20 nebst Zins von 10 % ab 13. Juni 1993.
2. Der vom Schuldner in der Betreibung Nr. 9762 des Betreibungsamtes des Bezirkes Brig erhobene Rechtsvorschlag wird für die unter Ziffer 1 hievor festgehaltenen Beträge nebst Zins von 10 % ab jeweiligem Datum aufgehoben.