1. Am 13. Oktober 2000 schlossen die Klägerin und Widerbeklagte (nachfolgend „Klägerin“ genannt) als Verkäuferin und die Beklagte und Widerklägerin (nachfolgend „Beklagte“ genannt) als Käuferin einen Kaufvertrag ab über 1000 mt MTBE zum Festpreis von US$ 386,‑/mt, wobei sich die Beklagte verpflichtete, die Ware bis spätestens Ende November 2000 zu übernehmen (KB 4 – 6). In der Folge verweigerte die Beklagte die Abnahme der Ware unter Hinweis auf behauptete, von der Klägerin aber bestrittene Gegenforderungen (KB 7). Nach Ablauf einer Nachfrist erklärte die Klägerin den Vertragsrücktritt (KB 15) und verkaufte die Ware an die E.B.V. (KB 22 – 28).
2. Mit Eingabe vom 27. April 2001 an das Kantonsgericht Zug reichte die Klägerin gegen die Beklagte eine Forderungsklage über US$ 46.814,94,‑ zuzüglich Akzessorien ein und machte zur Begründung im Wesentlichen geltend, aus der Vertragsverletzung der Beklagten habe sich für die Klägerin – nach Abzug einer Teilzahlung der Beklagten von US$ 1.671,67,‑ein Schaden von US$ 46.814,94,‑ ergeben.
3. In der Klageantwort und Widerklage vom 10. September 2001 stellte die Beklagte die eingangs erwähnten Anträge und begründete diese im Wesentlichen folgendermassen:
3.1 Der von der Klägerin geltend gemachte Schadenersatz sei nicht substanziiert.
3.2 Die Beklagte mache Verrechnung mit Gegenansprüchen geltend. Soweit und in dem Ausmass, als die klägerische Einwendung des fehlenden Verrechnungsrechtes standhalte, mache die Beklagte ihre Gegenansprüche widerklageweise geltend.
3.3 Mit Vertrag vom 31. Juli 2000 habe die Beklagte von der Klägerin 10.000 mt Metanol, fob Constanza, gekauft. Bei der Beladung des Schiffes in Constanza sei es zu einer Überliegezeit von 74.233 h gekommen. Der Beklagten sei deswegen vom Schiffseigner ein Betrag von US$ 36.188,75,‑ in Rechnung gestellt worden. Die Klägerin habe der Beklagten diese „Demurrage“ zu ersetzen, da sie die vereinbarte Ladedauer überschritten habe.
3.4 Im Zusammenhang mit dem gleichen Vertrag habe die Klägerin die Beklagte angewiesen, einen von der Klägerin nominierten Agenten vor Ort in Constanza zu beauftragen, statt den üblicherweise vom Schiffseigentümer beigezogenen Agenten. Die Beklagte habe dieser Beauftragung nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die Klägerin ihr die Mehrkosten ersetzen würde. Diese beliefen sich auf US$ 9.000,‑.
3.5 Aufgrund eines weiteren zwischen den Parteien vereinbarten Kaufs von ca. 4000 mt Metanol ex Hafen Rotterdam resultiere eine weitere „Demurrage“-Forderung der Beklagten in der Höhe von US$ 19.253,33,-.
4. in der Replik und Widerklageantwort vom 26. November 2001 widersetzte sich die Klägerin der Widerklage und führte zur Begründung im Wesentlichen Folgendes aus:
4.1 Es sei offensichtlich das Ansinnen der Parteien gewesen, die Forderungen aus den einzelnen Lieferungen unabhängig voneinander zu betrachten. Zu gross sei sonst die Gefahr, dass durch die Geltendmachung von haarsträubenden Forderungen die Durchsetzung einer berechtigten Forderung erschwert oder verzögert werde. Aus diesem Grund sei von den Parteien nicht nur die verrechnungsweise Geltendmachung, sondern auch die Geltendmachung von Gegenforderungen durch Widerklage wegbedungen worden.
4.2 Die Widerklage sei demnach unzulässig. Zudem seien die Gegenforderungen unsubstanziiert vorgebracht worden.
5. In der Duplik und Widerklagereplik vom 30. Januar 2002 und Widerklageduplik vom 15. April 2002 beharrten die Parteien auf ihren Standpunkten.
6. Mit Referentenverfügung vom 27. Mai 2002 wurde der Prozess auf den Gegenstand der Klage und den klägerischen Antrag, auf die Widerklage sei nicht einzutreten, beschränkt.
7. An der Hauptverhandlung vom 24. Oktober 2002 modifizierte die Klägerin ihr Rechtsbegehren im eingangs erwähnten Sinne. Die Beklagte hielt an ihren Anträgen fest.
Erwägungen:
1. Die Klägerin ist in Deutschland domiziliert, die Beklagte in der Schweiz. Es liegt mithin ein internationaler Sachverhalt im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IPRG vor. Gemäss Art. 1 Abs. 2 IPRG sind völkerrechtliche Verträge vorbehalten. Gemäss Art. 2 Abs. 1 LugÜ iVm § 9 Abs. 1 GOG ist das Kantonsgericht für die Beurteilung des vorliegenden Falles zuständig. Die eingeklagten Ansprüche basieren auf einem Kaufvertrag. Anwendbar ist somit das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf, das sogenannte „Wiener Kaufrecht“ (WKR).
2. Der Prozess wurde auf den Gegenstand der Klage und den klägerischen Antrag, auf die Widerklage sei nicht einzutreten, beschränkt. Daher ist die Widerklage zumindest zur Zeit materiell nicht zu beurteilen.
3. Am 13. Oktober 2000 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über 1'000 mt MTBE zum Preis von US$ 386,‑/mt ab, wobei sich die Beklagte als Käuferin verpflichtete, die Ware bis spätestens Ende November 2000 zu übernehmen (KB 4 – 6). Mit Schreiben vom 30. November 2000 (KB 11) hat die Klägerin der Beklagten eine Nachfrist bis zum 5. Dezember 2000 angesetzt. Die Beklagte hat unbestrittenermassen die Ware innert Frist nicht übernommen. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2000 ist die Klägerin vom Vertrag zurückgetreten (KB 15).
3.1 Erfüllt der Käufer eine seiner Pflichten nach dem Vertrag nicht, so kann der Verkäufer die Aufhebung des Vertrages erklären, wenn die Nichterfüllung einer dem Käufer nach dem Vertrag obliegenden Pflicht eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt, und Schadenersatz verlangen (Art. 61 Abs. 1 iVm Art. 64 Abs. 1 lit. a WKR). Als Schadenersatz für die durch eine Partei begangene Vertragsverletzung ist der der andern Partei infolge der Vertragsverletzung entstandene Verlust, einschliesslich des entgangenen Gewinns, zu ersetzen (Art. 74 WKR). Ist der Vertrag aufgehoben und hat der Verkäufer einen Deckungsverkauf in angemessener Weise und innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nach der Aufhebung vorgenommen, so kann der Verkäufer den Unterschied zwischen dem im Vertrag vereinbarten Preis und dem Preis des Deckungsverkaufes sowie jeden weiteren Schadenersatz nach Art. 74 verlangen (Art. 75 WKR).
3.2 Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die gekaufte Ware nicht abgenommen und damit eine wesentliche Vertragsverletzung begangen. Die Klägerin ist vom Vertrag zurückgetreten und hat die Ware an die E.B.V. verkauft. Die Klägerin ist daher berechtigt, von der Beklagten Schadenersatz zu verlangen. Dieser Schaden besteht in der Differenz zwischen dem im Vertrag mit der Beklagten vereinbarten Preis und dem im Vertrag mit der E.B.V. vereinbarten Preis. Die von der Klägerin geltend gemachte Schadenersatzforderung berechnet sich somit wie folgt (vgl. KB 22 – 28):
Menge 951.190 t Erlös $320.360,79,‑ Kosten Fracht $1.688,06,‑ Erlös netto $318.672,73,‑ f.o.b. Rotterdam Somit beträgt die Forderung:
Vereinbarter Kaufpreis (US$ 386.00/t) $367'159.34 f.o.b. Rotterdam ./. Nettoerlös $318.672,73,‑ ./. Zahlung vom 08.12.2000 $1.671,67,‑ Saldo zugunsten R.GmbH $46.814,94,‑
3.3 Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe seit dem 27. November 2000 gewusst, dass die Beklagte die gekaufte Ware nicht abnehmen würde. Hätte die Klägerin umgehend einen Weiterverkauf vorgenommen und nicht noch fast zwei Wochen zugewartet, so hätte sie einen wesentlich höheren Kaufpreis erzielt, nämlich US$ 354,50,‑ pro Tonne. Der Schaden hätte lediglich US$ 29.974,45,‑ betragen.
Dieser Einwand ist unbehelflich. Im Telefax vom 27. November 2000 (KB 7) hat die Beklagte – entgegen ihrer Behauptung – keineswegs ausgeführt, dass sie auf die gekaufte Ware verzichte. Vielmehr machte sie Gegenforderungen geltend und hielt fest, dass sie mit der Abnahme noch zuwarte, bevor die leidige Geschichte (mit den Gegenforderungen) nicht abgeschlossen sei. Gewissheit, dass die Beklagte die Ware nicht abnehmen werde, hatte die Klägerin erst am 6. Dezember 2000 (KB 14). Zwei Tage später hatte die Klägerin einen neuen Käufer gefunden (KB 22). Es kann der Klägerin somit keinesfalls vorgeworfen werden, sie habe mit dem Deckungskauf zu lange zugewartet. Für den Umstand, dass der Marktpreis für MTBE in der Zwischenzeit gesunken ist, hat die Klägerin nicht einzustehen. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Klägerin von der E.B.V. direkt oder indirekt noch weitere Erlöse für die erwähnte Ware erzielt hätte.
3.4 Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen schuldet die Beklagte der Klägerin US$ 46.814,94,-
4. Die Klägerin machte im Weiteren auf der Forderung einen Zins von 10.5 % seit dem 23. Januar 2001 geltend. An der Hauptverhandlung führte die Klägerin zur Begründung aus, der Verzugszins von 10.5 % entspreche dem damaligen Schuldzins, den die Klägerin auf ihrem US$-Konto bei der UBS Genf habe bezahlen müssen.
Versäumt eine Partei, den Kaufpreis oder einen anderen fälligen Betrag zu bezahlen, so hat die andere Partei für diese Beträge Anspruch auf Zinsen, unbeschadet eines Schadenersatzanspruches nach Art. 74 (Art. 78 WKR). Die Fälligkeit der Forderung ist somit einzige Voraussetzung der Zinsschuld; ein Verzug im Sinne des schweizerischen Rechts mit all seinen Voraussetzungen braucht nicht vorzuliegen (v. Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 3. A., München 2000, N 7 ff. zu Art. 78 WKR). Die klägerische Forderung war spätestens am 23. Januar 2001 fällig (KB 17). Die Klägerin verlangte einen Zins ab 23. Januar 2001‚ weshalb ihr dieser ab diesem Zeitpunkt zuzusprechen ist. Das „Wiener Kaufrecht“ sagt nichts über die Höhe des geschuldeten Zinses. Es ist somit der nach dem jeweiligen nationalen Recht gegebene Zinsbetrag zu bezahlen (v. Caemmerer/Schlechtriem, aaO, N 26 ff. zu Art. 78 WKR). Die Zinshöhe bestimmt sich vorliegend nach dem deutschen Recht (Art. 117 Abs. 1 und 3 lit. a IPRG). Wer mit einer Geldschuld aus einem zweiseitigen Handelsgeschäft in Verzug ist, schuldet gemäss § 352 Abs. 1 HGB einen Zins von 5 %. Einen höheren Bankzins schuldet er nur, wenn der Gläubiger beweist, dass er ihn infolge der Säumnis des Schuldners als Kreditzins wirklich aufwandte oder als Anlagezins verlor (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. A., München 1995, N 5 zu § 352 HGB). Die Klägerin behauptete, der verlangte Verzugszins von 10.5 % entspreche dem damaligen Schuldzins, den sie auf ihrem US$-Konto bei der UBS in Genf habe bezahlen müssen. Diese Behauptung wurde von der Beklagten nicht bestritten. Die klägerische Forderung ist demnach ab 23. Januar 2001 mit 10.5 % zu verzinsen.
5. In der Betreibung Nr. 20010256 des Betreibungsamtes B. ist antragsgemäss der Rechtsvorschlag zu beseitigen (KB 21).
6. Schliesslich bleibt zu prüfen, ob auf die Widerklage einzutreten ist. Die Klägerin machte diesbezüglich geltend, die Parteien hätten im Kaufvertrag die verrechnungsweise Geltendmachung von Gegenforderungen als auch die Geltendmachung von Gegenforderungen durch Widerklage wegbedungen, was von der Beklagten bestritten wurde.
6.1 Im Kaufvertrag vereinbarten die Parteien Zahlung des Kaufpreises „without offset or counterclaim“ bzw. „without any withholding, deduction, set-off or counterclaim“ (KB 5 und 6). Die Beklagte bestritt nicht, dass die Parteien ein Verrechnungsverbot vereinbart haben, machte aber geltend, der Verzicht auf die widerklageweise Geltendmachung einer Forderung sei ein weitgehender Eingriff und bedürfe daher einer klaren und unmissverständlichen Regelung. Der formelhafte Begriff „without counterclaim“ sei insoweit nicht genügend eindeutig und in seiner Tragweite für die Beklagte nicht erkennbar gewesen. Ein bindender Ausschluss des prozessualen Anspruches auf widerklageweise Geltendmachung einer Forderung sei damit nicht gegeben. Zu beachten sei schliesslich, dass die Beklagte gestützt auf Art. 5 Ziff. 1 LugÜ für ihre Widerklageforderung den Gerichtsstand in Zug in Anspruch nehmen könne. Unter diesen Umständen sei nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin ein Interesse daran haben könne, dass die Forderung nicht auf dem Wege der Widerklage geltend gemacht werde. Es komme hinzu, dass eine getrennt eingeleitete Klage vom Gericht aus prozessökonomischen Gründen mit der Klage der Klägerin verfahrensmässig vereinigt werden könnte.
6.2 In der von der Klägerin eingereichten Übersetzung der beklagtischen Bestätigung vom 13. Oktober 2000 (KB 6), auf welche sich auch die Beklagte an der Hauptverhandlung berief (vgl. Beilage 9, S. 2 ff.; Beilage 12, S. 2), wurde die fragliche Passage wie folgt übersetzt: „Ohne Zurückhaltung, Abzug‚ Verrechnung oder Gegenansprüche“ (KB 56). Sinn einer solchen Klausel konnte nur sein, dass die Parteien ausschliessen wollten, dass die Bezahlung des Kaufpreises mit irgend welchen Verrechnungseinreden oder Gegenansprüchen – egal ob verrechnungsweise oder mit Widerklage – verzögert werden kann. Im Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache von Alfred Romain (KB 58) wird „counter-claim“ mit „Widerklageforderung“ übersetzt. Im Wörterbuch der Handels-, Finanz- und Rechtssprache von Robert Herbst und Roman Ammann (5. A., Thun 1998) wird „counter-claims“ mit „Anträge zur Widerklage“ übersetzt. Somit steht eindeutig fest, dass die Parteien im Kaufvertrag eine allfällige Widerklage ausgeschlossen haben. Entgegen der Meinung der Beklagten handelt es sich bei diesem Ausschluss nicht um einen gravierenden Eingriff in die Rechtsposition der Gegenpartei, kann doch diese ihren Anspruch mit separater Klage geltend machen. Schliesslich kann die Klägerin mit Bezug auf den Ausschluss der Widerklage ein Rechtsschutzinteresse durchaus geltend machen, weil sie so ihre ausgewiesene Forderung schneller durchsetzen kann. Bei der Beurteilung der Widerklage müsste allenfalls ein Beweisverfahren durchgeführt werden. So hat beispielsweise die Beklagte die Einvernahme von Zeugen beantragt, welche ihren Wohnsitz in Norwegen haben (Beilage 4, S. 7). Dadurch würde die Durchsetzung der Klageforderung verzögert. Bei dieser Sachlage könnte die Beklagte auch nicht mit einer Prozessvereinigung rechnen, wenn sie ihre Gegenansprüche mit einer separaten Klage einfordern sollte.
7. Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen ist die Klage gutzuheissen und auf die Widerklage ist nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beklagte die gerichtlichen Kosten zu tragen (§ 38 Abs. 1 ZPO) und die Klägerin für die prozessualen Umtriebe angemessen zu entschädigen (§ 40 Abs. 1 ZPO). In Anbetracht des notwendigen Aufwandes ist lediglich ein Zuschlag von 30 % zum Grundhonorar angemessen. Bei einer ausländischen Klientschaft ist keine Mehrwertsteuer geschuldet.
Urteilsspruch:
1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin US$ 46.814,94,‑ zuzüglich Zins zu 10.5 % seit 23. Januar 2001 zu bezahlen. In der Betreibung Nr. 20010256 des Betreibungsamtes B. wird der Rechtsvorschlag beseitigt.