1. Gesuch
1.1. Die Gesuchstellerin begründet ihr am 9. Dezember 1996 eingereichtes Gesuch um Eilass einer einstweiligen Verfügung wie folgt:
Am 9. April 1998 habe die ... bei der Gesuchstellerin eine Spitzenlose Rundschleifmaschine zum Kaufpreis von DM 500.000,- bestellt; diese Bestellung sei von der Gesuchstellerin am 30. April 1998 angenommen worden.
Die habe bei Vertragsunterzeichnung eine Anzahlung in der Höhe von 30 % des Kaufpreises, d.h. DM 150.000,- bezahlen müssen. Im Gegenzug habe die Gesuchstellerin eine Bankgarantie im Umfang der Anzahlung leisten müssen. Die Garantie sei „zur Sicherstellung einer eventuellen Rückleistung dieser Anzahlung für den Fall der nicht vertragskonformen Lieferung“ erfolgt.
1.2. Die Gesuchstellerin habe die bestellte Maschine wegen der besonderen Komplexität im Bereich des Zubehörs und der Genauigkeit des Schleifvorganges nicht zum vertragsgemässen Zeitpunkt liefern können. Nach einem ersten Abnahmeversuch am 30. Oktober 1998 sei von den Vertragsparteien ein Massnahmenplan erarbeitet worden, gemäss welchem bis zum 6. November 1998 die Ladevorrichtung fertiggestellt werden sollte. Dennoch habe die ... die Gesuchstellerin Fax vom 3. November 1998 „wiederholt“ in Lieferverzug gesetzt, dies sei das erste Mal gewesen, dass die ... die Gesuchstellerin in Verzug gesetzt habe. Trotz der lnverzugsetzung habe die der Gesuchstellerin weder eine Frist zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen mitgeteilt, noch den Vertragsrücktritt angedroht für den Fall, dass die Gesuchstellerin nicht innert Frist leisten sollte.
1.3. Mit Fax vom 4. November 1998 habe die Gesuchstellerin der ... mitgeteilt, dass die gemäss Massnahmenplan vom 30. Oktober 1998 fälligen Korrekturen erledigt bzw. in Erledigung seien. Am 5. November 1998 habe zwischen den Vertragsparteien eine Besprechung stattgefunden. Diese sei dafür vorgesehen gewesen, offene Punkte betreffend die Ladevorrichtung und die Ausrüstung der zweiten, erst im Januar 1999 abzuliefernden Maschine zu besprechen. Die Schleifproblematik sei nicht zur Diskussion traktandiert gewesen. Entgegen der ursprünglichen Abmachungen sei dennoch der Produktionsleiter der ... erschienen und habe die Schleifproblematik besprechen wollen. Da die von der Gesuchstellerin entsandten Personen mit dem Schleivorgang nicht vertraut gewesen seien, hätten sie diesbezüglich keine konkreten Auskünfte erteilen können. Dieser Umstand habe ... offenbar derart wütend gemacht, dass er umgehend von Herrn ... persönlich gewisse Fragen beantwortet haben wollte. Dieser habe sich jedoch zu jenem Zeitpunkt in den USA befunden und sei daher nicht gleichentags erreichbar gewesen.
1.4. Mit Fax vom 6. November 1998 habe die ... die Aufhebung des Vertrages vom 9. April 1998 erklärt und die Überweisung der vereinbarten Vertagstrafe verlangt. Die Gesuchstellerin habe vergeblich versucht mit der ... wieder ins Gespräch zu kommen.
1.5 Die Gesuchstellerin habe die Berechtigung der ... zum Rücktritt vom Vertrag stets bestritten, diese habe jedoch daran festgehalten. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1998 habe die ... die Auszahlung der Garantie verlangt.
1.6. Die Gesuchstellerin habe die von der ... bestellte Maschine vom Institut für Fertigungstechnologie in Grenchen prüfen lassen; der Gutachter komme zum Schluss, dass sie einwandfrei funktioniere und die technischen Anforderungen gemäss Vertrag erfülle.
1.7. Die Gesuchstellerin verfüge bei der Gesuchsgegnerin über einen Kontokorrentkredit in der Höhe von Fr. 600.000,-. Wenn die Gesuchsgegnerin die beanspruchte Garantie auszahle, werde das Kontokorrent um ca. Fr. 123.000,- belastet Hinzu kämen Fr. 290.173,55,- an Drittkosten, die der Gesuchstellerin für die Herstellung der Maschine entstanden seien. Das Kontokorrent sei bereits heute ausgeschöpft; eine zusätzliche Belastung desselben würde zur Überschuldung der Gesuchstellerin und damit zu deren Konkurs führen. Der Gesuchstellerin drohe damit bei Auszahlung der Garantie ein nicht wieder gutzumachender Schaden.
Auf die rechtlichen Ausführungen der Gesuchstellerin wird – soweit notwendig – in Ziff. 7 hienach näher eingegangen.
2. Superprovisorische Verfügung
Das Gesuch um Erlass einer vorläufigen Massnahme wurde mit Verfügung des Gerichtspräsidenten 1 vom 9. Dezember 1998 gutgeheissen und der Gesuchsgegnerin wurde vorläufig verboten, der ... irgendwelche Beträge aus der Anzahlungsgarantie vom 30.10.1998 zu bezahlen, unter Androhung der Straffolgen von Art. 403 ZPO im Widerhandlungsfall. Der Gesuchsgegnerin wurde zur Einreichung einer schriftlichen Gesuchsantwort eine nicht verlängerbare Frist von 10 Tagen angesetzt.
3. Intervention Mit Schreiben vom 16. Dezember 1998 erklärte ... ‚ dass sie als Intervenientin am vorliegenden Verfahren teilnehmen wolle. Die Intervention wurde mit Verfügung des Gerichtspräsidenten 1 gleichentags zugelassen und der Intervenientin wurde eine unverlängerbare Frist zur Einreichung einer Stellungnahme zum Gesuch angesetzt bis zum 21. Dezember 1998.
4. Gesuchsantwort
Die Gesuchsgegnerin beantragt in ihrer am 22. Dezember fristgerecht eingelangten Gesuchsantwort die Abweisung des Gesuchs. Sie führt aus, dass sie die Einzelheiten des Grundverhältnisses zwischen der Gesuchstellerin und der Intervenientin nicht kenne. Wie allseits unbestritten sein dürfte. sei die Garantie nicht akzessorisch. Schranke des Einredeverzichts bilde lediglich der Rechtsmissbrauch. Für die Gesuchsgegnerin sei aus den Ausführungen der Gesuchstellerin zu den unbestrittenermassen erfolgten Leistungsverzögerungen nicht offensichtlich, dass die ... vernünftigerweise aus dem Valutaverhältnis keinerlei Forderungen geltend machen könne. Ein offensichtlicher Rechtsmissbrauch liege deshalb nach ihrer Auffassung nicht vor; dies unabhängig davon, ob der anscheinend durch die Intervenientin erfolgte und von der Gesuchstellerin bestrittene Rücktritt vom Vertrag rechtsgültig sei und ob die Gesuchstellerin sich im Verzug befinde.
5. Stellung der Intervenientin
Die Intervenientin hat innert Frist wie folgt Stellung genommen: Erst am 11. August 1998 habe sich anlässlich eines Besuches der Intervenientin in ... herausgestellt; dass wichtige Komponenten für die Fertigstellung der Maschine fehlten. Daher habe sie mit Fax vom 13. August 1998 einen Lieferverzug festgestellt, eine Nachfrist zur Lieferung bis zum 21. September 1998 angesetzt, den Ablauf der ersten vertraglichen Nachfrist bis 14. August 1998 festgestellt und die vereinbarte Vertragsstrafe pro angefangene Woche geltend gemacht.
In der Folge seien alle Abnahmeversuche gescheitert. Die Vorabnahme in der Kalenderwoche 38 gemäss Fax vom 13. August 1998 habe nicht stattfinden können. Deshalb sei am 25. September 1998 ein erneuter Besuch der Intervenientin in Grenchen erfolgt. Gemäss Besuchsprotokoll sei der Vorabnahmetermin erneut, und zwar auf den 30. September 1998 verschoben worden. Auch an diesem Abnahmeversuch, der bis zum 2. Oktober 1998 gedauert habe, habe die Maschine nicht abgenommen werden können, weil ein Maschinenschaden verursacht worden sei. Von einer ersten Abnahme am 19. Oktober 1998 könne daher überhaupt nicht die Rede sein; richtig sei lediglich, dass vom 28. Oktober 1998 bis zum 30. Oktober 1998 erneut ein Vorabnahmeversuch lief, der wiederum gescheitert sei, was aus dem Protokoll vom 2. November 1998 mit aller wünschbaren Deutlichkeit hervorgehe.
Obschon das Vertrauen der Intervenientin in die technischen Fähigkeiten der Gesuchstellerin zu diesem Zeitpunkt schon arg erschüttert gewesen sei, habe die lntervenientin einem Massnahmenplan zugestimmt; der im wesentlichen eine Vorabnahme für den 6. November 1998 vorgesehen habe. Die Behauptung, wonach die Korrektur der Ladevorrichtung und des Schleifvorgangs wegen der anwendbaren Sicherheitsvorschriften gestaffelt habe erfolgen müssen, sei falsch.
Am 5. November 1998 habe erneut eine Besprechung stattgefunden, anlässlich welcher sich herausgestellt habe, dass allein der Umbau des Laders zu einem vertragsgemässen Zustand mindestens zwei bis drei Monate gedauert hätte, Dadurch sei der Gesamtlieferzeitplan nochmals entscheidend verlängert worden, weshalb es für die Intervenientin nicht mehr zumutbar gewesen sei, länger zuzuwarten Diese habe die Anlage nämlich bestellt, um selber Kundenaufträge auszuführen, die bereits fest erteilt gewesen seien, Sie sei durch die Lieferverzögerung selber in Schwierigkeiten geraten; aus diesem Grunde sei der Vertragsrücktritt am 6. November zu recht erfolgt.
Auf die rechtlichen Ausführungen der lntervenientin wird – soweit notwendig – in Ziff. 7 hienach näher eingegangen.
6. Sachverhalt
6.1. Die Parteien schlossen am 30. April 1998 einen Vertrag über die Herstellung und Lieferung einer Spitzenlos-Rundschleifmaschine. Gemäss Ziff. 7 der Auftragsbestätigung (GB 4) wurde vereinbart, dass 30 % des Auftragswertes bei Erhalt der Auftragsbestätigung zu bezahlen seien. Zur Sicherstellung einer eventuellen Rückleistung dieser Anzahlung für den Fall der nicht vertragskonformen Lieferung musste die Gesuchstellerin eine Bankgarantie beibringen. Die Garantie wurde von der Gesuchsgegnerin mit folgendem Wortlaut bestätigt:
„Auftrage der ... verpflichten wir uns hiermit unwiderruflich, Ihnen auf Ihr erstes Verlangen, ungeachtet der Gültigkeit und der Rechtswirkungen der eingangs erwähnten Bestellung und unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden aus derselben, jeden Betrag bis maximal DEM 150.000.-, Zinsen und Nebenkosten eingeschlossen, zu bezahlen, gegen Erhalt Ihrer schriftlichen Zahlungsaufforderung und Ihrer schriftlichen Bestätigung, wonach die ihren Verpflichtungen aus der eingangs erwähnten Bestellung nicht ordnungsgemäss nachgekommen ist (…).“
6.2. Die Umstände des Vertragsabschlusses sowie die Tatsache, dass die Gegenstand des Vertrages bildende Maschine nicht zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt – nämlich am 31. Juli 1998 – geliefert wurde sondern sich auch heute immer noch bei der Gesuchstellerin befindet sind zwischen der Intervenientin und der Gesuchstellerin nicht umstritten. Die eingereichten Dokumente belegen, dass sich nach dem 31. Juli 1998 Folgendes ereignete: Mit Fax vom 13. August 1998 der Intervenientin wurde gegenüber der Gesuchstellerin ein Lieferverzug festgestellt, eine Nachfrist für die Lieferung bis zum 21. September 1998 angesetzt sowie der Ablauf der ersten vertraglichen Nachfrist bis 14. August festgestellt und die vereinbarte Vertragsstrafe von 0.5 % pro angefangene Woche geltend gemacht (Beilage 2 zur Stellungnahme der Intervenientin). In der Folge wurde nach zweimaliger Verschiebung vom 30. September bis zum 2. Oktober 1998 ein Abnahmeversuch durchgeführt. Die Maschine konnte jedoch nicht abgenommen werden, weil ein Maschinenschaden verursacht worden war (Beilagen 3 und 4 zur Stellungnahme der lntervenientin). Ein weiterer Abnahmeversuch fand am 30. Oktober 1998 statt. Anlässlich dieses misslungenen Versuches erstellten die Vertragsparteien einen Massnahmenplan (GB 9). Dieser sah vor, dass die Gesuchstellerin bis zum 6. November 1998 die Ladevorrichtung korrigieren würde, anschliessend sollte der Schleifvorgang in Ordnung gebracht werden wobei für diese Arbeiten kein Datum vorgesehen war.
Am 3. November 1998 stellte die lntervenientin per Fax diverse Fragen über die Konstruktionsabläufe und erwartete eine Stellungnahme bis zum 4. November 1998 (GB 10).
Die Gesuchstellerin kündigte in ihrem Antwortfax vom 4. November Ergebnisse für den 5. November sowie einen Besuch der ... für den gleichen Tag an (GB 11).
Nach Angaben der Intervenientin stellte sich an diesem Treffen heraus, dass allein der Umbau des Laders zu einem vertragsgemässen Zustand mindestens zwei bis drei Monate gedauert hätte. Die Gesuchstellerin macht hingegen geltend, anlässlich des Besuches vom 5. November habe ... die Angabe eines genauen Zeitpunkts für die Fertigstellung der Maschine verlangt; eine solche habe indessen nicht gemacht werden können, da ... zu diesem Zeitpunkt in den USA weilte und auch per Fax nicht erreicht werden konnte (GB 13).
6.3. Am 6. November 1998 erklärte die lntervenientin per Fax die Aufhebung des Vertrages. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1998 beantragte sie bei der Gesuchsgegnerin die Auszahlung der Garantiesumme in der Höhe von DM 150.000,-. Bereits kurz nach dem Rücktritt durch die Intervenientin teilte die Gesuchstellerin der Gesuchsgegnerin mit, dass die Vertragsauflösung ihres Erachtens zu Unrecht erfolgt sei und forderte diese auf, die garantierte Anzahlung nicht zurück zu erstatten (GB 18 und 19). Die Gesuchsgegnerin erklärte jedoch, sie beabsichtige die Garantieerklärung zu honorieren; nur eine einstweilige Verfügung könne sie davon abhalten (GB 20).
6.4. Die Gesuchstellerin liess die von der Gesuchsgegnerin bestellte Maschine vom Institut für Fertigungstechnologie ... prüfen (GB 22). Der Gutachter kommt zum Schluss, dass sie der Bestellung vom 9. April 1998 entspreche und für die Abnahmemessungen vorbereitet sei. Die Gesuchsgegnerin bezweifelt jedoch die Aussagekraft des Gutachtens, insbesondere weil (nach den Angaben des Gutachters) keine Prozessfähigkeitsuntersuchung durchgeführt werden konnte.
7. Rechtliches
7.1. Gemäss Art. 326 Ziff. 3 lit. b ZPO kann der Richter auf Gesuch eines Beteiligten als vorsorgliche Massnahme eine Verfügung treffen, sofern ihm glaubhaft gemacht wird, dass der Erlass einer solchen sich zum Schutze von andern als auf Geld- oder Sicherheitsleistung gerichteten, fälligen Rechtsansprüchen rechtfertigt (sog. Verfügungsanspruch, vgl. Ziff. 7.2. hienach), wenn bei nicht sofortiger Erfüllung dem Berechtigten ein erheblicher oder nicht leicht zu ersetzender Schaden oder Nachteil droht (sog. Verfügungsgrund, vgl. Ziff. 7.3. hienach).
7.2. Verfügungsanspruch
Die Gesuchstellerin macht geltend, die Beanspruchung der Bankgarantie sei rechtsmissbräuchlich, weil der durch die Intervenientin erklärte Rücktritt vom Vertrag nicht gerechtfertigt sei und daher kein Anlass für die Rückforderung der geleisteten Anzahlung bestehe.
a) Bei der Garantie verpflichtet sich der Garant gegenüber dem Garantiebegünstigten, ihm eine Zahlung in bestimmter Höhe zu leisten, falls ein Dritter seine Leistung nicht erbringt oder sich ein sonstiges Risiko verwirklicht (Garantiefall). Dabei ist die Zahlungsverpflichtung der Bank unabhängig von allfälligen Schuldverhältnissen zwischen den Beteiligten. Aus diesem Grunde wird die aus der Garantie resultierende Zahlungsverpflichtung der Bank als selbständig oder abstrakt bezeichnet (D. ZobI, Die Bankgarantie im schweizerischen Recht, in: Berner Bankrechtstag Band 4, Personalsicherheiten, Bern 1997, S. 25). Die Zahlungspflicht des Garanten wird bei Vorliegen des formellen Garantiefalls (formell richtiger Abruf und Einhaften der im Garantievertrag vereinbarten Bedingungen) ausgelöst. Ob dagegen auch der materielle Garantiefall eingetreten ist, ist eine Frage des Valutaverhältnisses zwischen Garantieauftraggeber und Begünstigtem; die Frage, ob der Abruf berechtigterweise erfolgt oder nicht, ist für das Garantieverhältnis dem Grundsatz nach nicht relevant. Einreden und Einwendungen aus dem Valutaverhältnis können durch die garantierende Bank im Allgemeinen nicht erhoben werden (vgl. Zobl, aaO, S. 42 f.). Lehre und Rechtsprechung haben nun aber den Grundsatz der Unzulässigkeit der Erhebung von Einreden und Einwendungen aus dem Valutaverhältnis relativiert: Ein sogenannter „Einwendungsdurchgriff“ ist dann am Platz, wenn die Geltendmachung des Garantieanspruches nicht bloss unberechtigt ist, sondern darüber hinaus als rechtsmissbräuchlich erscheint. Durch die Zulassung der Rechtsmissbrauchseinrede der sogen. exceptio doli, ergibt sich eine gewisse Durchbrechung der Abstraktheit der Garantie und damit verbunden eine solche des Prinzips der Unabhängigkeit der Garantie vom Grundverhältnis (Zobl, aaO, S. 43 m.w.H.).
b) An die Annahme rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme werden hohe Anforderungen gestellt: Der Mangel im Valutaverhältnis muss in rechtlicher Hinsicht evident und gewiss sein, und zwar in dem Sinne, dass dem Garantienehmer – bei objektiver Wertung des gesamten Sachverhaltes – kein Anspruch gegen den Garantieauftraggeber zusteht, der mit der Garantie gesichert werden soll. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn man bezüglich der Beurteilung des Valutaverhältnisses in guten Treuen verschiedener Meinung sein kann (Zobl, aaO, S. 44). Eine unberechtigte Inanspruchnahme der Garantie gilt erst dann als rechtsmissbräuchlich wenn die fehlende Berechtigung offenkundig oder leicht beweisbar ist und der Begünstigte demnach diesen Umstand entweder kennt oder grob fahrlässig verkennt (N. Horn, die Bankgarantie im internationalen Umfeld, in BBT Band 4, S. 99).
c) Der Mandatsvertrag verpflichtet die Bank, sorgfältig zu prüfen, ob die Inanspruchnahme der Erfüllungsgarantie ordnungsgemäss erfolgt. Verletzt die Bank ihre Prüfungspflichten – indem sie beispielsweise ihr bekannte Rechtsmissbrauchstatbestände unberücksichtigt lässt oder falsch wertet – steht dem Auftraggeber allenfalls ein Recht auf Unterlassung zu (F. Kellerhals, Verfahrensrechtliche Aspekte bei der Durchsetzung von Personalsicherheiten, Berner Bankrechtstag Band 4, Bern 1997, S. 151). Die Garantie wurde vorliegendenfalls beigebracht „zur Sicherstellung einer eventuellen Rückleistung dieser Anzahung für den Fall der nicht vertragskonformen Lieferung“. Nachfolgend wird zu prüfen sein, ob die lntervenientin offenkundig (oder zumindest leicht beweisbar) nicht berechtigt sein konnte, vom Vertrag im Valutaverhältnis zurückzutreten und sie diesen Umstand kennt oder grob fahrlässig verkennt.
d) Die unbestrittenermassen Vertragsbestandteil bildenden Einkaufsbedingungen der Intervenientin unterstellen den mit der Gesuchstellerin geschlossenen Vertrag dem deutschen Recht (GB 3).
aa) Die Gesuchstellerin zieht für die Prüfung der Berechtigung des Vertragsrücktritts infolge Lieferverzuges § 326 BGB heran. Das Rücktrittsrecht setze nach diesem Artikel voraus, dass sich der Schuldner im Verzug befinde, der Gläubiger dem Schuldner eine Nachfrist ansetze und dass der Gläubiger mit der Nachfristansetzung erkläre, nach Ablauf der Nachfrist auf die Annahme der Leistung verzichten zu wollen. Vorliegend sei keine dieser Voraussetzungen erfüllt: die Intervenientin habe der Gesuchstellerin weder eine Nachfrist angesetzt, noch angedroht, im Versäumungsfall vom Vertrag zurücktreten zu wollen.
bb) Demgegenüber will die lntervenientin den Sachverhalt nach dem Wiener Kaufrecht beurteilt haben, welches bei internationalen Verträgen Bestandteil des deutschen Rechts bilde. Dieses sehe die Möglichkeit der Aufhebung des Vertrages durch den Käufer vor, wenn im Falle der Nichtlieferung der Verkäufer die Ware nicht innerhalb der vom Käufer gesetzten Nachfrist Liefere oder wenn er erkläre, dass er nicht innerhalb der so gesetzten Frist liefern werde. Die Intervenientin habe daher den Vertrag ohne weiteres auflösen können, nachdem sie der Gesuchstellerin Nachfristen und diese auch in Verzug gesetzt habe. Eine sogenannte Ablehnungsandrohung nach deutschem Recht sei nach Wiener Kaufrecht nicht notwendig.
cc) Nach Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG ist das Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen Zu den Regeln des internationalen Privatrechts gehört auch der kollisionsrechtliche Grundsatz der Parteiautonomie; deshalb ist die Voraussetzung auch dann erfüllt, wenn die Kaufvertragsparteien die Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates vereinbart haben (von Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 2. Aufl., München 1995, N. 38 zu Art. 1). Soweit das CISG hiernach anzuwenden ist, wendet das deutsche Gericht es als Rechtsnorm, also objektives deutsches Recht an (v. Caemmerer/Schlechtriem, aaO N. 42 zu Art. 1).
Gemäss Art. 3 CISG stehen den Kaufverträgen Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware gleich, es sei denn, dass der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zu liefern hat. Das Übereinkommen ist auf Verträge nicht anzuwenden, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, welche die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, ist in erster Linie nach der Relation des Wertes der beiden Leistungsteile zu beurteilen. Angesichts der in der Schätzung dieses Wertanteils liegenden Unsicherheit ist erforderlich, dass der Anteil der Arbeit deutlich über 50 % liegt (vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem, aaO, N. 4 zu Art. 3). Auch ohne ein rein wertmässiges Überwiegen kann die dienstvertragliche Leistung des Auftragnehmers wegen des besonderen Interesses des Vertragspartners gerade an diesem Teil der Leistungen die vertragscharakteristische Verpflichtung sein (v. Caemmerer/Schlechtriem aaO, N. 5 zu Art. 3). Die Vertragsparteien vereinbarten für die herzustellende Rundschleifmaschine einen Preis von DM 500.000,-, was einem Betrag von rund sFr, 400.000,- entspricht. Die Drittkosten der Gesuchstellerin belaufen sich auf insgesamt Fr. 290.173.55 (GB 23). Aus den von der Gesuchstellerin beigelegten Rechnungen (GB 23) ergibt sich jedoch, dass diese Drittkosten nur teilweise als Materialkosten zu qualifizieren sind. So betreffen mindestens die Rechnung von ... über die Lieferung eines Granit-Sockels (Fr. 26.303 wie auch jene der ... für das Ladesystem (Fr. 121.178,35,- aber auch diejenigen der ... (Fr. 3.328,15,-) und von ... (Fr. 22.311,25,-) Werkverträge. Mit der Rechnung der ... werden ausschliesslich Kosten für geleistete Arbeit in Rechnung gestellt; dasselbe gilt für die Positionen 05, 06 und 07 über einen Betrag von insgesamt Fr. 11.607,50,- der Rechnung der ... Bei den restlichen Beträgen kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass ein namhafter Anteil auf Arbeitsleistungen seitens der Zulieferanten entfällt. Vom Gesamtbetrag der erwähnten vier Rechnungen (Fr. 173.120,75,-) betreffen daher mindestens zwei Drittel (rund Fr. 115.000,-) Kosten, die im Zusammenhang mit Arbeitsleistungen entstanden sind. Die von der Gesuchstellerin geltend gemachten Drittkosten sind daher lediglich im Umfang von rund Fr. 175.000,- (290.000,- – 115.000,-) als Materialkosten zu qualifizieren. Aus dem Umstand, dass die Gesuchstellerin die ihr entstandenen Drittkosten im Einzelnen ausweist, lässt sich weiter schliessen, dass die Differenz zwischen diesen Drittkosten und dem Gesamtpreis der Rundschleifmaschine ausschliesslich Arbeitsleistungen der Gesuchstellerin abgelten soll. Dies ergibt insgesamt Fr. 225.000,- die auf Arbeitsleistungen der Gesuchstellerin inkl. ihrer Zulieferanten entfallen, während nur Fr. 175.000,- effektiv als Materialkosten zu qualifizieren sind. Nach dieser Schätzung liegt der Anteil der Arbeiten bei ca. 56 %. Aber auch abgesehen vom rein wertmässigen Überwiegen des Anteils an Arbeit ist dieser Teil der Leistung beim vorliegenden Vertrag als charakteristisch zu qualifizieren. Das Interesse der Intervenientin galt nicht in erster Linie dem in der Maschine enthaltenen Material. Aus ihrer Bestellung (GB 1) ergibt sich im Gegenteil deutlich, dass die Verarbeitung des Materials zu einer hochpräzisen Maschine im Vordergrund stand. Beide Faktoren zusammen – Überwiegen des wertmässigen Anteils der Arbeit sowie Qualifizierung der Arbeitsleistung als charakteristischen Teil der Leistung – vermögen hier ohne weiteres die in Art. 3 CISG vorgesehene Ausnahme zu begründen. Bei dem zwischen der Gesuchstellerin und der Intervenientin geschlossenen Vertrag handelt es sich daher nicht um einen dem Kaufvertrag gleichgestellten Werklieferungsvertrag, sondern um einen – nicht in den Anwendungsbereich des CISG fallenden – Werkvertrag, auf welchen somit das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch anzuwenden ist.
dd) Die Regelung des Lieferverzuges findet sich im deutschen Recht in § 326 BGB und lautet wie folgt: „Ist bei einem gegenseitigen Vertrage der eine Teil mit der ihm obliegenden Leistung im Verzuge, so kann ihm der andere Teil zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Annahme der Leistung nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist ist er berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder von dem Vertrage zurückzutreten, wenn nicht die Leistung rechtzeitig erfolgt ist: der Anspruch auf Erfüllung ist ausgeschlossen …“. Dieser Paragraph findet auch auf Werkverträge Anwendung, solange noch keine Abnahme stattgefunden hat (vgl. Kommentar Palandt, 57. Aufl. 1998, N. 2 zu Art. 326). Nach deutschem Recht ist demzufolge Voraussetzung des Vertragsrücktritts unter anderem das Ansetzen einer Nachfrist verbunden mit der Androhung, dass der Gläubiger nach Fristablauf die Annahme der Leistung ablehnen werde. Eine solche Ablehnungsandrohung hat die Intervenientin auch gemäss ihrer eigenen Darstellung jedoch nie ausgesprochen. Sie war infolgedessen offensichtlich nicht zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Die Tatsache, dass die Intervenientin eine Woche vor dem Vertragsrücktritt einen Massnahmenplan unterzeichnete, dann aber – ohne Vorankündigung – plötzlich den Rücktritt vom Vertrag erklärte, obwohl die im Massnahmenplan festgelegten Fristen noch nicht abgelaufen waren, stellt ein widersprüchliches und von der.Rechtsordnung missbilligtes Verhalten dar. War der Vertragsrücktritt klar unzulässig, bestand aber offensichtlich auch kein Anlass für die Rückleistung der erfolgten Anzahlung. Der Abruf der Garantie im Wissen (resp. fahrlässigen Nichtwissen) um diesen Umstand ist demzufolge rechtsmissbräuchlich erfolgt.
7.3. Verfügungsgrund
Als weitere Voraussetzung für den Erlass einer vorsorglichen Massnahme hat die Gesuchstellerin glaubhaft zu machen, dass ihr bei nicht sofortiger Erfüllung ein erheblicher oder nicht leicht zu ersetzender Schaden oder Nachteil droht (Art. 326 Ziff. 3 lit. b ZPO). Die Gesuchstellerin legt dem Gericht glaubhaft dar, dass eine Auszahlung der Garantie für sie unweigerlich die Eröffnung des Konkurses zur Folge hätte. Damit ist auch der Verfügungsgrund gegeben.
Das Gesuch wird gutgeheissen.
8. Sicherheitsleistung
Die Intervenientin beantragt für den Fall der Gutheissung des Gesuchs die Verurteilung der Gesuchstellerin zur Bezahlung einer Sicherheitsleistung von Fr. 50.000,- mit der Begründung, es sei alles andere als sicher, dass die Gesuchstellerin die Gerichtskosten so wie allfällige Parteikosten der Intervenientin im Hauptprozess werde bezahlen können.
Ist für die Partei, gegen welche die einstweilige Verfügung verlangt wird, ein Schaden zu befürchten, so hat der Richter sowohl vorläufige Massnahmen nach Artikel 308a als die Vollziehung seines Entscheids von vorheriger angemessener Sicherheitsleistung des Gesuchstellers abhängig zu machen (Art. 329 ZPO). Eine Sicherheitsleistung rechtfertigt sich indessen im vorliegenden Fall nicht: Obsiegt die Intervenientin im Hauptprozess, so wird ihr die Garantie, welche sie rechtzeitig abgerufen hatte, ausbezahlt werden. Bezüglich bei der Gesuchstellerin nicht einzubringender Partei- und Gerichtskosten wäre sie diesfalls gleichgestellt, wie wenn das Gesuch um Erlass einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Verfahren abgewiesen worden wäre und die Gesuchstellerin einen Schadenersatzprozess gegen die lntervenientin einleiten würde. Ein der Intervenientin allenfalls aus der Nichteinbringlichkeit von Prozesskosten entstehender Schaden hätte seine Ursache demnach nicht in der Gutheissung des vorliegenden Gesuchs. Das Begehren um Sicherheitsleistung wird daher abgewiesen.