Die B***** KG widersprach am 31.5.2013 (Datum des Einlangens) der Schutzgewährung der internationalen Marke IR 1147326 [...], mit dem Veröffentlichungsdatum 21.2.2013, deren Berechtigte die Antragsgegnerin ist und die Schutzgewährung für Österreich in den Waren- und Dienstleistungsklassen [...] beantragt hatte.
Die Antragstellerin berief sich dabei auf die Gemeinschaftsmarke CTM 6334651 [...] mit dem Anmeldedatum 25.9.2007, eingetragen für die Waren- und Dienstleistungsklassen [...].
Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke hinsichtlich aller Waren und Dienstleistungen geeignet und daher zur Gänze nicht zum Schutz in Österreich zuzulassen.
Die Antragsgegnerin ließ die mit Schreiben vom 10.7.2013 eingeräumte Äußerungsfrist ungenutzt verstreichen, sodass das Patentamt mit dem nun angefochtenen Beschluss gemäß §39 Abs. 3 MSchG dem Widerspruch im vollen Umfang stattgab.
Die Antragsgegnerin wendete sich mit (informellem) E-Mail Ihrer Vertreterin vom 23.5.2014 an das Patentamt, teilte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B***** KG mit und kündigte an, diesbezüglich einen Unterbrechungsantrag zu stellen. Am selben Tag teilte das Patentamt telefonisch mit, dass nach seiner Rechtsauffassung das Widerspruchsverfahren nicht durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen worden sei und daher lediglich die Möglichkeit bestehe, Rekurs zu erheben.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Widerspruch nicht Folge gegeben werde. Damit verbunden ist ein Eventualantrag auf Unterbrechung des Widerspruchsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des HABM hinsichtlich des Verfalls der Widerspruchsmarke.
Der Rekurs blieb unbeantwortet.
Eigene Erhebungen des Rekursgerichts haben noch folgende Umstände ergeben:
Bereits am 26.7.2013 leitete das Amtsgericht Hamburg zu Az. 67a IN 299/13 das Insolvenzeröffnungsverfahren ein und bestellte gemäß §§ 21, 22 dInsO Rechtsanwalt Dr. ***** zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 1.10.2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der vorläufige Insolvenzverwalter endgültig bestellt (www.insolvenzbekanntmachungen.de).
Die Widerspruchsmarke wurde nach dem Einlangen des Rekurses (18.6.2014) mit 24.9.2014 gelöscht, wie sich aus dem Registerstand ergibt.
Rechtliche Beurteilung
Rechtlich folgt:
1. Nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird (siehe nur Paulus, EuInsVO 4 Art. 4 Rn. 7; Pannen/Riedemann in Pannen, EuInsVO Art. 4 Rn. 2). Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten richten sich hingegen nach dem Recht des Staats, in dem das Verfahren anhängig ist (Art. 15 EuInsVO; Paulus, EuInsVO 4 Art. 15 Rn. 2 [Primat des Prozessrechts]).
Fallbezogen ist daher deutsches Insolvenzrecht als lex fori concursus für die Frage der Auswirkungen des Insolvenzrechts anzuwenden. Ob daraus eine Unterbrechungswirkung folgt, ist hingegen nach österreichischem Verfahrensrecht als lex fori processus zu beurteilen (RIS-Justiz RS0127588; RS0119845; Pannen/Riedemann in Pannen, EuInsVO Art. 15 Rn. 7 mwH).
2. Nach §9 dInsO erfolgt die öffentliche Bekanntmachung durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind.
Zur Insolvenzmasse zählt §35 dInsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§80 Abs. 1 dInsO).
3.1. Der Oberste Patent- und Markensenat sprach aus, dass Verfahren auf Nichtigerklärung von Patenten bei der Konkurseröffnung über das Vermögen des Antragstellers unterbrochen sind (Op 7/95 PBl 1997, 227; vgl auch Weiser, PatG 337). Begründet wird dies damit, dass die Anfechtung eines Patentrechts das Vermögen des Antragstellers betrifft, sodass die „analoge Anwendung des §7 KO geboten erscheint“.
Nach Ansicht des Rekursgerichts haben diese Überlegungen auch für das Widerspruchsverfahren zu gelten, handelt es sich doch beim Markenrecht ebenso wie beim Patentrecht um ein regelmäßig geldwertes Immaterialgüterrecht.
3.2. Dies steht im Einklang mit der hier maßgeblichen deutschen Rechtslage nach §35 dInsO, werden doch neben anderen Immaterialgüterrechten Marken aufgrund §29 Abs. 3 dMarkenG zweifelsfrei zur Insolvenzmasse gezählt (vgl zB Peters in Münchener Komm InsO I3 §35 Rn. 365 ff; Henckel in Jaeger, InsO I §35 Rn. 37 f und Leithaus in Andres/Leithaus/Dahl, InsO3 §35 Rn. 7 je mwH).
4.1. Gemäß § 7 Abs. 1 IO werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in 6 Abs. 3 IO bezeichneten Streitigkeiten – eine solche liegt hier nicht vor –, unterbrochen. Die Unterbrechung tritt ex lege, ein und zwar auch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens (RIS-Justiz RS0036752 [T25]; EvBl 1982/119). Die Unterbrechung des Rekursverfahrens ist im Regelfall deklarativ festzustellen (RIS-Justiz RS0064046) und gleichzeitig ist der Akt dem Erstgericht unerledigt zurückzustellen (RIS-Justiz RS0036752; RS0036996).
4.2. §§ 7 Abs. 1 und Abs. 3 IO gelten wegen des Verweises von §25 Abs. 1 Z 4 AußStrG auch für die Konkursmasse betreffende Streitigkeiten, die – wie hier das Rekursverfahren – im Verfahren außer Streitsachen durchzuführen sind. Demnach ist auch §163 Abs. 2 ZPO sinngemäß anzuwenden, wonach Parteihandlungen während der Unterbrechung unwirksam sind, sodass das Gericht sie nicht wirksam entgegennehmen kann (RIS-Justiz RS0036752 [T17]; RS0037023 [T12]; Schubert in Konecny/Schubert 7 KO Rn. 17).
4.3. Nach stRsp kann das Gericht über ein nach dem Eintritt der Unterbrechung eingebrachtes Rechtsmittel nicht meritorisch entscheiden, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen ist; die Rechtsmittelschriften sind in einem solchen Fall zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0037023, RS0037150).
4.4. Unter Missachtung der Unterbrechung gesetzte Gerichtshandlungen – soweit nicht ein Fall des § 163 Abs. 3 ZPO oder eine sonstige Ausnahme vorliegt – sind in der Regel nichtig (10 Ob 99/11y mwN). Ein nach Eintritt des Unterbrechungsgrundes des §7 Abs. 1 IO dennoch gefälltes Urteil leidet am Nichtigkeitsgrund des §477 Abs. 1 Z 4 ZPO (RIS-Justiz RS0037010).
4.5. Deswegen kann einer Partei, die sich durch eine trotz erfolgter Verfahrensunterbrechung ergangene Entscheidung beschwert erachtet, ausnahmsweise dann nicht verwehrt werden, diese Entscheidung anzufechten, wenn sie damit einen Verstoß gegen §7 IO geltend machen will (SZ 43/158; SZ 45/19; SZ 51/150; 6 Ob 582/87; RZ 1992/21; RIS-Justiz RS0037023 [insb T7, T9, T10, T11]; Schubert in Konecny/Schubert §7 KO Rn. 29; Rechberger in Rechberger, AußStrG² 26 Rn. 3). Das ist hier aber nicht der Fall, weil die Antragsgegnerin die Verwechslungsgefahr verneint und damit ausschließlich die Sachentscheidung (Säumnisentscheidung) der Behörde erster Instanz bekämpft; ein Vorbringen, dass der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (26.7.2013) gefasste Beschluss des Patentamts vom 12.3.2014 gegen §7 IO verstößt und daher nichtig sei, lässt sich dem Rekursvorbringen jedoch nicht entnehmen.
4.6. Damit ist der Rekurs aber wegen der Unterbrechungswirkung der Insolvenzeröffnung als unzulässig zurückzuweisen (Rechberger in Rechberger, AußStrG² §26 Rn. 3; RIS-Justiz RS0037023 [T11, T13]; SZ 44/63). Eine bloße Zurückstellung der Akten ohne Zurückweisung wäre nur in Betracht gekommen, wenn die Unterbrechung – anders als hier – erst nach dessen Einbringung eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0036752; RS0036996).
4.7. In der Bekämpfung einer Entscheidung, die – in Unkenntnis des Insolvenzverfahrens – nach der ex lege eingetretenen Unterbrechung des Verfahrens gefällt wurde, sieht das Rekursgericht keine Aufnahme des Verfahrens nach §7 Abs. 2 IO (RIS-Justiz RS0037130, vgl auch Schubert in Konecny/Schubert, KO §7 Rn. 42 und 44).
Wie bereits dargelegt hat die Antragsgegnerin in ihrem Rekurs die Frage der Verfahrensunterbrechung gar nicht thematisiert, sodass die Verfahrensunterbrechung das Rekursgericht daran hindert, über den nur die Verwechslungsgefahr (und übrigens auch nicht die Frage der Säumnis) relevierenden Rekurs zu entscheiden.
4.8. Zwar kann das Patentamt den angefochtenen Beschluss nicht selbst als nichtig aufheben (vgl Gitschthaler in Rechberger, ZPO4 §163 Rn. 9 mwN), dieser Umstand steht aber im Hinblick auf die gegebene Unterbrechungswirkung nach Ansicht des Rekursgerichts etwa einem neuerlichen – jedoch mit einem förmlichen Fortsetzungsantrag nach §7 Abs. 2 IO zu verbindenden (8 ObA 247/97z ZIK 1998, 96; 2 Ob 309/97y ZIK 1998, 96) – Rekurs der Antragsgegnerin (spätestens nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens) nicht entgegen, mit dem sie die Nichtigkeit dieser dennoch nicht wirkungslosen Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen die Unterbrechungswirkung aus den oben aufgezeigten Gründen rügt (explizit 4 Ob 138/94 ÖBl 1995, 280; allg Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze 7 KO Rn. 32 mwN).
5. Die zwischenzeitig erfolgte Löschung der Widerspruchsmarke ist daher für die Entscheidung im Rekursverfahren derzeit nicht von Bedeutung.
6. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des §62 Abs. 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach §59 Abs. 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,‑ übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.
7.Ein Kostenersatz findet im Widerspruchsverfahren nach §29b Abs. 7 MSchG und §139 Z 7 PatG iVm §37 Abs. 3 MSchG nicht statt.