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Zusammenfassung der Entscheidung Der österreichische Antragsteller erhielt von einer Schweizer Versandhandelsgesellschaft eine an ihn persönlich adressierte Zuschrift. Diese erweckte den Eindruck, dass er einen Geldbetrag über € 5.500 gewonnen habe, den er nur noch anfordern müsse. Auf seine Anforderung hin zahlte die Gesellschaft den versprochenen Gewinn jedoch nicht aus. Daraufhin beantragte der Antragsteller unter Vorlage eines Klageentwurfs vor den österreichischen Gerichten die Bestimmung eines zuständigen österreichischen Gerichts.
Der OGH (AT) führt unter Zugrundelegung der Entscheidung des EuGH in einer vergleichbaren Rechtssache (C-27/02) aus, dass es sich hier nicht um einen Verbrauchervertrag i.S.v. Art. 13 ff. LugÜ handele, sondern um eine Vertragsstreitigkeit i.S.v. Art. 5 Nr. 1 LugÜ. Klagegegenstand sei das Begehren auf Auszahlung eines dem Kläger zugesagten Gewinns. Mangels ausdrücklicher oder schlüssiger Vereinbarung eines Erfüllungsorts sei der Anspruch gemäß Art. 4 Abs. 2 EVÜ nach dem Recht des Staats zu beurteilen, in dem der Erbringer der vertragscharakteristischen Leistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seinen Wohnsitz bzw. seine Niederlassung hat. Bei einseitig verpflichtenden Verträgen sei die Leistung des einseitig Verpflichteten (des Schenkers) die Hauptleistung. Der Erfüllungsort sei daher hier nach Schweizer Recht zu bestimmen. Dieses bestimme, dass Geldschulden an dem Ort zu zahlen sind, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat. Erfüllungsort sei danach der in Österreich gelegene Wohnsitz des Klägers. Somit seien die österreichischen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 1 LugÜ zuständig.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Antragsteller beantragt unter Vorlage eines Klageentwurfs die Ordination eines sachlich zuständigen Gerichts (angeregt wird die Bestimmung des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien) mit folgendem, durch Vorlage eines Urkundenkonvoluts belegtem Vorbringen: Er habe von der Gegnerin, einer Schweizer Versandhandelsgesellschaft mbH, die zum Vertrieb ihrer Waren und Dienstleistungen den Markennamen „S*****“ verwende, im Februar 2002 eine (an ihn) persönlich adressierte Zuschrift erhalten, die bei ihm, einem „verständigen Verbraucher“ mit Wohnsitz in Wien, den Eindruck erweckt habe, er habe einen Geldbetrag von 5.500 EUR gewonnen, den er nur noch anfordern müsse. An der Irreführungseignung dieser Gewinnzusage bestehe kein Zweifel. Gemäß § 5j KSchG habe ihm diese GmbH den zugesagten Gewinn auszuzahlen. Dieser Anspruch sei ein solcher aus bzw im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag im Sinn des Art. 13 ff LGVÜ, welches im Verhältnis zur Schweiz anzuwenden sei. Gemäß Art. 14 Abs. 1 LGVÜ könne die Klage aus bzw im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag gegen den anderen Vertragspartner auch vor den Gerichten des Vertragspartners erhoben werden, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz habe. Demnach sei die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nach dem LGVÜ hier gegeben. Da die örtliche Zuständigkeit eines österreichischen Gerichtes aber weder nach dem LGVÜ, noch nach der JN geregelt sei, werde der Ordinationsantrag gestellt. Für den Fall der Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs als solcher aus Vertrag nach Art. 5 Nr. 1 LGVÜ oder aus unerlaubter Handlung nach Art. 5 Nr. 3 LGVÜ werde hilfsweise beantragt, die Klage an das zuständige Gericht zu überweisen.
Mit Beschluss vom 12. 11. 2002, 4 Nd 513/02, setzte der Oberste Gerichtshof das Verfahren über den Ordinationsantrag bis zur Erledigung des zu 4 R 276/01x des Oberlandesgerichts Innsbruck anhängig gemachten Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Rechtssache C-27/02) aus. Mit Urteil vom 20. 1. 2005, C-27/02, verneinte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen bei einem dem Anlassfall vergleichbaren Sachverhalt das Vorliegen des Gerichtsstands nach Art. 13 Abs. 1 des Übereinkommens (Verbrauchersache) und sprach aus: „Eine Klage, mit der ein Verbraucher nach dem Recht des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, von einem Versandhandelsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat die Auszahlung eines scheinbar von ihm gewonnen Preises verlangt, ist eine Klage aus Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens, wenn zum einen dieses Unternehmen an den Verbraucher, um ihn zum Vertragsschluss zu motivieren, eine ihn namentlich bezeichnende Sendung gerichtet hat, die den Eindruck erwecken konnte, er werde einen Preis erhalten, sofern der dieser Sendung beigefügte 'Auszahlungs-Bescheid' zurückgesandt wird, und wenn zum anderen der Verbraucher die vom Verkäufer festgelegten Bedingungen akzeptiert sowie die Auszahlung des versprochenen Gewinns tatsächlich verlangt; dagegen hat, auch wenn diese Zusendung darüber hinaus einen Werbekatalog über die Waren dieses Unternehmens mit einem Formular für eine 'unverbindliche Test-Anforderung' enthält, der zweifache Umstand, dass die Zuteilung des Preises nicht von einer Warenbestellung abhängig ist und der Verbraucher tatsächlich keine solche Bestellung aufgegeben hat, keine Auswirkung auf die vorstehende Auslegung.“
Die Entscheidungen des EuGH sind auch für die Auslegung der Bestimmungen des LGVÜ maßgeblich (Czernich/Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Kurzkommentar Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Einleitung Rn. 52). Den Grundsätzen der dargestellten Entscheidung folgend liegt demnach im Anlassfall kein Verbrauchervertrag iSd Art. 13 ff LGVÜ, sondern eine Vertragsstreitigkeit iSd Art. 5 Nr. 1 LGVÜ vor. Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Der Erfüllungsort bestimmt sich nach der lex causae, also nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist (4 Ob 233/97m = SZ 70/176 mwN; Simotta in Fasching, Zivilprozessgesetze² § 88 JN Rn. 98 mwN).
Gegenstand der Klage ist das Begehren auf Auszahlung eines dem Kläger zugesagten – in einem Geldbetrag bestehenden – Gewinns gem § 5j KSchG. Eine ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung eines Erfüllungsorts hat der Antragsteller (Kläger) nicht behauptet. Die verfolgten Ansprüche sind daher – dem allgemeinen gesetzlichen Vertragsstatut des Art. 4 Abs. 2 EVÜ folgend – nach dem Recht jenes Staats zu beurteilen, in dem der Erbringer der vertragscharakteristischen Leistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seinen Wohnsitz (seine Niederlassung) hat. Bei einseitig verpflichtenden Verträgen ist die Leistung des einseitig Verpflichteten (des Schenkers) die Hauptleistung (Schwimann, Internationales Privatrecht² 99). Der Erfüllungsort ist daher hier nach schweizerischem Recht zu bestimmen. Dieses sieht in Art. 74 Abs. 2 Z 1 OR vor, dass Geldschulden an dem Ort zu zahlen sind, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat. Erfüllungsort ist nach dieser Bestimmung der (inländische) Wohnsitz des Klägers. Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinne der ZPO oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, vorausgesetzt, dass Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet, oder die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof setzt daher unter anderem voraus, dass die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist (4 Nd 513/96 = SZ 69/227; Matscher in Fasching2, § 28 JN Rn. 11). Im Anlassfall besteht – wie aufgezeigt – im Inland der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gem Art. 5 Nr. 1 LGVÜ; es besteht daher kein Anlass für eine Ordination. Der Hauptantrag ist deshalb abzuweisen (Matscher aaO Rn. 11 mwN).
Für den verfolgten Anspruch ist das Bezirksgericht für Handelssachen Wien örtlich und sachlich zuständig (§ 52 Abs. 1 JN iVm § 3 Bezirksgerichts-OrganisationsG für Wien); diesem ist die Rechtssache im Sinne des Hilfsantrags zu überweisen.