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Zusammenfassung der Entscheidung Der österreichische Kläger hatte sich gegenüber der kubanischen Botschaft verpflichtet, sämtliche anfallenden Kosten im Zusammenhang mit der Reise eines kubanischen Bekannten nach Österreich zu tragen. Diesem kubanischen Bekannten wurde auf dem Rückweg in Frankfurt (DE) die Weiterreise nach Kuba von der in Deutschland ansässigen Beklagten verweigert, da die Wiedereinreisefrist nach Kuba (angeblich) abgelaufen sei. Aus diesem Grunde reiste der Kläger selbst nach Frankfurt und sodann mit seinem Bekannten gemeinsam nach Ungarn, um dort einen Einreiseantrag zu stellen. Er verlangt nunmehr vor den österreichischen Gerichten von der Beklagten Erstattung der angefallenen Auslagen i.H.v. € 2.498,87. Er stützt die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte auf Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO und beantragt die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts.
Der OGH (AT) weist den Ordinationsantrag des Klägers zurück. Da Art. 5 Brüssel I-VO neben der internationalen Zuständigkeit auch die örtliche Zuständigkeit regele, seien die Voraussetzungen für den Ordinationsantrag nicht gegeben. Nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO könne die Klage sowohl an dem Ort der Schadensverursachung als auch an dem Ort des Schadenseintritts eingereicht werden. Schadenseintrittsort sei in der Regel der Ort, an dem die Vermögensminderung eingetreten sei. Maßgeblich sei insoweit jedoch nur der Ort, an dem es zum ersten direkten Eingriff in das Rechtsgut des Geschädigten gekommen sei. Ein Folgeschaden, der an einem anderen Ort eintritt, sei für die Gerichtsstandsfrage bedeutungslos. Da nach dem Vorbringen des Klägers die (erste) Vermögensverminderung mit dem Fahrkartenerwerb an seinem Wohnsitz eingetreten sei, könne er die Klage beim Gericht seines Wohnsitzes einreichen. Mithin fehle es nicht an einem örtlich zuständigen inländischen Gericht.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Unter Vorlage der Klagsschrift beantragt der Kläger die Bestimmung eines örtlich zuständigen inländischen Gerichts gemäß § 28 JN und bringt dazu im Wesentlichen vor: Er habe im Mai 2004 einen kubanischen Bekannten nach Österreich eingeladen und sich bei der kubanischen Botschaft schriftlich verpflichtet, sämtliche betreffenden Kosten zu tragen. Der Bekannte sei im Besitz eines Visums gewesen, das ihn zum Aufenthalt im Ausland bis 6. 6. 2004 berechtigt habe. An diesem Tag habe er die Rückreise nach Kuba angetreten und habe in Frankfurt in das Flugzeug nach Kuba umsteigen müssen. Die Beklagte (die ihren Sitz in Deutschland hat) habe ihm aber die Beförderung mit der Begründung verweigert, dass die Wiedereinreisefrist nach Kuba abgelaufen wäre. Da dies nicht richtig gewesen sei, sei das Vorgehen der Beklagten rechtswidrig gewesen. Von seinem Bekannten informiert, habe er, der Kläger, alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Rückreise seines Bekannten nach Kuba zu ermöglichen. So habe er eine Reise nach Frankfurt auf sich genommen, habe seinen Bekannten nach Österreich zurückgebracht, sei mit diesem nach Ungarn gefahren, um einen rechtmäßigen Einreiseantrag zu stellen, habe die Verlängerung des kubanischen Visums beantragt etc. Aus diesem Grund habe er diverse Auslagen zu tragen gehabt, die sich in Summe auf EUR 2.498,87 belaufen hätten. Diesen Schaden habe ihm die Beklagte zu ersetzen.
Gemäß Art. 5 Z 3 EuGVVO sei die internationale Zuständigkeit Österreichs gegeben. Es fehle aber ein örtlicher Gerichtsstand im Inland (insbesondere sei der Gerichtsstand der Niederlassung nicht gegeben).
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
Art. 5 EuGVVO stellt einen Katalog besonderer Gerichtsstände auf, die neben den allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 EuGVVO treten und mit diesem konkurrieren. Art. 5 regelt also die örtliche Zuständigkeit gleich mit, wobei die einschlägigen Vorschriften der JN über die örtliche Zuständigkeit verdrängt werden (Czernich in Czernich/Tiefenthaler/E. Kodek Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht² Art. 5 Rn. 1 mwN). Gemäß Art. 5 Z 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Nach hM fallen alle Ansprüche unter Art. 5 Z 3 EuGVVO, die sich auf die Haftung eines Schädigers beziehen, wenn zwischen Schädiger und Geschädigtem kein Vertrag besteht (3 Ob 168/00b); insbesondere fallen ua alle Schadenersatzansprüche nach §§ 1293 ff ABGB unter diese Bestimmung (Czernich aaO Art. 5 Rn. 76 mwN). Art. 5 Z 3 EuGVVO folgt der Ubiquitätstheorie (EuGHSlg 1976, 1735 – Bier/Mines de Potasse d' Alsace), wonach die Klage sowohl an dem Ort eingebracht werden kann, an dem das schadensverursachende Verhalten gesetzt wurde als auch an dem Ort, wo der Schaden eingetreten ist. Schadenseintrittsort ist in der Regel der Ort, an dem die Vermögensminderung eingetreten ist (1 Ob 319/97m, SZ 71/31 = ecolex 1998, 693 = JBl 1998, 517 = RdW 1998, 615 = ZfRV 1998, 170 = HS 29.858). Dies führt unter den Einschränkungen, dass nur der erste Schadenseintrittsort maßgebend ist, ein Folgeschaden, der an einem anderen Ort eintritt, für den Gerichtsstand ohne Bedeutung ist und ebenso der Ort des mittelbaren Schadenseintritts im Fall einer schlichten Schadensverlagerung nicht gerichtsstandsbegründend ist sowie weiters, dass der Ort des Schadenseintritts dann nicht gerichtsstandsbegründend ist, wenn Schädiger und Geschädigter zum Zeitpunkt des Schadenseintritts in demselben Staat anwesend waren, zu einem Klägergerichtsstand. Maßgebend nach Art. 5 Z 3 EuGVVO ist somit immer jener Ort, an dem es zu einem direkten Eingriff in das Rechtsgut des Geschädigten kommt, während zusätzliche Folgen aus dieser Schädigung für die Gerichtsstandsfrage außer Betracht bleiben (Czernich aaO Art. 5 Rn. 84 mwN). Da nach dem Vorbringen des Klägers die (erste) Vermögensverminderung an seinem Wohnsitz eingetreten ist (für eine Annahme, er habe seine Fahrkarte nach Frankfurt nicht in Wien erworben, besteht keinerlei Anlass), kann er die gegenständliche Klage beim Gericht seines Wohnsitzes einbringen. Seine Ansicht, dies wäre ihm wohl nach den Bestimmungen des LGVÜ/EuGVÜ (nicht aber nach der EuGVVO) möglich gewesen, entbehrt jeder Grundlage, zumal Art. 5 Z 3 EuGVÜ und Art. 5 Z 3 EuGVVO wortgleich sind.
Im Hinblick auf die damit gegebene Zuständigkeit des Wohnsitzgerichtes des Klägers fehlt es im vorliegenden Fall an einem örtlich zuständigen inländischen Gericht gar nicht, weshalb die Voraussetzungen für eine Ordination nicht gegeben sind.