Im Vorverfahren wurde vom Obersten Gerichtshof nach Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof zu 4 Ob 58/10y die Vollstreckung der Rückgabeanordnung bewilligt und dem Erstgericht aufgetragen, nähere Vollzugsanordnungen zu treffen. Der Kindesvater legte jedoch keine Nachweise hinsichtlich der Verfügbarkeit der vom italienischen Gericht verlangten Wohnversorgung vor.
In der Folge beantragte der Kindesvater neuerlich die Übergabe des Kindes, weil in einer Entscheidung des italienischen Gerichts über die Obsorge neuerlich eine Rückkehranordnung enthalten sei. In dieser Entscheidung übertrug das italienische Gericht die Obsorge allein dem Kindesvater, ordnete die Rückgabe des Kindes an und ordnete dessen Unterbringung beim Vater an. Zusätzlich stellte das italienische Gericht eine Bescheinigung nach Art. 42 Abs. 1 Brüssel IIa VO aus.
Das Erstgericht wies den Antrag des Kindesvaters ab. Im Beschluss des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 58/10y seien dem Vater Auflagen erteilt worden, deren Erfüllung er bisher nicht nachgewiesen habe.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss im antragsstattgebenden Sinn ab. Der Kindesvater habe seinen Antrag auf die Entscheidung des Jugendgerichts Venedig (Tribunale per i Minorenni di Venezia) vom 23.11.2011 gestützt. Nach dieser Entscheidung sei die Obsorge der Kindesmutter aufgehoben, die Rückkehr der Minderjährigen nach Italien in die Gemeinde V***** angeordnet, die Unterbringung der Minderjährigen bei ihrem Vater angeordnet sowie die Entscheidung für sofort vollstreckbar erklärt worden. Außerdem sei eine Bestätigung im Sinne des Art. 42 Abs. 1 Brüssel IIa VO vorgelegen. Damit seien aber die Voraussetzungen zur Bewilligung des vom Vater gestellten Antrags gegeben. Aufgrund der nunmehrigen Sachlage komme es nicht mehr auf den Nachweis einer Wohnversorgung an.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen iSd § 62 Abs. 1 AußStrG nicht zu lösen seien.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Bewilligung der zwangsweisen Rückführung durch das Rekursgericht vom 20.01.2010 rechtskräftig ist. Dem Erstgericht bleibt – wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 58/10y ausgesprochen hat – nur die konkrete Vorgangsweise bei der Vollstreckung festzulegen.
Die Auffassung des Rekursgerichts, dass in Anbetracht der nunmehr vorliegenden Entscheidung des zuständigen Jugendgerichts Venedig (Tribunale per i Minorenni di Venezia), das die Unterbringung der Minderjährigen bei ihrem Vater anordnete, keine Grundlage mehr besteht, vom Vater Nachweise über die Bereitstellung einer Wohneinrichtung für die Mutter und das Kind zu verlangen, ist nicht zu beanstanden.
Wie der Europäische Gerichtshof in seiner in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung (Rs C 211/10 PPU) klargestellt hat, sind „gegen eine gemäß Art. 42 der Verordnung ausgestellte Bescheinigung, die der Entscheidung, für die sie ausgestellt wurde, eine spezifische Vollstreckbarkeit verleiht, keine Rechtsbehelfe möglich. Das ersuchte Gericht kann lediglich die Vollstreckbarkeit einer solchen Entscheidung feststellen [...]. Fragen, die die Begründetheit der Entscheidung als solche betreffen, und insbesondere die Frage, ob die Voraussetzungen vorliegen, die es dem zuständigen Gericht ermöglichen, diese Entscheidung zu erlassen, einschließlich etwaiger die Zuständigkeit betreffender Rügen sind vor den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats nach dessen Recht geltend zu machen“ (EuGH aaO Rn. 73, 74). Damit ist die Entscheidung des Jugendgerichts Venedig (Tribunale per i Minorenni di Venezia) aber ohne weitere inhaltliche Prüfung zu vollziehen; die Aufgabe des Erstgerichts beschränkt sich darauf, die konkrete Vorgangsweise bei der Vollstreckung festzulegen (4 Ob 58/10y).
Damit können die Ausführungen des außerordentlichen Revisionsrekurses zur als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, „ob für die vorliegende Obsorgeentscheidung des Jugendgerichtes Venedig vom 23.11.2011 überhaupt eine Bescheinigung gemäß Art. 42 Brüssel IIa VO ausgestellt werden darf“, nicht zum Erfolg führen. Gerade diese Frage ist nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einer Prüfung durch die österreichischen Gerichte entzogen.
Zwar kann eine erhebliche Änderung der das Wohl des Kindes betreffenden Umstände eine Sachfrage darstellen, die gegebenenfalls zur Änderung der Entscheidung des zuständigen Gerichts über die Rückgabe des Kindes führen kann. Über eine solche Frage hat aber das zuständige Gericht des Ursprungsmitgliedstaats zu entscheiden (EuGH aaO Rn. 81; 4 Ob 58/10y). Damit sind aber auch die von der Revisionsrekurswerberin eingewendeten „schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen der Menschenrechte nach Art. 8 EMRK“ durch die Rückführung ausschließlich beim Gericht des Ursprungsmitgliedstaats geltend zu machen und im vorliegenden Verfahren unbeachtlich.
Daher vermag der Revisionsrekurs keine Rechtsfragen der in § 62 Abs. 1 AußStrG geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.