Das Erstgericht verfügte die Übermittlung der Klage, des Beschlusses des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 12. Dezember 2011 sowie des Formblattes C des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen an den Beklagten im Rechtshilfeweg. Die Zustellung an den Beklagten ist am 11. Jänner 2012 durch Aushändigung der Schriftstücke an den Empfänger erfolgt.
Am 14. Februar 2012 forderte das Erstgericht den Klagsvertreter sowie den Beklagten (diesen mit internationalem Rückschein) auf, binnen 14 Tagen „auf den gegenständlichen Rechtsfall bezugnehmende Unterlagen vorzulegen, sodass eine richterliche Beurteilung des Falles möglich ist“. Die Zustellung dieser Aufforderung an den Beklagten ist mit internationalem Rückschein am 20. Februar 2012, die Zustellung an den Klagsvertreter am 15. Februar 2012 im elektronischen Rechtsverkehr erfolgt.
Am 23. Februar 2012 legte der Klagsvertreter die Rechnung der klagenden Partei vom 26. Juli 2010 vor. Er teilte im Schriftsatz vom 1. März 2012 (ON 9) überdies mit, dass der Beklagte eine Zahlung von EUR 883,75, einlangend mit 14. Februar 2012, geleistet habe, sodass die Klage auf 4 % Zinsen aus EUR 883,75 seit dem 25. August 2010 sowie die Verfahrenskosten eingeschränkt werde.
Bereits am 27. Februar 2012 war beim Erstgericht eine Faxmitteilung des Beklagten eingelangt, wonach Zahlung an die Kanzlei (gemeint: des Klagsvertreters) geleistet worden sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht das (eingeschränkte) Klagebegehren mit der Begründung der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit zurückgewiesen. Die Zuständigkeitsprüfung habe von Amts wegen zu erfolgen. Aus den von der klagenden Partei vorgelegten Urkunden sei die klägerseits behauptete Gerichtsstandsvereinbarung zu Lasten des in Deutschland wohnhaften Beklagten nicht herauslesbar. Auf einen anderen Gerichtsstand als jenen der (behaupteten) Gerichtsstandsvereinbarung habe sich die klagende Partei nicht berufen. Aus der Mitteilung des Beklagten, den Klagsbetrag bereits an die Kanzlei des Klagsvertreters überwiesen zu haben, lasse sich seine Einlassung vor ein unzuständiges europäisches Gericht im Sinne der EuGVVO noch nicht ableiten.
Gegen den Beschluss richtet sich der fristgerechte Rekurs der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Rekursgericht möge den angefochtenen Beschluss aufheben und den Beklagten schuldig erkennen, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus EUR 883,75 seit 25. August 2010 sowie die Kosten von EUR 517,77 zu Handen der Klagsvertreterin zu bezahlen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und zudem beantragt, dem Beklagten die – allerdings nicht verzeichneten – Kosten des Rekursverfahrens aufzuerlegen.
Der Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs erweist sich als unbegründet.
Die EuBagatellVO (Verordnung (EG) Nr. 861/2007) ist seit 01.01.2009 in Kraft und gilt für grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt, wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs beim zuständigen Gericht EUR 2.000,– nicht überschreitet (Art. 2 Abs. 1 EuBagatellVO).
Der Kläger leitet ein derartiges Verfahren gemäß Art. 4 Abs. 1 EuBagatellVO ein, indem er das im Anhang I vorgegebene Klageformblatt A ausgefüllt direkt beim zuständigen Gericht einreicht oder diesem auf dem Postweg übersendet oder auf anderen Weg übermittelt, der in dem Mitgliedsstaat, in dem das Verfahren eingeleitet wird, zulässig ist, beispielsweise per Fax oder E-Mail. Gemäß Art. 5 Abs. 1 EuBagatellVO wird das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen schriftlich durchgeführt. Gemäß Art. 5 Abs. 2 EuBagatellVO füllt das Gericht nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Klageformblatts Teil I des im Anhang III vorgegebenen Standardantwortformblatts C aus. Es stellt dem Beklagten gemäß Art. 13 EuBagatellVO eine Kopie des Klageformblatts und gegebenenfalls der Beweisunterlagen zusammen mit dem entsprechend ausgefüllten Antwortformblatt zu. Gemäß Art. 5 Abs. 3 EuBagatellVO hat der Beklagte innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Klageformblatts und des Antwortformblatts zu antworten, indem er Teil II des Formblatts C ausfüllt und es gegebenenfalls mit als Beweismittel geeigneten Unterlagen an das Gericht zurücksendet oder indem er auf andere geeignete Weise ohne Verwendung des Antwortformblatts antwortet.
Gemäß Art. 7 Abs. 1 EuBagatellVO erlässt das Gericht innerhalb von 30 Tagen, nachdem die Antworten des Beklagten oder des Klägers unter Einhaltung der Frist des Art. 5 Abs. 3 oder Abs. 6 EuBagatellVO eingegangen sind, ein Urteil oder verfährt wie folgt: a) Es fordert die Parteien innerhalb einer bestimmten Frist, die 30 Tage nicht überschreiten darf, zu weiteren die Klage betreffenden Angaben auf, b) es führt eine Beweisaufnahme nach Art. 9 EuBagatellVO durch, c) es lädt die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung vor, die innerhalb von 30 Tagen nach der Vorladung stattzufinden hat. Gemäß Art. 7 Abs. 3 EuBagatellVO erlässt das Gericht, wenn beim Gericht innerhalb der in Art. 5 Abs. 3 oder Abs. 6 EuBagatellVO gesetzten Frist keine Antwort der betreffenden Partei eingegangen ist, zur Klage oder Widerklage ein Urteil.
Gemäß Art. 19 EuBagatellVO gilt, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt, für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen das Verfahrensrecht des Mitgliedsstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird. Der österreichische nationale Gesetzgeber hat in Umsetzung der EuBagatellVO § 548 Abs. 1 bis 5 ZPO durch die ZVN 2009 eingefügt. Gemäß § 548 Abs. 1 ZPO sind, soweit die EuBagatellVO nichts anderes anordnet, die für den jeweiligen Verfahrensgegenstand geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden. Gemäß § 548 Abs. 4 ZPO ist bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 7 Abs. 3 EuBagatellVO vom Gericht von Amts wegen ein Versäumungsurteil nach § 396 ZPO zu fällen. Ein Widerspruch nach § 397a ZPO ist zulässig.
Im Gegensatz zur EuMahnVO und der in deren Umsetzung erfolgten Zuständigkeitsregelung des § 252 Abs. 2 ZPO finden sich weder in der EuBagatellVO selbst noch in § 548 ZPO Zuständigkeitsvorschriften für das Verfahren. Spezielle Zuständigkeitsvorschriften enthält die EuBagatellVO selbst in Verbraucherstreitigkeiten nicht. Die internationale und auch die örtliche Zuständigkeit richtet sich damit grundsätzlich nach der EuGVVO, die sachliche hingegen nach nationalem Recht (Mayr, Das Europäische Bagatellverfahren in Österreich, ZVR 2009/19, 43).
Nach der EuGVVO darf das angerufene Gericht seine internationale Unzuständigkeit grundsätzlich nicht von Amts wegen a limine wahrnehmen, sondern hat dem Beklagten immer die Möglichkeit zu geben, sich einzulassen (RIS-Justiz RS0111247). Dies gilt selbst dann, wenn die Unzuständigkeit bereits aus den Klagsangaben offenkundig ist. Eine amtswegige Prüfung erfolgt erst vor Erlassung eines allfälligen Versäumungsurteils (Horn in Fucik/Klauser/Kloiber, ZPO, 11. Aufl., zu Art. 24 EuGVVO, S. 690 mwN).
Soweit im Rekurs in diesem Zusammenhang vorgebracht wird, dass die Prüfung der Zuständigkeit durch das Erstgericht a limine und daher rechtswidrig erfolgt sei, trifft dieser Einwand nicht zu. Erst nach der Zustellung gemäß Art. 5 Abs. 2 EuBagatellVO und der Aufforderung zur Vorlage allfälliger schriftlicher Unterlagen an beide Parteien hat das Erstgericht seine Zuständigkeitsprüfung auf Grund der ihm vorliegenden Urkunden vorgenommen. Es kann vorliegendenfalls daher dahingestellt bleiben, ob eine Zuständigkeitsprüfung grundsätzlich auch bereits vor einem Vorgehen nach Art. 5 EuBagatellVO erfolgen könnte.
Gemäß Art. 24 EuGVVO wird das Gericht eines Mitgliedsstaats – sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist – dadurch zuständig, dass der Beklagte sich vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen, oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist. Gemäß Art. 26 Abs. 1 EuGVVO hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht nach dieser Verordnung begründet ist und der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat und der vor dem Gericht eines anderen Mitgliedsstaats verklagt wird, sich auf das Verfahren nicht einlässt. Zur amtswegigen Prüfung der internationalen Zuständigkeit kommt es – abgesehen von ausschließlichen Zuständigkeiten – daher nur dann, wenn eine Streiteinlassung nicht erfolgt (Horn aaO, zu Art. 26 EuGVVO, S 693; RIS-Justiz RS0116403).
Nach der EuGVVO, die auch nach Ansicht der Rekurswerberin hier subsidiär zur Anwendung gelangt, wird das angerufene, an sich unzuständige Gericht zuständig, „wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt“. Dieser Begriff ist gemeinschaftsrechtlich autonom zu bestimmen (Simotta in Fasching/Konecny, 2. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 17). Unter Einlassung auf das Verfahren ist jede Verteidigung zu verstehen, die unmittelbar auf Klagsabweisung oder Klagszurückweisung abzielt (Simotta aaO Rn. 18; Mayr, Die rügelose Einlassung im europäischen (und österreichischen) Mahnverfahren, Zak 2012/334, 168).
Der EuGH hat dazu bisher festgehalten, dass „die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, soweit sie nicht vor jedem Vortrag zur Hauptsache vorgebracht wird, keinesfalls mehr nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben werden kann, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist“. In seiner Rechtsprechung zum innerstaatlichen österreichischen Mahnverfahren vertritt der Oberste Gerichtshof den Standpunkt, dass ein mit Vorbringen in der Sache begründeter Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl nur dann bereits eine Einlassung in das Verfahren nach Art. 24 EuGVVO (Art. 18 LGVÜ) bewirkt, wenn nach den maßgeblichen Prozessvorschriften eine Begründung notwendig war (RIS-Justiz RS0109437; in der Literatur umstritten, ua Simotta in Fasching/Konecny, 2. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 22; Burgstaller/Neumayr IZVR Art. 24 EuGVVO Rn. 9). Im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren (Streitwert bis zu 10.000 EUR) und im arbeitsgerichtlichen Verfahren bedarf ein Einspruch nach den innerstaatlichen österreichischen Verfahrensgesetzen keiner Begründung. Einem Beklagten gereicht es in diesen Verfahrensarten im Hinblick auf Art. 24 EuGVVO daher nicht zum Nachteil, wenn er einen freiwillig begründeten Einspruch erhebt, ohne darin auch schon die internationale Unzuständigkeit des Gerichts zu behaupten. Er kann die Einwendung der Unzuständigkeit noch im ersten vorbereitenden Schriftsatz nachholen, ohne einen solchen spätestens in der ersten mündlichen Streitverhandlung (RIS-Justiz RS0109437). Demgegenüber ist die österreichische Literatur der Ansicht, dass ein begründeter Einspruch eine wirksame Einlassung auf das Verfahren im Sinne des Art. 24 EuGVVO darstellt (Mayr aaO; vgl auch 3 Ob 117/99y). Im Zusammenhang mit der EuMahnVO hat der Oberste Gerichtshof daher jüngst zur Auslegung des Art. 24 EuGVVO im Zusammenhang mit der Erhebung eines Einspruches dem EuGH drei einschlägige Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (8 Ob 39/11k).
Von einer Einlassung auf das Verfahren kann jedenfalls nur dann gesprochen werden, wenn sich der Beklagte am Verfahren auch beteiligt. Daher kann eine bloße Untätigkeit (Säumnis) des Beklagten niemals als Einlassung auf das Verfahren gewertet werden (Simotta aaO Rn. 19 mwN, Rn. 29). Auch bloße Vollmachtsbekanntgaben oder Mitteilungen an das Gericht stellen noch keine Einlassung im Sinne des Art. 24 EuGVVO dar (Simotta aaO Rn. 27; Klauser/Kodek ZPO, 16. Aufl., Art. 24 EuGVVO E 17 mwN).
Das Erstgericht hat hier entsprechend Art. 5 Abs. 2 EuBagatellVO dem Beklagten eine Kopie des Klageformblattes mit dem entsprechend ausgefüllten Antwortformular zugestellt, welches – bis auf die Mitteilung der nach Klagseinbringung erfolgten Zahlung – vom Beklagten unbeantwortet geblieben ist. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass die bloße Mitteilung des Beklagten über die erfolgte Zahlung noch nicht als „Einlassung auf das Verfahren“ zu verstehen ist, ist durchaus vertretbar, zielt das darin enthaltene Vorbringen doch nicht unmittelbar auf eine Klagsabweisung oder Klagszurückziehung ab.
Dass die rechtliche Prüfung durch das Erstgericht, welches das wirksame Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung und damit auch seine internationale Zuständigkeit verneint hat, unrichtig wäre, wird im Rekurs nicht geltend gemacht, sodass sich eine diesbezügliche Prüfung durch das Rekursgericht erübrigt.
Dem Rekurs der klagenden Partei ist damit ein Erfolg zu versagen.
Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die klagende Partei die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels, deren Verzeichnung sie überdies unterlassen hat, jedenfalls selbst zu tragen.
Gemäß § 528 Abs. 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.