Am 4. März 1988 ereignete sich in Jugoslawien in der Nähe von Z***** ein Verkehrsunfall. Der Beklagte war Lenker eines in Jugoslawien zugelassenen PKWs, der Kläger Beifahrer dieses PKWs. Aus dem unbestrittenen (Mit)Verschulden des Beklagten kam es zu einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden, ebenfalls in Jugoslawien zugelassenen Fahrzeug, wobei der Kläger schwer verletzt wurde. Der Kläger begehrt letztlich vom Beklagten Zahlung von ATS 1,000.000,–.
(Schmerzengeld ATS 850.000,– und Verunstaltungsschädigung ATS 150.000,–) sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für die künftigen Unfallsfolgen. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. März 1989 wurde nachstehendes Vorbringen der Parteien protokolliert: “Die Parteien beantragen übereinstimmend, österreichisches Recht auf diesen Rechtsstreit anzuwenden, weil sie österreichisches Recht als anzuwendendes Recht gewählt haben“. „Die Parteien stellen die Anwendbarkeit des österreichischen Rechts außer Streit“. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. Dezember 1989 brachte der Beklagtenvertreter vor, daß die Außerstreitstellung der Anwendbarkeit österreichischen Rechtes zurückgezogen werde; eine Vereinbarung sei nicht getroffen worden, die vorangehende Protokollierung sei widersprüchlich. Im übrigen bestritt der Beklagte das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, weil die Ansprüche zwischen den Streitteilen außergerichtlich verglichen worden seien; das begehrte Schmerzengeld sei unangemessen. Auf Seiten der beklagten Partei trat die Applied Research Laboratories Vertrieb spektralanalytischer Geräte GesmbH nunmehr Fisons-Instruments, Wissenschaftliche Geräte GesmbH als Nebenintervenient bei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es erachtete für die vom Kläger erlittenen Verletzungen, deren nähere Umschreibungen dem Ersturteil zu entnehmen sind, ein Schmerzengeld von ATS 850.000,– sowie eine Verunstaltungsentschädigung von ATS 150.000,– angemessen. Es erörterte auch rechtlich, daß nach dem Haager-Straßenverkehrsübereinkommen grundsätzlich jugoslawisches innerstaatliches Recht auf den Unfall anzuwenden sei, doch sei von den Streitteilen eine Rechtswahl getroffen worden, die vom Beklagten nicht einseitig widerrufen werden könne. Das Berufungsgericht gab der gegen den dem Leistungsbegehren stattgebenden Teil des Urteils gerichteten Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es billigte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß es den Streitteilen grundsätzlich freigestanden sei, das anzuwendende Recht zu wählen, also die Heranziehung einer bestimmten Sachrechtsordnung zu vereinbaren. Die materielle Beurteilung der Rechtswahlvereinbarung erfolge nach dem Sachrecht der lex fori, demnach nach österreichischem Recht. Die Rechtswahlvereinbarung unterliege der Irrtumsanfechtung. Eine derartige Anfechtung sei durch die beklagte Partei nicht erfolgt; ein einseitiger Widerruf sei unbeachtlich. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Rechtswahl neben der Geltung des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht fehle. Die Lehre sei uneinheitlich. Während Schwind (Internationales Privatrecht Rn. 488) und Koziol (Österreichisches Haftpflichtrecht, 2. Aufl. I, 376) die Möglichkeit der Rechtswahl auch dann bejahten, wenn das genannte Abkommen anzuwenden wäre, spreche sich Schwimann (Grundriß des IPRG, 160 und in Rummel, 2. Aufl. ABGB Rn. 12 zu § 48 IPRG) gegen eine derartige Möglichkeit aus. Das Berufungsgericht erachtete das zugesprochene Schmerzengeld überhöht und sprach lediglich ein Schmerzengeld von ATS 700.000,– zu. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Der Kläger beantragt der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung:
Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob das Haager Straßenverkehrsübereinkommen den Parteien eine Rechtswahl im Sinne der §§ 11, 35 Abs. 1 IPRG ermöglicht, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliegt. Sie ist aber nicht berechtigt. Der Revisionswerber verweist darauf, daß das IPRG Dispositionsbefugnis nur dort einräume, wo dies ausdrücklich normiert sei. Außervertragliche Schadenersatzansprüche seien einer der Disposition der Parteien nicht zugänglichen Regelung unterworfen. Aus der Bestimmung des § 53 IPRG sei zu ersehen, daß zwischenstaatliche Übereinkommen durch das IPRG nicht berührt werden dürften, eine Einschränkung derartiger zwischenstaatlicher Vereinbarungen durch das IPRG also verpönt sei. Das Haager Straßenverkehrsübereinkommen sei daher zwingend anzuwenden, weil es eine Dispositionsbefugnis über das anzuwendende Recht nicht kenne. Schließlich sei die Rechtswahl auch deshalb bedenklich, weil nach § 1 IPRG Sachverhalte mit Auslandsberührung nach der Rechtsordnung zu beurteilen seien, zu der die stärkste Beziehung bestehe. Da sich der Unfall im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien ereignet habe, sei diese Rechtsordnung als Beurteilungsgrundlage zu verwenden. Die Wahl des österreichischen Rechts widerspreche dem ordre public, weil der Revisionswerber mit einer für die Rechtsordnung des ehemaligen Jugoslawien exzessiven Forderung konfrontiert sei, ohne die Möglichkeit zu haben, sie auf eine Haftpflichtversicherung zu überwälzen. Die vom Revisionswerber vorgebrachten Argumente vermögen aber nicht zu überzeugen. Wie das Berufungsgericht bereits aufgezeigt hat, wird die Frage, ob das Haager Straßenverkehrsübereinkommen vom 4.5.1971 BGBl 1975/387 den Parteien die Wahl des anzuwendenden Rechts ermöglicht oder diese ausschließt, in der Lehre unterschiedlich beurteilt. Duchek/Schwind (Internationales Privatrecht, 166 Anm. 3 zu Art. 1 des Übereinkommens; Schwind, Internationales Privatrecht Rn. 488) und Koziol (Österreichisches Haftpflichtrecht2 I, 376) bejahen die Möglichkeit einer derartigen Rechtswahl auch ohne ausdrückliche Zulassung durch das Straßenverkehrsübereinkommen, während Schwimann (Grundriß 160, ZVR 1978, 162; in Rummel2, ABGB Rn. 12 zu § 48 IPRG) dies ausschließt. Nach der Argumentation der beiden erstgenannten Autoren enthalte das Haager Straßenverkehrsübereinkommen keine Ausführungen über die Möglichkeit der Wahl einer anderen als der vom Abkommen genannten Rechtsordnung. Nach den allgemeinen Regeln des IPRG, das eine derartige Rechtswahl für das gesamte Schuldrecht und demnach auch für außervertragliche Schadenersatzansprüche zulasse, sei daher eine derartige Rechtswahl grundsätzlich zulässig. Schwimann führt zur Begründung seiner Meinung an, daß das Übereinkommen nirgends erkennen lasse, daß es nur nachgiebiges Recht enthalte. Das Übereinkommen habe sich um den Gleichlauf mit dem Haftpflichtversicherungsrecht bemüht; infolge der Bestimmung des § 11 Abs. 3 IPRG bliebe eine nachträgliche Rechtswahl ohne Wirkung auf das Haftpflichtversicherungsverhältnis, weil der Haftpflichtversicherer nur für den Schaden haften würde, der nach dem vom Abkommen berufenen Recht zu ersetzen sei. Zuletzt hat sich in Österreich Hoyer ausführlich mit der entscheidungswesentlichen Frage der Zulässigkeit der Rechtswahl im Geltungsbereich des Haager Straßenverkehrsübereinkommens auseinandergesetzt (Haager Straßenverkehrsübereinkommen und Rechtswahl der Parteien, ZfRV 1991, 341 ff). Bei seiner – die Zulässigkeit der Parteirechtswahl bejahenden – Argumentation geht Hoyer zunächst davon aus, daß im Übereinkommenstext selbst zu dieser Frage nichts enthalten sei. Auch die Materialien seien zu diesem Punkt äußerst schweigsam. Das Übereinkommen enthalte nur eine sehr spezielle Derogationsregel (Art. 15, der besage, daß das Übereinkommen anderen Verträgen, deren Vertragsparteien die Vertragsstaaten seien oder würden, die auf besonderen Gebieten die außervertragliche zivilrechtliche Haftung aus einem Verkehrsunfall regeln, gegenüber keinen Vorrang haben solle) und setze daher die allgemeinen Derogationsregeln voraus. Nach diesen könne die Befugnis der Parteien zur Rechtswahl bei Straßenverkehrsunfällen auf zwei Arten ausgeschaltet werden; einerseits durch ausdrückliche Anordnung im Übereinkommen oder durch Ausschluß aus dem Sinn der Regelung der Anknüpfung im Übereinkommen, also durch formelle oder materielle Derogation. Für die Annahme einer formellen Derogation fehlten alle Voraussetzungen. Auch die für eine materielle Derogation seien nicht gegeben. Hiezu wäre der Nachweis erforderlich, daß das Haager Straßenverkehrsübereinkommen die Anknüpfung außervertraglicher Ansprüche nach Verkehrsunfällen schlechthin vereinheitlichen wollte und nicht nur die objektive. Aus der Entstehungsgeschichte gehe hervor, daß es zu einer stetigen Einengung des vom Übereinkommen umfaßten Regelungsbereiches gekommen sei und die Rechtswahl, die sich im Obligationenrecht in Europa immer weitergehender durchgesetzt hat, hinsichtlich des Hauptgegenstandes des Übereinkommens nicht angesprochen worden sei. Danach schließe das Übereinkommen eine – nachträgliche – Rechtswahl über die außervertragliche Haftung aus Straßenverkehrsunfällen nicht aus. Der erkennende Senat schließt sich den überzeugenden Argumenten Hoyers und der Mehrheit der Lehre an und bejaht die Zulässigkeit der Rechtswahl im Geltungsbereich des Haager Straßenverkehrsübereinkommens. Den Arumenten der Revision ist zunächst entgegenzuhalten, daß sich nach der Rechtsprechung und der Lehre die Möglichkeit einer ausdrücklichen oder schlüssigen Rechtswahl auch auf das außervertragliche Schadenersatzrecht im Sinne des § 48 Abs. 1 IPRG bezieht, weil § 35 Abs. 1 IPRG von „Schuldverhältnissen“ und nicht von „Schuldverträgen“ spricht (ÖBl 1986, 73; Duchek-Schwind IPR 83) und daher an der grundsätzlichen Zulässigkeit der Rechtswahl auch im außervertraglichen Schadenersatzrecht nicht zu zweifeln ist. Daß auch durch das Haager Straßenverkehrsübereinkommen die Rechtswahl durch die Parteien nicht ausgeschlossen ist, wurde bereits dargetan. Es mag schließlich zutreffen, daß der Revisionswerber durch die von ihm getroffene Rechtswahl insoferne benachteiligt ist, als dadurch die Rechtsbeziehung zu Dritten (insbesondere Versicherern) nicht berührt wird (§ 11 Abs. 3 IPRG). Bei der Vereinbarung österreichischen Rechts durch zwei Österreicher kann aber im Sinne der alleine maßgeblichen Mißbrauchskontrolle nach § 6 IPRG wohl kaum davon gesprochen werden, daß dies mit den Grundwertungen sowohl der österreichischen als auch jugoslawischen Rechtsordnung unvereinbar wäre. Da die Revision eine unrichtige Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes nicht aufzeigen konnte, war ihr ein Erfolg zu versagen.