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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte in Wien (AT) zustande gekommen ist. Die österreichische Klagepartei hatte der Beklagten, deren Sitz in Serbien liegt, per E-Mail ein Vertragsangebot mit einem sechs Seiten umfassenden Text übermittelt. Nach den Feststellungen des Gerichts befand sich das eigentliche Angebot der Klägerin auf den ersten vier Seiten des Textes. Es enthielt Angaben zum Vertrag, jedoch keinen Hinweis auf die Verwendung von AGB und keine Gerichtsstandsvereinbarung. Der Ort für die Unterschrift des Geschäftspartners und für das Datum der Annahme befand sich auf Seite 4. Danach folgten zwei Seiten mit den in einer kleineren Schriftgröße gehaltenen AGB, die eine Gerichtsstandsklausel enthielten. Die von der Klägerin in Wien erhobene Klage wurde in erster und zweiter Instanz wegen fehlender internationaler Zuständigkeit abgewiesen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung sei nicht wirksam zustande gekommen. Hiergegen legte die Klägerin Rechtsbehelf zum OGH (AT) ein.
Der OGH weist den Rechtsbehelf zurück. Art. 23 Brüssel I-VO sei eng auszulegen. Damit eine in AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zum Vertragsinhalt werden könne, sei erforderlich, dass im eigentlichen Vertragstext ausdrücklich auf ihre Einbeziehung in den Vertrag hingewiesen werde. Die bloße Beifügung von AGB ohne einen solchen Hinweis reiche hingegen nicht aus. Im vorliegenden Fall seien zwar die sechs Seiten des Angebotstexts durchnummeriert gewesen. Die Auslegung des Gerichts zweiter Instanz, dass angesichts des Erscheinungsbilds der E-Mail die auf den Ort für die unterschriftliche Annahme des Angebots folgenden Seiten mit kleiner gedrucktem Text kein integrierter Teil des Angebots sei, sei jedoch nicht zu beanstanden. Da der vierseitige Angebotstext keinen Hinweis auf die anschließenden AGB mit der Gerichtsstandsklausel enthalte, sei letztere von den Parteien nicht wirksam vereinbart worden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Rechtliche Beurteilung
1. Der Revisionsrekurs ist entgegen dem nach § 526 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
2. Die Revisionsrekursgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit der Entscheidung des Rekursgerichts liegen nicht vor (§ 510 Abs. 3 Satz 3 iVm § 528a ZPO).
3. Unstrittig ist, dass die Wirksamkeit der von der klagenden Partei behaupteten Vereinbarung eines österreichischen Gerichtsstands nach Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, auch EuGVO oder Brüssel I-VO) zu beurteilen ist. Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung regelt deren Art. 23. Der Begriff Gerichtsstandsvereinbarung, der autonom auszulegen ist, bedeutet eine übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Zuständigkeitsbegründung (RIS Justiz RS0117156). Deren Vorliegen ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, weshalb nur im Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage nach § 528 Abs. 1 ZPO vorliegt (RIS Justiz RS0117156 [T5]). Dies trifft hier nicht zu.
4. Die in Art. 23 EuGVVO (sowie in der Vorgängerbestimmung des Art. 17 LGVÜ) aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln sind eng auszulegen (2 Ob 192/07k mN aus der Judikatur des EuGH; RIS Justiz RS0114604 [T1]). Es soll gewährleistet sein, dass Gerichtsstandsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden (vgl Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR [2011] Art. 23 Brüssel I-VO Rn. 14 mwN der EuGH Rsp; 6 Ob 229/08g mwN). Ist eine Gerichtsstandsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und nicht im eigentlichen Vertragstext enthalten, fordert die ständige Judikatur, ua auch des EuGH (Rauscher/Mankowski aaO Rn. 16 FN 209; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht [2011] Art. 23 EuGVO Rn. 35 FN 108) und des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0111715; RS0109865 [T1]), einen ausdrücklichen Hinweis auf die AGB im eigentlichen Vertragstext. Die bloße Übergabe oder Beifügung von AGB reicht nicht aus (Rauscher/Mankowski aaO Rn. 16; Kropholler/von Hein aaO Rn. 35 je mwN). Enthält ein schriftliches Angebot eine unmissverständliche Gerichtsstandsvereinbarung, genügt eine pauschale (schriftliche) Annahme (Rauscher/Mankowski aaO Rn. 15a mwN; RIS-Justiz RS0115733).
5. Die Beurteilung des Rekursgerichts, das eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung verneinte, hält sich im Rahmen dieser Kriterien. Das eigentliche Angebot der klagenden Partei fand sich auf den ersten vier Seiten des per E Mail übermittelten sechsseitigen Texts, enthielt Fotos der angebotenen Möbel und Angaben zum Vertrag, aber keinen Hinweis auf die Verwendung von AGB oder auf eine Gerichtsstandsvereinbarung. Auf Seite vier finden sich Zeilen für die Unterschrift des Vertragspartners (als Bestätigung des Auftrags) und das Datum. Auf den Seiten fünf bis sechs folgen die AGB mit einem im Vergleich zum überwiegenden Angebotstext kleiner gedruckten Schriftbild. Dort findet sich als Punkt 1.7 die strittige Gerichtsstandsklausel. Die Auslegung des Rekursgerichts, die AGB ungeachtet der durchlaufenden Nummerierung der übermittelten Urkunde nicht als integrierten Bestandteil des per E Mail angenommenen Angebots zu werten, ist angesichts des Erscheinungsbilds der Urkunde vertretbar. Mit ihrem Gegenargument, die AGB einschließlich der Gerichtsstandsvereinbarung seien (ausdrücklich) angenommen worden, geht die klagende Partei nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.