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Zusammenfassung der Entscheidung Nachdem das Erstgericht den Antrag des Vaters auf Rückführung seines Kindes von Österreich nach Spanien abgewiesen hatte, ordnete das spanische Gericht erster Instanz unter Bezugnahme auf Art. 11 Abs. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 ("Brüssel II bis") die Rückführung des Kindes an. Dieser Entscheidung war eine Bescheinigung gemäß Art. 42 Brüssel II bis-VO beigefügt, in der ausdrücklich festgehalten worden war, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nicht vollstreckbar sei. Der Vater legte nach erfolglosem ersten Rechtsbehelf weiteren Rechtsbehelf zum Obersten Gerichtshof (AT) ein.
Der Oberste Gerichtshof weist den Rechtsbehelf ab. Es sei keine denkmögliche Auslegung von Art. 42 Abs. 1 Brüssel II bis-VO, dass die Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaats lediglich tatsächlich vollstreckbar sein müsse, dieser Umstand aber nicht bescheinigt zu werden brauche und sich aus der Tatsache der Ausstellung der Bescheinigung durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats per se ergebe, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sei, insbesondere wenn die Bescheinigung selbst die Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaats ausdrücklich als nicht vollstreckbar bezeichne. Aus der nicht bestehenden Möglichkeit, eine Entscheidung zu bekämpfen, folge keineswegs zwingend deren Vollstreckbarkeit.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Nachdem das Erstgericht den Antrag des Vaters auf Rückführung des Kindes nach Spanien abgewiesen hatte, ordnete das spanische Amtsgericht mit Beschluss unter Bezugnahme auf Art. 11 Abs. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Brüssel IIa Verordnung) die Rückführung des Kindes an. Dieser dem österreichischen Bundesministerium für Justiz übermittelten Entscheidung ist eine Bescheinigung gemäß Art. 42 Brüssel IIa VO angeschlossen, in der ausdrücklich festgehalten ist, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nicht vollstreckbar ist.
Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, nach Art. 42 Abs. 1 Brüssel IIa VO werde nur eine in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung über die Rückgabe des Kindes in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und dort vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedürfe und ohne dass die Anerkennung angefochten werden könne; diese Voraussetzung sei nach der ausgestellten Bescheinigung nicht erfüllt. Mangels vollstreckbarer Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat komme auch eine Vollstreckung in Österreich zwangsläufig nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.
Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers ist es keine denkmögliche Auslegung von Art. 42 Abs. 1 Brüssel IIa VO, dass die Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaats lediglich tatsächlich vollstreckbar sein müsse, dieser Umstand aber nicht bescheinigt zu werden brauche und sich aus der Tatsache der Ausstellung der Bescheinigung durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats per se ergebe, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sei, wenn nämlich – wie hier – die Bescheinigung selbst die Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaats ausdrücklich als nicht vollstreckbar bezeichnet.
Aus der nicht bestehenden Möglichkeit, eine Entscheidung zu bekämpfen, folgt keineswegs zwingend deren Vollstreckbarkeit.
Der Rechtsmittelwerber meint weiter sinngemäß, das spanische Gericht habe die – im vorliegenden Fall verneinte – Frage 10 der Bescheinigung gemäß Art. 42 Abs. 1 Brüssel IIa VO über Entscheidungen über die Rückgabe des Kindes (Anhang IV) mit dem Wortlaut „Ist die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar?“ so verstanden, Exekutionsmaßnahmen in Spanien seien im konkreten Fall nicht möglich, weil sich das Kind in Österreich und nicht in Spanien befinde.
Diese Auslegung würde zu einem absurden Ergebnis führen, weil dann diese Frage stets verneint werden müsste, sind doch im Ursprungsmitgliedstaat, wo sich das Kind definitionsgemäß nicht aufhält, Vollstreckungsmaßnahmen zu dessen Rückführung niemals möglich. Die Frage wäre dann sinnlos. Davon abgesehen ist dem Vollstreckungsmitgliedstaat die Prüfung inhaltlicher Mängel der Bescheinigung verwehrt (Sengstschmied in Fasching/Konecny, Art. 45 EuEheKindVO Rn. 17), wozu auch das vom Rechtsmittelwerber dargelegte irrige Verständnis der Frage 10 der Bescheinigung gehörte.
Weil schon deshalb eine Vollstreckung des spanischen Beschlusses nicht in Betracht kommt, kommt es auf die Auslegung von Art. 42 Abs. 2 lit. a Brüssel IIa VO (Anhörung des Kindes) nicht an.