-
Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin verklagte die beiden in Deutschland wohnhaften Beklagten vor einem österreichischen Gericht auf Feststellung, dass ein bestimmtes Fahrzeug in ihrem Eigentum stehe, sowie dass der dieses Fahrzeug betreffende Kaufvertrag unecht sei, da die hierauf befindliche Unterschrift nicht vom Komplementär der Klägerin stamme. Das Gericht wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück, was vom Rekursgericht bestätigt wurde. Die Klägerin legte Revisionsrekurs zum österreichischen OGH ein.
Der OGH prüft zunächst, ob es sich um eine Klage aus einer „unerlaubten Handlung“ iSd Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO handelt. Dies ist dann der Fall, wenn eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht werde, die nicht an einen Vertrag iSd Art. 5 Nr. 1 anknüpfe. Zwar habe die Klägerin einen Betrug des Erstbeklagten geltend gemacht. Jedoch habe sie hieraus gegen die Beklagten keine Ansprüche erhoben und insbesondere keine Schadenshaftung geltend gemacht. Vielmehr sei ihre Klage nur auf Feststellung ihrer Eigentümerstellung gerichtet. Auch der Antrag auf Feststellung, dass der Kaufvertrag unecht sei, ziele lediglich auf die Feststellung einer Tatsache ab, nämlich ob die Urkunde tatsächlich von dem als Aussteller Bezeichneten stamme. Dagegen gehe es nicht um die Geltendmachung von Ansprüchen wegen einer unerlaubten Handlung. Der geltend gemachte Betrug sei nicht Gegenstand der beantragten Feststellungen. Auch auf Art. 5 Nr. 1 könne die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nicht gestützt werden. Zwar umfasse dieser Gerichtsstand auch die Frage, ob ein Vertrag zustande gekommen sei. Jedoch ziele das Feststellungsinteresse der Klägerin hierauf nicht ab. Die Klägerin wolle mit ihrer Klage nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zu den Beklagten festgestellt haben. Neben der Feststellung des Eigentumsrechts der Klägerin gehe es ihr nur um die Tatsache der mangelnden Echtheit der Urkunde.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin begehrt gegenüber den beiden Beklagten die Feststellung, dass ein in der Klage näher bezeichnetes Fahrzeug in ihrem Eigentum stehe und dass der dieses Fahrzeug betreffende Kaufvertrag vom 2. 11. 2007 unecht sei.
Weder der Sitz der Klägerin noch die Wohnsitze der Beklagten befinden sich im Sprengel des Erstgerichts. Die Wohnsitze der Beklagten befinden sich in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Erstgericht wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge. Die Klägerin wolle lediglich ihr Eigentum am Fahrzeug festgestellt wissen; es gehe weder um Vertragserfüllung noch um Naturalrestitution. Eine Frage des Art. 5 EuGVVO stelle sich daher nicht. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000, EUR, nicht jedoch 30.000, EUR, übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zu den hier relevierten Fragen im Zusammenhang mit Art. 5 EuGVVO“ fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden (§ 526 Abs. 2 ZPO). Die Zurückweisung des Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs. 3 Satz 4 ZPO).
Das Gericht hat bei Stellung eines Sachantrags seine Befugnis zum Einschreiten zu prüfen. Es muss demnach aufgrund der Angaben des Klägers prüfen, ob für die Erledigung des Antrags neben anderen Prozessvoraussetzungen die (internationale) Zuständigkeit des Gerichts gegeben ist (§ 41 JN; Ballon in Fasching/Konecny² I Vor § 41 Rn. 1; RIS Justiz RS0115860 ua). Das gegenständliche Klagevorbringen gibt zwar ausführlich und illustrativ darüber Aufschluss, wie es zum Konflikt der Parteien kam; nur ein kleiner Teil davon bezieht sich aber unmittelbar auf den vom Gericht zu erledigenden Sachantrag, der lediglich dahin lautet, festzustellen, dass die Klägerin Eigentümerin eines bestimmten Fahrzeugs sei und dass ein bestimmter Kaufvertrag unecht sei.
Gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, auf den die Klägerin die internationale Zuständigkeit ihrer Klage primär stützte, kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat vor dem Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, geklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO normiert damit einen Gerichtsstand für außervertragliche (deliktische) Schadenersatzansprüche (Brenn, Europäischer Zivilprozess Rn. 74 ua). Der EuGH definiert Klagen aus „unerlaubten Handlungen“ als Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag iSd Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpfen (3 Ob 182/08y; RIS Justiz RS0115357 ua). In der vorliegenden Klageerzählung ist zwar von einem Betrug des Erstbeklagten die Rede; es werden aber daraus gegen die Beklagten keine Ansprüche erhoben, insbesondere keine Schadenshaftung der Beklagten geltend gemacht. Vielmehr will die Klägerin nur ihren bisherigen sachenrechtlichen Status (Eigentum) festgestellt wissen. Beim weiteren Begehren der Klägerin auf Feststellung, dass der Kaufvertrag vom 2. 11. 2007 unecht sei, geht es ihr um die Feststellung, dass die auf dem Vertrag befindliche Unterschrift nicht vom Komplementär der Klägerin stamme. Bei der Frage, ob die Urkunde echt sei, also tatsächlich von dem als Aussteller Bezeichneten stamme (§ 294 ZPO), geht es nur um die Feststellung einer Tatsache (Fasching in Fasching/Konecny² III § 228 Rn. 67 f ua), nicht um Ansprüche oder eine Haftung wegen einer unerlaubten Handlung. Der (von wem auch immer begangene) Betrug ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht Gegenstand der klageweise begehrten Feststellungen.
Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, auf den sich die Klägerin in erster Instanz subsidiär stützte, setzt für die Klage gegen eine Person in einem anderen Mitgliedstaat als jenem, in dem sie ihren Wohnsitz hat, voraus, dass ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin negierte in erster Instanz ausdrücklich ein Vertragsverhältnis zum Erstbeklagten und auch zum Zweitbeklagten, mit dem sie laut Klageerzählung nichts zu tun hatte. Sie macht auch keine Ansprüche aus einem Vertrag gegen die Beklagten geltend, insbesondere auch nicht die Herausgabe des Fahrzeugs oder eine allfällige „Rückabwicklung“. Nach der Rechtsprechung versteht Art. 5 Nr. 1 EuGVVO unter der erfüllten oder zu erfüllenden Verpflichtung diejenige Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet (5 Ob 312/01w ua). Gegenstand der vorliegenden Klage ist jedoch keine Verpflichtung der Beklagten, sondern die Feststellung des Eigentums der Klägerin und der mangelnden Echtheit einer Urkunde. Der Erfüllungsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO kann zwar auch zur Klärung der Frage, ob ein Vertrag zustandegekommen ist, in Anspruch genommen werden (Brenn, Europäischer Zivilprozess Rn. 65 ua), aber auch darauf zielt das Feststellungsbegehren der Klägerin nicht ab; die Klägerin will mit ihrer Klage nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zu den Beklagten festgestellt haben. Neben der Feststellung des Eigentumsrechts der Klägerin geht es ihr nur um die Tatsache der mangelnden Echtheit einer Urkunde.
Zusammenfassend genügt es für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht, bloß auf das Rahmengeschehen bezügliche Fragen aufzuwerfen, die bei der Entscheidung über den Sachantrag nicht gelöst werden müssen und daher auch nicht „präjudiziell“ sind (vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rn. 10, 60 mwN; 9 ObA 125/08k ua). Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs. 1 ZPO ist daher der Revisionsrekurs der Klägerin, ungeachtet seiner Zulassung durch das Rekursgericht, zurückzuweisen.