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Zusammenfassung der Entscheidung Der Beklagte hatte mit der in Italien wohnhaften Klägerin die Zahlung eines bestimmten Betrages vereinbart. Die Klägerin erhob Zahlungsklage vor dem Bezirksgericht Villach (AT). Da der Aufenthalt des Beklagten nicht bekannt war, wurde für diesen ein Zustellungskurator bestellt, an den die Klage zugestellt wurde. Dieser erhob gegenüber der Klage die Einrede der Verjährung. Das Gericht nahm Verjährung an und wies die Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin Berufung zum Landesgericht Klagenfurt (AT) ein.
Das Landesgericht Klagenfurt hebt das erstinstanzliche Urteil auf und verurteilt den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung an die Klägerin. Es stellt zunächst fest, dass auf die Forderung das italienische Recht zur Anwendung gelangt. Die Regelverjährung des italienischen Rechts betrage 10 Jahre. Für den Erfolg der Klage komme es deshalb darauf an, ob diese rechtzeitig vor dem Ablauf der 10-Jahresfrist erhoben wurde, sodass sie die Verjährung unterbrechen konnte. Die Forderung war am 03.09.1998 fällig geworden. Die Klägerin hat ihre Forderung am 18.08.2008 und damit vor dem Eintritt der Verjährung bei dem Gericht eingereicht. Die Zustellung an den für den Beklagten bestellten Zustellungskurator erfolgte jedoch erst am 19.01.2009, d.h. nach Ablauf der Verjährungsfrist. Da nach österreichischem Zivilprozessrecht eine Klage erst mit der Zustellung an die beklagte Partei rechtshängig wird, hatte das Bezirksgericht die Klage abgewiesen. Sie habe die bereits eingetretene Verjährung nicht mehr unterbrechen können. Das Landesgericht Klagenfurt wendet hingegen Art. 30 Brüssel I-VO an. Die Brüssel I-VO habe mit dieser Vorschrift eine allgemeine autonome europäische Regelung des Eintritts der Rechtshängigkeit gesetzt, die auch auf die Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung anzuwenden sei. Da gemäß Art. 30 Nr. 1 der Zeitpunkt der Klageerhebung bereits vor Eintritt der Verjährung gelegen habe, sei noch keine Verjährung erfolgt und die Klage deshalb zuzusprechen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Nicht strittig ist, dass der Beklagte der Klägerin aufgrund einer Vereinbarung vom 2. 3. 1998 die im Spruch ersichtliche Forderung zu bezahlen hat. Frühester Zeitpunkt der Geltendmachung war der 3. 9. 1998. Die Forderung verjährte daher mit Ablauf dieses Tages.
Die Klägerin begehrt nun unter Hinweis auf diverse außergerichtliche Versuche, den Beklagten zur Zahlung zu verhalten, den Betrag von EUR 43.229,86 s. A.
Der Beklagte wendete Verjährung ein.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen, wobei es den Fall rechtlich wie folgt beurteilte:
Weil das letzte gemeinsame Personalstatut der Streitteile das italienische sei, sei der Sachverhalt nach italienischem Recht zu beurteilen, weil zu dieser Rechtsordnung die stärkste Beziehung bestehe. Gemäß Art. 2946 des italienischen Zivilgesetzbuches (CC) erlöschen Rechte durch Verjährung nach Ablauf von zehn Jahren. Gemäß Art. 2635 CC beginne die Verjährung an dem Tag, an dem der Anspruch geltend gemacht werden könne, also wie im österreichischen Recht mit der Fälligkeit, hier dem 3. 9. 1998. Gemäß Art. 2943 CC werde die Verjährung durch Zustellung des Schriftstückes unterbrochen, mit dem ein Gerichtsverfahren eingeleitet werde. Diese Streitanhängigkeit sei aber erst mit Zustellung der Klage an den Zustellkurator am 19. 1. 2009 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Anspruch jedenfalls bereits verjährt gewesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte hat eine Berufungsbeantwortung erstattet und beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist begründet.
Auf die Fragen der vorprozessualen Korrespondenz und deren Unterbrechungswirkung kommt es, wie sogleich zu zeigen sein wird, nicht an, sodass diesbezügliche Erwägungen unterbleiben können.
Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob das Anbringen der Klage, welches innerhalb von zehn Jahren nach Fälligkeit, nämlich am 18. 8. 2008, erfolgte, die Verjährung unterbrechen konnte. Dies ist nach Auffassung des Berufungsgerichtes zu bejahen.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass in der österreichischen Rechtsprache üblicherweise zwischen der Gerichtshängigkeit und der Streitanhängigkeit unterschieden wird. Die Gerichtshängigkeit tritt mit der Überreichung der Klage bei Gericht ein (§ 232 Abs. 1 Satz 2 ZPO), die Streitanhängigkeit hingegen erst mit der Zustellung der Klage an den Beklagten (§ 232 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Erstgericht geht davon aus, dass erst die Streitanhängigkeit Unterbrechungswirkung habe und dass aufgrund der Negativfeststellung vorprozessuale Aufforderungen an den Beklagten zur Zahlung des geschuldeten Betrages nicht entsprechend nachweisbar seien.
Die Bestimmung des hier anzuwendenden Art. 30 Abs. 1 EuGVVO besagt, dass ein Gericht zu dem Zeitpunkt als angerufen gilt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstückes an den Beklagten zu bewirken. Diese Vorschrift enthält eine autonome Bestimmung des Eintritts der Rechtshängigkeit und hat einen Mittelweg gewählt, der die verschiedenen Verfahrensordnungen der Mitgliedsstaaten in Einklang bringt und gleichzeitig die Waffengleichheit der Kläger sowie den Schutz vor einem Verfahrensmissbrauch gewährleistet. Danach tritt die Rechtshängigkeit je nach der geltenden Verfahrensordnung zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt ein: In Mitgliedsstaaten, in denen das verfahrenseinleitende Schriftstück vor dessen Zustellung an den Beklagten bei Gericht einzubringen ist (wie z. B. in Österreich und in Deutschland), ist das Verfahren ab dem Zeitpunkt der Einbringung dieses Schriftstückes bei Gericht „anhängig“, sofern der Kläger alle (nach nationalem Recht) notwendigen Schritte gesetzt hat, um die Zustellung der Klage an den Beklagten zu bewirken. Für in Österreich eingebrachte Klagen ist somit die erste Ziffer des Art. 30 EuGVVO relevant: Das Gericht gilt als angerufen, wenn die Klage bei Gericht eingebracht wird. Maßgeblich für den Eintritt der (europäischen) Rechtshängigkeit ist somit (nunmehr) der Eintritt der „Gerichtsanhängigkeit“ nach österreichischem Zivilprozessrecht (Fasching² V/1 Rn. 1 ff zu § 30 EuGVVO). Die Zustellung im vorliegenden Fall an den Zustellkurator ist demnach für die Unterbrechung der Verjährung ohne Bedeutung. Deshalb und weil eine Bestreitung der grundsätzlichen Berechtigung der Forderung der Klägerin nicht erfolgte (vorbereitender Schriftsatz des Beklagten, eingebracht am 31. 3. 2009 Punkt 1.1 zur Vereinbarung: „Richtig ist, dass die Streitteile die Vereinbarung Beilage./F abgeschlossen haben. Die beklagte Partei ist auch nicht in der Lage, die Zahlung entsprechend der Vereinbarung zu beweisen.“), war der Berufung Folge zu geben und der Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrages samt Anhang zu verhalten.