-
Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin verklagte die Beklagte mit Sitz außerhalb Österreichs vor einem österreichischen Gericht auf Leistung einer Ausgleichszahlung nach Auflösung eines Franchisevertrags. In diesem Vertrag war eine Klausel enthalten, nach der Streitigkeiten „vor den zuständigen Gerichten jenes Bezirkes, in dem die beklagte Vertragspartei ihren Sitz hat, entschieden“ werden. Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzuständigkeit ab, weil die Klausel eine gültige Gerichtsstandvereinbarung sei, was vom Berufungsgericht bestätigt wurde.
Der OGH (AT) stellt fest, dass sich aus einer Gerichtsstandklausel das für zuständig erklärte Gericht nicht dem Wortlaut nach ergeben müsse. Es genüge vielmehr nach Art. 23 Brüssel I-VO, wenn darin objektive Kriterien ersichtlich seien, nach denen das zuständige Gericht bestimmt werden könne. Ist die jeweils beklagte Partei am Gericht ihres Sitzes zu verklagen, dann steht spätestens mit der Klageerhebung fest, wer Beklagter ist, so dass dann an dessen Sitz die ausschließliche Zuständigkeit besteht.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Streitteile haben einen Franchisevertrag über die Einbindung der Klägerin in das weltweite Mietwagen-Reservierungssystem der beklagten Partei geschlossen.
Mit dem Vorbringen, die beklagte Partei habe diesen Vertrag unberechtigt vorzeitig aufgelöst, begehrt die klagende Partei einen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 24 HVG in Höhe von EUR 1,393.552,90 sowie Schadenersatz in Höhe von EUR 278.976, jeweils zuzüglich 20 % USt.
Die Zuständigkeit des angerufenen österreichischen Gerichtes leitet die klagende Partei aus Art. 5 EuGVVO ab, weil fast ausschließlich Dienstleistungen im Rahmen des Franchisesystems erbracht worden seien und der Erfüllungsort in Österreich liege. Die in Art. 11 des Franchisevertrages getroffene Gerichtsstandvereinbarung sei nicht wirksam, weil diese Vereinbarung von einer noch nicht konkretisierten und daher unwirksamen Rechtswahl abhänge, und zwar abhängig von der jeweiligen Beklagtenrolle in einem Rechtsstreit.
Die beklagte Partei wendete die fehlende internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte ein, weil in Art. 11 des Franchisevertrages eine wirksame Gerichtsstandvereinbarung enthalten sei, welche die vorliegende Rechtssache an das für den Sitz der beklagten Partei zuständige Gericht in Frankreich verweise.
Diese Klausel lautet wie folgt:
„Die Vertragsparteien werden sich nach besten Kräften bemühen, alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag gütlich beizulegen. Wenn keine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann, so wird die Streitigkeit gemäß dem Recht und vor den zuständigen Gerichten jenes Bezirkes, in dem die beklagte Vertragspartei ihren Hauptgeschäftssitz hat, entschieden.“
Die Streitteile trafen keine über den schriftlichen Vertragstext hinausgehenden Abmachungen betreffend einen Gerichtsstand. Das Erstgericht wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass eine gültige Gerichtsstandvereinbarung im Sinn des Art. 23 EuGVVO vorliege, welche andere Gerichtsstände, insbesondere den Wahlgerichtsstand nach Art. 5 EuGVVO ausschließe.
Das Berufungsgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichtes. Es hat dabei die Frage einer wirksamen Gerichtsstandvereinbarung im Sinn des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses zu verweisen (§ 510 Abs. 3 iVm § 528a ZPO).
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Vorbringen der Revisionsrekursgegnerin zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher die in der Rechtsprechung des EuGH vorgegebene Abgrenzung zwischen dem anzuwendenden nationalen materiellen Recht einerseits und einer autonom auszulegenden Gerichtsstandsvereinbarung iSd Art. 23 EuGVVO andererseits noch nicht anzuwenden hatte; er ist aber nicht berechtigt.
Ergänzend ist der Revisionsrekurswerberin entgegenzuhalten:
Da Art. 23 EuGVVO – abgesehen von hier nicht wesentlichen redaktionellen Anpassungen – der Vorgängerbestimmung des Art. 17 EuGVÜ bzw LGVÜ entspricht (Klauser, Europäisches Zivilprozessrecht EuGVVO Art. 23 FN*), ist die hiezu ergangene Rechtsprechung weiter anwendbar (Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek, Kurzkommentar Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Einleitung Rn. 34). Der Begriff der Gerichtsstandvereinbarung ist grundsätzlich autonom, dh nach der Systematik und dem Anwendungswillen der EuGVVO (Czernich/Tiefenthaler/G.Kodek aao Rn. 35), auszulegen (RIS-Justiz RS0117156). Nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs 24-76 „Colzani/Ruewa“; Rs C-387/98 „Coreck/Handelsveem BV“) ist notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln eine „Vereinbarung“ zwischen den Parteien. Das mit der Sache befasste Gericht hat daher in erster Linie zu prüfen, ob die seine Zuständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist; die Formerfordernisse des Art. 17 EuGVÜ (jetzt: Art. 23 EuGVVO) sollen nämlich gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht. Dabei ist aber nicht erforderlich, dass sich das aus der Gerichtsstandsklausel abzuleitende Gericht schon aufgrund des Wortlauts der Klausel bestimmen lässt. Es genügt, wenn die Klausel die objektiven Kriterien nennt, über die sich die Parteien bei der Bestimmung des Gerichts oder der Gerichte, die über ihre bereits entstandenen oder künftigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden sollen, geeinigt haben. Diese Kriterien, die so genau sein müssen, dass das angerufene Gericht feststellen kann, ob es zuständig ist, können gegebenenfalls durch die besonderen Umstände des jeweiligen Falles konkretisiert werden („Coreck/Handelsveem“ Rn. 17). Die Wahl des vereinbarten Gerichtes kann nur anhand von Erwägungen geprüft werden, die im Zusammenhang mit den Erfordernissen des Art. 17 (jetzt: Art. 23) stehen. Aus diesen Gründen hat der EuGH daher bereits wiederholt entschieden, dass Art. 17 von jedem objektiven Zusammenhang zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem vereinbarten Gericht absieht (EuGH Rs C-159/97 „Castelletti/Trumpy“ mwN). Die Vorinstanzen haben daher zutreffend die Wirksamkeit der Gerichtsstandsklausel unabhängig von der Wirksamkeit der Rechtswahlklausel beurteilt.
Die klagende Partei versucht überdies, eine wirtschaftliche Zwangslage der klagenden Partei bei Abschluss des Vertrages aufzuzeigen, beruft sich dazu aber auf Argumente, welche nach eigenem Vorbringen erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses eingetreten sein sollen. Ein Einfluss auf die Willenseinigung betreffend die Gerichtsstandvereinbarung kann daraus nicht ersehen werden. Entgegen der Auffassung der klagenden Partei ist auch dem Bestimmtheitsgebot Genüge getan. Gerichtsstandsvereinbarungen sind ihrem Wesen nach Zuständigkeitsoptionen und entfalten daher grundsätzlich erst dann Wirkungen, wenn die Klage erhoben ist (EuGH Slg der Rsp 1979, 3423 „Sanicentral/Collin“). Die hier zu beurteilende Gerichtsstandsvereinbarungsklausel ist derjenigen, die vom EuGH zu Rs 23-78 „Meeth/Glacetal“ zu beurteilen war, durchaus vergleichbar. Spätestens mit der Klageerhebung steht nämlich fest, wer beklagte Partei ist und dass somit das für den Sitz der beklagten Gesellschaft zuständige Gericht ausschließlich zuständig wird. Da sich der vorliegende Fall mit den in der bisherigen Judikatur des EuGH aufgestellten Grundsätzen lösen lässt, besteht auch keine Veranlassung zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens.