-
Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger erhob gegen den Beklagten vor dem Bezirksgericht Schwechat (AT) Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld. Das Gericht nahm zwar die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte an, wies die Klage jedoch wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit zurück. Der Kläger beantragte daraufhin die Überweisung an das Bezirksgericht Pregarten (AT) und stellte zugleich einen Antrag an den OGH (AT), das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen. Die Rechtssache wurde daraufhin dem Bezirksgericht Pregarten überwiesen, welches die Akten mit dem Ordinationsantrag dem OGH (AT) vorlegte.
Der OGH hält eine Entscheidung über den Ordinationsantrag derzeit für nicht erforderlich. Im Rahmen des Art. 24 Brüssel I-VO werde ein Gericht zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlasse. Dies gelte auch für die örtliche Zuständigkeit. Ein Gericht dürfe daher eine nach Art. 24 Brüssel I-VO heilbare internationale oder örtliche Unzuständigkeit nicht bei der Klageprüfung in limine litis von Amts wegen aufgreifen und die Klage a limine wegen fehlender internationaler oder örtlicher Zuständigkeit abweisen. Im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO könne durch rügelose Einlassung auch isoliert nur die örtliche Zuständigkeit begründet werden. Eine Zurückweisung a limine sei im Rahmen der Brüssel I-VO daher nur zulässig, wenn die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 22 Brüssel I-VO ausschließlich zuständig seien. Dies sei hier nicht der Fall. Es bestehe damit vorliegend die Möglichkeit, dass sich der Beklagte auf das Verfahren rügelos einlassen werde und damit die örtliche Zuständigkeit begründet werde. Über den Ordinationsantrag sei daher derzeit nicht zu entscheiden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger begehrte vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von Schmerzengeld in der Höhe von 3.000 EUR und von Verdienstentgang in der Höhe von 2.500 EUR je sA mit der wesentlichen Behauptung, der Beklagte habe ihn auf einem Flug mit einer Maschine der Austrian Airlines AG von Bangkok nach Wien-Schwechat durch Faustschläge verletzt.
Das vom Kläger gestützt auf „§ 92a JN bzw Art. 5 EuGVVO/LGVÜ/EuGVÜ“ angerufene Bezirksgericht Schwechat bejahte in seinem Beschluss vom 25. Juni 2009, GZ 1 C 463/09p-2, das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit, weil Österreich im Sinn der Entscheidung des EuGH vom 5. Februar 2004, C-18/02, Danmarks Rederiforening/LO Landesorganisationen i Sverige (= wbl 2004/79 = IPrax 2006, 161 [Franzen]) als „Flaggenstaat“ anzusehen sei, doch wies es die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück.
Der Kläger beantragte daraufhin die Überweisung der Rechtssache an das vom Bezirksgericht Schwechat im Hinblick auf den Wohnsitz des Klägers für nicht offenbar unzuständig erachtete Bezirksgericht Pregarten und stellte zugleich gemäß § 28 JN den Antrag an den Obersten Gerichtshof, ein inländisches Bezirksgericht (zum Beispiel das Bezirksgericht Pregarten) als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
Das Bezirksgericht Schwechat hob daraufhin mit seinem Beschluss vom 20. Juli 2009, GZ 1 C 463/09p-2, die Zurückweisung der Klage auf und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht Pregarten. Das Bezirksgericht Pregarten legte die Akten mit dem Ordinationsantrag dem Obersten Gerichtshof vor.
Eine Entscheidung über den Ordinationsantrag ist derzeit nicht geboten.
1. Der Rechtsstreit fällt in den Anwendungsbereich der VO (EG) 2001/44 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es nach Art. 24 EuGVVO zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist. Letztgenannte Einschränkung greift hier nicht, weil keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO in Frage kommt.
2. Nach Art. 24 EuGVVO trifft den durch rügelose Einlassung auf das Verfahren zuständig gewordenen Mitgliedstaat die Pflicht zur Justizgewährung (Simotta in Fasching/Konecny2 Art. 24 EuGVVO Rn. 62; Geimer/Schütze, Zivilverfahrensrecht2 Art. 24 EuGVVO Rn. 13). Das österreichische Gericht darf daher eine nach Art. 24 EuGVVO heilbare internationale Unzuständigkeit nicht bei der Klagsprüfung in limine litis von Amts wegen aufgreifen und die Klage nicht a limine wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit zurückweisen (RIS-Justiz RS0111247). Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist eine a-limine-Zurückweisung daher nur dann zulässig, wenn – was hier nicht zutrifft – die Gerichte eines anderen Staats nach Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig sind; in allen anderen Fällen ist die Klage, auch wenn das angerufene Gericht international unzuständig ist, dem Beklagten zuzustellen, damit diesem die Gelegenheit gegeben wird, den Mangel der internationalen Zuständigkeit durch rügelose Einlassung auf das Verfahren zu heilen (Simotta in Fasching/Konecny2 Art. 24 EuGVVO Rn. 70; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtstands- und Vollstreckungsrecht³ Art. 24 EuGVVO Rn. 4). Die vom Bezirksgericht Schwechat in seinem Beschluss vom 25. Juni 2009, GZ 1 C 463/09p-2, angestellten Erwägungen zur internationalen Zuständigkeit waren demnach im seinerzeitigen Verfahrensstadium verfrüht.
3. Durch rügelose Einlassung nach Art. 24 EuGVVO wird aber nach herrschender Ansicht nicht nur die internationale Zuständigkeit, sondern auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründet (Simotta in Fasching/Konecny2 Art. 24 EuGVVO Rn. 11 mzN; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtstands- und Vollstreckungsrecht³ Art. 24 EuGVVO Rn. 4; mit [hier allerdings nicht maßgeblichen] Einschränkungen Rauscher/Staudinger, EuZPR² [2006] Art. 24 Brüssel I-VO Rn. 8), was namentlich im Fall des Art. 5 Z 3 EuGVVO auch isoliert nur für die örtliche Zuständigkeit gelten kann (Simotta in Fasching/Konecny2 Art. 24 EuGVVO Rn. 11). Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die vom Bezirksgericht Schwechat in seinem Beschluss vom 25. Juni 2009, GZ 1 C 463/09p-2, vorgenommene, allerdings unbekämpft gebliebene und inzwischen auch bereits wieder aufgehobene Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit als verfehlt.
4. Da eine allfällige rügelose Einlassung des Beklagten in das Verfahren die örtliche Zuständigkeit begründen kann, besteht derzeit auch keine Notwendigkeit zur Entscheidung des vom Kläger erhobenen Ordinationsantrags. Mit dessen Abweisung war aber ebenfalls nicht vorzugehen, weil je nach der weiteren Verfahrensgestion des Beklagten auch die künftige Notwendigkeit einer Ordination derzeit nicht auszuschließen ist.
Dem Bezirksgericht Pregarten, welches im Weiteren die Zustellung der Klage an den Beklagten zu veranlassen haben wird, waren somit die Akten ohne Entscheidung über den Ordinationsantrag zurückzustellen.