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Zusammenfassung der Entscheidung Das österreichische Erstgericht hat ein französisches Urteil für in Österreich vollstreckbar erklärt, welches der verpflichteten österreichischen Gesellschaft nicht auch persönlich zugestellt wurde. Das französische Titelgericht bestätigte gem. Art. 54 und 58 Brüssel I-VO, dass sein Urteil in Frankreich vollstreckbar sei, obwohl die Exekutionsbewilligung dort eine persönliche Zustellung verlangt. Das Zweitgericht hat die Vollstreckbarkeit in Österreich bestätigt.
Der OGH (AT) stimmt dem ebenfalls zu und führt aus, Art. 38 Brüssel I-VO regle nur das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen vollstreckbaren Titeln und lasse die eigentliche Zwangsvollstreckung unberührt, wie der EuGH (EuGH C-267/97) zu der Vorgängerbestimmung Art. 31 Abs.1 EuGVÜ bereits klargestellt habe. Da das Exekutionsverfahren nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaates abgewickelt werde, sei es unerheblich, ob das Urteil auch im Ursprungsstaat vollstreckt werden könne. Stehe wie hier der Exekution in Frankreich das Fehlen der persönlichen Zustellung entgegen, so betreffe dies nur ein etwaiges Vollstreckungsverfahren dort. Für das Vollstreckungsverfahren in Österreich sei dies dagegen ohne Bedeutung, da es nicht die Vollstreckbarkeit des Titels als solchen betreffe. Da eine persönliche Zustellung in Österreich nicht erforderlich sei, sei die Exekution zu bewilligen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Über Antrag der betreibenden Partei erklärte das Erstgericht mit zwei vom selben Tag datierenden Beschlüssen das Urteil des Appellationsgerichtshofs von Versailles, Frankreich, vom 26. Juni 2003, Nr. 295, Az. 01/02990, für in Österreich vollstreckbar und bewilligte ihr aufgrund dieses Exekutionstitels zur Hereinbringung von 2.309.255,92 EUR sowie der Kosten des Exekutionsantrags die Forderungsexekution, die zwangsweise Pfandrechtsbegründung und die Fahrnisexekution. Die betreibende Partei hatte sowohl eine Ausfertigung des Titelurteils mit Vollstreckbarkeitsklausel (formule exécutoire) samt beglaubigter Übersetzung als auch eine Bescheinigung gemäß Anhang V der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden nur EuGVVO) vorgelegt. Das Titelurteil wurde den Vertretern der verpflichteten Partei zugestellt, nicht aber der verpflichteten Partei (überdies) persönlich, weil diese unter Hinweis, dass das ihr zuzustellende Titelurteil in französischer Sprache abgefasst sei, die Annahme verweigerte. Das französische Titelgericht bestätigte am 29. September 2003 gemäß Art. 54 und 58 EuGVVO, dass sein am 26. Juni 2003 verkündetes (Titel)Urteil in Frankreich vollstreckbar sei. Nach Art. 503 der französischen Zivilprozessordnung (Nouveau Code de Procédure Civile – n.c.pr.c.) ist Voraussetzung für die Exekutionsbewilligung in Frankreich neben der Vollstreckbarerklärung des Titels auch dessen Zustellung an die verpflichtete Partei persönlich; erkennbar, weil die französische Rechtsordnung das Exekutionsbewilligungsverfahren nicht kennt und die Exekution nicht durch Gerichtsbedienstete, sondern durch damit beliehene Private (Huissiers de Justice) erfolgt und somit die Zustellung des Titels auch an die unterlegene Partei persönlich eine Art Warnung oder Mahnung sein mag.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die beiden erstinstanzlichen Beschlüsse. Es wendete auf die Vollstreckbarerklärung die EuGVVO an. Zwar sei die Klage im Titelverfahren vor Inkrafttreten dieser Verordnung eingebracht worden, die Entscheidung selbst datiere aber vom 26. Juni 2003, also nach dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens (Art. 76 leg.cit.). Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung sei sowohl in Österreich als auch in Frankreich das EuGVÜ in Kraft gewesen, weshalb gemäß Art. 66 Abs. 2 lit. a EuGVVO deren Bestimmungen anzuwenden seien. Die Vollstreckbarerklärung setze nicht die Rechtskraft oder Endgültigkeit der Entscheidung voraus, vielmehr genüge die bloß vorläufige Vollstreckbarkeit. Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung seien gegenüber dem EuGVÜ bzw. LGVÜ wesentlich vereinfacht. Voraussetzung für die Anerkennung sei nur noch, dass die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats vollstreckbar sei. Die (vorherige) Zustellung sei nicht Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung. Die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit der vom Gericht des Ursprungsstaats erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung sei im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut von Art. 45 Abs. 1 EuGVVO nicht gegeben. Dies würde auch den Zielsetzungen der Verordnung, nämlich dem Gläubiger rasch und effektiv Rechtsschutz zu gewähren, zuwider laufen. Versagungsgründe nach Art. 34 f EuGVVO seien nicht erkennbar. Die vorgelegte Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO entspreche auch dem Formblatt laut Anhang V der Verordnung.
Die zweite Instanz sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Denn es fehle höchstgerichtliche Rsp dazu, ob entgegen dem Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 EuGVVO im Rahmen des Verfahrens nach §§ 43 ff leg.cit. auch die vom Gericht des Ursprungsstaats erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung des Exekutionstitels auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden könnte. Sollte man sich der bejahenden Auffassung der Lehre anschließen, würde eine nach Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen der Mitgliedstaaten (EZV) unwirksame Zustellung im Hinblick auf Art. 503 n.c.pr.c. (Voraussetzung für die Exekutionsbewilligung sei auch die Zustellung des Exekutionstitels an die verpflichtete Partei persönlich) die Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat als Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung nach Art. 38 leg.cit. in Frage stellen.
Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 83 Abs. 2 EO iVm § 78 EO, § 526 Abs. 2 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
a) Die verpflichtete Partei erhebt zu Recht gegen die Anwendung der EuGVVO keinen Einwand. Es kann daher mit der Einschränkung auf die Ausführungen des Rekursgerichts verwiesen werden, dass diese Verordnung nach ihrem Art. 76 Abs. 1 mit 1. März 2002 (und nicht wie in der Rekursentscheidung: 2003) in Kraft getreten ist. Dies ändert am Ergebnis allerdings nichts. Dass die Bestimmungen der EuGVVO Vorrang vor jenen der EO haben, folgt aus § 86 EO. Aus den Ausführungen im Revisionsrekurs lässt sich nicht entnehmen, dass die verpflichtete Partei Versagungsgründe nach den Art. 34 und 35 EuGVVO behauptet. Entscheidungsgegenstand in dritter Instanz ist somit allein die Prüfung der Vollstreckbarkeit der Titelentscheidung im Ursprungsstaat iSd Art. 38 Abs. 1 EuGVVO. Gegen die Exekutionsbewilligung wird sonst nichts ins Treffen geführt.
b) Die verpflichtete Partei relevierte in ihrem Rekurs gegen die erstgerichtliche Vollstreckbarerklärung die mangelnde Zustellung des Exekutionstitels an sie persönlich allein unter dem Aspekt des Art. 25 (richtig: Art. 26) EuGVVO. Art. 26 EuGVVO ist aber hier nicht anzuwenden, ergibt sich doch aus dem Exekutionstitel selbst, dass dieser nach einem kontradiktorischen Verfahren und nicht als Säumnisentscheidung erging, während Art. 26 EuGVVO die mangelnde Einlassung des Beklagten im Titelverfahren zum Gegenstand hat. Schon aus diesem Grund kommt die von der verpflichteten Partei angeregte Aktenvorlage an den EuGH zur Auslegung des Art. 26 EuGVVO nicht in Betracht. Auch wenn die verpflichtete Partei in ihrem Rechtsbehelf nach Art. 43 EuGVVO den nunmehr allein aufrecht erhaltenen Versagungsgrund nicht als solchen geltend machte und man dessen amtswegige Berücksichtigung, soweit dies aktenmäßig gedeckt ist, in Betracht ziehen wollte (so Burgstaller/Neumayr in Burgstaller, IZVR, Art. 43 EuGVO Rn. 14 unter Hinweis auf die Materialien der EO-Nov 2000), wäre damit für die verpflichtete Partei nichts gewonnen:
c) Denn wie der EuGH zu Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ, der Vorgängerbestimmung des Art. 38 EuGVVO, bereits klargestellt hat, betrifft der Begriff der Vollstreckbarkeit nur die Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung in formeller Hinsicht, nicht aber die Voraussetzungen, unter denen diese Entscheidungen im Urteilsstaat vollstreckt werden können. Es sei Sache der Gerichte des Vollstreckungsstaats, im Rahmen des Verfahrens wegen eines Rechtsbehelfs nach Art. 36 EuGVÜ gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer solchen Entscheidung gemäß ihrem Recht einschließlich des internationalen Privatrechts zu bestimmen, welche Rechtswirkungen eine Entscheidung des Urteilsstaats hat (EuGH Rs C-267/97, Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-02543 – Coursier vs. Fortis Bank und Bellami, verheiratete Coursier, ZER 1999/90 = ecolex 1999, 589 = wbl 2000/135 = IPRax 2000, 18). In dieser Entscheidung führte der EuGH aus (Rn. 28), er habe bereits entschieden, das EuGVÜ regle nur das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen vollstreckbaren Titeln und lasse die eigentliche Zwangsvollstreckung unberührt, die nach wie vor dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats unterliege. Ausgehend von dieser auch auf § 38 Abs. 1 EuGVVO anzuwendenden Auffassung ist es daher unerheblich, ob die betreibende Partei auch in Frankreich Exekution gegen die verpflichtete Partei führen könnte oder ein Hindernis in Form des Art. 503 n.c.pr.c. entgegen stünde, geht es doch hier nur um die Erklärung der Vollstreckbarkeit (vgl. dazu Mankowski in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 38 EuGVVO Rn. 11, es sei für die Vollstreckbarerklärung unbeachtlich, ob der Zwangsvollstreckung aus der Entscheidung im Erststaat konkrete Zwangsvollstreckungshindernisse entgegenstehen, berühre doch dies nicht die für den Titel allein maßgebliche Ebene des Erkenntnisverfahrens). Zutreffend wird in der Lehre auch ausgeführt, es handle sich bei dieser Zustellung (an die Partei persönlich) nicht um eine Voraussetzung der Vollstreckbarkeit, sondern diese betreffe das Vollstreckungsverfahren selbst (Keßler, Die Vollstreckbarkeit und ihr Beweis gem. Art. 31 und 47 Nr. 1 EuGVÜ, 109 [zu Art. 31 EuGVÜ]; vgl. auch Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht7 Art. 38 Rn. 8; Burgstaller/Neumayr aaO Art. 38 EuGVO Rn. 14, 16). Insoweit ist zwischen dem ausländischen Titelverfahren einschließlich der Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und deren Überprüfung in Österreich und dem nach nationalem Recht durchzuführenden Exekutionsverfahren zu unterscheiden. Im Sinn der zitierten EuGH-Entscheidung ist demnach ein Hindernis für eine Exekution des ausländischen Titels im Ursprungsland – worüber bei einem französischen Titel die französischen Gerichte zu befinden hätten – ohne Relevanz für die Exekution eben dieses Titels nach der österr. Exekutionsordnung in Österreich. Entgegen der Rechtsmittelausführung ist – bei der Exekution – auch ein ausländischer Verpflichteter nicht schlechter gestellt als ein französischer Verpflichteter, richtet sich doch die Exekution in Frankreich nach französischem Recht und in Österreich nach österr. Recht.
Nach österr. Exekutionsrecht setzt die Erteilung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit – im Titelverfahren (Jakusch in Angst, EO, § 7 Rn. 98) – für einen gerichtlichen Exekutionstitel zumindest voraus, dass dieser wirksam wurde und keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug mehr unterliegt (Jakusch aaO Rn. 92 und 95). Eine Regelung, wonach die Vollstreckung eines gerichtlichen Exekutionstitels in Österreich die vorherige Zustellung (auch) an die Partei persönlich voraussetzen würde, besteht nicht, vielmehr ist nach allgemeiner Regel an den Prozessbevollmächtigten zuzustellen (§ 93 Abs. 1 ZPO). Die Zustellung an die durch einen solchen vertretene Partei selbst wäre auch wirkungslos (stRsp, Nachweise bei Gitschthaler in Rechberger2, ZPO, § 93 ZPO Rn. 7).
Für den hier vorliegenden Fall der Vollstreckbarerklärung eines französischen Exekutionstitels für Österreich ergibt sich aus der Aktenlage kein Hinweis darauf, dass ungeachtet der vorgelegten Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO und dem Formblatt gemäß Anhang V dieser Verordnung die Vollstreckbarkeit iSd Art. 38 leg.cit. nicht gegeben wäre. Damit ist aber die vom Rekursgericht als erheblich angenommene Rechtsfrage nicht zu prüfen, weil selbst bei Bejahung einer amtswegigen Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Ursprungsstaats ein Hindernis für die Vollstreckbarerklärung nicht vorläge.
Auch die verpflichtete Partei vermag eine derartige Rechtsfrage nicht aufzuzeigen. Insbesondere ist nicht recht verständlich, inwieweit sich eine solche aus der nicht weiter begründeten Behauptung ergeben solle, § 84a EO stelle eine Gesetzeslücke dar.
Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.