-
Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien streiten um einen Kaufvertrag über ein italienisches Grundstück, welcher nach Meinung des Klägers von den Beklagten nicht erfüllt wurde. Der Kläger erhob vor dem Landesgericht Wels (AT) gegen die Beklagten Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages. Die Beklagten verwiesen darauf, der Kläger habe zuvor bereits dieselbe Klage vor dem Landesgericht Bozen (IT) erhoben und sei mit dieser unterlegen. Die Klage sei in zweiter Instanz von der Corte d'appello Trento (IT) rechtskräftig abgewiesen worden. Das Landesgericht Wels wies die Klage als unzulässig ab. Ihr stehe das Prozesshindernis der entschiedenen Sache im Wege. Auf die Berufung des Klägers hin hob das OLG Linz (AT) diese Entscheidung auf und verwies sie an das Landesgericht zur weiteren Aufklärung zurück, was genau der Gegenstand der rechtskräftigen italienischen Entscheidung sei. Die Beklagten legten Revisionsrekurs zum OGH (AT) ein.
Der OGH weist den Rekurs zurück. Er stellt fest, der Kläger habe im italienischen Verfahren zwei Anträge gestellt. Im Hauptantrag habe er die Verurteilung der Beklagten zur Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf sich beantragt. Hilfsweise habe er Schadensersatz in Höhe von 500 Mio. Lire oder eines anderen von dem Gericht als angemessen angesehenen Betrages verlangt. Der OGH legt dar, das italienische Urteil sei gemäß Art. 33 Brüssel I-VO in Österreich anzuerkennen. Dies gelte insbesondere für die Rechtskraftwirkung, bei der es sich um die wichtigste nach Art. 33 anzuerkennende Urteilswirkung handele. Nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung seien die objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft dem Recht des Ursprungsstaats zu entnehmen. Es sei folglich nach italienischem Recht zu beurteilen, welcher Gegenstand mit der rechtskräftigen Abweisung der italienischen Klage endgültig entschieden wurde. Die Entscheidung des OLG Linz, die hierzu noch weiteren Aufklärungsbedarf sah, sei nicht zu beanstanden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von den Beklagten den Ersatz des Erfüllungsinteresses in Höhe von 1.508.000 EUR aus einem von den Beklagten nicht zugehaltenen Kaufvertrag über eine Liegenschaft in Südtirol.
Die Beklagten wendeten – soweit für das vorliegende Rekursverfahren noch relevant – das Prozesshindernis der entschiedenen Sache ein. Der Kläger habe in einem vor dem Landesgericht Bozen angestrengten Zivilverfahren gegen die hier Beklagten und zwei weitere Beklagte einerseits eine Klage auf Eigentumsübertragung an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft, andererseits aber auch auf Schadenersatz eingebracht, den er mit 500 Mio Lire beziffert habe. Der Kläger habe zwar im Verfahren erster Instanz mit seinem Übertragungsbegehren gewonnen, doch sei dieses Urteil durch das Appellationsgericht Trento, Außenstelle Bozen, abgeändert worden. Insbesondere sei nicht nur die auf Eigentumsübertragung gerichtete Klage sondern auch ein Eventualbegehren gegen die Beklagten auf Zahlung von 500 Mio Lire Schadenersatz abgewiesen worden. Dieses Urteil sei in Rechtskraft erwachsen. Dieses abgewiesene Eventualbegehren lautet in Übersetzung:
„... die Verurteilung der Beklagten S***** Anton und N***** Herbert zur Rückgabe an Herrn H***** Karl all jener Beträge, welche derselbe, sei es für Dritte, als auch für sich selbst, direkt den Beklagten gezahlt hat, sowie zur Schadenersatzzahlung in geschätzter Höhe von 500 Mio Lire oder jenes Betrages, welchen der Richter als angemessen hält. ...“
Das Erstgericht gab dem Einwand der entschiedenen Sache statt und wies die Klage deshalb zurück (Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses) und verurteilte den Kläger zum Kostenersatz an die Beklagten (Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses). Das Erstgericht gelangte zur Rechtsauffassung, dass die vorgenannte Abweisung durch das Appellationsgericht Trento denselben rechtlichen Sachverhalt betreffe wie die hier vorliegende Klage betreffend das Erfüllungsinteresse, sodass die Rechtskraft dieser Entscheidung einer neuerlichen Entscheidung durch ein österreichisches Gericht entgegenstehe.
Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über den Einwand des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 527 Abs. 2 ZPO zulässig sei. Es erachtete den Zwischenstreit für noch nicht entscheidungsreif, weil noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, welcher Anspruch bzw welche Anspruchsteile des Klägers tatsächlich von einer Rechtskraft des italienischen Urteils umfasst seien. Sowohl aufgrund des unklaren Vorbringens des Klägers in seiner in Bozen angebrachten Klage als auch aufgrund der Fassung des Urteilsspruchs könne der Prozessgegenstand noch nicht genau definiert werden, darüber hinaus bedürfe es der Ermittlung des Umfangs der Rechtskraftwirkung nach italienischem Recht, zumal nicht feststehe, ob der Betrag von 500 Mio Lire eine Begrenzung darstelle oder auch ein darüber hinausgehender Schadenersatz verneint worden sei. Die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof habe aus prozessökonomischen Gründen zu erfolgen, weil keine Judikatur dazu vorliege, inwieweit in die Beurteilung des Umfangs des Streitgegenstands eines im Ausland geführten, rechtskräftig beendeten Vorprozesses und der Rechtskraftwirkung eines ausländischen Urteils ausländisches Prozessrecht einzufließen habe und wie vorzugehen sei, wenn sich der Streitgegenstand eines ausländischen Prozesses nicht hinreichend genau definieren lasse.
Dagegen richten sich die Rekurse sowohl des Zweitbeklagten als auch des Erstbeklagten. Die Rekurse sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch nicht zulässig. Allgemein gilt, dass dann, wenn aufgrund staatsvertraglicher Regelungen ein Urteil in Österreich vollstreckbar (anzuerkennen) ist, dieses materielle Rechtskraft äußert (RIS-Justiz RS0110172). Da im vorliegenden Fall das in Zivilsachen ergangene Urteil eines italienischen Gerichts zur Beurteilung steht, kann kein Zweifel sein, dass gemäß Art. 33 Abs. 1 EuGVVO eine derartige Bindung besteht (vgl 4 Ob 252/03t). Die materielle Rechtskraft ist die wichtigste Urteilswirkung, die nach Art. 33 EuGVVO anzuerkennen ist (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8 Vor Art. 33 Rn. 11). Die objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft sind nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung dem Recht des Erststaats zu entnehmen (Kropholler aaO Rn. 9, 11). Ein Urteil eines ausländischen Gerichts kann daher im Inland nur jene Wirkung entfalten, die ihm im Bereich der Jurisdiktion dieses (ausländischen) Gerichts zukommt (4 Ob 252/03t mwN). Die in der Aufhebungsentscheidung des Zwischenstreits ergangenen Aufträge des Rekursgerichts zur Erhebung, inwieweit das von den Beklagten ins Treffen geführte Urteil in Italien bindende Wirkung zu entfalten vermag, entspricht daher genau diesen, von der Rechtsprechung anerkannten Intentionen. Das Rekursgericht wirft daher in seinem Zulassungsbeschluss keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs. 1 ZPO auf.
Zum Rekurs des Erstbeklagten:
Der Erstbeklagte vermeint, dass mit dem die Forderung des Klägers abweisenden Urteil des Appellationsgerichts Trento trotz der Geltendmachung eines Betrags von nur 500 Mio Lire sämtliche Schadenersatzansprüche des Klägers gegenüber den Beklagten rechtskräftig abgewiesen worden seien. Ohne auch nur annähernd auf die Bindungswirkung nach italienischem Prozessrecht einzugehen, unterstellt der Erstbeklagte daher ein Ergebnis, welches nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Rekursgerichts keineswegs feststeht, sondern erst zu eruieren ist. Ist aber die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsauffassung des Rekursgerichts zutreffend, dann ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen, ob eine Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (stRsp RIS-Justiz RS0042179 [T17]).
Zum Rekurs des Zweitbeklagten:
Vorweg ist auf die Ausführungen zum Rekurs des Erstbeklagten zu verweisen. Ergänzend vermeint der Zweitbeklagte, dass aus dem Urteil des Appellationsgerichts Trento hervorgehe, dass bereits umfassend darüber entschieden worden sei, dass dem Kläger nichts wegen „vertraglicher und außervertraglicher Haftung“ zustehe. Damit zielt der Zweitbeklagte offensichtlich auf den mit Buchstabe „f“ bezeichneten Teil der Klageabweisung ab (Fax-Seite 26 der Beilage ./3 bzw Fax-Seite 15 der dazugehörigen Übersetzung). Dabei übersieht der Zweitbeklagte jedoch, dass sich dieser Klageabweisungspunkt nur auf die Brüder Albert und Richard F***** bezieht, wie auch aus der Wiedergabe des Klagebegehrens in Beilage ./3 (Fax-Seite 9) eindeutig hervorgeht. Die „Verneinung jedweder vertraglichen oder außervertraglichen Schadenersatzansprüche“ bezieht sich daher eindeutig nicht auf die hier Beklagten.
Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage erweisen sich daher beide Rekurse als unzulässig.