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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger ist Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Wien (AT). Er hat die im Vereinigten Königreich wohnhafte Beklagte in einer Grundstücksangelegenheit vertreten, für sie einen bestimmten Geldbetrag entgegengenommen und auf einem Treuhandkonto verwaltet. Als die Beklagte das Honorar des Klägers nicht bezahlte, hinterlegte er hieraus einen seiner Honorarforderung entsprechenden Betrag beim OLG Wien (AT). Mit seiner zum Bezirksgericht Innere Stadt Wien (AT) erhobenen Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages an ihn. Die Klage wurde in erster und in zweiter Instanz wegen Unzuständigkeit abgewiesen. Der Kläger beantragte daraufhin beim OGH (AT) die Bestimmung eines zuständigen österreichischen Gerichts im Wege der sog. Ordination. Er machte geltend, die Entscheidung über die Auszahlung eines bei einem inländischen Gericht hinterlegten Betrages könne nur durch ein österreichisches Gericht erfolgen. Wegen Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland müsse ein zuständiges inländisches Gericht bereitgestellt werden.
Der OGH weist den Antrag des Klägers zurück. Er stellt fest, die Regelung der internationalen Zuständigkeit im EuGVÜ und im LugÜ sei abschließend. Im Anwendungsbereich der Übereinkommen könne die Zuständigkeit deshalb ausschließlich anhand von deren Zuständigkeitskatalog begründet werden. Liege keiner der darin vorgesehenen Gerichtsstände vor, so fehle es an der inländischen Gerichtsbarkeit. Die Regel des österreichischen Zivilprozessrechts, nach der ein zuständiges inländisches Gericht zur Verfügung zu stellen sei, sei zur selbständigen Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit nicht geeignet, sondern setze diese voraus. Vorliegend lasse sich nach den Übereinkommensregeln, insbesondere gemäß Art. 5 Nr. 1 LugÜ, die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nicht begründen. Für eine Bestimmung eines örtlich zuständigen inländischen Gerichts sei deshalb kein Raum.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger begehrt, gemäß § 28 JN ein örtlich zuständiges Gericht für die Einbringung einer Klage gegen die Beklagte auf Ausfolgung des zu 5 Nc 296/98p bei der Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichtes Wien hinterlegten Betrags in Höhe von S 24.990,90 zu bestimmen.
Der Kläger habe die Beklagte rechtsfreundlich vertreten und ihr dafür ein Honorar von S 24.990 inklusive 20 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Die Vertretungstätigkeit des Klägers habe sich auf die Liegenschaft EZ ***** KG ***** bezogen. Der Kläger habe namens und in Vollmacht der Beklagten einen in Notariatsaktsform errichteten Kauf- und Übergabsvertrag vor dem öffentlichen Notar Dr. S***** in Mödling unterfertigt.
Die Beklagte bestreite die Berechtigung der Honorarforderung.
Als Vertreter der Beklagten habe der Kläger für sie einen Betrag von über S 1,000.000 in Empfang genommen und im Zeitraum Juli 1996 bis Dezember 1998 auf einem Treuhandkonto verwahrt. Den strittigen Honorarbetrag habe der Kläger gerichtlich erlegt. Der Erlag sei auch mit Beschluss vom 28. 1. 1999, GZ 5 Nc 246/98p-6, vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien angenommen worden und die Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien sei beauftragt worden, den Betrag unter der unter II HMB 39/99 neu eröffneten Masse Dr. Andreas A. L***** gegen Karla L***** in Verwahrung zu nehmen.
Unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 26. 2. 1996, 4 Nd 503/96, habe der Kläger beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien unter Berufung auf § 99 JN Klage auf Einwilligung in die Ausfolgung des bei der Verwahrungsabteilung des beim Oberlandesgericht Wien hinterlegten Betrags in Höhe von S 24.990,90 eingebracht. Die Klage sei vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien „wegen sachlicher Unzuständigkeit“ zurückgewiesen worden. Einem dagegen erhobenen Rekurs habe das Landesgericht für ZRS Wien zu 35 R 577/99h nicht Folge gegeben.
Weil § 99 JN infolge des Inkrafttretens des LGVÜ und des EUGVÜ im vorliegenden Fall nicht angewendet werden könne, jedoch die inländische Gerichtsbarkeit grundsätzlich gegeben sei, weil eine gerichtliche Entscheidung, welche die Einwilligung zur Ausfolgung durch die Verwahrungsstelle beim Oberlandesgericht Wien ersetze, notwendig sei und eine solche Entscheidung nicht einem ausländischen Gericht vorbehalten werden könne, welches sich überdies eine Entscheidung über einen in Österreich gerichtlich hinterlegten Betrag nicht anmaßen würde, bestehe die Notwendigkeit, dass im Wege der Ordination nach § 28 JN der Oberste Gerichtshof ein sachlich zuständiges Gericht für die Rechtsverfolgung bestimme.
Eine Rechtsverfolgung im Ausland sei daher nicht möglich.
Der erkennende Senat hat dazu erwogen:
Gemäß Art. 2 LGVÜ sind vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens, Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Demnach ist das Gericht am Wohnsitz grundsätzlich allzuständig und konkurriert mit den besonderen Zuständigkeiten der Art. 5 bis 15 (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Rn. 1 zu Art. 2 LGVÜ). Gemäß Art. 5 LGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre. Art. 5 Z 1 normiert damit den praktisch besonders bedeutungsvollen Gerichtsstand des Erfüllungsortes für Vertragsstreitigkeiten, der über den Anwendungsbereich des vergleichbaren § 28 Abs. 1 JN wesentlich hinausgeht und dem österreichischen Kläger die Möglichkeit eröffnet, den Beklagten mit Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat vor ein österreichisches Gericht zu ziehen (Czernich, AnwBl 1996, 426).
Auf diesen internationalen Zuständigkeitstatbestand hat sich der Antragsteller aber nicht berufen. Mangels – nicht behaupteter – Vereinbarung, bestimmt sich der Erfüllungsort nach § 905 ABGB nach dem Wohnsitz des Schuldners im Zeitpunkt der Forderungsentstehung. Das gilt auch für Geldschulden, die gemäß § 1420 ABGB dem Gläubiger zu übermitteln sind (Binder in Schwimann Rn. 20 zu § 905 ABGB mit Rechtsprechungshinweisen).
Art. 3 LGVÜ (verpönte nationale Gerichtsstände) macht ausdrücklich die Bestimmung des § 99 der österreichischen JN gegen Personen unanwendbar, die in einem anderen Vertragsstaat ihren Wohnsitz haben.
Das EuGVÜ/LGVÜ regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Vertragsstaaten abschließend. Österreichische Gerichte dürfen ihre Zuständigkeit damit nur auf Tatbestände stützen, die im Zuständigkeitskatalog des EuGVÜ/LGVÜ berücksichtigt sind. Dieses Übereinkommen geht dem nationalen Recht vor (SZ 69/227; 1 Ob 173/98t; 9 ObA 247/98h). Es ist für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit ausschließlich maßgebend (Czernich/Tiefenthaler aaO Rn. 31 ff vor Art. 1; Schoibl in JBl 1998, 700 ff). Das LGVÜ schafft sohin ein selbständiges, in sich geschlossenes System der internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte. Wird darin die Zuständigkeit österreichischer Gerichte für einen bestimmten Rechtsstreit vorgesehen, sind diese automatisch zuständig, ohne dass geprüft werden müsste, ob die Sache einen hinreichenden Nahebezug im Inland im Sinn der Indikationentheorie hat.
Befindet sich aber der Wohnsitz des Beklagten in einem anderen Vertragsstaat (Art. 2 LGVÜ) und ist kein Wahlgerichtsstand nach den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts des LGVÜ in Österreich begründet (Art. 3 LGVÜ), dann ist die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen. Außerhalb seines (Wohnsitz) Sitzstaates darf der Beklagte gegen seinen Willen (Art. 18 LGVÜ) nämlich nur in den vom Übereinkommen geregelten Fällen gerichtspflichtig gemacht werden (Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/3 39).
Die §§ 27a, 28 JN idF WGN 1997 nahmen eine Anpassung an das LGVÜ (und das EuGVÜ) vor. Bei Rechtsstreitigkeiten, die dem LGVÜ unterliegen, ist die inländische Gerichtsbarkeit im Sinn der internationalen Zuständigkeit nicht gegeben, wenn kein Gerichtsstand in Österreich vorliegt und diesfalls – abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall der Vereinbarung der inländischen Gerichtsbarkeit – auch keine Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof zulässig (RS-Justiz 0106680). Wenn – wie hier – die Gerichte eines anderes Vertragsstaats zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufen sind, kann die Gerichtsbarkeit auch nicht mit der – im Übrigen nicht nachvollziehbaren Behauptung – herbeigeführt werden, dass die Rechtsverfolgung im ausländischen Staat „nicht möglich“ wäre (9 ObA 247/98h).
Zusammenfassend ergibt sich, dass § 28 Abs. 1 Z 2 JN, worauf der Kläger ausschließlich seinen Ordinationsantrag gründet, keine internationale Zuständigkeitsvorschrift darstellt, sondern eine solche, etwa des Art. 5 LGVÜ voraussetzt. Für letztere, genügt es, wie schon ausgeführt nicht, dass irgendeine Leistung aus dem Vertrag am Ort der beabsichtigten Klagsführung erbracht wurde bzw hätte erbracht werden müssen. Vielmehr muss die konkret eingeklagte Forderung am Gerichtsort erfüllt worden sein oder hätte an diesem Ort erfüllt werden müssen (de Bloos-EuGHSlg 1976, 1497 [1508]; Schoibl aaO 74; 1 Ob 173/98t), andernfalls würde der Kläger einseitig bevorzugt (Czernich/Tiefenthaler aaO Rn. 13 zu Art. 5). Haben die Parteien keinen Erfüllungsort vereinbart, so bestimmt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH diejenige Rechtsordnung den Erfüllungsort, die auf den zugrundeliegenden Vertrag anwendbar ist (RS 0000087; Schoibl, aaO 75). Die anwendbare Rechtsordnung ergibt sich – mangels Rechtswahl der Parteien – aus der gesetzlichen Verweisung im Rahmen der Kollisionsnorm (Czernich/Tiefenthaler aaO Rn. 15 zu Art. 5; RS 0110700). Gegenseitige Verträge, nach denen eine Partei der anderen zumindest überwiegend Geld schuldet, sind nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die andere Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im Übrigen ist auf die oben zur österreichischen Rechtslage (§ 905 ABGB) gemachten Ausführungen zu verweisen.
Die Bestimmung eines österreichischen Gerichtes nach § 28 JN kommt daher nicht in Betracht.