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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsgegner wurde durch Beschluss des Bezirksgerichts Szczecin (PL) aus dem Jahr 2002 zur Zahlung von Unterhalt an die Antragsgegnerin für den minderjährigen Sohn der Parteien verurteilt. Später verlegt die Antragstellerin ihren Wohnsitz zusammen mit dem Sohn nach Wien (AT). Sie hat dargelegt, der Vater zahle den zugesprochenen Unterhalt nicht. Er lebe weiterhin in Polen und verfüge in Österreich über kein Vermögen. Die Antragstellerin beabsichtigt, für den Sohn öffentliche Unterhaltsvorschusszahlungen zu beantragen. Hierfür sei Voraussetzung, dass der polnische Unterhaltstitel in Österreich für vollstreckbar erklärt werde. Da ein für die Gewährung der österreichischen Vollstreckungsklausel zuständiges Gericht nicht bereitstehe, hat sie beim OGH (AT) die Bestimmung des zuständigen Gerichts - die sog. "Ordination" beantragt.
Der OGH legt dar, auf die bereits 2002 ergangene Unterhaltsentscheidung des polnischen Gerichts sei das LugÜ anwendbar. Ein zuständiges Gericht sei u.a. dann im Wege der Ordination zu bestimmen, wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages wie des LugÜ zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet sei. Für den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der österreichischen Vollstreckungsklausel zu dem polnischen Unterhaltstitel sei dementsprechend die österreichische Gerichtsbarkeit gegeben. Da der Antragsgegner aber weder über einen Wohnsitz in Österreich verfüge, und ein zuständiges Gericht auch nicht an einer gegen ihn zu führenden Vollstreckung anknüpfen könne, stehe dafür kein zuständiges Gericht zur Verfügung. Dieses sei deshalb im Wege der Ordination zu bestimmen. Als das sachnächste Gericht bestimmt der OGH das für den Wohnsitz der Antragstellerin und des Kindes zuständige Gericht.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Antragstellerin beantragte, der Oberste Gerichtshof möge im Wege der Ordination ein Bezirksgericht bestimmen, bei welchem sie den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Beschlusses des Bezirksgerichts Szczecin vom 18. 3. 2002, Az. RVIIIC 98/02, stellen könne. Sie brachte dazu vor, sie und ihr minderjähriger Sohn Marcin seien polnische Staatsbürger und wohnten nunmehr in Wien. Der Vater des Minderjährigen sei aufgrund des erwähnten Beschlusses des Bezirksgerichts Szczecin vom 18. 3. 2002 verpflichtet, dem Minderjährigen einen monatlichen Unterhalt von 300 PLN ab 13. 2. 2002 zu bezahlen. Dieser Beschluss sei in Polen vollstreckbar. Der Vater des Minderjährigen sei in Polen selbstständig erwerbstätig und habe in Österreich kein Vermögen. Der Ordinationsantrag werde gestellt, weil der unterhaltsverpflichtete Vater in Österreich keinen Wohnsitz habe und auch sonst kein Anknüpfungspunkt nach § 82 EO gegeben sei. Die Vollstreckbarkeitsbestätigung werde benötigt, um die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen für den Minderjährigen zu erreichen. Gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 JN besteht eine Ordinationspflicht, wenn ein Gerichtsstand in Österreich nicht gegeben ist, Österreich aber aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist. Eine Ordination kann auch in Exekutionssachen erfolgen (vgl Mayr in Rechberger, ZPO³ § 28 JN Rn. 1 mwN). Das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung des polnischen Unterhaltsbeschlusses vom 18. 3. 2002 richtet sich nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. 9. 1988, BGBl 1996/448 (LGVÜ). Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ist hier noch nicht anwendbar. Die Übergangsbestimmung des Art. 66 Abs. 2 lit. a EuGVVO kommt nicht zur Anwendung, weil sowohl der Zeitpunkt der Klageerhebung als auch der Entscheidung des polnischen Titelgerichts vor dem Inkrafttreten der EuGVVO in Polen (1. 5. 2004) liegen (3 Ob 157/07w; 3 Ob 272/06f). Gemäß Art. 31 LGVÜ werden die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Vertragsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Es wurde bereits ausgesprochen, dass auch das LGVÜ eine Ordinationspflicht auslösen kann (2 Nc 39/03p). Das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Exekutionstitel im Inland richtet sich nach den §§ 79 ff EO. Nach § 82 EO ist für die Vollstreckbarerklärung das Bezirksgericht, bei dem der Verpflichtete seinen Wohnsitz oder Sitz hat oder das nach §§ 18 und 19 EO bezeichnete Bezirksgericht, in Wien das nach dem Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien in Exekutionssachen zuständige Gericht zuständig. Hat der Verpflichtete keinen Wohnsitz oder Sitz im Inland und mangelt es an einem Sachverhalt, der die Zuständigkeit eines inländischen Exekutionsgerichts nach § 82 EO begründet, ist das zur Erteilung der Vollstreckbarerklärung zuständige Gericht unter den Voraussetzungen des § 28 JN im Wege der Ordination durch den Obersten Gerichtshof zu bestimmen (Jakusch in Angst² § 82 EO Rn. 3).
Da somit für den beabsichtigten Antrag der Mutter auf Erteilung der Vollstreckbarerklärung zwar die inländische Gerichtsbarkeit gegeben wäre, jedoch ein Gericht weder nach der JN noch nach den Bestimmungen der EO örtlich zuständig wäre, war zweckmäßigerweise das Bezirksgericht Leopoldstadt, in dessen Sprengel die Mutter des Minderjährigen wohnt und das bereits mit der Behandlung der von der Mutter gestellten Anträge befasst ist, als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.