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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind beide Gesellschaften mit dem Sitz in Deutschland. Die Antragsgegnerin hat sich in einem vor einem deutschen Gericht aufgenommenen Prozessvergleich zur Unterlassung bestimmter Äußerungen über Produkte der Antragstellerin verpflichtet. Diese hat vorgetragen, die Antragsgegnerin habe durch in Wien (AT) begangene Handlungen der in dem Vergleich übernommenen Verpflichtung zuwider gehandelt. Sie möchte deshalb aus dem Vergleich mit Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Antragsgegnerin vorgehen. Sie hat hierfür beim OGH (AT) den Antrag auf Bestimmung des für deren Anordnung zuständigen Gerichts - sog. Ordination - gestellt.
Der OGH (AT) weist den Ordinationsantrag zurück. Zwar sei die Bestimmung eines zuständigen Gerichts grundsätzlich auch in Vollstreckungssachen möglich. Nach österreichischem Recht sei für die Vollstreckung eines Unterlassungstitels das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zustellung der sog. Exekutionsbewilligung als der ersten Vollstreckungsmaßnahme zu erfolgen habe. Da diese am deutschen Sitz der Antragsgegnerin zu erfolgen habe, sei auch kein zuständiges österreichisches Gericht ersichtlich. Damit eine Vollstreckung im Inland erfolgen könne, sei jedoch ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis erforderlich. Dies gelte auch angesichts der allgemeinen Regel des Art. 38 Abs. 1 Brüssel I-VO, dass Vollstreckungstitel von Gerichten eines Mitgliedstaats in den übrigen Mitgliedstaaten vollstreckt werden. Ein solches besonderes Rechtsschutzbedürfnis könne sich etwa aus der Unmöglichkeit der Durchsetzung des Vollstreckungstitels im Sitzstaat des Unterlassungsverpflichteten ergeben. Die Antragstellerin könne jedoch in Deutschland die Unterlassungsvollstreckung gegen die Antragsgegnerin einleiten und habe dies wohl auch bereits getan. Die Bestimmung eines österreichischen Vollstreckungsgerichts komme deshalb nicht in Betracht.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Antragstellerin, eine deutsche GmbH mit dem Sitz in Ingolstadt, war klagende Partei im Verfahren Az. 39 Cg 66/08m des Handelsgerichts Wien. Am 5. August 2008 wurde ein rechtswirksamer Teilvergleich geschlossen, der ua die dort erstbeklagte GmbH mit Sitz in Deutschland verpflichtete, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs näher beschriebene Behauptungen betreffend Produkte der klagenden Partei zu unterlassen.
Die Antragstellerin begehrte die Bestimmung des Exekutionsgerichts im Wege der Ordination (§ 28 JN). Nach dem mit dem Entwurf eines Exekutionsantrags übereinstimmenden Antragsvorbringen habe die Titelschuldnerin dem Unterlassungstitel am 9. August 2008 in Wien durch näher bezeichnete Handlungen zuwider gehandelt. Die inländische Gerichtsbarkeit sei gegeben. Da ein Anknüpfungspunkt iSd § 18 EO für die deutsche Titelschuldnerin fehle, könne ein örtlich zuständiges Exekutionsgericht nicht bestimmt werden.
Die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN liegen nicht vor:
1. Nach jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) ist eine Ordination auch in Exekutionssachen möglich, wenn bei einer (Unterlassungs )Exekution zwar die inländische Gerichtsbarkeit zu bejahen ist, es aber an einem örtlich zuständigen inländischen Gericht mangelt (RIS-Justiz RS0053178; Jakusch in Angst, EO2, § 3 Rn. 18d).
2.1. Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit bei der Unterlassungsexekution ist § 18 Z 4 zweiter Fall EO, wonach als Exekutionsgericht das Bezirksgericht einzuschreiten hat, in dessen Sprengel die erste Exekutionshandlung tatsächlich vorzunehmen ist. Diese die Zuständigkeit begründende erste Exekutionshandlung ist bei der Unterlassungsexekution die Zustellung der Exekutionsbewilligung, sodass es bei einem Verpflichteten mit Wohnsitz im Ausland (hier: Bundesrepublik Deutschland) an einem zuständigen Exekutionsgericht im Inland fehlt (3 Nc 4/04z; 3 Nc 33/04i).
2.2. Eine für die inländische Gerichtsbarkeit erforderliche Inlandsbeziehung der geschuldeten Leistung für die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs werde ua als gegeben erachtet, wenn der Exekutionstitel das Verbot bestimmter wettbewerbswidriger Handlungen in Österreich ausspricht und nach den Behauptungen des betreibenden Gläubigers im Exekutionsantrag der Verpflichtete weiterhin derartige Handlungen setzt (3 Ob 113-148/94 = SZ 68/81; 3 Nc 104/02b; Jakusch aaO Rn. 18b; zum Wegfall des Erfordernisses der besonderen Inlandsbeziehung: Mayr in Rechberger, ZPO, § 28 JN Rn. 6).
3.1. Jedenfalls muss aber ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nach einer Rechtsdurchsetzung im Inland gegeben sein (3 Ob 113-148/94 = SZ 68/81; 3 Nc 104/02b; Jakusch aaO Rn. 18c). Dazu zählt etwa die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der exekutiven Durchsetzung des Titels gegen den Verpflichteten in dessen (Wohn )Sitzstaat.
3.2. Die Bestimmungen der EuGVVO, die (auch) im Verhältnis Österreichs zur Bundesrepublik Deutschland gelten, legen die grundsätzliche Vollstreckbarkeit von Entscheidungen eines Vertragsstaats in einem anderen fest. Solche in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden nach Art. 38 Abs. 1 EuGVVO in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Gleiches gilt für gerichtliche Vergleiche (Art. 57 f EuGVVO). Eine Ausnahme besteht nur bei Vorliegen von – hier nicht behaupteten – Versagungsgründen nach Art. 34 EuGVVO (3 Nc 33/04i). Seit Inkrafttreten der EuGVVO sind daher die Voraussetzungen der Ordination gemäß § 28 Abs. 1 Z 2 JN bei erforderlicher Vollstreckung in einem Mitgliedstaat ohne Behauptung eines bestehenden Bedürfnisses nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes nicht mehr gegeben.
3.3. Nach § 28 Abs. 4 zweiter Satz JN hat der Kläger in streitigen bürgerlichen Rechtssachen das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 28 Abs. 1 Z 2 JN zu behaupten und zu bescheinigen. Auch in den anderen zivilgerichtlichen Verfahren hat die eine Ordination anregende Person das Bestehen der Voraussetzungen einer Ordination zu behaupten, insbesondere auch in Exekutionssachen (3 Nc 33/04i).
3.4. Hier ergeben sich nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte für ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nach einer Rechtsdurchsetzung im Inland, wie etwa eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Sitzstaat der verpflichteten Partei; solches wird von der Antragstellerin nicht einmal behauptet. Im Exekutionsantrag ist nur die Rede davon, dass wegen der „durch Testkäufe belegten Rechtsverletzungen deutsche Anwälte in der BRD exekutionsrechtlichen Schritte einleiten und eingeleitet haben“. Mit diesem Vorbringen wird geradezu das Gegenteil der Ordinationsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 Z 2 JN (Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar) kundgetan, ganz abgesehen davon, dass dieser Ordinationsgrund überdies voraussetzte, dass die Antragstellerin eine österreichische GmbH ist.
4. Der Ordinationsantrag muss im Übrigen schon am Umstand scheitern, dass die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof voraussetzt, dass der Antragsteller österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat (§ 28 Abs. 1 Z 2 JN). Die Antragstellerin hat ihren Sitz in Deutschland. Ob das gesetzliche Erfordernis allenfalls dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot widerspricht (dazu Mayr, aaO Rn. 4) braucht wegen des erläuterten Abweisungsgrundes der fehlenden Unzumutbarkeit nicht näher behandelt werden.