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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger wohnt in Österreich. Der in Deutschland wohnhafte Beklagte handelt gewerbsmäßig mit antiquarischen Werken. Der Kläger sammelt als Verbraucher aus Liebhaberei Bücher. Er machte geltend, der Beklagte habe ihm im Rahmen der Internetauktion "e-bay" ein antiquarisches Werk in Österreich zum Kauf angeboten und bestimmte Eigenschaften zugesichert. Der Beklagte habe ein das Werk betreffendes Höchstgebot des Klägers angenommen und eine Bestätigung des Zahlungseinganges erhalten. Die Qualität des übersandten Werks sei jedoch minderwertig. Er trat vom Kaufvertrag zurück und forderte den Kaufpreis zurück. Er beantragte vor den österreichischen Gerichten die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts.
Der OGH (AT) weist den Ordinationsantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass ein örtlicher Gerichtsstand im Inland gegeben sei. Der in Österreich wohnhafte Kläger habe gem. Art. 15 Abs. 1 lit. c) Brüssel I-VO als Verbraucher einen Vertrag mit dem in einem anderen Mitgliedsstaat (Deutschland) ansässigen Beklagten zu einem Zweck geschlossen, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden könne. Der Beklagte übe eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auch in Österreich aus. Somit könne der Kläger wahlweise vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem er als Verbraucher seinen Wohnsitz hat, Klage erheben. Zwar verwies die frühere Fassung des Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ/LugÜ nur auf “die Gerichte” des Verbraucherwohnsitzstaates und regelte damit nur die internationale Zuständigkeit, nicht jedoch die örtliche. Seit dem Inkrafttreten der Brüssel I-VO regelt deren Art. 16 Abs. 1 durch den Verweis auf „das Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat“, auch die örtliche Zuständigkeit. Aus diesem Grunde sei ein Ordinationsantrag nicht erforderlich.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der in Böheimkirchen, Niederösterreich wohnhafte Kläger brachte vor, er sei Verbraucher und sammle aus Liebhaberei Bücher und Stiche. Der in Falkensee, Deutschland ansässige Beklagte habe im Rahmen seines gewerbsmäßigen Handels mit derartigen Waren im Rahmen der Internetauktion „e-bay“ ein antiquarisches Werk auch in Österreich zum Kauf angeboten und es dadurch beworben, dass er dessen – im Detail festgehaltene – Eigenschaften zusicherte. Nachdem der Beklagte ein dieses Werk betreffendes, vom Inland aus abgegebenes Höchstgebot des Klägers angenommen und eine Bestätigung des Zahlungseinganges erhalten hatte, sei dem Kläger anstelle des zugesagten antiquarischen Werkes nur ein ausgeweideter Torso übersandt worden, der nicht annähernd den Wert des vollständigen Bandes habe, weil 10 Seiten und 28 Tafeln mit Kupferstichen fehlten. Der Kläger sei daher nach unverzüglicher Rüge und gescheiterten Vergleichsverhandlungen vom Kaufvertrag zurückgetreten und fordere nun den Kaufpreis von EUR 825,50 zurück.
Gemäß Art. 13 Z 3 EuGVÜ sei zwar die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) Österreichs für diese Sache gegeben, doch bedürfe es der Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes aus den sachlich zuständigen Gerichten.
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt:
Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der OGH aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn – soweit hier relevant – Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (§ 28 Abs. 1 Z 1 JN). Prämisse einer Ordination ist sohin das Fehlen eines Gerichtsstands im Inland, was der ordinierende OGH – in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs. 1 JN – von Amts wegen zu prüfen hat, sodass diese Prüfung – auch in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs. 2 JN – auf Grund der Angaben des Antragstellers bzw. auf Grund der Aktenlage erfolgt (Matscher in Fasching² I § 28 JN Rn. 11 mwN).
Am 1. 3. 2002 trat die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-Verordnung) in Kraft. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich, gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten (Art. 76 leg cit) und ist gemäß Art. 66 leg cit auf Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem diese Verordnung anzuwenden ist. Die Brüssel-I-VO ist mit Ausnahme von Dänemark in allen Mitgliedsstaaten der EU anwendbar (Handig, Wesentliche Änderungen durch das In-Kraft-Treten der Brüssel I-Verordnung im Vergleich zum EuGVÜ, ecolex 2002, 141). Die Brüssel I-Verordnung tritt nach Art. 68 Abs. 1 im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten an die Stelle des Brüsseler Übereinkommens (EuGVÜ). Gemäß Art. 15 Abs. 1 leg cit bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem 4. Abschnitt (Zuständigkeit bei Verbrauchersachen), wenn den Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag bilden, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, wenn (Art. 15 Abs. 1 lit. c) der andere Vertragspartner in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedsstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedsstaates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Nach den hier maßgeblichen Angaben des Klägers sind diese Voraussetzungen hier gegeben. Art. 16 Abs. 1 Brüssel I-Verordnung lässt dem Verbraucher die Wahl. Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Im Zusammenhang mit den Änderungen der verbraucherrechtlichen Vorschriften durch die Brüssel I-Verordnung wurde auch ein spezifisch österreichisches Problem gelöst. Bisher verwies Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ/LGVÜ nämlich auf „die Gerichte“ des Verbraucherwohnsitzstaates. Geregelt war somit nur die internationale Zuständigkeit; für die örtliche Zuständigkeit musste auf das nationale Verfahrensrecht zurückgegriffen werden. Da das österreichische Zivilprozessrecht keinen Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers kennt, hatte in der Regel der OGH gemäß § 28 JN ein zuständiges Gericht zu bestimmen (Matscher aaO § 28 JN Rn. 32 mwN; RIS-Justiz RS0106680, RS0108686, RS0112279 ua). Seit dem In-Kraft-Treten der Brüssel I-Verordnung ist das nicht mehr erforderlich, da Art. 16 Abs. 1 durch den Verweis auf „das Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat“, auch die örtliche Zuständigkeit regelt (vgl. Einführungserlass des BMJ vom 11.1.2002 zur Brüssel I-Verordnung, JABl 2002/11). Liegt – entgegen der Annahme des Antragstellers – ein Gerichtsstand vor, ist der Ordinationsantrag als unbegründet abzuweisen (Matscher aaO § 28 JN Rn. 12 mwN; 2 Nd 505/02; 9 Nd 502/02; RIS-Justiz RS0106680 [T8 und 9], RS0108686 [T10], RS0112279 [T5], RS0116365).