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Zusammenfassung der Entscheidung Der klagende Verein macht vor den österreichischen Gerichten Ansprüche aus abgetretenem Recht aus einer nicht eingelösten Gewinnzusage gegenüber einer Verbraucherin, die an eine Warenbestellung geknüpft war, geltend. Er beantragte im Dezember 1999, der OGH (AT) möge zunächst das örtlich zuständige österreichische Gericht bestimmen. Der OGH unterbrach das Verfahren bis zur Erledigung eines zum EuGH eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens im Juli 2002. Die Beklagte regte sodann erneute Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens ein, da unklar sei, ob der Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts iSv. § 28 JN („Ordinationsantrag“) eine „Klage“ iSv. Art. 66 Abs. 1 Brüssel I-VO sei, so dass nicht die Brüssel I-VO, sondern das EuGVÜ anwendbar sei.
Der OGH (AT) stellt fest, dass zumindest dann, wenn dem Antrag eine vollständige Klage beigefügt worden sei, kein Zweifel daran bestehen könne, dass schon mit Erhebung des Ordinationsantrags auch die Klage iSv. Art. 66 Brüssel I-VO erhoben worden sei. Ungeachtet seines einschränkenden Einleitungssatzes sei Art. 30 Brüssel I-VO auch zur Auslegung von Art. 66 Brüssel I-VO heranzuziehen. Somit sei die mit dem Ordinationsantrag vorgelegte Klage als verfahrenseinleitendes Schriftstück anzusehen. Damit sei die Klage bereits iSv. Art. 66 erhoben, sofern der Kläger es in der Folge nicht versäumt habe, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung an den Beklagten zu bewirken. Vorliegend finde somit das EuGVÜ Anwendung. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Gewinnzusage und Warenbestellung liege ein Anspruch aus einem Vertrag iSv. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ vor. Der Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung sei nach dem CISG zu ermitteln. Nach Art. 57 Abs. 1 lit. a CISG liege der Erfüllungsort für Kaufpreisschulden am Sitz des Verkäufers. Diese Regelung sei analog auch auf sonstige Geldzahlungsansprüche anzuwenden, so dass Erfüllungsort der Sitz des Gläubigers, hier Österreich, sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
In ihrer auf § 5j KSchG gestützten Klage bringt der klagende Verein im Wesentlichen vor, eine Verbraucherin habe bei der beklagten Partei diverse Waren bestellt und zugleich eine „Gewinnanforderung“ eingesandt. Die beklagte Partei habe bei ihr am 5. Oktober 1999 in einer persönlich adressierten Zuschrift den Eindruck erweckt, es stehe für sie ein Bargeldguthaben von 49.700 S bereit. Beim Kläger handle es sich um einen Verband gemäß § 29 KSchG, die ursprüngliche Anspruchsinhaberin habe ihr den Anspruch abgetreten. Die klagende Partei stellte am 7. Dezember 1999 einen Ordinationsantrag und regte an, das Bezirksgericht für Handelssachen Wien, in eventu, das Bezirksgericht Floridsdorf als zuständig zu bestimmen.
Mit Beschluss vom 22. März 2000 unterbrach der Oberste Gerichtshof das Verfahren bis zur Erledigung des zu Az. 5 Nd 522/99 eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH).
Nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-96/00 (= ecolex 2002/226 [Klanser] = WBl 2000/236) brachte die klagende Partei einen ergänzenden Schriftsatz ein und regte die erneute Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens an. Demnach solle an den EuGH die Frage herangetragen werden, ob nach den (Übergangs )Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-Verordnung) ein Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts iS von § 28 JN („Ordinationsantrag“) eine „Klage“ iS von Art. 66 Abs. 1 Brüssel I-Verordnung (EuGVVO) sei. Dazu vertrat die klagende Partei die Auffassung, die genannte Verordnung sei im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar, weil schon der Ordinationsantrag vom 7. Dezember 1999 als Klage iS von Art. 66 Abs. 1 EuGVVO zu betrachten sei.
Der Oberste Gerichtshof hat hiezu erwogen:
a) Zunächst ist festzuhalten, dass das Verfahren über den Ordinationsantrag fortzusetzen ist, nachdem infolge Vorliegen der obgenannten Entscheidung des EuGH der Unterbrechungsgrund weggefallen ist.
b) In der Frage des anzuwendenden Verfahrensrechts ist der klagenden Partei darin zuzustimmen, dass auf den bereits 1999 eingebrachten Antrag noch nicht die Bestimmungen der EuGVVO anzuwenden sind. Dies würde nämlich nach deren Art. 66 Nr. 1 voraussetzen, dass die Klage nach Inkrafttreten dieser Verordnung erhoben worden wäre. Nun könnte zwar argumentiert werden, die Klage werde erst in dem Zeitpunkt eingebracht, in dem sie bei dem vom Obersten Gerichtshof nach Art. 28 JN für zuständig erklärten Gericht einlangt. Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem dem Antrag eine mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehene vollständige Klage angeschlossen war, kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass schon mit Erhebung des Ordinationsantrags auch die Klage iSd Art. 66 Nr. 1 EuGVVO erhoben wurde. Folgte man nämlich der in der neueren Literatur zur EuGVVO vertretenen Ansicht, dass ungeachtet seines einschränkenden Einleitungssatzes Art. 30 EuGVVO auch zur Auslegung des Art. 66 EuGVVO herangezogen werden kann, also die Klagserhebung autonom zu beurteilen ist, könnte kein Zweifel bestehen, dass die mit dem Ordinationsantrag vorgelegte Klage als das verfahrenseinleitende Schriftstück anzusehen ist und – unter der Voraussetzung, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken – damit die Klage bereits iSd Art. 66 leg cit erhoben wurde. Dies erscheint es dem erkennenden Senat klar, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Demnach ist auf den vorliegenden Antrag samt Klage noch das EuGVÜ anzuwenden. Zu diesem hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 11. Juli 2002 Rs-96/00 zwar die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob bei einem ganz vergleichbaren Sachverhalt betreffend die auch hier beklagte Partei Art. 5 Z 1 Nr. 1 (nach der Sprache des EuGH) des EuGVÜ anzuwenden wäre. Er hat jedoch eindeutig entschieden, dass der Anspruch auf einen Gewinn nach § 5j KSchG unter Art. 13 Abs. 1 Z 3 dieses Übereinkommens fällt, und auch eine untrennbare Verbindung zwischen der Gewinnzusage und der Warenbestellung bejaht. Daraus folgt aber, dass hier Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag bzw ein Anspruch aus einem Vertrag iSd Art. 5 Z 1 EuGVÜ ist.
c) Zu prüfen ist daher nur noch, ob auch der Erfüllungsort nach dieser Bestimmung in Österreich liegt, weil nur bei Fehlen der Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts eine Ordination stattzufinden hat (§ 28 Abs. 1 JN). Es ist zu diesem Zweck das auf den hier behaupteten Vertrag anzuwendende Recht festzustellen und schließlich nach diesem zu prüfen, ob ein inländischer Erfüllungsort vorliegt (vgl 6 Ob 27/01s [insoweit unveröffentlicht]). Wie bereits dargelegt, wird von der klagenden Partei das Vorliegen des Kaufvertrags behauptet, weshalb darauf das UN-Kaufrechtsabkommen (UN-KR) anzuwenden ist, weil dessen Ausschluss im Vertrag weder behauptet wurde, noch hervorgekommen ist.
Damit erübrigt sich aber der Rückgriff auf das IPR (4 Ob 299/97t = JBl 1998, 379 = EvBl 1998/57 = RZ 1999/9 = ZfRV 1998, 167 = ecolex 1998, 312 ua; zuletzt 6 Ob 27/01s). Das UN-KR enthält nun – ebensowenig wie für Schadenersatz- und Rückzahlungsansprüche (vgl dazu etwa Hager in Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht³ Art. 57 Rn. 25) – keine ausdrückliche Regelung über den Erfüllungsort eines nach dem Vertrag bestehenden, hier von der klagenden Partei behaupteten Gewinnzahlungsanspruchs. Allerdings bestimmt Art. 57 Abs. 1 lit. a UN-KR, dass Erfüllungsort der Kaufpreisschuld, die als Bringschuld beurteilt wird, der Sitz des Verkäufers ist. Es erscheint daher gerechtfertigt, dasselbe Prinzip auch auf sonstige Geldzahlungsansprüche analog mit der Wirkung anzuwenden, dass auch hier Erfüllungsort der Sitz des Gläubigers der Geldforderung ist (so zutreffend Hager, aaO; Witz in Witz/Salger/Lorenz, International Einheitliches Kaufrecht Art. 57 UN-KR Rn. 4; weitere Nachweise bei Schnyder/Straub in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht Art. 57 Rn. 31; aA allerdings die Genannten, aaO Rn. 30). Nach der abweichenden Ansicht müsste der Zahlungsort aus der jeweils verletzten Verpflichtung respektive der die Zahlung anordnenden Bestimmung abgeleitet werden. Dass daraus für einen Anspruch wie den vorliegenden eine Qualifikation etwa als Holschuld folgen würde, ist allerdings ohnehin nicht erkennbar. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass Erfüllungsort des behaupteten Gewinnauszahlungsanspruchs der Wohnsitz des Vertragspartners der beklagten Partei, also der Verbraucherin – die ihren Anspruch an die klagende Partei abtrat – ist, der sich nach deren Behauptungen in Österreich befindet. Damit liegen aber die Voraussetzungen der Ordination nach § 28 JN nicht vor. Der Antrag ist daher abzuweisen.