Die Klägerin begehrt Zahlung des Betrages von US$ 69.500,‑ von der Beklagten und brachte dazu vor, sie habe von dieser am 30.7.1993 10.000 metrische Tonnen Monoammoniumphosphat (im folgenden kurz: MAP) gekauft. Mit Fax vom 4.8.1993 habe die Beklagte mitgeteilt, daß sie nicht wie vereinbart zwischen 20. und 30.8.1993 liefern und ein genaues Datum für die Lieferung nicht angeben könne. Infolge von Andeutungen durch die Angestellte der Beklagten habe sie aus Besorgnis um die Erfüllung eigener Verpflichtungen aus dem bereits getätigten Weiterverkauf der Vertragsware die Beklagte mit Fernschreiben vom 10. und 11.8.1993 aufgefordert, sich zum Vertrag zu bekennen. Da dies nicht erfolgt sei, habe sie mit Fax vom 12.8.1993 den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Durch Preisanstieg der einzukaufenden Ware sei ihr im Rahmen des Deckungsgeschäftes, das bestmöglich und raschest nach Rücktritt durchgeführt worden sei, ein Gewinn von US$ 65.000,‑ entgangen und durch Abwicklung des Deckungsgeschäftes, Korrespondenz, Reise- und Anwaltskosten sowie Spesen ein Schaden von US$ 4.500,‑ entstanden.
Die Beklagte bestritt die Klagsforderung dem Grunde und der Höhe nach, beantragte Klagsabweisung und erwiderte, ein Vertragsabschluß sei nicht (fristgerecht) erfolgt. Im Übrigen sei zu „diversen Punkten des abzuschließenden Vertrages … keine Einigung“ erzielt worden. Ein Weiterverkauf sei nicht zustande gekommen. In eventu werde vorgebracht, daß die Klägerin in Erfüllung ihrer Schadensminderungspflicht das Deckungsgeschäft unverzüglich hätte eingehen müssen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die in diesem Urteil getroffenen Feststellungen (AS 115-121 = S. 4-7 der Urteilsausfertigung) verwiesen. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, es sei das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf anzuwenden. Das Anbot der Beklagten Beilage ./A sei nicht angenommen, sondern durch das Gegenanbot Beilage ./B beantwortet worden. In der Folge sei eine Einigung nicht erzielt worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in klagsstattgebendem Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.
Wenn die Klägerin im Rahmen der Beweisrüge zunächst die Feststellung des Erstgerichtes bemängelt, daß ein wesentlicher Bestandteil des beabsichtigten Kaufvertrages für die Beklagte (richtig: Klägerin) darin gelegen sei, MAP mit der Spezifikation „P 205 52 Pct +/- 1 % Min 51 Pct“ zu enthalten, übersieht sie die Aussage des Zeugen …, der über Vorhalt der ICEC Purchase Order No. 42040 (Beilage ./L) zu deren Punkt 2. meinte: „Hier hatten wir in Zeile 1 einen ganz wichtigen Unterschied, nämlich Plus/Minus 5 %.“ (ON 19, 6). Im weiteren führte er aus, MAP sei nur dann brauchbar, wenn es jedenfalls 52 % des wesentlichen Bestandteiles P 205 enthalte, wobei aber 51 % schon das äußerste Minimum seien, und erklärte dazu: „Es darf also eben nur um 1 % weniger oder 1 % mehr sein, als die 52 %.“ (ON 19, 10). Der von der Klägerin nunmehr behauptete Umstand, daß lediglich der Mindestgehalt von 51 % von Bedeutung sei, findet in der Aussage des von ihr geführten Zeugen … keine Deckung. Die von der Klägerin in der Berufung versuchte Gleichsetzung von höherem P 205- Gehalt und höherwertigem MAP ist dem Beweisverfahren – wie bereits ausgeführt – nicht zu entnehmen. Zurecht argumentiert die Beklagte, daß in diesem Fall in den Urkunden wohl nur der Mindestgehalt des Bestandteiles P 205 angeführt worden wäre, nicht aber die Toleranzgrenzen angegeben worden wären. Die Ausführungen des Erstgerichtes, der Verkäufer sei unter Zugrundelegung der Toleranzgrenzen von +/- 5 % wesentlich beweglicher, da Abweichungen nach oben im genannten Ausmaß vertragskonform seien (ON 24, 5), sind demnach unbedenklich. Wie bereits oben behandelt, war nach der Aussage des Zeugen … MAP mit der Spezifikation „P 205 52 Pct +/- 5 % Min 51 Pct“ für die Klägerin wegen der zu großen Toleranz nach oben unbrauchbar. Die diesbezügliche Feststellung des Erstgerichtes ist keineswegs aktenwidrig (vgl. dazu im übrigen Fasching ZPR (2)/1771), sondern Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung.
Die Meinung, daß die auf der Aussage der Zeugin … beruhenden Feststellungen des Erstgerichtes zum Fax vom 4.8.1993 unglaubwürdig und lebensfremd seien, kann nicht geteilt werden. Der Inhalt des Fax besagt lediglich, daß eine Liefergenehmigung für den Zeitraum 20. bis 30.8.1993 nicht erteilt worden sei und ein genauer Liefertermin nicht genannt werden könne. Diesem Fax ist schlüssig zu entnehmen, daß bei der Eisenbahn um eine Liefergenehmigung angesucht oder zumindest angefragt wurde. Die Frage, ob dieses Ansuchen nach einem Vertragsabschluß oder zur Vorbereitung eines solchen gestellt wurde, wird damit nicht beantwortet. Wenn die Beklagte in ihrem Anbot vom 30.7.1993 Beilage ./A von einem Versand zwischen dem 20. und 30.8.1993 ausgeht und ihr Anbot mit 2.8.1993, 12.00 Uhr Moskauer Zeit limitiert, sollte sie eigentlich schon Erkundigungen darüber eingezogen haben, ob sie die Ware zum Hafen wird liefern können. Es wäre nämlich mit der Sorgfalt eines Kaufmannes unvereinbar, in einem Land mit Vorlaufzeiten für Liefergeschäfte Liefertermine ohne Erkundigung, ob die Einhaltung der beabsichtigten Lieferzeit überhaupt möglich sein wird, zu vereinbaren. Andererseits könnte die Beklagte auch nach vorbereitenden Erkundigungen (und nach Vertragsabschluß) um Genehmigung angesucht haben, die in der Folge nicht erteilt wurde. Da beide angeführten Varianten möglich sind, vermag dieses Fax einen Beweis, daß der Vertrag bereits geschlossen gewesen sei, nicht darzustellen.
Die Ansicht der Klägerin, daß es zwischen den Vertragsteilen zwischen Vertragsabschluß und Übersendung der Telefaxnachricht vom 4.8.1993 Beilage ./C keine weiteren Verhandlungen gegeben habe, kann aus diesem Telefax nicht ersehen werden. Der Zeuge … hat ausgesagt, er denke, daß die ICEC Purchase Order No. 42040 (Beilage ./L und Beilage ./1) am Tag nach der Annahme des Anbotes durch die Klägerin gefaxt worden sei. Einige Punkte dieser Urkunde seien bereits ausverhandelt gewesen, über andere habe noch gesprochen werden sollen (ON 19, 4). Dies bedeutet aber, daß tatsächlich Gespräche zwischen den Streitteilen stattgefunden haben. Die Feststellung des Erstgerichtes, es habe nicht festgestellt werden können, ob es im Laufe des 30.7.1993 zu einer verbindlichen Lieferzusage durch die Zeugin … gekommen sei, ist unbedenklich, aber auch entbehrlich, weil die die Lieferung betreffenden Details bereits im Anbot Beilage ./A enthalten sind und überdies nur die Frage der Annahme des Anbotes von Bedeutung ist.
Im Ergebnis vermag die Berufung jedenfalls keine Umstände aufzuzeigen oder begründete Schlußfolgerungen darzulegen, die die erstrichterlichen Feststellungen in Zweifel zu ziehen geeignet wären. Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichtes als das Ergebnis einer unbedenklichen und schlüssigen Beweiswürdigung und legt sie seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 ZPO).
Zutreffend hat das Erstgericht den gegenständlichen Sachverhalt dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf BGBl 1988/96 unterstellt, zumal nach § 36 IPRG das Recht des Verkäufers als das Recht der charakteristischen Leistung, demnach das Recht des Vertragsstaates Österreich anzuwenden ist.
Im Rahmen der Rechtsrüge wendet sich die Klägerin zunächst gegen die Ansicht des Erstgerichtes, das Fax Beilage ./B habe keine Annahme des verbindlichen Anbotes Beilage ./A dargestellt. Nach Art. 19 Abs. 1 des UN-KaufR ist eine Antwort auf ein Angebot, die eine Annahme darstellen soll, aber Ergänzungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen enthält, eine Ablehnung des Angebotes und stellt ein Gegenangebot dar. Nach dem Abs. 2 liegt dennoch eine Annahme vor, wenn die Bedingungen des Angebotes nicht wesentlich geändert werden. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin stellt aber ihre Einschränkung in Bezug auf die Mengenklausel eine wesentliche Änderung dar, zumal nach Art. 19 Abs. 3 UN-KaufR Ergänzungen oder Abweichungen, die sich insbesondere auf Preis, Bezahlung, Qualität und Menge der Ware, … beziehen, so angesehen werden, als änderten sie die Bedingungen des Angebotes wesentlich. Unzutreffend ist, wenn die Klägerin meint, daß die Beklagte durch die Abänderung der Mengenklausel keinerlei Nachteil erleiden konnte. Der größere Spielraum ist nämlich für die Beklagte in dem Fall, daß das Schiff eine geringe Kapazität aufweist, durchaus auch nachteilig, weil sie um bis zu 5 % weniger MAP verkaufen kann.
Wenn die Klägerin meint, das Angebot der Beklagten sei vor Annahme telefonisch dahingehend abgeändert worden, daß die Mengenklausel nicht „+/- 5 % nach Kapazität des Schiffes“ sondern „+/- 10 % nach Kapazität des Schiffes“ lauten habe sollen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Nur der Vollständigkeit halber ist in diesem Rahmen darauf hinzuweisen, daß das Erstgericht, das seine Feststellungen – wie allgemein üblich – chronologisch getroffen hat, nämlich (wie auch aus seiner rechtlichen Beurteilung ableitbar ist) ganz offensichtlich von einem Anruf nach Erhalt der Beilage ./B ausgeht. Dies ist auch durchaus lebensnah, hätte doch die Klägerin bei vorheriger Einigung sicherlich im Fax Beilage ./B auf diesen Umstand hingewiesen. Daß die (nachträgliche) Zustimmung der Beklagten auf Beilage ./A und nicht auf Beilage ./B vermerkt wurde, läßt jedenfalls keinen zwingenden Schluß auf eine Einigung vor Erhalt der Beilage ./B zu. Ein sekundärer Verfahrensmangel kann nicht ersehen werden, zumal das Erstgericht ohnedies den Zeitpunkt der Zustimmung zur Abänderung der Mengenklausel schlüssig zumindest insoweit angeführt hat, als es diesen nach Zusendung der Beilage ./B angesetzt hat.
Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes ist der Sachverhalt so zu beurteilen, daß die Beklagte das Gegenanbot der Klägerin im festgestellten Telefonat angenommen hat. Mit der telefonischen Zustimmung der Beklagten zur Mengenklausel „+/- 10 % nach Kapazität des Schiffes“ ist demnach der Vertrag laut Beilage ./A, jedoch mit der Abänderung in seinem Punkt 1. auf „+/- 10 % nach Kapazität des Schiffes“ zustandegekommen.
Das Erstgericht hat bezüglich der Spezifikation festgestellt, daß wesentlicher Bestandteil des beabsichtigten Kaufvertrages für die Beklagte (richtig wohl: Klägerin) gewesen sei, MAP mit der Spezifikation „P 205 52 Pct +/- 1 (gemeint: Prozent, vgl. V., S. 10 in ON 19) Min 51 Pct“ zu erhalten. Dagegen sei die Beklagte von der Spezifikation „P 205 52 Pct +/- 5 (gemeint: Prozent, vgl. …, S. 7 in ON 19) Min 51 Pct“ ausgegangen, weil der Verkäufer unter Zugrundelegung dieser Toleranzgrenze bei der Lieferung wesentlich beweglicher sei. Da die Annahme dem Antrag entspricht, liegt Konsens vor. Der objektive Erklärungswert besteht darin, daß die Parteien einen Vertrag über MAP abgeschlossen haben, das 52 % des Bestandteils P 205 enthält, wobei bei den einzelnen Chargen eine Toleranz von +/-5 % auftreten kann und im Durchschnitt mindestens 51 % P 205 vorhanden sein muß, aber nicht mehr als 57 % vorhanden sein darf. Einen Irrtum haben die Parteien im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht. Irrtum muß aber eingewendet werden. Er ist nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (MGA ABGB (34) § 871/86a; 91). Auf diese Problematik kann daher auch vom Berufungsgericht wegen des Neuerungsverbots nicht eingegangen werden. Im fortgesetzten Verfahren wird zu berücksichtigen sein, daß dieses Recht auf Geltendmachung eines Irrtums verjährt ist (§ 1487 ABGB).
Dem Umstand, daß die Klägerin in der Folge weiterverhandelt und der Beklagten zum Teil abändernde Vertragsentwürfe Beilage ./1 und/oder Beilage ./L zugesendet hat, kommt – entgegen der Ansicht des Erstgerichtes – keine Bedeutung zu. Nach Art. 26 UN-KaufR ist nämlich eine Erklärung, daß der Vertrag aufgehoben wird, nur dann wirksam, wenn sie der anderen Partei mitgeteilt wird. Eine ausdrückliche Mitteilung der Aufhebung des Vertrages ist zweifellos unterblieben. Bei einer konkludenten Erklärung stellt Art. 8 UN-KaufR auf den realen Parteiwillen ab. Zunächst gilt einmal der subjektive Erklärungswille, sofern die andere Partei ihn erkennen konnte. Bleibt danach ein Mißverständnis zwischen den Parteien, richtet sich die Auslegung nach dem objektiven Erklärungsinhalt, gemessen an einer sachkundigen Gegenpartei in gleicher Lage. In beiden Fällen sind alle Umstände einzubeziehen, die für eine Auslegung von Erklärungen und von Verhalten wichtig sein können (vgl. Junge in vCaemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht (2) Art. 8/2). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist ein Wille der Parteien zur Aufhebung ebensowenig zu erkennen wie bei Beurteilung des späteren Verhaltens der Parteien, zumal diese im Verfahren vor dem Erstgericht nicht einmal behauptet haben, daß der Vertrag aufgehoben worden sei.
Unter der Annahme der Gültigkeit des Vertrages erweist sich das erstgerichtliche Verfahren als nicht spruchreif, da Feststellungen zur Höhe des Schadens, den die Klägerin erlitten haben will, nicht getroffen wurden. Das Urteil war daher aufzuheben und das Verfahren zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.