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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien streiten vor einem österreichischen Gericht über die Befugnis des Beklagten, über ein in der Tschechischen Republik gelegenes Grundstück zu verfügen. Das Berufungsgericht hat seine Zuständigkeit für die Entscheidung in der Hauptsache bejaht. Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten in einer einstweiligen Verfügung untersagt, das Grundstück zu veräußern oder zu belasten. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Revisionsrekurs zum OGH (AT) eingelegt.
Der OGH (AT) weist den Revisionsrekurs zurück. Er stellt zunächst fest, dass von ihm nicht über die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte zu entscheiden ist. Diese Frage sei bereits rechtskräftig entschieden, so dass er hieran gebunden sei. Der OGH weist sodann die von der Beklagten dargelegte Auffassung zurück, dass die österreichischen Gerichte nicht im Eilverfahren die Veräußerung oder Belastung eines in einem anderen Mitgliedstaat der EU gelegenen Grundstücks untersagen könnten. Dem stehe nicht entgegen, dass in Inlandsfällen nach österreichischem Recht ein solches Verbot von Amts wegen in dem öffentlichen Grundregister anzumerken ist, in welchem das Grundstück verzeichnet ist. Die Zulässigkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung sei auch nicht davon abhängig, inwieweit diese im Ausland tatsächlich vollzogen werden könne. Vielmehr sei es zulässig, Unterlassungsverfügungen auch mit extraterritorialem Geltungsanspruch zu erlassen. Wenn eine solche Entscheidung in einem kontradiktorischen Eilverfahren ergehe, werde sie gemäß Art. 32 Brüssel I-VO in den übrigen Mitgliedstaaten anerkannt und könnte in diesen gemäß Art. 33 ff. Brüssel I-VO vollstreckt werden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
1. Die Frage, ob ein österreichisches Gericht international zuständig für eine einstweilige Verfügung ist, mit der dem in der Tschechischen Republik wohnhaften Beklagten verboten werden soll, in der Tschechischen Republik gelegene Liegenschaften zu veräußern und zu belasten, ist nicht mehr präjudiziell, weil die Vorinstanzen die internationale Zuständigkeit für das Sicherungsverfahren übereinstimmend bejaht haben. Daran ist der Oberste Gerichtshof nach § 42 Abs. 3 JN iVm § 528 Abs. 2 Z 2 ZPO gebunden. Denn die erweiterte Rechtsmittelzulässigkeit nach § 402 Abs. 1 EO bezieht sich nur auf die Sachentscheidung; sie führt nicht dazu, dass Konformatsentscheidungen über das Vorliegen der (internationalen) Zuständigkeit anfechtbar würden (4 Ob 118/06s = EvBl 2007/26 mwN). Die Bindungswirkung setzt nicht die ausdrückliche Bejahung der Zuständigkeit im Spruch voraus; die Bejahung in den Gründen genügt (RIS-Justiz RS0114196, RS0039774). Auch das Gemeinschaftsrecht gebietet kein Abgehen von dieser Rechtsprechung. Ein nationales Gericht ist nämlich nicht verpflichtet, eine allenfalls gegen Gemeinschaftsrecht verstoßende rechtskräftige Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, wenn die internationalen Vorschriften das nicht erlauben (EuGH Rs C-304/04 = wbl 2006, 220 – Kapferer). Das muss auch für die rechtskräftige Bejahung der Zuständigkeit gelten (4 Ob 118/06s).
2. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers ist aus der Regelung des § 384 Abs. 2 EO, wonach unter anderem ein zur Sicherung von Geldforderungen angeordnetes Verbot der Veräußerung und Belastung von Liegenschaften oder bücherlichen Rechten des Gegners der gefährdeten Partei (§ 379 Abs. 3 Z 5 EO) von Amts wegen in dem öffentlichen Buch, in dem die Liegenschaft oder das fragliche Recht eingetragen ist, anzumerken ist, nicht abzuleiten, dass ein solches Verbot nur in Bezug auf in Österreich gelegene Liegenschaften erlassen werden dürfte (vgl König, Einstweilige Verfügungen2 Rn. 3/130). § 384 Abs. 2 EO behandelt nur den Vollzug einstweiliger Verfügungen nach § 379 Abs. 3 Z 5 EO und § 382 Z 6 EO, nicht aber deren Erlassung. § 379 Abs. 3 Z 5 EO enthält seinem Wortlaut nach keine Einschränkung auf inländische Liegenschaften. Nach der ständigen neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die das Rekursgericht anwandte, steht inhaltlich die Nichtanerkennung der einstweiligen Verfügung im Ausland ihrer Erlassung im Inland auch dann nicht entgegen, wenn sie im Ausland vollzogen werden müsste (König aaO Rn. 3/125; s die Rsp bei G. Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 387 Rn. 2). Im Geltungsbereich des EuGVÜ/der EuGVVO ist das nach dem Übereinkommen/nach der Verordnung in der Hauptsache zuständige Gericht auch für die Anordnung einstweiliger oder sichernder Maßnahmen zuständig, die sich als erforderlich erweisen (EuGH Rs C-391/95 – van Uden Maritime BV/Deko-Line ua Sammlung 1998 I 7091 Rn. 19; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht2 Art. 31 Rn. 3 f). Insbesondere können vom Hauptsachegericht einstweilige Unterlassungsverfügungen mit extraterritorialem Geltungsanspruch erlassen werden (Geimer/Schütze aaO Art. 31 Rn. 6). Solche einstweilige Verfügungen, die nach einem kontradiktorischen Verfahren ergangen sind, sind als „Entscheidungen“ im Sinn des Art. 25 EuGVÜ bzw Art. 32 EuGVVO in den Vertrags-/Mitgliedstaaten anzuerkennen und nach Maßgabe der Art. 33 ff EuGVÜ bzw der Art. 38 ff EuGVVO zu vollstrecken (G. Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 390 Rn. 81und 83; König aaO Rn. 3/127; Geimer/Schütze aaO Art. 31 Rn. 6).