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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragstellerin begehrt vor einem österreichischen Gericht die Bewilligung der Forderungsexekution aufgrund eines italienischen Urteils, welches die vorläufige Vollstreckung eines widersprochenen italienischen Zahlungsbefehls bewilligt. Die Vollstreckbarkeit dieses Urteils wurde nach Art. 54 EuGVO von einem österreichischen Gericht bestätigt, jedoch nicht der zugrunde liegende Zahlungsbefehl. Während das Erstgericht die Vollstreckung bewilligte, lehnte das Zweitgericht diese ab, weil das in Österreich für vollstreckbar erklärte Urteil keinen Leistungsbefehl enthalte.
Der OGH (AT) bestätigt, dass die für eine Exekutionsbewilligung erforderliche Vollstreckbarerklärung des ausländischen Exekutionstitels durch das zuständige österreichische Gericht nicht erfolgt sei: Bei der im Exekutionsantrag angeführten und von einem österreichischen Gerichts für vollstreckbar erklärten italienischen Entscheidung handele es sich nämlich nicht um den Zahlungsbefehl, welcher allein einen Leistungsbefehl über die betriebene Forderung enthalte. Letzterer sei gar nicht für vollstreckbar erklärt worden, denn trotz Identität der Geschäftszahlen beider Entscheidungen sei das Gericht an den gestellten Antrag gebunden gewesen. In diesem sei in verfehlter Bezeichnung allein das später ergangene Urteil über den Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl angegeben worden, so dass auch eine Umdeutung wegen offenkundiger Unrichtigkeit des Antrags nicht in Frage gekommen sei. Mangels inländischer Vollstreckungserklärung des eigentlichen Titels könne daher eine Exekutionsbewilligung nicht erfolgen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Mit dem am 7. Dezember 2005 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die betreibende Partei zur Hereinbringung von 427.374,50 EUR sA aufgrund des italienischen Exekutionstitels des Tribunale di Sondrio (Amtsgerichts Sondrio) vom 10. Dezember 2004, „GZ R.G.Nr. 240/04-D.I.Nr. 76/04, CRON.Nr. 900“ die Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung von Bankguthaben der verpflichteten Partei bei der R***** und der C***** AG sowie die Pfändung von Wertpapieren. Die betreibende Partei legte eine Vollstreckbarkeitsbestätigung des Bezirksgerichts für ZRS Graz vom 17. Juni 2005 sowie ein Konvolut von in italienischer Sprache abgefasster Urkunden samt Übersetzungen, insbesondere ein „decreto di ingiunzione“ des Amtsgerichts Sondrio durch seinen „Alleinrichter“ vom 25. Februar 2004 vor, das einen Zahlungsbefehl über die betriebene Forderung zum Inhalt hat und die angeführten Geschäftszahlen aufweist.
Das Erstgericht wies unbekämpft den Exekutionsantrag auf Pfändung von Wertpapieren ab und bewilligte die beantragten Forderungsexekutionen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge und wies auch den Exekutionsantrag auf Bewilligung der Forderungsexekutionen in Ansehung beider Drittschuldnerinnen ab. Auch wenn das Bezirksgericht für ZRS Graz mit Stampiglienerledigung ausgesprochen habe, „das Gericht bewilligt die beantragte Exekution“ sei doch mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass das Gericht dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Titels des Tribunale di Sondrio vom 10. Dezember 2004 stattgeben habe wollen. Ausgehend von der mit dem Exekutionsantrag vorgelegten Kopie des Titels könne die Exekution nicht bewilligt werden, weil die „Entscheidung“ vom 10. Dezember 2004 keinen die Exekution deckenden Leistungsbefehl über 427.354,50 EUR sA enthalte. Die Exekution könne nach § 7 Abs. 1 EO nicht bewilligt werden. Die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels könne die Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen für die Bewilligung der darauf gegründeten Exekution nicht ersetzen. Wenn aber die betreibende Partei den „decreto ingiuntivo“ als Grundlage der Exekution gemeint haben sollte, sei ihr entgegenzuhalten, dass dieser Titel nach der Aktenlage nicht in Österreich für vollstreckbar erklärt worden sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit ihrem Revisionsrekurs beantragte die betreibende Partei die Abänderung dahin, dass die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts wiederhergestellt werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung gestellt.
Die verpflichtete Partei beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig. Er ist teilweise auch berechtigt.
I. Zu den Voraussetzungen der Bewilligung der Exekution aufgrund des ausländischen Exekutionstitels:
Der Zahlungsbefehl eines italienischen Gerichts kann in Österreich für vollstreckbar erklärt werden, auch wenn das ausländische Gericht – wie hier – nur eine vorläufige Vollstreckbarkeit ausgesprochen hat (3 Ob 248/98m = SZ 73/74 mwN; 3 Ob 145/03z, 3 Ob 47/05s). Anzuwenden sind die Konventionsbestimmungen der EuGVVO vom 22. Dezember 2000. Gemäß Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung werden ausländische Entscheidungen eines Vertragsstaats, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Mitgliedsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt wurden. Ein als europäischer Vollstreckungstitel bestätigter Titel iSd der Bestimmungen der VO (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen ist hier schon mangels jeglicher Behauptungen der Rekurswerberin über das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 der Verordnung (vgl dazu Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8 570 ff) nicht zu beurteilen. Die Partei, die eine Vollstreckbarerklärung beantragt, hat gemäß Art. 53 EuGVVO eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen und die Bescheinigung des Ursprungsstaates unter Verwendung des Formblatts im Anh V der Verordnung (Art. 54) vorzulegen. Sobald die im Art. 53 EuGVVO vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind, ist die Vollstreckbarkeit ohne Prüfung nach den §§ 34 und 35 (Anerkennungshindernisse) und ohne Beiziehung des Schuldners auszusprechen (Art. 41 EuGVVO). Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache nachgeprüft werden (Art. 36 EuGVVO). Anerkennungs- und Vollstreckungshindernisse kann der Verpflichtete mit Rekurs geltend machen. Im zweiseitigen Rekursverfahren gilt das Neuerungsverbot (zumindest für den Schuldner) nicht (§ 84 Abs. 1 Z 2 EO). Gemäß § 84a Abs. 1 EO kann mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung der Antrag auf Exekutionsbewilligung verbunden werden. Dann hat das Gericht über beide Anträge zugleich zu entscheiden. Im vorliegenden Fall hat die betreibende Partei unter Vorlage einer schon erfolgten Vollstreckbarerklärung eines österreichischen Gerichts die Exekution beantragt. Ein weiterer Antrag auf Vollstreckbarerklärung des „decreto di ingiunzione“ vom 25. Februar 2004 wurde nicht gestellt. II. Die für eine Exekutionsbewilligung erforderliche Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung des ausländischen Exekutionstitels durch das zuständige österreichische Gericht (§ 79 Abs. 1 EO; Art. 38 Abs. 1 EuGVVO) liegt nicht vor:
Zutreffend verweist das Rekursgericht darauf, dass es sich bei der im Exekutionsantrag als Exekutionstitel angeführten Entscheidung vom 10. Dezember 2004 nicht um den Zahlungsbefehl des italienischen Gerichts vom 25. Februar 2004 handelt, der allein einen Zahlungsbefehl über die betriebene Forderung enthält. Mit der Entscheidung vom 10. Dezember 2004 wurde „die vorläufige Vollstreckung des widersprochenen Beschlusses“ (des Zahlungsbefehls) bewilligt. Die Revisionsrekurswerberin steht dazu auf dem Standpunkt, dass mit dieser Entscheidung „der gegen den Zahlungsbefehl erhobenen Einspruchsklage Nr. 1044/04 nicht Folge gegeben“ worden sei, dass es sich dabei also – wie in einem Instanzenzug – um die „letzte“ Entscheidung handle, die erst den vorläufig vollstreckbaren Zahlungsbefehl begründe. Nach der Aktenlage sei klar, dass mit der Vollstreckbarerklärung des Bezirksgerichts für ZRS Graz der Zahlungsbefehl vom 25. Februar 2004 für vollstreckbar erklärt worden sei. Dies gehe schließlich aus der Anführung der (schon zitierten) Geschäftszahlen des Zahlungsbefehls hervor. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:
Wohl wurde vom Obersten Gerichtshof bei einem allerdings nur teilweise vergleichbaren Sachverhalt die Vollstreckbarkeit eines deutschen Versäumungsurteils ausgesprochen, obwohl der Antrag auf die Vollstreckbarerklärung des deutschen Berufungsurteils, das keinen Leistungsbefehl enthielt, gerichtet war. Dem Exekutionsgericht lagen dort beide deutschen Urteile vor (3 Ob 38/03i). Selbst wenn man im Sinne dieser Entscheidung der Argumentation der Revisionsrekurswerberin folgte (dass der Beschluss vom 10. Dezember 2004 als Rechtsmittelentscheidung aufzufassen wäre), ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen, weil es hier nicht um die Frage geht, ob der Zahlungsbefehl des italienischen Gerichts, der allein als Exekutionstitel in Frage kommt, vom Bezirksgericht für ZRS Graz trotz verfehlter Bezeichnung im Antrag der Gläubigerin für vollstreckbar erklärt hätte werden können, sondern darum, ob mit der antragsgemäßen Stampiglienerledigung vom 17. Juni 2005 eine solche Vollstreckbarerklärung auch tatsächlich erfolgte. Die Frage ist zu verneinen. Der dem Antrag zur Gänze stattgebende Beschluss kann nicht berichtigend dahin ausgelegt werden, in Wahrheit sei der Zahlungsbefehl vom 25. Februar 2004 für vollstreckbar erklärt worden. Die Identität der Geschäftszahlen in beiden italienischen Entscheidungen ändert nichts an dem auch im Exekutionsverfahren herrschenden reinen „Parteibetrieb“ und der daraus abgeleiteten Behauptungslast (dazu 3 Ob 43/03z). Den Fall offenkundiger Unrichtigkeit eines Antrags, der nach den übrigen Angaben des Antragstellers umgedeutet werden darf, ausgenommen, ist das Gericht an gestellte Anträge gebunden. Der Mangel einer inländischen Vollstreckbarerklärung des ausländischen Exekutionstitels steht daher der Exekutionsbewilligung entgegen. Dies hat das Rekursgericht zutreffend erkannt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Mangel im Wege eines Verbesserungsverfahrens nach § 54 EO durch Nachreichung einer Vollstreckbarerklärung des italienischen Zahlungsbefehls vom 25. Februar 2004 durch das österreichische Gericht nach Durchführung eines weiteren selbständigen, außerhalb des Exekutionsverfahrens liegenden Verfahrens beseitigt hätte werden können, weil der Revisionsrekurs keine Rüge in diese Richtung enthält, sodass nicht untersucht werden muss, ob nicht § 84a EO a priori einer Verbesserung im Wege steht.
III. Der Revisionsrekurs ist jedoch mit seiner Rüge, das Rekursgericht sei über den Rekursantrag der verpflichteten Partei hinausgegangen und habe die eingetretene Teilrechtskraft der Exekutionsbewilligung in Ansehung einer der beiden Drittschuldnerinnen übersehen, berechtigt. Der Rekursantrag der verpflichteten Partei war nur darauf gerichtet, den Antrag auf Exekutionsbewilligung „durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung des Guthabens der verpflichteten Partei zu Kontonummer 41.988 bei der R*****“ abzuweisen. Auch im Rekursvorbringen war nur von der diese Drittschuldnerin betreffenden Forderungsexekution die Rede. Die zweite Drittschuldnerin wurde mit keinem Wort erwähnt. Bei diesem Sachverhalt durfte das Rekursgericht wegen eingetretener Teilrechtskraft dem Rekurs der verpflichteten Partei nur im angefochtenen Umfang stattgeben.