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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger, ein österreichischer Handelsvertreter, klagte gegen eine italienische Gesellschaft vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien (AT). Es stellte sich die Frage, ob er als „Arbeitnehmer“ iSv. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anzusehen sei, da der Kläger seine Arbeit selbständig einteilen konnte.
Der OGH Wien (AT) bestätigt die Entscheidung des Berufungsgerichts. Er stellt fest, dass sich die Zuständigkeit hier nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ bestimmt, der mit Art. 5 Nr. 1 LugÜ übereinstimmt. Der Begriff des Arbeitsvertrages sei vertragsautonom auszulegen. Auslegungsrichtschnur sei Art. 6 EVÜ, der bei einem ungleichen Kräfteverhältnis zwischen den Parteien einen Schutz der schwächeren Partei gewährleisten soll. Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehe das wesentliche Merkmal eines Arbeitsvertrages darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Des Weiteren begründeten Arbeitsverträge eine dauerhafte Beziehung, durch die der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise regelmäßig dem Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert wird. Es bestehe dann eine persönliche Abhängigkeit. Wirtschaftliche Abhängigkeit, wie vom Kläger dargelegt, begründe allein hingegen noch keinen Arbeitsvertrag iSd LuGÜ/EuGVÜ. Weisungsgebundenheit liege hier nicht vor, da sich der Kläger seine Arbeit selbständig nach Zeit und Ort einteilen konnte und keine Berichtspflicht bestand.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Rekurswerber nicht „Arbeitnehmer“ iS der vertragsautonom auszulegenden Bestimmung des Art. 5 Z 1 Satz 2 LGVÜ sei; mangels internationaler Zuständigkeit sei daher das gegen die in Italien ansässige Beklagte geführte Verfahren nichtig und die Klage zurückzuweisen.
Auf das am 2. 3. 2000 eingeleitete – und somit noch nicht in den Geltungsbereich der EuGVVO fallende (Art. 66, 76 EuGVVO) – Verfahren ist allerdings nicht das LGVÜ sondern das – zwischen Österreich und Italien am 1. 6. 1999 in Kraft getretene – EuGVÜ anzuwenden (10 Ob 21/04t; 6 Ob 185/02b). Das ist aber letztlich ohne Bedeutung, weil die Art. 5 der beiden Abkommen wortident sind.
Abgesehen davon erweist sich die Rechtsauffassung des Berufungsgericht als zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Ergänzend ist den Rekursausführungen entgegenzuhalten:
Der Oberste Gerichtshof hat zu den Begriffen „Arbeitsvertrag“ und „Arbeitnehmer“ iSd Art. 5 Z 1 Satz 2 LGVÜ/EuGVÜ bereits wiederholt Stellung genommen: Danach wird der Begriff des Arbeitsvertrages wohl weitgehend vertragsautonom ausgelegt, doch kommt es in den Grenzbereichen auch darauf an, ob nach dem auf den Beschäftigungsvertrag anwendbaren Recht der für Arbeitnehmer typische Sozialschutz besteht. Auslegungsrichtschnur für die Qualifikation als „Arbeitsvertrag“ ist Art. 6 des römischen Schuldvertragsübereinkommens. Ziel dieser Kollisionsnorm war es wiederum, eine geeignete Regelung für Sachverhalte zu finden, bei denen die Interessen der Vertragsschließenden nicht auf der gleichen Ebene liegen, um damit jener Partei, die in diesem Zusammenhang sozial und wirtschaftlich als die schwächere anzusehen ist, einen angemesseneren Schutz zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des EuGH (s die Zitate in 9 ObA 230/99k und Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 4 zu Art. 4 EuGVO) besteht das wesentliche Merkmal eines Arbeitsvertrages darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Arbeitsverträge weisen im Vergleich zu anderen Verträgen auch insofern bestimmte Besonderheiten auf, als sie eine dauerhafte Beziehung begründen, durch die der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise regelmäßig dem Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert wird. Wirtschaftliche Abhängigkeit allein vermag hingegen für sich allein noch keinen Arbeitsvertrag iSd LGVÜ/EuGVÜ zu begründen (9 ObA 230/99k; 9 ObA 78/04t mwN).
Der Rekurswerber hat selbst immer behauptet selbständig tätig gewesen zu sein, hat sich aber immer als „arbeitnehmerähnlich“ (offenkundig iSd § 51 Abs. 3 Z 2 ASGG) bezeichnet. Dieser zuletzt genannte Begriff bezeichnet Personen, die in keinem Arbeitsverhältnis stehen (also nicht „Arbeitnehmer“ sind), aber dennoch in wirtschaftlicher Unselbständigkeit im Auftrag und für Rechnung anderer Personen Arbeit leisten. Auch die nunmehr im Rekurs vom Rekurswerber zitierten Belegstellen haben nahezu ausschließlich den Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit zum Gegenstand. Sowohl mit diesen Belegstellen als auch mit den dazu erstatteten Ausführungen knüpft der Rekurswerber an die von ihm behauptete wirtschaftliche Abhängigkeit an, die aber – wie ausgeführt – für sich allein die Annahme eines Arbeitsvertrages iSd Art. 5 Z 1 zweiter Satz LGVÜ/EuGVÜ nicht rechtfertigen kann. Dass der Rekurswerber persönlich abhängig bzw in den Betrieb eingegliedert war, ist nicht hervorgekommen. Vielmehr steht fest, dass er sich seine Arbeit selbständig nach Zeit und Ort einteilen konnte und dass keine Berichtspflicht bestand. Die – kursorischen – Ausführungen des Rekurswerbers, mit denen er nun eine Weisungsunterworfenheit behauptet, gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sondern stützen sich auf seine eigenen Angaben in der Tagsatzung vom 19. 3. 2001.
Soweit sich der Rekurs gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Verfahrenskosten richtet, ist er unzulässig. Die Anfechtung von Kostenentscheidungen der zweiten Instanz ist ausnahmslos unzulässig (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1, § 528 Rn. 134 und 136 mwN).
Auch der eventualiter gestellte Ordinationsantrag des Rekurswerbers ist zurückzuweisen. Es trifft zwar zu, dass nach der Entscheidung 4 Ob 32/97b ein Ordinationsantrag als Eventualantrag auch schon vor der Entscheidung des Zuständigkeitsstreites gestellt und in diesem Fall auf die bereits anhängige Klage bezogen werden kann. Anders als im damals zu beurteilenden Fall, in dem der Ordinationsantrag bereits in erster Instanz gestellt wurde, hat der Rekurswerber hier seinen Ordinationsantrag erstmals in seinem Rekurs gegen den angefochtenen Beschluss des Berufungsgerichts gestellt. Zu diesem Zeitpunkt steht aber der Geltendmachung neuer Anträge und Einwänden das Neuerungsverbot entgegen.