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Zusammenfassung der Entscheidung Der österreichische Kläger ist Halter eines Fahrzeugs. Bei den Beklagten handelt es sich um eine in Deutschland ansässige Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und deren Versicherungsnehmerin. Der Kläger nahm die Beklagten gesamtschuldnerisch aus einem in Deutschland erlittenen Verkehrsunfall vor einem österreichischen Gericht in Anspruch. Hierbei berief er sich auf den Wahlgerichtsstand am Wohnsitz des Geschädigten. Das Erstgericht wies die Klage zurück. Gegen diesen Beschluss richtete sich der Rekurs des Klägers.
Das OLG Wien (AT) stellt fest, dass die österreichischen Gerichte am Wohnsitz des Klägers für die Entscheidung unzuständig seien. Der durch den Verkehrsunfall geschädigte Kläger sei zweifellos weder als Versicherungsnehmer noch als Versicherter anzusehen. Er sei insbesondere auch kein Begünstigter i.S.d. Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. b) Brüssel I-VO, mit der Folge, dass er den Versicherer nicht an seinem Wohnsitz verklagen könne. Dem Begünstigten einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung stehe regelmäßig ein vertraglicher Anspruch gegen die Versicherungsgesellschaft zu, wohingegen es sich bei dem Anspruch des Klägers bei einer Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer um einen deliktischen Anspruch handele. Der Kläger werde daher den in Art. 9 Abs. 1 lit. b) Brüssel I-VO genannten privilegierten Verfahrensbeteiligten nicht gleichgestellt. Auch der besondere Gerichtsstand am Ort des schädigenden Ereignisses gem. Art. 10 Brüssel I-VO führe nicht dazu, dass der im Ausland geschädigte Kläger den Versicherer des Schädigers vor den Gerichten in Österreich, wo der Kläger ansässig sei, verklagen könne. Das Anknüpfungskriterium „Ort des schädigenden Ereignisses“ sei in Übereinstimmung mit den zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO entwickelten Grundsätzen auszulegen, wonach der Ort, an dem der Erstschaden eingetreten ist, mithin Deutschland, maßgeblich sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Deutschland in Anspruch. Er brachte vor, das Alleinverschulden treffe den Zweitbeklagten, wofür die Erstbeklagte hafte. Sowohl die Erstbeklagte als auch der Zweitbeklagte hätten ihren Sitz bzw Wohnsitz in Deutschland. Sie haften als Gesamtschuldner. Gemäß Art. 11 Abs. 2 iVm Art. 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO (Brüssel I-Verordnung) bestehe für den Kläger im Verfahren gegen den Versicherer ein Wahlgerichtsstand am Wohnsitz des Geschädigten. Das Erstgericht sei gemäß Art. 3 Abs. 3 EuGVVO auch für den Versicherungsnehmer zuständig.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage zurück. Es vertrat die Ansicht, Art. 9 EuGVVO ermögliche nur Klagen gegen einen Versicherer, nicht aber gegen den Halter bzw Lenker. Der Kläger stehe in keinem Vertragsverhältnis zur Erstbeklagten und sei daher weder Versicherungsnehmer, Versicherter oder Begünstigter.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage aufzutragen.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Gemäß Art. 9 Abs. 1 EuGVVO kann ein Versicherer, der seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates (der EU) hat, vor den Gerichten seines Sitzstaates verklagt werden (lit a). Gemäß lit. b leg.cit. kann der Versicherer bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten auch vor dem Gericht des Ortes eines anderen Mitgliedstaates verklagt werden, an welchem der Kläger seinen Wohnsitz hat. Art. 10 EuGVVO gewährt bei der Haftpflichtversicherung überdies den Wahlgerichtsstand des Schadensortes. Gemäß Art. 11 Abs. 2 EuGVVO sind die Art. 8 bis 10 auf die Direktklage des Geschädigten gegen den Versicherer anzuwenden, sofern eine solche Klage zulässig ist.
Der Kläger leitet aus Art. 11 Abs. 2 EuGVVO ab, dass es bei der Direktklage des Geschädigten auf dessen Wohnsitz (also des Klägers) ankomme.
Diese Ansicht ist unrichtig. Die Vorgänger der EuGVVO, das Lugano-Abkommen und das EuGVÜ stellten (bzw stellen, soweit sie noch in Geltung stehen) in Art. 8 Abs. 1 Z 2 auf den Ort ab, an dem der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat, wenn dieser in einem anderen Staat als dem Sitzstaat des Versicherers liegt. In der Entscheidung vom 20.8.1998, 124 III 382 = AJP 1999, 216 hat das Schweizerische Bundesgericht ausgesprochen, dass der Gerichtsstand am Wohnsitz des Versicherungsnehmers auch dem Versicherten und dem Begünstigten zur Verfügung stehe (JABl 2001, 142). Mit dem EuGVVÜ wurde diese Rechtsprechung festgeschrieben. Damit ist für den Kläger aber deshalb nichts gewonnen, weil der Geschädigte weder Versicherungsnehmer, noch Versicherter oder Begünstigter ist. Versicherungsnehmer ist der Vertragspartner des Versicherers im Versicherungsvertrag, Versicherter ein Dritter bei der Versicherung für fremde Rechnung. Begünstigt ist beispielsweise der Bezugsberechtigte bei der Lebens- und Unfallversicherung. Diese Voraussetzungen treffen aber auf den Kläger nicht zu, weil dem Begünstigten ein vertraglicher Anspruch zusteht, der Anspruch des Geschädigten bei der Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer aber ein deliktischer Anspruch ist. Er kann daher den erstbeklagten Versicherer nur beim Wohnsitzgericht des Versicherers, Wohnsitzgericht des Versicherungsnehmers, Wohnsitzgericht der Versicherten (solche gibt es hier offenbar nicht) oder bei dem Gericht am Ort des schädigenden Ereignisses klagen. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers führt der besondere Gerichtsstand am Ort des schädigenden Ereignisses gemäß Art. 10 EuGVVO in der Haftpflichtversicherung nicht dazu, dass der Geschädigte, der im Ausland verletzt wird, vor den Gerichten seines Heimatstaates den Versicherer des Schädigers klagen könnte. Mit der Wendung „der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist“ ist im Sinne des EuGH gemeint, dass dann, wenn der Ausgangspunkt die Verletzung einer Person oder die Beschädigung einer Sache ist, der Ort der ursprünglichen Rechtsgutverletzung maßgeblich ist. Der Ort, an dem nachfolgende Verschlimmerungen und Vermögenseinbußen eintreten, ist nicht relevant (Schlosser, EU-Zivilprozessrecht Rn. 19 zu Art. 5 EuGVVO). Folgte man der Ansicht des Klägers, so könnte jeder Geschädigte, gleichgültig wo er den Schaden erleidet, immer an seinem Wohnsitz mit der Begründung klagen, erst hier sei der Schaden eingetreten. Dieses Ergebnis ist daher abzulehnen (Mayr/Czernich, Das neue europäische Zivilprozessrecht [2002] 69).
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die Bestätigung eines die Klage zurückweisenden Beschlusses ist keine den Revisionsrekurs jedenfalls ausschließende bestätigende Entscheidung. Der ordentliche Revisionsrekurs war aber nicht zuzulassen, weil auch wenn man dem Kläger die Wahl zwischen Handlungs- und Erfolgsort für die Einbringung der Klage zubilligt (Simotta in Fasching, Kommentar I² Rn. 46 vor §§ 76-84 JN mwN) der Erfolg, nämlich die Beschädigung des Fahrzeuges und die Verletzungen, bereits am Unfallsort eingetreten sind.