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Zusammenfassung der Entscheidung Der in Österreich wohnhafte Kläger hat über ein deutsches Reisebüro eine Reise bei dem beklagten deutschen Reiseveranstalter gebucht. Für diese Reise hat das Reisebüro völlig eigenständig und damit ohne Wissen und Wollen des Beklagten in Österreich geworben. Der Kläger verlangte vor einem österreichischen Gericht von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Aufklärung über die Passformalitäten. Das Erstgericht hielt sich für unzuständig, weil die eigenständige und unabhängige Werbung des Reisebüros der Beklagten nicht im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a LugÜ zuzurechnen sei.
Das LG Feldkirch (AT) stellt fest, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a LugÜ für den Verbrauchergerichtsstand verlangte Werbung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers vom Unternehmer ausgehen müsse. Zumindest müsse die absatzfördernde Tätigkeit eines Vermittlers vom Vertragspartner des Verbrauchers zu vertreten bzw. diesem zuzurechnen sein. Erfolge die Werbung eines ausländischen Reisebüros im Inland wie hier völlig eigenständig und damit ohne Wissen und Wollen des Reiseveranstalters, so sei dies dem Reiseveranstalter nicht zurechenbar.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der Kläger brachte vor, er habe beim Reisebüro T***** in Lindau eine einwöchige Flugreise samt Mietwagen nach Irland bestellt. Die Buchung sei von T***** Lindau am 3.5.1996 bestätigt worden. Das genannte Reisebüro habe in diesem Zusammenhang als Vermittler für die Beklagte fungiert.
Der Kläger sei zur Flugreise nicht zugelassen worden, weil er keinen Reisepaß, sondern nur einen amtlichen Personalausweis bei sich gehabt habe. Durch die Unterlassung der Information des Paßerfordernisses sei dem Kläger ein Schaden von S 5.032 entstanden, welchen er von der Beklagten ersetzt verlange.
Die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Dornbirn sei aufgrund EuGVÜ Artikel 13 Abs. 1 Z 3 und Artikel 14 sowie „Lugano-Übereinkommen“, gleichbezeichnete Artikel, gegeben.
Die Beklagte hat die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben und das Vorbringen des Klägers bestritten.
Mit dem bekämpften Beschluß hat das Erstgericht die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit kostenpflichtig zurückgewiesen.
Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:
Das Reisebüro T***** in Lindau hat in der periodischen Zeitschrift „Das Kleine Blatt“ in Vorarlberg ein Inserat aufgegeben, in dem unter anderem für eine „Fly & Drive-Reise“ nach Irland geworben wurde. Dieses Inserat wurde vom Reisebüro T***** auf eigene Kosten, eigene Veranlassung in der österreichischen Zeitung geschaltet. Die Beklagte hat davon nichts gewußt und hiefür auch keinerlei Zahlung geleistet. Vielmehr ist die Beklagte als Veranstalterin dieser Reise in diesem Inserat gar nicht aufgeschienen.
Aufgrund dieses Inserates hat der Kläger im Reisebüro T***** in Lindau angerufen und dort telefonisch die Reise zum Preis von DM 599 (S 4.283) gebucht. Bezüglich der erforderlichen Reiseformalitäten wurde dem Kläger mitgeteilt, daß für die Reise nach Irland ein Personalausweis ausreichend sei. Die Reisebestätigung/Rechnung wurde dem Beklagten am nächsten Tag, dem 4.5.1996, der auch gleichzeitig Abreisetag war, bei der Vorbeifahrt in Lindau ausgehändigt.
Als der Kläger in München am Flughafen einchecken wollte, wurde ihm das Besteigen des Flugzeuges mit der Bemerkung verweigert, daß österreichische Staatsbürger für die Einreise nach Irland eines Reisepasses bedürfen.
In rechtlicher Hinsicht zitierte das Erstgericht die hier maßgeblichen Bestimmungen des Artikels 13 Abs. 2 Z 3 des Lugano-Übereinkommens. Erste Voraussetzungen für die „Zuständigkeit“ des Klägers als Verbraucher – es habe sich um eine private, nicht berufliche Reise gehandelt – sei das dem Vertragsabschluß in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers vorangegangene ausdrückliche Angebot oder die diesbezügliche Werbung. Im gegenständlichen Fall sei es so gewesen, daß das T***** Reisebüro aus Lindau ohne Wissen und Willen der Beklagten in einer österreichischen Zeitung ein Werbeinserat eingeschaltet habe. Die Frage sei nun, ob der Beklagte als Veranstalter diese Werbetätigkeit des von ihr völlig unabhängigen Reisebüros zugerechnet werden könne. Das Erstgericht stehe auf dem Standpunkt, daß dies nicht der Fall sei. Es wäre zu weitgehend, wenn eine eigenständige Werbetätigkeit eines Reisebüros dem Veranstalter, der von dieser Werbetätigkeit nichts wisse, angelastet würde und daraus rechtliche Konsequenzen zu ziehen wären.
Kumulativ zu dieser Werbung komme für die Zuständigkeit dazu, daß der Verbraucher in seinem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen habe. Der Kläger habe eindeutig von Österreich nach Lindau in Deutschland telefoniert und dort den Vertrag abgeschlossen. Es könne daher nicht die Rede davon sein, daß die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen in Österreich vorgenommen worden seien. Die rechtlichen Wirkungen seien ganz eindeutig in Deutschland eingetreten.
Da sohin beide kumulativ verlangten Voraussetzungen für die Zuständigkeit des österreichischen Gerichtes für diesen Vertrag nicht gegeben seien, sei die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückzuweisen gewesen. Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Dornbirn festzustellen und die Rechtssache an dieses zur Entscheidung, allenfalls nach neuerlicher Verhandlung, zurückzuverweisen.
In ihrer rechtzeitigen und zulässigen (§ 521 a Abs. 1 Z 3 ZPO) Rekursbeantwortung hat die Beklagte beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht hat – was im Rekursverfahren auch nicht strittig ist – zutreffend die Zuständigkeitsprüfung unter dem Gesichtspunkt des Artikel 13 des am 1.9.1996 in Österreich (völkerrechtlich) in Kraft getretenen Lugano-Übereinkommens (LGVÜ) vorgenommen, dies im Hinblick auf den Zeitpunkt des Einlangens der Klage (Eintritt der Gerichtsanhängigkeit) am 1.10.1996. Artikel 13 LGVÜ definiert Verbrauchersachen als Streitigkeiten aus den unter Abs. 1 Z 1 bis 3 angeführten Verträgen, die Personen zu einem Zweck abgeschlossen haben, der nicht ihrer (frei) beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Es ist demnach der Kläger als Verbraucher im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen. Der vorliegende Vertrag betreffend die Buchung einer „Fly & Drive-Reise“ fällt unter Artikel 13 Abs. 1 Z 3 LGVÜ, was bedeutet, daß zum Vertragsgegenstand besondere Abschlußmodalitäten hinzukommen müssen. Kumulativ wird verlangt, daß dem Vertragsabschluß in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist (lit a) und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (lit b). Unter Werbung iSd Artikels 13 Abs. 1 Z 1 lit a LGVÜ fällt grundsätzlich jede absatzfördernde Tätigkeit, die auch im Hinblick auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers betrieben worden ist (Schlosser EuGVÜ RZ 8 zu Artikel 13). Der Kaufmann muß also bestimmte Handlungen vorgenommen haben wie bspw Werbung in Presse, Rundfunk, Fernsehen oder mittels speziell in das betreffende Land versandter Kataloge (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht5, S 182). Daraus wird deutlich, daß im Anwendungsbereich des Artikel 13 LGVÜ ohne das Erfordernis der Zurechnung der Werbung zu dem vom Verbraucher in Anspruch genommenen Vertragspartner nicht das Auslangen gefunden werden kann. Allein so ist auch begründbar, daß die mit Blick auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers betriebene Werbung eine für die Zuständigkeitstätigkeitsregelung des Artikel 13 LGVÜ bedeutsame besondere Abschlußmodalität darstellt. Nur eine vom anderen Vertragspartner zu vertretende (ihm zurechenbare) Bewerbung des Verbrauchers in dessen Wohnsitzstaat kann – neben anderen Voraussetzungen – sachgerechterweise einen Anhaltspunkt dafür bilden, daß der Verbraucher die Klage gegen den anderen Vertragspartner auch vor den Gerichten seines (des Verbrauchers) Wohnsitzstaates (Artikel 14 Abs. 1 LGVÜ) erheben kann.
Somit ist entgegen den Rekursausführungen die vom Erstgericht verlangte Zurechenbarkeit der Werbung nicht als ein am klaren Gesetzestext vorbeigehendes „Hineininterpretieren“ zu werten. Vielmehr handelt es sich um eine notwendige, zutreffende, mit dem Regelungsinhalt und – zweck des Artikel 13 LGVÜ konforme Bestimmung (Klarstellung) des dort verwendeten Begriffes „Werbung“.
Der Rekurs bedient sich des weiteren des Argumentes, daß die Voraussetzung der Zurechenbarkeit auch nicht mit den Zielen des Konsumentenschutzes vereinbar wäre. Gerade in der Reisebranche sei es vielfach üblich, daß Reiseveranstalter ihre Produkte auf Provisionsbasis über zahlreiche als Vermittler fungierende Reisebüros vertreiben. Die Werbe- und Aquisitionstätigkeit bleibe dabei den einzelnen Reisebüros größtenteils überlassen. Sollten durch deren Tätigkeit die für Konsumentenschutz relevanten Tatbestände realisiert werden, dem Unternehmer (Reiseveranstalter) jedoch mangels entsprechender Vereinbarung mit dem Reisebüro nicht zugerechnet werden, wäre der einschlägigen Konsumentenschutzbestimmung weitgehend der Boden entzogen.
Mit diesen Ausführungen wird die Zuständigkeitsregelung der Artikel 13, 14 LGVÜ – zu Unrecht – materiellem Konsumentenschutzrecht gleichgestellt. Wenn der Kläger genötigt ist, seine Ansprüche gegen die Beklagte als Reiseveranstalter vor dem zuständigen Gericht in Deutschland geltend zu machen, bedeutet dies ja noch nicht, daß er des Konsumentenschutzes nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Bestimmungen verlustig geht. Je nach Sachverhaltskonstellation ist das Reisebüro T***** Lindau (als Reiseveranstalter kraft Anschein) oder die Beklagte passiv legitimiert. Unter diesem Gesichtspunkt besteht kein Schutzbedürfnis des Klägers und damit auch kein Anlaß, Werbung im Sinne des Artikels 13 Abs. 1 Z 3 lit a LGVÜ so zu interpretieren, daß darunter auch dem anderen Vertragspartner nicht zurechenbare Werbemaßnahmen verstanden werden.
Daß die vom Reisebüro T***** in Lindau völlig eigenständig, ohne Erwähnung und Wissen der Beklagten durchgeführte Werbung dieser nicht zurechenbar ist, hat das Erstgericht richtig erkannt. Dem hält der Rekurs in der Meinung, auf das Element der Zurechenbarkeit verzichten zu können, nichts zur Widerlegung Geeignetes entgegen.
Zusammenfassend ist der Tatbestand des Artikel 13 Abs. 1 Z 3 lit a LGVÜ nicht erfüllt, sodaß auf die Frage, ob die zweite, kumulativ geforderte Voraussetzung des lit. b verwirklicht ist, nicht eingegangen werden muß. Da eine Zuständigkeit des Erstgerichtes aufgrund der anzuwendenden Bestimmungen des LGVÜ nicht begründet ist und sich die Beklagte auf das Verfahren nicht rügelos eingelassen hat, hat das Erstgericht zu Recht seine örtliche Unzuständigkeit ausgesprochen (Artikel 20 LGVÜ) und die Klage zurückgewiesen.
Dem Rekurs konnte sohin kein Erfolg beschieden sein.