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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin, eine Gesellschaft aus Liechtenstein, verlangt vor einem österreichischen Gericht von der Beklagten, einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, Zahlung aufgrund eines von der Beklagten in Österreich unrechtmäßigerweise eingelösten Schecks. Dieser sei bei der Beklagten nur zur Sicherung hinterlegt worden und habe aufgrund des Fortfalls des zu sichernden Geschäfts an die Klägerin zurückgegeben werden müssen. Das Zweitgericht hat zur Klärung einer erheblichen Rechtsfrage die Revision zugelassen.
Der OGH (AT) hält zunächst fest, dass die deliktische Zuständigkeit nicht gegeben sei, weil ein Anspruch aus Vertragsverletzung geltend gemacht wird. Für die Zuständigkeit am Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ sei andererseits auf die verletzte Vertragspflicht zur Rückgabe des sicherungsweise überlassenen Schecks abzustellen. Dagegen habe der Ort der Scheckeinlösung in Österreich mit dem Erfüllungsort für die vereinbarungsgemäße Scheckrückgabe nichts zu tun. Ersterer begründe daher auch keine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ für die vertragliche Scheckrückstellungsverpflichtung. Daher mangele es an der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 528 Abs. 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).
Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es sei nicht ersichtlich, dass sich das Höchstgericht mit einem vergleichbaren Sachverhalt auseinanderzusetzen gehabt habe, der sowohl wertpapierrechtliche als auch allgemein schuldrechtliche Fragen bezogen auf die Anknüpfung nach dem LGVÜ enthalte; in diesem Sinn sei eine erhebliche Rechtsfrage gegeben, sodass ungeachtet der bereits vorliegenden, zitierten Rechtsprechung des Höchstgerichtes der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Der Klage liegt allerdings kein wertpapierrechtlicher Anspruch zugrunde. Vielmehr hat die Klägerin ihre Forderung damit begründet, die Beklagte habe einen zu Lasten der Klägerin ausgestellten Scheck eingelöst, obwohl vereinbart gewesen sei, dass der Scheck bei der Beklagten nur hinterlegt werde, um für die kurzfristige Sicherung eines geplanten Geschäfts zu dienen; das Geschäft sei aber nicht zustandegekommen, weshalb der Scheck entsprechend der Vereinbarung an die Klägerin hätte zurückgegeben werden müssen. Die vom Rekursgericht bei der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage wiedergegebenen Rechtssätze sind durch die von ihm zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum LGVÜ gedeckt. Aus der Begründung des Rekursgerichtes ergibt sich die Zulässigkeit des Rechtsmittels somit nicht.
Aber auch im Revisionsrekurs, der sich auf die Gerichtsstände nach Art. 5 Z 1 und 3 LGVÜ stützt, wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs. 1 ZPO aufgezeigt:
Art. 5 Z 3 LGVÜ bezieht sich auf alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird, die nicht an einen „Vertrag“ im Sinne des Art. 5 Z 1 LGVÜ anknüpft. Unter den Begriff der „unerlaubten Handlung“, der ebenso wie der in Art. 5 Z 1 LGVÜ festgelegte Begriff des Vertrages autonom bestimmt werden muss, fallen zB Straßenverkehrsunfälle, Umweltbeeinträchtigungen, Schädigung durch fehlerhafte Produkte, Kartellverstöße, unlauterer Wettbewerb, Verletzung von Imaterialgüterrechten udgl. Die vertraglichen Beziehungen bilden die Grenze; Klagen, die auf Verletzung von vertraglichen Pflichten gestützt werden, fallen nicht unter Art. 5 Nr. 3 LGVÜ (7 Ob 375/97s = JBl 1998, 515; 7 Ob 132/00p; RIS-Justiz RS0109739; vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht6 Art. 5 Rn. 56 f; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Art. 5 Rn. 146 f, 161 mwN). Für die aus einer Vertragsverletzung abgeleitete Klagsforderung kann nach dieser Rechtsprechung der Gerichtsstand gemäß Art. 5 Z 3 LGVÜ somit nicht gegeben sein.
Zu Art. 5 Z 1 LGVÜ wurde bereits ausgesprochen, dass zu den Verpflichtungen aus einem Vertrag nicht nur die unmittelbaren vertraglichen Pflichten, sondern auch Schadenersatz- oder Rückerstattungsansprüche gehören, die an die Stelle einer nicht erfüllten vertraglichen Verbindlichkeit treten (7 Ob 375/97s = JBl 1998, 515). Die Klage kann nur an dem Ort eingebracht werden, an dem die konkret eingeklagte Leistung zu erfüllen war oder zu erfüllen gewesen wäre (4 Ob 233/97m = SZ 70/176 = EvBl 1998/33; 2 Ob 251/98w mwN; RIS-Justiz RS0108474). Den Gegenstand der vorliegenden Klage bildet die nach dem Klagsvorbringen von der Beklagten verletzte Vertragspflicht, einen bei ihr sicherungsweise hinterlegten Scheck entsprechend der getroffenen Vereinbarung nicht einzulösen, sondern an die Klägerin zurückzugeben. Dass hiefür ein Erfüllungsort vereinbart worden wäre, wurde in erster Instanz – entgegen der Darstellung im Rechtsmittel – nicht behauptet. Der Erfüllungsort bestimmt sich dann nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts maßgebend ist (RIS-Justiz RS0108474, RS0110434, RS0110700). Eine abschließende Beurteilung nach österreichischem Kollisionsrecht kann hier unterbleiben, weil nicht erkennbar ist, dass irgendeine der in Betracht kommenden Rechtsordnungen für die vertragliche Scheckrückstellungsverpflichtung eines Schweizer Schuldners an einen liechtensteinischen Gläubiger einen gesetzlichen Erfüllungsort in Österreich vorsehen würde. Der Ort der Scheckeinlösung, den die Rechtsmittelwerberin im Auge hat, hat mit dem Erfüllungsort für die vereinbarungsgemäße Scheckrückgabe nichts zu tun.
Da es somit der Lösung einer erheblichen, nicht schon anhand der vorhandenen Judikatur des Obersten Gerichtshofs ohne weiters zu beantwortenden Rechtsfrage nicht bedurfte, war der Revisionsrekurs – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts – als unzulässig zurückzuweisen.