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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin mit Sitz in Wien (AT) verklagte in Wien den in Deutschland ansässigen Beklagten auf Zahlungen aus einem Leasingvertrag. In einer Zusatzvereinbarung zu dem Leasingvertrag hatten die Parteien die Anwendbarkeit österreichischen Rechts und die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte vereinbart. Nach den vereinbarten Allgemeinen Leasingbedingungen lag der Erfüllungsort des Vertrages in Wien. Das angerufene Gericht legte den Rechtsstreit dem OGH (AT) zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vor.
Der OGH stellt fest, dass das angerufene Gericht in Wien nach dem Sachverhalt örtlich zuständig sei. Gemäß der geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung iSv. Art. 23 Abs. 1 Brüssel I-VO seien die österreichischen Gerichte international zuständig. Sei die internationale Zuständigkeit nach der Brüssel I-VO zu bejahen, werde darin die örtliche Zuständigkeit jedoch nicht geregelt, so finde das innerstaatliche Recht ergänzend Anwendung. Die Parteien haben nach dem vorgetragenen und urkundlich nachgewiesenen Sachverhalt Wien als vertraglichen Erfüllungsort vereinbart. Hier liege somit der Gerichtstand des Erfüllungsorts iSv. § 88 Abs. 1 JN (Jurisdiktionsnorm, österreichisches Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen).
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin, ein Leasingunternehmen mit Sitz in Wien, begehrt mit ihrer beim Handelsgericht Wien am 10. 11. 2003 eingebrachten Klage 44.613,80 EUR als restliche Zahlung nach vorzeitiger Auflösung des mit dem Beklagten abgeschlossenen Leasingvertrags. Der Beklagte sei Taxiunternehmer in Deutschland und betreibe seinen Gewerbebetrieb (Beförderung von Personen zu Lande) in Form einer Anstalt. Im Rahmen seines Unternehmens habe der Beklagte bei der Klägerin eine Segelyacht geleast, um sie an seine Kunden weitervermieten zu können. Zugleich mit dem Leasingvertrag hätten die Streitteile eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen, nach welcher auf das gegenständliche Rechtsverhältnis ausschließlich österreichisches Recht anzuwenden sei; die Vertragsparteien hätten darüber hinaus erklärt, sich bei allfälligen Streitigkeiten der österreichischen Gerichtsbarkeit und deren Vollzug zu unterwerfen. Diese wirksame Zuständigkeitsvereinbarung begründe die ausschließliche Gerichtszuständigkeit von Österreich. Nach den vereinbarten Allgemeinen Leasingbedingungen sei Wien Erfüllungsort des Vertrags. Die Klägerin stellte für den Fall, dass sich das angerufene Gericht für örtlich unzuständig erachte, einen Ordinationsantrag gem § 28 JN an den Obersten Gerichtshof.
Das Handelsgericht Wien legte den Akt – ohne förmliche Entscheidung über seine Zuständigkeit – dem Obersten Gerichtshof „gemäß § 28 JN“ vor.
Die Voraussetzungen zur Entscheidung über einen Ordinationsantrag liegen nicht vor.
Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinne der ZPO oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, vorausgesetzt, dass Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet, oder die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof setzt daher unter anderem voraus, dass sowohl die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist (4 Nd 513/96 = SZ 69/227).
Die amtswegige Zuständigkeitsprüfung erfolgt in bürgerlichen Streitsachen auf Grund der Angaben des Klägers in der Klage, sofern diese dem Gericht nicht bereits als unrichtig bekannt sind (§ 41 Abs. 2 JN).
Nach dem von der Klägerin behaupteten Sachverhalt liegt inländische Gerichtsbarkeit im Hinblick auf die von den Streitteilen schriftlich abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung vor (Art. 23 Abs. 1 EuGVVO). Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung genügt es für die Anwendung dieser (am 1. 3. 2002 in Kraft getretenen – vgl Mayr/Czernich, Das neue europäische Zivilprozessrecht, 47) Verordnung, dass mindestens eine der Parteien ihren (Wohn)Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats (der EU) hat und dass die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats für eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder für eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit vereinbart wurde (1 Ob 240/02d). Sowohl nach dem Vorbringen als auch nach dem Bild der von der Klägerin vorgelegten Urkunden (./A: Leasingvertrag/Antrag für Unternehmer; Der LN erklärt, dass dieses Rechtsgeschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört; firmenmäßige Zeichnung durch den Beklagten als Taxiunternehmen) liegt kein Verbrauchervertrag (Art. 17 iVm Art. 23 Abs. 5 EuGVVO) vor.
Ist die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) nach der EuGVVO zu bejahen, wird darin die örtliche Zuständigkeit jedoch nicht geregelt, findet das innerstaatliche Recht ergänzend Anwendung (zum EuGVÜ vgl 4 Nd 513/96 = SZ 69/227 mwN). Nach dem behaupteten Sachverhalt haben die Vertragsparteien Wien als vertraglichen Erfüllungsort vereinbart; die entsprechende Urkunde (Beil./A Seite 2 § 7 Punkt 8.) hat die Klägerin auch vorgelegt und damit den Gerichtsstand des Erfüllungsorts auch urkundlich nachgewiesen (§ 88 Abs. 1 JN).
Fehlt es damit nach den Angaben in der Klage weder an der inländischen Gerichtsbarkeit, noch an der örtlichen Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts, bleibt für einen Ordinationsantrag kein Raum.
Der Akt ist dem nach dem Vorbringen zuständigen Handelsgericht Wien zur Fortführung des Verfahrens zurückzustellen.