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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger ist ein nichteheliches Kind. Sein Wohnsitz liegt in Deutschland. Mit Urteil des für den Wohnsitz des Vaters zuständigen Amtsgerichts Laufen (AT) wurde dessen Vaterschaft festgestellt. Zugleich verurteilte das Gericht den Vater zur Zahlung von Kindesunterhalt. Da die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Vater nicht durchgesetzt werden konnte, beantragte das in Unterhaltsangelegenheiten für die Vertretung des Kindes zuständige Stadtjugendamt Salzburg (AT) namens des Kindes bei dem hierfür zuständigen Leistungsträger die Gewährung von Unterhaltsvorschuss. Gegen die Zurückweisung des Antrags erhob das Stadtjugendamt namens des Kindes Klage. Das Bezirksgericht Salzburg wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurück. Der Minderjährige legte Rechtsmittel ein.
Das LG Salzburg weist das Rechtsmittel zurück. Es legt dar, die Brüssel I-VO regele in Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO die internationale Zuständigkeit für Klageverfahren zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltsverpflichteten. Für Verfahren über Ansprüche auf Unterhaltsvorschuss gelte Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO jedoch nicht. Hier müsse die internationale Zuständigkeit vielmehr anderweitig angeknüpft werden. Da der Wohnsitz des Minderjährigen in Deutschland liege, lasse sich nach den insoweit anwendbaren Regeln des österreichischen Rechts die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nicht begründen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Der mj. … geboren am … ist das uneheliche Kind von … und … dessen Vaterschaft durch Urteil vom festgestellt wurde (AS 37 f).
Der Minderjährige ist – wie seine Mutter – deutscher Staatsbürger und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. In Unterhaltsangelegenheiten wird er durch das Kreisjugendamt Berchtesgadener Land vertreten, welches in dieser Sache – auch dazu, Leistungen nach dem UVG zu beantragen – das Stadtjugendamt Salzburg bevollmächtigt hat (AS 23 f).
Der Wohnsitz des Vaters, der Österreicher ist, liegt im Inland. Er ist auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichtes Laufen vom 31.5.2001, 050 FH 00071/00, verpflichtet, einen Kindesunterhalt von derzeit EUR 176,40 im Monat zu leisten (AS 7 ff).
Auf Grund dieses Titels beantragte das Stadtjugendamt Salzburg namens des Kindes am 31.1.2003 die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich EUR 65,40 mit der Begründung dass die geführte Exekution auf das Arbeitseinkommen, auch unter Anrechnung hereingebrachter Rückstände auf den laufenden Unterhalt, diesen für die letzten sechs Monate vor Antragstellung nicht gedeckt habe. Dem Minderjährigen sei in Deutschland für die Zeit vom 1.1.2002 bis 31.10.2003 ein monatlicher Unterhaltsvorschuss von EUR 111,‑ gewährt worden. Da der Minderjährige nach den EuGH-Entscheidungen auch in Österreich Anspruch auf Unterhaltsvorschuss habe, werde hier die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen im Ausmaß der Differenz zwischen den in Deutschland geleisteten Vorschüssen von monatlich EUR 111,‑ und der titulierten Geldunterhaltspflicht von monatlich EUR 176,40, daher monatlich EUR 65,40, begehrt (vgl. AS 3 f).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Kindes auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG mit der Begründung zurück, dass in diesem Fall die inländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei, weil der Minderjährige deutscher Staatsbürger sei und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Kindes mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass seinem Antrag vom 31.1.2003 auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen stattgegeben werde.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Über die Gewährung von Vorschüssen – auf den gesetzlichen Unterhalt minderjähriger Kinder durch den Bund – hat das Pflegschaftsgericht (§ 109 JN) im Verfahren Außerstreitsachen zu entscheiden (§ 110 iVm § 1 UVG).
Voraussetzung für das Tätigwerden eines inländischen Gerichtes ist das Vorliegen von inländischer Gerichtsbarkeit, welche dann gegeben ist, wenn sie durch Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts oder durch Staatsverträge positiv angeordnet ist (Matscher in Fasching² I, Art. IX EGJN, Rn. 8).
Für die in § 109 JN angeführten (außerstreitigen) Angelegenheiten regelt § 110 JN die inländische Gerichtsbarkeit; nach dieser Bestimmung ist die inländische Gerichtsbarkeit immer dann gegeben, wenn es sich beim Minderjährigen – oder sonstigen Pflegebefohlenen – um einen österreichischen Staatsbürger handelt.(Z 1) oder wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat (Z 2). Fehlen sowohl österreichische Staatsangehörigkeit als auch gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich, so besteht grundsätzlich keine inländische Gerichtsbarkeit, es sei denn, es handelt sich a) um eine dringende Maßnahme, die aber zumindest den Aufenthalt des Minderjährigen im Inland voraussetzt (Z 2 a E), oder b) um eine Maßnahme, die in Österreich befindliches Vermögen des Minderjährigen betrifft (Z 3).
Keiner dieser Anknüpfungspunkte ist im vorliegenden Fall gegeben.
Auch in bi- und multilateralen Abkommen finden sich – soweit überblickbar – keine Sondervorschriften, die eine staatsvertragliche Verpflichtung Österreichs zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Unterhaltsvorschusssachen für Minderjährige, die weder österreichische Staatsbürger sind noch einen (gewöhnlichen) Aufenthalt in Österreich haben, statuieren würden. Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-Verordnung) regelt die inländische Gerichtsbarkeit für das Erkenntnis- und Provisorialverfahren (vgl. Matscher aaO, Rn. 336), und zwar auch zwischen Unterhaltspflichtigen und Unterhaltsberechtigten (vgl. Art. 5 Z 2), wozu aber das Unterhaltsvorschussverfahren nicht gezählt werden kann.
Da die inländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben ist, hat das Erstgericht den Antrag des Kindes zu Recht zurückgewiesen. Ob die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG in diesem Fall vorliegen, ist deshalb nicht zu prüfen.
Der Auffassung des Rekurswerbers, dass diesbezüglich eine Gesetzeslücke vorliegt, kann nicht beigepflichtet werden.
Aus diesen Gründen war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen und der angefochtene Beschluss zu bestätigen.
Der Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil zu den vom Rekurswerber relevierten Fragen, denen die Qualifikation des § 14 Abs. 1 AußStrG zukommt, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt.