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Zusammenfassung der Entscheidung Der Kläger erhob vor dem Bezirksgericht Bludenz (AT) Klage gegen den in Deutschland wohnhaften Beklagten, mit der er Nutzungsentschädigung für die fortdauernde Nutzung eines ihm gehörenden Ferienhauses verlangte. Er trug vor, er habe das Ferienhaus an den Beklagten vermietet. Die zuständige Behörde habe jedoch rechtskräftig die nach österreichischem Recht für die Wirksamkeit des Mietvertrages erforderliche Genehmigung verweigert. Dennoch sei der Beklagte nicht aus dem Ferienhaus ausgezogen und verweigere seit mehreren Jahren die Rückgabe. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nahm der Kläger Bezug auf Art. 16 Nr. 1 LugÜ. Sowohl das Bezirksgericht als auch das Landesgericht Feldkirch (AT) als Rekursgericht wiesen die Klage wegen Unzuständigkeit ab. Der Kläger legte Revisionsrekurs zum OGH (AT) ein.
Der OGH weist den Revisionsrekurs zurück. Er verweist auf die Begründung des Rekursgerichts. Dieses hatte ausgeführt, nach der zur Auslegung des LugÜ heranzuziehenden Rechtsprechung des EuGH zu Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ könne diese Vorschrift nicht weiter als zur Erreichung der mit ihr verfolgten Zielsetzung ausgelegt werden. Die ausschließliche Zuständigkeit für Mietsachen des Art. 16 Nr. 1 LugÜ sei deshalb zwar auf Rechtsstreitigkeiten über die mietvertraglichen Rechte und Pflichten von Mieter und Vermieter anzuwenden. Wie der EuGH in der Entscheidung 09.04.1994 - C-292 - Lieber/Göbel entschieden habe, scheide jedoch eine Ausweitung des Gerichtsstands des Art. 16 Nr. 1 LugÜ auf mietähnliche Ansprüche bei Fehlen eines Mietverhältnisses aus. Diese Begründung des Rekursgerichts sei richtig. Der OGH fügt hinzu, dass der von den Parteien beabsichtigte Mietvertrag mangels behördlicher Genehmigung von Anfang an nichtig gewesen sei. Ein Rückgriff auf den Gerichtsstand des Art. 16 Nr. 1 LugÜ müsse folglich für die gesamte Rechtsbeziehung zwischen den Parteien ausscheiden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Mit der am 30.7.1997 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger vom in Deutschland wohnhaften Beklagten Zahlung von S 78.000 sA. Er brachte vor, daß ein in seinem Eigentum stehendes Vorarlberger Ferienhaus an den Beklagten vermietet gewesen sei. Mit Bescheid vom 2.8.1993 sei die für das Bestandverhältnis notwendige grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt worden. Die vom Beklagten hiergegen erhobene Berufung sei vom Grundverkehrssenat mit Bescheid vom 18.3.1994 abgewiesen worden. Spätestens seit 18.3.1994 sei daher der für das Ferienhaus abgeschlossene Bestandvertrag rechtsunwirksam. Der Beklagte sei rechtskräftig zur Räumung des Ferienhauses verurteilt worden. Die vom Kläger beantragte Räumungsexekution sei bewilligt, jedoch noch nicht vollzogen worden, weshalb der Beklagte das Ferienhaus seit 1.4.1994 ohne Rechtstitel benutze. Der Beklagte habe für die Benützung des Ferienhauses ein angemessenes Benützungsentgelt in der Höhe von S 2.000 monatlich zu bezahlen. Er schulde daher dem Kläger für den Zeitraum vom 1.4.1994 bis 30.6.1997 ein Benützungsentgelt in der Höhe von S 78.000.
Der Beklagte erhob Einspruch gegen den vom Erstgericht erlassenen Zahlungsbefehl und wendete die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein, weil nach Art. 2 LGVÜ Klagen grundsätzlich bei einem Gericht jenes Staates, in welchem der Beklagte seinen Wohnsitz habe, erhoben werden müßten.
Das Erstgericht wies die Klage in der Tagsatzung vom 28.11.1997 wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Der Beklagte habe seinen Wohnsitz in Deutschland; eine Zuständigkeit des Erstgerichts sei wegen der anzuwendenden Bestimmungen des LGVÜ nicht begründet. Da selbst vom Kläger die titellose Benützung des Ferienhauses behauptet werde und weder ein Miet- noch ein Pachtverhältnis vorliege, könne die Zuständigkeit des Erstgerichts auch nicht auf den ausschließlichen Gerichtsstand des Art. 16 Nr. 1 lit. a LGVÜ gestützt werden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte folgendes aus:
Nach der Grundregel des Art. 2 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Luganer Übereinkommen – LGVÜ) habe der Kläger den Beklagten in dessen (Wohn )Sitzstaat zu klagen. Sei diese inländische Gerichtsbarkeit gegeben, sei die konkrete örtliche Zuständigkeit nach nationalem Verfahrensrecht zu ermitteln. Vor anderen Gerichten als denen seines Wohnsitzstaates könne der Beklagte, der innerhalb eines Vertragsstaates wohne, nur dann geklagt werden, wenn eine besondere Zuständigkeit nach Art. 5 bis 18 LGVÜ bestehe. Ein solcher besonderer (ausschließlicher) Gerichtsstand sei jener des Art. 16 Nr. 1 lit. a LGVÜ. Danach seien für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand hätten, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich die Gerichte des Vertragsstaats zuständig, in dem die unbewegliche Sache gelegen sei. Diese Zuständigkeitsnorm entspreche im wesentlichen den Gerichtsständen der §§ 81, 83 und 91 JN.
Für die Auslegung des Art. 16 Nr. 1 lit. a LGVÜ sei es ohne Relevanz, ob § 83 JN auch auf Klagen auf Bezahlung eines Benützungsentgelts anzuwenden sei. Denn das LGVÜ verdränge das nationale Zuständigkeitsrecht vollständig, wenn es auf einen Sachverhalt anzuwenden sei. Auch wo das LGVÜ eine Regelungslücke hinterlasse, dürfe zu deren Füllung nicht nationales Recht herangezogen werden. Vielmehr sei diese durch Interpretation des LGVÜ zu schließen (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht5, vor Art. 2 Rn. 15 – 17). Das LGVÜ schaffe ebenso wie das Brüssler Gerichtszuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen (EuGVÜ) eine geschlossene europäische Zuständigkeitsordnung.
Der EuGH nehme aufgrund des Charakters des Art. 16 LGVÜ als einer ausschließlichen und nicht nur konkurrierenden Zuständigkeitsnorm eine enge Auslegung vor. Danach dürfe Art. 16 LGVÜ nicht weiter ausgelegt werden, als dies sein Ziel erforderlich mache. Denn der Umstand, daß im Interesse eines sachgerechten Rechtsschutzes eine ausschließliche Zuständigkeit gewährt werde, habe zur Folge, daß den Parteien die ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstandes genommen werde und sie in gewissen Fällen vor einem Gericht zu verklagen seien, das für keinen von ihnen das Gericht des Wohnsitzes ist (EuGH 14.12.1977, Rs 73/77 Sanders/van der Putte; EuGH 10.11.1990, Rs C-115/88, Reichert/Dresdner Bank I; EuGH 9.6.1994, Rs C-292/93, Lieber/Göbel; Kropholler aaO Art. 16 Rn. 24). Nach der Rechtsprechung des EuGH finde Art. 16 Nr. 1 lit. a zwar auf alle Rechtsstreitigkeiten Anwendung, die die Verpflichtungen des Mieters und des Vermieters betreffen, wie jene, die sich auf das Bestehen oder die Auslegung von Mietverträgen, deren Dauer, die Wiedereinräumung des Besitzes der Mietsache an den Vermieter, den Ersatz für vom Mieter verursachte Schäden oder die Einziehung des Mietzinses oder der vom Mieter zu zahlenden Nebenkosten, wie der Kosten für Wasser-, Gas- und Stromverbrauch, beziehen (EuGH 14.1.1985, Rs 241/83, Rösler/Rottwinkel). Bestehe dagegen kein Miet- oder Pachtverhältnis, so verbiete sich eine erweiterte Anwendung dieser Zuständigkeitsnorm, selbst wenn der Rechtsstreit teilweise ähnliche Fragen über das Vorliegen eines Miet- oder Pachtvertrages treffe (Kropholler aaO Art. 16 Rn. 27). Denn bei Fehlen eines Mietverhältnisses, das besonderen, teilweise zwingenden Rechtsvorschriften des Staates unterliege, in dem das Mietobjekt gelegen sei, lägen die Gründe, die es rechtfertigten, durch die genannte Bestimmung den Gerichten dieses Staates die ausschließliche Zuständigkeit auf dem Gebiet der Miete und Pacht zu übertragen, und die sich aus der Komplexität dieses Verhältnisses sowie dem Interesse des Staates der gelegenen Sache an der Einhaltung dieser Bestimmungen ergäben, nicht vor. Mit dieser Begründung habe der EuGH die Anwendung des Art. 16 Nr. 1 lit. a LGVÜ auf eine Klage auf Nutzungsentschädigung nach nichtiger Eigentumsübertragung verneint (EuGH 9.4.1994, Rs C 292/93, Lieber/Göbel).
Diese Grundsätze seien auch auf den gegenständlichen Fall anwendbar. Der Kläger leite seinen Klagsanspruch aus seinem Entgeltanspruch auf Grund titelloser Benutzung des in seinem Eigentum stehenden Ferienhauses ab. Das Vorliegen eines Miet- und Pachtvertrages werde von ihm in seinem Vorbringen ausdrücklich verneint. Ein dingliches Recht an der unbeweglichen Sache werde nicht geltend gemacht und lasse sich den Klagsangaben auch nicht entnehmen. Die Zuständigkeit des Erstgerichtes könne daher nicht auf den ausschließlichen Gerichtsstand des Art. 16 Nr. 1 lit. a LGVÜ gegründet werden.
Da der Beklagte in Deutschland seinen Wohnsitz habe, eine Zuständigkeit des Erstgerichts sich aus dem LGVÜ nicht ergebe und der Beklagte die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts rechtzeitig gerügt habe, habe das Erstgericht zu Recht die Klage nach Art. 20 LGVÜ wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückgewiesen.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei gemäß § 528 Abs. 1 ZPO zuzulassen gewesen, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung des Art. 16 Nr. 1 lit. a LGVÜ vorliege und die Rechtsfrage über den konkreten Fall hinaus für gleichgelagerte Fälle von Bedeutung sei.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Unzuständigkeitseinrede abgewiesen und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen werde.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen, und hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die gegenständliche Zuständigkeitsnorm sei auch nach Beendigung eines Mietverhältnisses noch anzuwenden.
Der erkennende Senat hält allerdings die Begründung der Rekursentscheidung für zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs. 3 zweiter Satz ZPO idF der WGN 1997). Dem Rechtsmittelwerber ist noch folgendes entgegenzuhalten:
Die Rechtsansicht des Rekursgerichts ist durch die in seinem Beschluß zitierte Rechtsprechung des EuGH gedeckt. Insbesondere die Entscheidung vom 9.6.1994, Rs C-292/93, Lieber/Göbel = Slg 1994 I 2535 = ZER 1995/96 betrifft den vergleichbaren Fall einer Klage auf Entschädigung für gezogene Nutzungen einer Wohnung nach festgestellter Nichtigkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts (dort: Eigentumsübertragung; hier: Mietvertrag); eine solche Klage fällt nicht unter Art. 16 Nr. 1 LGVÜ. Soweit der Kläger von einer Auflösung, einer Beendigung und einem Nichtigwerden des Mietvertrages spricht, ist er darauf hinzuweisen, daß der Mietvertrag mangels grundverkehrsbehördlicher Genehmigung nie wirksam wurde; vielmehr steht im Hinblick auf die rechtskräftige Versagung der Genehmigung fest, daß er ex tunc rechtsunwirksam ist (vgl. Apathy in Schwimann2 § 897 ABGB Rn. 8 f, 11 mwN).
Zusammenfassend ergibt sich, daß eine Klage auf Zahlung eines Benützungsentgelts wegen titelloser Benützung einer Wohnung jedenfalls dann nicht im Sinne des Art. 16 Nr. 1 lit. a LGVÜ die Miete von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand hat, wenn ein Mietvertrag nie wirksam zustandegekommen ist.
Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.