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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin, die in München ein Hotel betreibt, verfügt über Ausstellungsräumlichkeiten, in denen sie Kunstaustellungen und andere kulturelle Veranstaltungen durchführt. Sie überließ der Beklagten, deren Sitz in Wien (AT) liegt, in einem von den Parteien als "Mietvereinbarung" bezeichneten Vertrag für einen Zeitraum von knapp zwei Monaten Ausstellungsflächen für eine von der Beklagten geplante Kunstausstellung. Die Miete sollte jeweils zum Monatsbeginn fällig werden. Der Vertrag regelte auch die Verrechnung von Strom-, Heizungs- und Nebenkosten sowie von Telefonkosten. Darüber hinaus sicherte die Klägerin die Unterstützung durch ihre PR-Abteilung und verschiedene Werbemaßnahmen zu. Die Klägerin erhob gegen die Beklagte Zahlungsklage vor dem Bezirksgericht für Handelssachen Wien (AT). Die Beklagte rügte die internationale Unzuständigkeit des Gerichts. Sie verwies darauf, dass gemäß Art. 16 Nr. 1 LugÜ die Gerichte in München ausschließlich zuständig seien, da es sich um eine Mietsache handele. Die Instanzgerichte erklärten sich für unzuständig. Die Klägerin legte Revisisonrekurs zum OGH (AT) ein.
Der OGH (AT) weist das Rechtsmittel zurück und bestätigt die Entscheidung des Rekursgerichts. Für Ansprüche aus einem Mietvertrag über unbewegliche Sachen seien die Gerichte am Belegenheitsort des vermieteten Grundstücks gemäß Art. 16 Nr. 1 lit. a LugÜ ausschließlich zuständig. Auf die Dauer des Mietvertrages komme es nicht an. Art. 16 Nr. 1 gelange auch auf kurzfristige Mietverträge oder Gebrauchsüberlassungen zur Anwendung. Diese Zuständigkeit erfasse auch Streitigkeiten über die vom Mieter zu tragenden Nebenkosten. Bei gemischten Verträgen entscheide der überwiegende den Vertrag prägende Charakter der Vereinbarung. Die Beurteilung, inwieweit in dem zu entscheidenden Rechtsstreit der Mietcharakter für den gesamten Vertrag prägend sei, sei Sache der konkreten Ausgestaltung des Vertrages. Die Entscheidung des Rekursgerichts sei insoweit nicht zu beanstanden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Klägerin betreibt ein Hotel in München und verfügt über Ausstellungsräumlichkeiten, in denen Kunstausstellungen und andere Veranstaltungen im kulturellen Bereich durchgeführt werden können. Die in Wien wohnhafte Beklagte wollte eine Verkaufsausstellung mit Exponaten von Picasso und Salvatore Dali durchführen. Am 15. 11. 1996 unterfertigte die Beklagte einen von der Klägerin formulierten und als „Mietvereinbarung“ bezeichneten Vertrag. Sein Gegenstand war die Anmietung von 220 m² zu Ausstellungszwecken in der Zeit vom 8. 1. bis 28. 2. 1997 zu einem Preis von insgesamt 21.300 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die auf die Mietdauer entfallende Miete sollte jeweils zu Monatsbeginn fällig werden. Der Vertrag regelte auch die Verrechnung der Strom-, Heizungs- und Nebenkosten sowie der Telefoneinheiten. Da die Beklagte Bedenken wegen des hohen Preises hatte, sicherte die Klägerin Unterstützung durch ihre PR-Abteilung zu und stellte in Aussicht, die von der Beklagten erstellten Broschüren in ihrem Haus aufzulegen. Für ein in Aussicht genommenes „Mailing“ stellte die Klägerin 392 Adressen aus ihrer Kundenkartei zur Verfügung.
In ihrer am 21. 1. 1998 beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eingebrachten Klage führte die Klägerin aus, der Klagebetrag hafte für Werklohn/Honorar aus. Die Beklagte habe eine Galerie im Hotel der Klägerin zu Ausstellungszwecken reserviert und diverse Werbemaßnahmen beauftragt.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein, das angerufene Gericht sei unheilbar unzuständig, weil nach Art. 16 des Abkommens von Lugano das Gericht der gelegenen Sache ausschließlich zuständig sei. In der Sache selbst wendete sie diverse Mängel des Bestandobjektes wie Wasserschäden ein und begehrte Mietzinsminderung.
Nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens sprach das Erstgericht seine Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt vertrat es die Auffassung, dem Rechtsstreit liege ein Mietvertrag zugrunde. Die über den Mietzins hinausgehenden, von der Klägerin zu erbringenden Leistungen wie Mailing, Unterstützung durch Werbung und Auflegen von Prospekten fielen demgegenüber nicht ins Gewicht. Die vorliegende Klage sei somit Art. 16 Z 1 lit. a LGVÜ zu unterstellen. Danach seien die Gerichte jenes Staates ausschließlich zuständig, in dem sich die unbewegliche, in Bestand gegebene Sache befinde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge. Art. 16 Z 1 lit. a LGVÜ räume den Gerichten des Vertragsstaates der gelegenen (unbeweglichen) Sache die ausschließliche Zuständigkeit für Streitigkeiten aus der Erwägung ein, Miete und Pacht seien im Allgemeinen durch besondere Rechtsvorschriften geregelt, deren Anwendung namentlich wegen ihrer Kompliziertheit den Gerichten jenes Landes überlassen bleiben sollte, in dem sie gelten. Das Mietverhältnis umfasse neben der Pflicht, den Mietzins zu entrichten, eine Reihe weiterer Rechte und Pflichten, deren Durchsetzung gleichfalls in die ausschließliche Zuständigkeit des Art. 16 Z 1 lit. a leg cit falle. Für die Frage der Zuständigkeit bei gemischten Verträgen sei der überwiegende Vertragscharakter entscheidend. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass sämtliche Nebenleistungen zur Vermietung der Ausstellungsräumlichkeiten einem die Abwicklung dieses Mietverhältnisses fördernden Zweck gedient hätten und somit gerade nicht eigenständige, den Mietcharakter überwiegende Hauptgegenstände vertraglicher Art darstellten.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anwendbarkeit des Art. 16 Z 1 lit. a LGVÜ auf Mietverträge wie den vorliegenden fehle.
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichtes liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs. 1 ZPO nicht vor:
Nach Art. 19 des auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Übereinkommens von Lugano hat das angerufene Gericht eines Vertragsstaats seine Zuständigkeit von Amts wegen und unabhängig davon, ob sich der Beklagte in den Streit eingelassen hat, zu prüfen und – sollte das Gericht eines anderen Vertragsstaates aufgrund des Art. 16 leg cit ausschließlich zuständig sein – sich für unzuständig zu erklären (und die Klage zurückzuweisen). Gemäß Art. 16 Z 1 lit. a LGVÜ sind für Klagen, die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaates ausschließlich zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Der EuGH wendet diese Bestimmung auf alle Rechtsstreitigkeiten an, welche die sich aus dem Mietvertrag (über unbewegliche Sachen) ergebenden jeweiligen Verpflichtungen des Vermieters oder Mieters betreffen, somit auch auf reine Mietzinsklagen (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Rn. 15 zu Art. 16; dies. Liegenschaftsstreitigkeiten mit Auslandsbezug WoBl 1999, 255 ff. [60], Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht6 Rn. 25 zu Art. 16; EuGH vom 15. 1. 1985 – 241/83 – Rössler/Rottwinkel). Er zählt dazu auch Streitigkeiten über die vom Mieter zu tragenden Nebenkosten wie Kosten für Wasser, Gas oder Strom (EuGH 15. 1. 1985 – 241/83 – Rössler/Rottwinkel). Auf die Dauer des Mietverhältnisses kommt es dabei nicht an, Art. 16 Z 1 lit. a LGVÜ ist auch auf kurzfristige Mietverträge oder Gebrauchsüberlassungsverträge anzuwenden (Kropholler aaO Rn. 29 zu Art. 16; Czernich/Tiefenthaler aaO Rn. 19 zu Art. 16). Bei gemischten Verträgen entscheidet der überwiegende, den Vertrag prägende Charakter der Vereinbarung (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Rn. 111 zu Art. 16).
Im vorliegenden Fall ist daher entscheidungswesentlich, ob der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag, dessen Erfüllung die Klägerin begehrt, zumindest nach seinem überwiegenden Charakter als Bestandvertrag anzusehen ist. Es handelt sich dabei um eine Frage der Auslegung nach den Umständen des Einzelfalles, der – Vertretbarkeit der Auslegung durch die Vorinstanzen vorausgesetzt – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Das Rekursgericht hat diese entscheidungswesentliche Frage unter Berücksichtigung der konkreten Vertragsgestaltung bejaht. Seine Auffassung stellt angesichts der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen keine als erhebliche Rechtsfrage aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Ob aber im Einzelfall vereinbarte Nebenleistungen zur Miete wie Catering, Mailing oder Auflegen von Broschüren den Charakter des Bestandvertrages soweit beeinflussen, dass nicht mehr der Mietvertrag selbst, sondern die genannten Dienstleistungen im Vordergrund stehen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, dem keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage ist der ordentliche Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen.